21 Mit vielen Überredungen hat sie ihn verleitet,
mit ihren glatten Lippen verführt sie ihn.
22 Er folgt ihr ohne Verzug,
so wie ein Rind zur Schlachtbank läuft
und wie ein Hirsch in die Schlinge geht,
23 bis ein Pfeil ihm die Leber durchbohrt,
wie ein Vogel in die Falle fliegt
und nicht merkt, dass es ihn das Leben kostet.
24 So hört nun auf mich, ihr Söhne,
und gebt acht auf die Worte meines Mundes.
25 Dein Herz biege nicht ab auf ihre Wege,
verirre dich nicht auf ihren Strassen.
26 Denn viele sind umgekommen, die sie zu Fall gebracht hat,
und unzählige hat sie getötet.
27 Ihr Haus ist der Weg ins Totenreich,
hinab zu den Kammern des Todes. (Sprüche 7,8-27 nach der Zürcher)

Der Mann, der in die Falle der Sünde geht, wird mit einigen Vergleichen aus dem Tierreich beschrieben: Er gleicht einem Rind, das geschlachtet wird und einem Hirsch oder Vogel der gefangen wird. Allen drei Beispielen ist gemeinsam, dass das betreffende Tier nicht weiß, was ihm geschieht; es geht ahnungslos in die Falle. Das ist auch die Botschaft, die transportiert werden soll: Wir sind nicht ahungslos wie die Tiere sondern können wissen, was geschieht. Wer ahnungslos mit Versuchung umgeht lebt gefährlich; das einzige Mittel dagegen ist Aufklärung, die Wissen schafft.
Ich mag dieses Thema sehr, weil es mir persönlich und in meinen Seminaren immer wichtig ist, Bewusstsein zu schaffen. Wir sollten wissen, was wir tun. Ob wir uns dann immer richtig entscheiden ist eine ganz andere Frage, aber mindestens sollten wir bewusst leben und uns nicht hinterher billig herausreden können weil wir „es nicht wussten“.
So wird ab Vers 24 die Medizin für das falsche Verhalten verabreicht: Der Lehrer erklärt, was passiert, wenn man auf den falschen Weg geht und warnt eindringlich davor.
Dieses pädagogische Mittel hilft schon in kleinen Dingen des Alltags: Wenn ich richtig Hunger auf fastfood habe stelle ich mir vor, wie eklig es sich anfühlt, das ganze Fett im Mund zu haben, das in Burgern ist – meist hält es mich davon ab, einen Burger zu essen wenn ich mir vorstellen kann, wie ich mich nachher fühle…

[systematisch durch die Bibel]

Über die Theologie des neunzehnten Jahrhunderts schrieb Barth:

Es war merkwürdigerweise so, dass ihre Umgebung von der Theologie erst von dem Augenblick an wieder ernstlich, wenn auch etwas unwirsch, Notiz zu nehmen begann, als sie sich unter vorläufigem Verzicht auf alle Apologetik, d.h. auf alle äussere Standortsicherung, wieder strenger auf ihre eigene Sache besinnen oder konzentrieren wollte.1

Ich denke, dass das eine ganz natürliche Entwicklung war, die wir auch heute beobachten können. Die Theologie hat in Zeiten der Krise die Angewohnheit des Rückzuges entwickelt und versucht, sich dem Zeitgeist anzupassen. In Deutschland bemüht sich speziell die evangelische Kirche um politisch-korrekte Anpassung wobei sie immer mehr von ihren Werten preisgibt und in der Öffentlichkeit kaum mehr als eine geistliche Einrichtung angesehen wird. Wer sich so zurückzieht kann aber auch keine Relevanz für die Lebensfragen der Menschen mehr haben. Kirche funktioniert dann am besten wenn sie sich im Sinne der ekklesia des Neuen Testamentes verhält und mutig das Evangelium verkündigt. Wir sind nicht in erster Linie politisch oder sozial; wir sind geistlich. Alles andere kann dazu kommen, verliert aber seine Würze wenn wir uns nicht mehr um das Eigentliche drehen. Man kann das auch dort beobachten wo Gemeinden sich an Jesus ausrichten und ihren Auftrag leben: Dort werden sie, „wenn auch etwas unwirsch“ wahrgenommen. Wir müssen Gottes Auftrag wahrnehmen ohne uns zu schämen.
Apologetik ist nicht unbedingt schlecht, aber sie darf nicht aus einer Haltung der Minderwertigkeit geschehen, denn die steht dem Christentum schlecht zu Gesicht. John G.Lake nannte den Glauben einen Herausforderer. So sollten auch wir an die Sache herangehen und stolz zu unserem Auftrag und unseren Werten stehen.

[mehr über Karl Barth]

