Verkünde es den Hausgemeinden in Rom.1

In jeder Übersetzung gibt es Stellen über die ich gerne mit den Übersetzern sprechen würde. Warum übersetzen sie so? Ich selbst habe mir die Gemeinde in Rom immer groß vorgestellt. Das kann durch Filme wie „quo vadis“ kommen, in denen Nero viele Christen für seine perversen Arenaspiele fand. Natürlich wurde der Römerbrief einige Jahre vor Beginn der großen Christenverfolgung unter Nero geschrieben. Die Gemeinde hätte also noch Zeit gehabt, sich zu entwickeln. Um einen geschichtlichen Überblick zu geben: Paulus schrieb den Römerbrief ungefähr im Jahre 57, die Verfolgung begann 64.
Wie auch immer es geschichtlich genau gewesen ist, Walter Jens hatte beim übersetzen offenbar keine große sondern mehrere kleine Gemeinden vor Augen. Das wäre durchaus möglich, denn es gab viele Hausgemeinden im ersten Jahrhundert. Die meisten Gemeinden fingen in einem Wohnzimmer an und entwickelten sich von da zu größeren Gruppen. Darin finde ich mich sehr gut wieder, denn auch alle Jesus Freak Gemeinden fingen so an. (Leider blieben die meisten auch so)

Nach dem Maß des Glaubens,
das Gott einem jeden einzeln zumisst.
2

Es hat nicht spezifisch etwas mit dieser Übertragung zu, aber es gibt kaum ein Bibelstelle zu der sich meine Theologie in den letzten Jahren so sehr geändert hat wie zu dieser. Über Jahre habe ich die Stelle so gelesen, dass Gott jedem Menschen dasselbe Maß des Glaubens gibt. Wenn man Glauben messen könnte (was scheinbar in Gottes Welt möglich ist), hätte jeder – sagen wir mal – hundert Gramm bekommen. (Erst wollte ich ein Hohlmaß wie Liter nehmen. Keine Ahnung, wie man sich ein Maß des „Glaubens“ vorstellen kann. Vielleicht ist die Einheit auch „Wigglesworth“, oder nach einem anderen „Glaubenshelden“ benannt, hahaha.)
Mittlerweile glaube ich nicht mehr, dass jeder Mensch dasselbe Maß hat, wohl aber, dass jeder Mensch Glauben hat. Das ist eine wichtige Feststellung, denn es führt die Aussage „ich kann nicht glauben“ ad absurdum. Natürlich kann jeder Mensch glauben, Gott hat ihn mit dieser Fähigkeit geschaffen.
Das Maß ist aber durchaus bei verschiedenen Menschen