  1. Barth, Karl (1985): Einführung in die evangelische Theologie. 3. Aufl. Zürich: Theolog. Verl, S. 23 []

8 Er ging über die Strasse bei ihrer Ecke
und nahm den Weg zu ihrem Haus,
9 in der Dämmerung, am Abend des Tages,
in der Stunde der Nacht und des Dunkels.
10 Und sieh, da kommt ihm eine Frau entgegen,
gekleidet wie eine Hure und mit listiger Absicht.
11 Unruhig ist sie und zügellos,
zu Hause finden ihre Füsse keine Ruhe.
12 Bald auf der Strasse, bald auf den Plätzen,
und an jeder Ecke lauert sie.
13 Und sie packt ihn und küsst ihn,
mit dreister Miene spricht sie ihn an:
14 Zu Heilsopfern war ich verpflichtet,
heute habe ich meine Gelübde erfüllt.
15 Deshalb bin ich ausgegangen, dir entgegen,
ich wollte dich suchen, und ich habe dich gefunden.
16 Mit Decken habe ich mein Lager bereitet,
mit Tüchern aus ägyptischem Leinen.
17 Mein Bett habe ich besprengt
mit Myrrhe, Aloe und Zimt.
18 Komm, wir wollen uns berauschen an der Liebe bis zum Morgen,
wir wollen schwelgen in Liebeslust.
19 Denn der Mann ist nicht in seinem Haus,
er ist auf Reisen unterwegs, weit weg.
20 Den Geldbeutel hat er mitgenommen,
erst am Tag des Vollmonds kehrt er heim. (Sprüche 7,8-20 nach der Zürcher)

Diese Verse zeichnen ein interessantes Portrait der Verführerin und des Verführten. Die Rollen müssen dabei nicht immer so verteilt sein wie in dem biblischen Beispiel. es wäre auch ohne weiteres denkbar, dass der Mann der Verführer und die Frau die Verführte ist. Es ist seltsam, dass wir uns leicht in die Rollenverteilung dieses Beispiels eindenken können. Der Gedanke, dass Männer beim Ehebruch die eher Passiven sind und die Inititative von der Frau ausgeht, ist natürlich bestenfalls naiv.
Liest man etwas zwischen den Zeilen, muss diese Rollenverteilung auch gar nicht genau so gewesen sein. Was hatte der arme Verführte denn überhaupt mitten in der Nacht am Haus der Fremden zu suchen? Es ist nicht eben ein Zeichen von Charakterstärke oder einem guten Umgang mit Sünde und Versuchung, nachts um ein Haus herumzustrolchen, in dem Ehebruch lauert. Auch wenn ihm die Frau, gekleidet wie eine Hure, entgegengekommen ist, hatte doch er den ersten Schritt – nämlich aus seinem eigenen Haus – gemacht und ist zunächst einmal ihr entgegen gegangen.
Auch die Verführerin ist nicht nur böse. Die Sprüche beschreiben sie als unruhig und zügellos. Sie hatte etwas in sich, dass sie umgetrieben hat. Dieses Gefühl kommt mir sehr bekannt vor und ich schätze, dass jeder diese seltsame Unruhe kennt, die in gefährliche Fahrwasser treibt. Sie mag sogar eine fromme Frau gewesen sein, die ihre Heilsopfer (der Zusammenhang zeigt nicht sicher, ob es sich dabei um jüdische oder heidnische Opfer handelte) brachte und erst nachher sündigte. Sie nutzte schon die Zeit der sturmfreien Bude aus, in der ihr Mann auf Reisen war und war auch vorbereitet auf den Ehebruch; immerhin hatte sie das Bett dafür frisch bezogen. Dennoch war sie eine normale Frau mit einem Glauben, einem Ehemann und einer Unruhe im Herzen. Die Gefahr bei solchen Geschichten ist immer, dass man zu leicht Partei ergreift und eine Partei dämonisiert während man die andere Partei „nur“ für verführt hält. In jeder Situation des Lebens in der es um Sünde und moralisches Versagen geht, kommt immer wieder diese Unterscheidung. Das ist wenig hilfreich, denn es gibt in diesen Situationen nicht ein Opfer und einen Täter. Zur Verführung gehören immer zwei und beide machen sich schuldig.

[systematisch durch die Bibel]

Mit großem Genuss aber auch Gewinn habe ich ein kleines Büchlein des Schweizer Theologen Karl Barth gelesen: Einführung in die evangelische Theologie. Barth ist für sein ausuferndes, breit angelegtes Lebenswerk bekannt. Einem Witz zufolge ließ Gott ihn deshalb so lange leben weil die Engel wissen wollten, was dieser Mann noch alles schreiben würde. Dabei war Barth aber nicht nur ein Theoretiker des Evangeliums sondern auch ein Praktiker, der in der späteren Zeit seines Lebens nur noch im Gefängnis predigte weil er das Evangelium für verschwendet hielt, wollte man es nur im Basler Münster predigen.
Das vorliegende Bändchen bricht zumindest mit Barths Tradition der Länge, es misst von Deckel zu Deckel nur 224 Seiten. Auf diesen Seiten stellt ein großer Theologe in siebzehn Vorlesungen die Grundzüge seines Denkens dar. Im Klappentext fasst er selbst Ausrichtung, Geschichte und Intention des Buches zusammen:

Mir war nach meinem Rücktritt vom akademischen Lehrdienst zugefallen, im Wintersemester 1961/62 als mein eigener und meines noch unbekannten Nachfolgers Stellvertreter noch einmal Seminar, Übungen und eine Vorlesung zu halten. Was in diesem kleinen Buch vorliegt, ist das Manuskript dieser Vorlesung. Hoffentlich beklagt sich nun niemand von denen, die die Bände der „Kirchlichen Dogmatik“ zu dick finden, über die energische Kürze, in der ich mich hier äußere. Da ich nicht gut einstündig Dogmatik ankündigen konnte, wollte ich die Gelegenheit dieses Schwanengesangs ergreifen, mir selbst und den Zeitgenossen in Kürze darüber Rechenschaft, was ich auf diesem Feld der evangelischen Theologie fünf Jahre als Student, zwölf Jahre als Pfarrer und dann vierzig Jahre lang als Professor auf allerlei Wegen und Umwegen bis jetzt grundsätzlich erstrebt, gelernt und vertreten habe.

Interessant, dass offensichtlich auch ein Karl Barth manchmal unter den Neigungen seiner Leser gelitten zu haben scheint, denen er mal zu lang und mal zu kurz schrieb. So war das Leben wohl schon immer: Es ist schwer, es allen Recht zu machen. Ich selbst finde das Buch nicht zu kurz geraten, auch wenn natürlich manches nur eben angeschnitten wird, was man gerne ausführlicher gelesen hätte.

In den nächsten Posts zu Barths Büchlein werde ich immer wieder Gedanken herauspicken und – frei jeden Zusammenhanges – kommentiert vorstellen. Ich wende auf Barth dieselbe Methode an wie auf die Bibel und im Grunde jedes Buch: Ich lasse mich inspirieren und herausfordern. Es wird nicht aus jeder Vorlesung Gedanken geben, die ich herausgreife und das Ganze wird ohnehin nicht wirklich systematisch sein. Es geht ja auch in letzter Konsequenz nicht um Herrn Barth sondern um den Herrn Jesus. Alles was wir lesen, denken und tun muss ein Stein auf dem Weg zu ihm werden. So beende ich diese Einleitung mit den letzten Worten des Buches, einem liturgischen Lobpreis Gottes:

Gloria Patri et Filio et Spiritui sancto,
Sicut erat principio et (est) nunc et (erit) semper
et in saecula saeculorum!1

[mehr über Karl Barth]

  1. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. []

6 Durch das Fenster meines Hauses,
durch mein Gitter schaute ich hinaus.
7 Da sah ich bei den Einfältigen,
bemerkte ich unter den Söhnen
einen jungen Mann,
dem fehlte der Verstand. (Sprüche 7,6-7 nach der Zürcher)

Natürlich geht es in diesen Versen um den dummen Mann, der Ehebruch begeht. Mich hat allerdings ein Nebenaspekt angesprochen, der in dem Bild herauskommt, das diese Worte malen: Der Weise ist zuhause und beobachtet die Welt durch das Gitter (Glasfenster gab es nicht, Fenster wurden vergittert).
Mir kommt es so vor, als säßen die Menschen, die am dringendsten in der Welt gebraucht werden, oft in ihrem Refugium und beobachteten die Welt durch Glas. Es liegt in der menschlichen Natur, sich mit seinesgleichen zurück zu ziehen. Aber genau dieses Recht hat ein „Weiser“ nicht mehr. Wer etwas von Gott verstanden hat, steht bei der Welt in der Schuld sein Wissen zu teilen. Weisheit darf nicht von der Torheit isolieren sondern muss in der Torheit ihren Auftrag entdecken.
Gott gibt uns Offenbarungen damit wir anderen als Lehrer und Propheten dienen können.

[systematisch durch die Bibel]

Das Thema dieser Predigt wurde mir aufgegeben. Es geht um das Thema „Gebet und die Verbindung zu Gott, bzw. Gebet und die Beziehung zu Gott“. Dabei mag es überraschen oder vielleicht auch ketzerisch klingen, dass das Eine zunächst einmal nichts mit dem Anderen zu tun hat – Jeden Tag beten Menschen, die weder eine Verbindung, noch gar eine Beziehung zu Gott haben. Man betet aus den verschiedensten Motiven und global betrachtet ist echter Glaube dabei vermutlich in der Minderheit.
Man sieht das gut, wenn massenhaft Leute anfangen zu beten nachdem eine Katastrophe geschehen ist. Nach Kriegen, Erdbeben oder Tsunamis sind die Kirchen voll – und nicht nur die christlichen. „Not lehrt beten“, sagt der Volksmund, und hat sicher Recht damit.
Das Problem ist, dass Not zwar beten, nicht aber glauben lehrt, so dass die Kirchen auch schnell wieder leer sind nachdem die Katastrophe erst einmal vorbei ist.
Jesus selber hat darüber gepredigt, dass nicht nur gläubige Menschen beten:

»Und wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler, die sich zum Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken stellen, um von den Leuten gesehen zu werden. Ich sage euch: Sie haben ihren Lohn damit schon erhalten. (Matthäus 6,5 nach der NGÜ)

Offenbar gibt es Heuchler, die es lieben zu beten. Sie tun das aber nicht um Gott zu begegnen sondern um den Menschen zu gefallen. Sie sind in ihrem Gebet nicht auf Gott ausgerichtet sondern auf menschlichen Anerkennung.
Man kann sich diese Menschen vorstellen wie gewisse Politiker, die sich in der Öffentlichkeit gerne fromm geben wenn es darum geht eine Kirche einzuweihen oder einen Krieg zu segnen, die aber in Wirklichkeit nichts mit Gott zu tun haben. In einer von Religion so stark geprägten Welt wie der des Neuen Testamentes dürfte das weitaus häufiger vorgekommen sein als heute. Es gibt auch andere Menschen, die versuchen andere mit ihrem Gebet zu beeindrucken. Sie sind vielleicht weniger berühmt als Politiker, aber das Ergebnis ist genauso fies. Es hat es etwas Ekliges wenn Gebet instrumentalisiert wird.

Gebet hat also nicht notwendigerweise etwas mit einer Gottesbeziehung zu tun. Wenn man von diesem Standpunkt an die Sache herangeht schließt sich eine logische Frage an: Wie wird sich das Gebet verändern, wenn man eine Beziehung zu Gott hat? Auf diese Frage möchte ich drei Schlaglichter werfen; sicher gibt es noch mehr Bereiche in denen man den Glauben spüren könnte, aber diese drei sind definitiv interessant und wichtig.
Dabei wird eine Frage aufgeworfen, die ich bewusst nicht beantworte, weil pädagogisch der größere Segen auf dem Selbstentdecken liegt: Wie betet man als Christ eigentlich?
Die drei Bereiche, in denen sich Gebet verändern wird sind Atheismus, Unglaube und Religion. Ich gehe dabei davon aus, dass der Veränderungsprozess ein Leben lang anhält.

1 Atheismus

Gebet kann eine Möglichkeit darstellen, das zu bekommen, was man gerne haben möchte. Wenn wir ehrlich sind, drehen sich viele unserer Gebete um das Thema „ich, mich, meiner, mir – Jesus segne diese vier.“ Manche geistlichen Bewegungen lehren im Prinzip, dass man Gottes Segen daran erkennen kann, dass Gläubige reich, gesund und sexy sind. Wer mit einer solchen Einstellung an Gebet herangeht, der wird nicht anders beten als Ungläubige wünschen.
Jesus hat das gerade Gegenteil über Gebet gelehrt:

31 Macht euch also keine Sorgen! Fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen?
32 Denn um diese Dinge geht es den Heiden, ´die Gott nicht kennen`. Euer Vater im Himmel aber weiß, dass ihr das alles braucht. (Matthäus 6,31-32 nach der NGÜ)

Essen und Klamotten, wenn man noch ein bisschen Kultur und Status dazu nimmt ist das Lifestyle-Quartett vollständig. Es ist offensichtlich, dass wir uns um solcherlei Dinge keine Sorgen machen und dass sie unser Gebetsleben nicht bestimmen sollten.
Umso trauriger, wenn es uns im Gebet in erster Linie darum geht, selbst gesegnet zu werden und gut da zu stehen. Es ist theologisch ein schwerwiegender Fehler, wenn es im Glauben nicht mehr um Jüngerschaft geht sondern um Weltlichkeit und Gott der Erfüllungsgehilfe für ein gutes Leben wird.

2 Unglaube

Mit Unglauben meine ich nicht, dass jemand nicht an Gott glaubt, sondern dass er nicht an den Gott des Neuen Testamentes glaubt. Die meisten Menschen haben einen diffusen Glauben an ein höheres Wesen, dass Verschiedenes auf diesem Planeten tut, speziell die Dinge, die in einem gegebenen Zeitalter als „unerklärlich“ gelten.
Dieser Gott wird immer dann aus der Tasche gezaubert wenn etwas Unerklärliches oder Schlimmes geschieht. In Deutschland spricht man von höherer Gewalt wenn eine Katastrophe geschieht auf die Menschen keinen Einfluss haben. Im Englischen ist es noch schlimmer, da heißt es „an act of God“ – ein Wirken Gottes.

Oft ist unser Gebetsleben von einer Theologie des Alten Testaments geprägt in der man dafür betet, dass Gott etwas tut, was er in Jesus längst getan hat oder ihn fragt, warum er etwas getan oder zugelassen hat, was er nach neutestamentlichem Zeugnis nicht getan oder zugelassen hat.

Das AT lebte in einer gespannten Erwartung des Messias, wir leben in einer Zeit in der der Messias längst da ist und sich alles fundamental geändert hat. Wir müssen nicht mehr beten, dass Gott Gnade zeigt – er hat das längst getan. Wir müssen nicht mehr beten, dass Gott uns segnet, er hat das längst versprochen. Wir müssen auch nicht mehr um Kraft beten, wenn die Kraft, die Christus aus den Toten hat auferstehen lassen in uns wirksam ist.

Eine ganze Menge unserer Gebete sind eher alttestamentlich als neutestamentlich. Wir hoffen, dass Jesus das tut, was er am Kreuz bereits getan hat. Hier ist es nötig, dass wir unser Denken erneueren und das glauben, was die Bibel über Gott und uns sagt.

3 Religion

Religion hat immer das Ziel, den Menschen zu Gott zu bringen und Gott zu besänftigen. In diesem Sinne ist Christentum garantiert keine Religion. Es geht nicht darum, dass Menschen Gott suchen, denn Gott hat den Menschen gesucht und gefunden.
Es geht auch nicht darum, Gott zu besänftigen und uns gewogen zu machen, denn auch das ist er. Wenn unser Leben dazu dient, uns vor Gott angenehm zu machen, haben wir den Kern des Opfers Jesu nicht verstanden.

Als Christ lebt man von der Erlösung und Vergebung her, nicht darauf zu.

[von dieser Predigt gibt es hier eine audio-Version]

1 Mein Sohn, beachte meine Worte,
und meine Gebote bewahre bei dir.
2 Achte auf meine Gebote, so wirst du leben,
und auf meine Weisung wie auf deinen Augapfel.
3 Binde sie dir um die Finger,
schreibe sie auf die Tafel deines Herzens.
4 Sprich zur Weisheit: Du bist meine Schwester!,
und nenne die Einsicht: Vertraute!
5 So wird sie dich bewahren vor der fremden Frau,
vor der Fremden, die schmeichlerisch redet.
(Sprüche 7,1-5 nach der Zürcher)

Das ganze siebte Kapitel handelt von einer Warnung vor dem Ehebruch. Die fremde Frau ist in diesem Kapitel eindeutig die Frau eines anderen Mannes. Die Warnung gilt also einer Beziehung mit einer verheiraten Frau. Untreue ist in allen Kulturen negativ belegt. Niemand möchte gern betrogen und hintergangen werden. Seltsam ist nur, dass fast jeder gerne betrügen würde. In unserer Gesellschaft ist eheliche Untreue längst normal geworden. Es gibt sogar Internetplattformen, die den Seitensprung erleichtern. Dennoch zeigen gerade diese Hilfen in der Geheimhaltung, dass Untreue eben nicht in Ordnung ist. Wenn fremdgehen okay wäre müsste man es ja nicht im Geheimen tun, oder?
Es ist einfach eine psychologische Tatsache die unabhängig von Kultur und Gesetz besteht, dass Untreue weh tut.

Offensichtlich ist es ein guter Schutz vor der Versuchung zur Untreue, dass man die Worte der Weisheit und speziell natürlich Gottes Wort behält und danach handelt. Diese Aufforderung ist nicht neu und sie wird noch einige Male in den Sprüchen begegnen. Neu ist, dass wir sie bewahren sollen wie unseren Augapfel und sie uns auf die Finger binden sollen. Das Auge ist hochempfindlich und es ist zu einer deutschen Redensart geworden, dass man etwas hütet wie seinen Augapfel. Bei keinem anderen Körperteil is es so unangenehm wenn Staub oder Seifenschaum hineinkommt wie beim Auge, Wir passen viel mehr auf das empfindliche Auge auf als auf andere Körperteile. Zusätzlich ist der Gesichtssinn einer der wichtigsten Sinne mit denen wir unsere Umwelt wahrnehmen. In der Bibel steht das Auge manchmal für das prophetische Wahrnehmen von Gottes Welt. Wer auf sein Auge achtet, der achtet also im übertragenen Sinne auf seine Wahrnehmung Gottes.
Wenn man das Gebot auf seine Finger bindet, hat man es immer vor Augen. Man sieht es öfter als wenn man es um den Hals trägt oder es sich auf’s Herz bindet.

Die Sprüche reden in vielen Bildern davon, dass wir Gottes Gebot verinnerlichen sollen. Im Grunde geht es immer wieder um dasselbe: Je mehr wir Gott und sein Wort wahrnehmen, umso weniger werden wir in Versuchung geraten. Andrew Wommack sagt in einer Predigt, dass wir nur mit etwas versucht werden können, was wir denken – wenn wir an etwas nicht denken kann es für uns nicht zur Versuchung werden. Deswegen ist es eine gute Strategie gegen Sünde, sich mit etwas Gutem zu füllen und unsere Gedanken von Gottes Wort füllen zu lassen.
Ein weiterer Aspekt davon ist, dass „Schwester“ auch „Braut“ bedeuten kann (vgl. z.B. Hoheslied 4,9; 10 und 12). Wir sollen mit der Weisheit eine Bindung eingehen die so eng ist wie zwischen Liebenden. Die Bindung an die Weisheit ist in diesem Bild nicht mehr nur intellektuell sondern auch zutiefst emotional – wir können Weisheit lieben.

[systematisch durch die Bibel]

Ich hatte mal wieder Gelegenheit ein schöngeistiges Buch zu lesen. Mein russischer Lieblingsautor Grigori Schalwowitsch Tschchartischwili, alias Boris Akunin, hat ein ungewöhnliches Buch geschrieben: schöner als der Tod. Ein Buch, das meinem Wortschatz ein neues Wort hinzufügte: Taphophilie, die Liebe zu Friedhöfen. Da ich selbst ein Taphophiler bin (wenn auch ohne das Wort gekannt zu haben) hat mich das Thema des Buches, Friedhöfe natürlich angesprochen. Für Akunin ungewöhnlich ist, dass das Buch aus zwei Perspektiven geschrieben ist. Unter seinem echten Namen schreibt der Autor seine Gedanken, Beobachtungen und Eindrücke; unter dem Pseudonym Boris Akunin eine Kurzgeschichte zu jedem Friedhof. Insgesamt haben mich die Geschichten weniger begeistert als die Beobachtungen und Gedanken.
Wer bei Friedhöfen nur an Tod und Trauer denkt, dem sei dieses Buch besonders empfohlen. Es vermeidet aktive Friedhöfe, mit ihrem Gefühl von Verlust und Schmerz, um sich alten Friedhöfen und ihrer Atmosphäre der Ewigkeit zuzuwenden. Leider kenne ich persönlich nur einen der bereisten Friedhöfe, den père lachaise, aber auch die anderen, den Alten Donskoje-Friedhof, den Londoner Highgate, den Ausländerfriedhof in Yokohama, den Greenwood-Friedhof in New York und den jüdischen Friedhof in Jerusalem, würde ich durchaus gerne einmal besuchen. Friedhöfe haben schon eine besondere Atmosphäre.

Lustiges ist in einem Buch mit diesem Thema kaum zu erwarten, dennoch lachte ich sehr über eine Grabinschrift auf dem Moskauer Donskoje-Friedhof: „Starb an einer Operation des Doktors Snegrirjow.“ Offensichtlich erweisen sich manche Friedhöfe eher als Rachhöfe…

Insgesamt ein schönes Buch, dass ich zwischen Hagen und Hamburg gelesen habe.


23 Denn das Gebot ist eine Leuchte und die Weisung ein Licht, und die Ermahnungen der Unterweisung sind ein Weg zum Leben,
24 Sie bewahren dich vor der bösen Frau, vor der glatten Zunge der Fremden.
25 Begehre in deinem Herzen nicht ihre Schönheit, und lass nicht zu, dass sie dich fängt mit ihren Wimpern.
26 Denn eine Hure kostet nicht mehr als einen Laib Brot, die Frau eines anderen Mannes aber trachtet nach dem kostbaren Leben.
27 Kann einer Feuer tragen in den Falten seines Gewandes, ohne sich die Kleider zu verbrennen?
28 Oder kann man auf glühenden Kohlen gehen, ohne sich die Füsse zu versengen?
29 So ist es bei dem, der zur Frau seines Nächsten geht, wer sie berührt, bleibt nicht ungestraft.
30 Man verachtet den Dieb nicht, wenn er stiehlt, um sein Verlangen zu stillen, weil er Hunger hat.
31 Und wird er ertappt, muss er es siebenfach ersetzen, den ganzen Besitz seines Hauses muss er geben.
32 Wer aber Ehebruch begeht mit einer Frau, dem fehlt der Verstand, wer sein Leben zerstören will, der tut das.
33 Schaden und Schande handelt er sich ein, und nie wird seine Schmach getilgt.
34 Voll Eifersucht glüht der Zorn des Mannes, und am Tag der Rache kennt er keine Schonung.
35 Er nimmt kein Sühnegeld an und gibt auch nicht nach, wenn du ihn grosszügig beschenkst. (Sprüche 6,23-35 nach der Zürcher)

Warnungen vor Ehebruch gibt es mehrere in den Sprüchen. Wer mit der Frau eines anderen schläft, muss ganz schön blöd sein: Er zerstört sein ganzes Leben. Der Andere wird durch kein Geld zu besänftigen sein und man kann von Glück reden, wenn man bei der Rache mit dem Leben davon kommt. Sicherlich wurden die Sprüche vor einem gesellschaftlichen Hintergrund geschrieben, in dem Ehebruch anders sanktioniert wurde als heute. Heute sind Ehebruch und Scheidungen an der Tagesordnung und wir belügen uns oft selber über die Konsequenzen. Wer meint, dass es keine Konsequenzen hat, irrt. Untreue reisst tiefe seelische Wunden und kann auch in anderen Bereichen teuer zu stehen kommen. Früher war offensichtlicher, dass Ehebruch kostet und so konnte man damit argumentieren; heute werden eher moralische Argumente gegen Untreue ins Feld geführt.

Etwas verstörend ist der Hinweis auf die Prostitution: Während es sehr teuer ist, mit der Frau eines anderen zu schlafen, ist eine Hure sehr billig. Offensichtlich weist der Schreiber darauf hin, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, wenn man in seiner Ehe unzufrieden ist. Kittels Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament weist im Eintrag über porneia, Uzucht ebenfalls darauf hin, dass sich das Verständnis der Unzucht im Laufe des AT geändert hat. Ursprünglich war es in Ordnung, ein Bordell aufzusuchen, später bedeutete Unzucht dann jede Form außerehelichen Geschlechtsverkehrs und ging gar nicht.
Offensichtlich sind unsere Vorstellungen von einem stets moralisch lebenden Israel des Alten Testamentes nicht ganz richtig und werden teilweise auch nicht durch die biblischen Beschreibungen gedeckt.

[systematisch durch die Bibel]

Am 29.05.2010 habe ich bei SMD in Köln folgenden Vortrag zum Thema „Christsein und soziale Verantwortung gehalten. Ich habe auch eine Audioaufnahme davon auf dem iPhone, habe es aber bisher nicht geschafft, sie runter zu bekommen. So gibt es nur etwas zu lesen.

Das Thema „soziale Verantwortung als Christ“ ist für mich noch ziemliches Neuland; ich sehe es auf mich zukommen, predige aber nicht wirklich viel darüber. Dennoch interessiert es mich, dieses unbekannte Land zu kartographieren. Wie bei solchen Themen zu erwarten, kann es sein, dass diese Predigt mehr eine Materialsammlung wird als ein abschließender Einstieg; gleichwohl sollte sie einige Denkanstöße bieten können.

Die Motivation der Nächstenliebe

Karl Marx (1818-1883) prägte den berühmten Satz, dass Religion das Opium des Volkes sei.

„Marx vertrat die Auffassung, die Religion im Allgemeinen wolle die in der Gegenwart Leidenden trösten, indem sie ihnen die Freude eines Lebens nach dem Tode schmackhaft mache. Dadurch lenke sie sie von der Aufgabe ab, die gegenwärtige Welt so zu verändern, dass das Leiden aufgehoben werden könne.“1

Mit Religion wird er vermutlich in erster Linie den christlichen Glauben gemeint haben, denn die Gesellschaft war zu seiner Zeit weit davon entfernt so multikulturell zu sein wie wir sie heute kennen. Er richtet also eine fundamentale Kritik an ein Christentum, das er vielleicht zu seinen eigenen Lebzeiten als zu passiv im Kampf für bessere Lebensbedingungen erlebt hat.
Aus zwei Gründen wundert mich diese Einschätzung außerordentlich; der eine ist ein persönlicher, der andere ein historischer Grund.

1) Ich selber habe ein grundlegendes Interesse an sozialen Dingen und dem Gemeinwohl erst kennen gelernt, als ich anfing mit Jesus zu leben. Vorher stand ich sehr unter dem Einfluss einer Haltung der Sinnlosigkeit die aus einem überwältigenden Gefühl der Zeitlichkeit stand. Ich sah keinen Sinn darin, in etwas zu investieren, das ohnehin in einigen Jahrzehnten vorbei sein würde. Sicherlich ritt diese Perspektive auf der Welle des Punk-Lebensgefühls, dass ich als Jugendlicher hatte. Dennoch war es real.
Spätestens wenn in einigen Milliarden Jahren die Sonne am Ende ihres Lebens angelangt ist und sich bis über die Erdumlaufbahn ausgedehnt haben wird, ist alles vorbei in das wir investiert haben. Dann wird es egal sein, wie wir gelebt haben, denn niemand wird sich an uns erinnern. Dieses Lebensgefühl setzte nicht nur dem Fleiß sondern auch jedem sozialen Handeln ein Ende.
Es änderte sich allerdings dramatisch als ich selbst die Liebe Gottes kennen lernte und verstand, dass er nicht nur mich liebt, sondern ebenso jeden anderen Menschen. Jesus sagt, dass man nicht Gott lieben aber anderen gleichgültig gegenüber stehen kann.

20 Wenn jemand behauptet: »Ich liebe Gott!«, aber seinen Bruder oder seine Schwester hasst, ist er ein Lügner. Denn wenn jemand die nicht liebt, die er sieht – seine Geschwister -, wie kann er da Gott lieben, den er nicht sieht?

Ich habe also eher die entgegen gesetzte Erfahrung gemacht, dass nämlich Glaube motiviert anderen zu helfen. Diese Erfahrungen haben auch viele andere gemacht und letztlich hat Albert Schweitzer (1875-1965) einiges das Mitleid aus christlicher Sicht geschrieben. Schweitzer war gerade einmal acht Jahre alt als Karl Marx starb, so dass es keinen intellektuellen Austausch zwischen den beiden gab. Aber ein anderer Christ zeigte als Zeitgenosse Marx’  wie falsch dieser lag. Das ist der historische Grund für meine Verwunderung.

2) Viele soziale Reformationen wurden aus einer christlichen Grundhaltung heraus vorangetrieben. William Booth (1829-1912) gründete die Heilsarmee, die sich intensiv mit den Nöten der Ärmsten auseinandersetzte und in London schwerpunktmäßig in den ärmsten Stadtteilen wie Whitechapel und Spitalfields arbeitete.
Die Heilsarmee stellte zu dieser Zeit die Welt ziemlich auf den Kopf, machte auf soziale Missstände aufmerksam und wurde sogar die treibende Kraft hinter einigen Gesetzesänderungen. Es ist schwer vorstellbar, dass Karl Marx von diesem Engagement nichts mitbekommen haben soll. Offensichtlich treibt Religion den Menschen nicht notwendigerweise in Passivität seiner Umwelt gegenüber – mindestens bei manchen geschieht das gerade Gegenteil und Gottes Geist rüstet sie aus, ihre Welt zu verändern.

Die drei Wege des Evangeliums

An dieser Stelle ist ein einordnendes Wort der Warnung angebracht. In den letzten Jahren hat eine neue Theologie um sich gegriffen, die vom „sozialen Evangelium“ redet und für die Jesus eine Art Gutmensch war, der gelehrt hat, dass wir uns alle ethisch verhalten sollen. Diese Theologie kennt kein rettendes Evangelium; man spricht nicht mehr von Ewigkeit und Himmel und Hölle. Entsprechend ist das Evangelium rein auf den sozialen Aspekt der Barmherzigkeit reduziert.
Ich halte diese Ansicht für falsch. Auch wenn Gott Menschen in diesem Leben segnen will ist die Ewigkeit entscheidender als dieses kurze Leben. Jesus hat seinen Leuten nicht einen sozialen Auftrag gegeben sondern einen evangelistischen. Wir sind hier um Gottes Reich zu bauen und in diesem Auftrag ist es nur ein Teil, dass wir soziale Verantwortung übernehmen. Paulus nennt im Römerbrief drei Möglichkeiten, Menschen mit Jesus bekannt zu machen und den Auftrag zu leben. Soziales Handeln ist dabei nur eine Facette:

Dass ich so voller Freude und Stolz von meinem Dienst für Gott reden kann, hat seinen Grund einzig und allein in Jesus Christus.
Ich würde es niemals wagen, von dem zu reden, was ich getan habe, wenn nicht Christus durch mich gewirkt hätte, damit Menschen aus den nichtjüdischen Völkern das Evangelium annehmen. Er hat durch das gewirkt, was ich sagte und tat,
und hat es durch machtvolle Wunder und außergewöhnliche Dinge und durch die Kraft des Geistes Gottes bestätigt. 18 Auf diese Weise ist es mir möglich gewesen, von Jerusalem aus in dem ganzen Gebiet bis hin nach Illyrien meinen Auftrag zu erfüllen und das Evangelium von Christus bekannt zu machen.
Dabei machte ich es mir zum Grundsatz, das Evangelium nur dorthin zu bringen, wo sich noch niemand zu Christus bekannte 19; denn ich wollte nicht da bauen, wo schon ein anderer das Fundament gelegt hatte. (Römer 15,17-20 nach der NGÜ)

1) durch Tat

In dieser Dreierreihe ist das Wort Tat das am schwierigsten auszulegende. Andere Übersetzungen sagen „Werk“, was aber auch nicht hilfreicher ist. Sowohl das Deutsche als auch das Griechische Wort Werk haben sehr vielschichtige Bedeutzungen und da Paulus hier nicht ins Detail geht, woraus seine Werke oder Taten bestanden haben, müssen wir etwas interpretieren. Die Tat ist das, was in unserem Thema die „soziale Verantwortung“ oder das soziale Handeln ist.

Als Schlüssel nehme ich Apostelgeschichte 9,36:

In Joppe lebte eine Jüngerin ´Jesu` namens Tabita. (Tabita – oder Dorkas, wie ihr Name auf Griechisch lautete – bedeutet »Gazelle«.) 20 Tabita tat viel Gutes und half den Bedürftigen, wo sie nur konnte. (nach der NGÜ)

Das Gute, das Tabita an den Armen tat, würde man heute als Sozialarbeit bezeichnen. Die Bibel ist voller Aufforderungen für die Armen zu sorgen und sich auch praktisch mit der Not der Menschen auseinander zu setzen. Gott ist nicht nur an unserer Ewigkeit interessiert sondern will uns auch in diesem Leben segnen.
Besonders der Jakobusbrief macht es sehr deutlich, dass Christentum mehr ist als reden.

14 Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten?
15 Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot
16 und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen – was nützt das? (
Jakobus 2,14-16)

Gerade in der etwas charismatisch orientierten Glaubensecke haben wir oft die Tendenz, nur für Leute zu beten, aber weiter nichts zu tun. Ich vermute ehrlich gesagt, dass wir es uns damit oft sehr leicht machen, aber nicht den Gott vorstellen, der sich um den ganzen Menschen sorgt und sich ihm liebevoll zuwendet. Wir sollten nicht alle Sozialarbeit dem Staat überlassen, denn dadurch würde uns eine gewaltige Chance entgehen Gottes Liebe rüberzubringen.
Natürlich geht es nicht, dass jede Gemeinde Suppenküchen und Krankenhäuser baut, aber es ist ein normaler Teil von Gemeinde und christlichen Leben sich sozial zu engagieren. Wenn die Gemeinde selbst dazu keine Möglichkeiten hat, gibt es noch immer das ehrenamtliche Engagement bei städtischen oder anderen Trägern wie der Tafel.

2) durch Wort

Als Deutsche leben wir im „Land der Dichter und Denker“. Es fällt uns daher verhältnismäßig leicht, das Evangelium in Worten weiter zu geben. Spricht man über Evangelisation, hören die meisten „Rausgehen“ und meinen damit Aktionen auf der Straße. Dahinter steht die Erfahrung, dass auch die beste evangelistische Predigt in der Gemeinde nichts nutzt wenn kein Ungläubiger kommt.
Das ist schon mal ein Fortschritt, denn in der Vergangenheit hatte Evangelisation oft den Beigeschmack, dass Christen anderen Christen erzählen wie man Christ wird. Da ist es schon besser, wenn Gottes Wort in Form von Predigten, Zeugnissen und Flyern in die Fußgängerzonen kommt.
Ich bin selber Prediger und habe so alles Mögliche ausprobiert um das Evangelium mit Worten zu verkündigen. Daran ist beileibe nichts falsch und ich will auch weiterhin jede Bühne nutzen die Gott mir gibt, um das Evangelium in Worten zu verkünden. Ich habe allerdings nicht nur gute Erfahrungen damit gemacht, die Gute Nachricht allein mit Worten zu verkünden und meine, dass es zu kurz greift, nur Worte zu haben.
Im Englischen gibt es die Redensart „talk is cheap“, was auf deutsch „reden ist billig“ bedeutet. Das stimmt. Wer nur Worte hat um jemand anderem Gottes Liebe rüberzubringen, der hat auf Dauer zu wenig. Die Welt hat viele Fragen, die man nicht verbal beantworten kann. Deshalb hat Paulus Evangelisation nicht auf reden beschränkt sondern hat noch zwei weitere Möglichkeiten genannt.

3) durch Kraft

Der dritte Weg ist ziemlich selbsterklärend: Wir verkündigen das Evangelium in der Kraft von Zeichen und Wunder. So hat es zumindest Paulus getan, wie die Apostelgeschichte an einigen Stellen zeigt. Zeichen und Wunder sind in der Evangelisation an Bedeutung nicht zu unterschätzen.
Ich kann jeden verstehen, der unseren Worten nicht glaubt, wenn Gott nicht einmal kräftig „Amen!“ dazu sagt. In der Fußgängerzone steht unser kleiner Büchertisch neben einem Stand der Mormonen, neben einem Handyverkäufer, neben einer Partei die ihr politisches Evangelium anpreist, neben…. Wie soll man sich da auskennen?
Für mich war einer der schwierigsten Ansprüche des Christentums eben sein Wahrheitsanspruch. Wer wollte mir beweisen, dass nicht der Islam oder der Buddhismus Recht hat? Letztlich hat Gott mich so berührt, dass ich ihn nicht mehr wegdiskutieren konnte, aber Menschen hätten das nicht gekonnt. Ich bin davon überzeugt, das bei den meisten Quereinsteigern ein übernatürliches Element bei ihrer Bekehrung ist, dass sie von Gott überzeugte. Wir können es uns als Christen kaum leisten, das zu vernachlässigen. Vielmehr sollten wir es begehren, dass Gott sich zu unserer Botschaft stellt und uns als seine Botschafter ausweist.
Kommen alle diese drei Strategien zusammen, hat das Gesamtpaket echte Sprengkraft. Wir brauchen in Deutschland Gemeinden, die auf diese Weise ausgewogen und ganzheitlich sind!

  1. McGrath, Alister E.; Wiese, Christian (1997): Der Weg der christlichen Theologie. Eine Einführung. München: Beck, S. 557 []
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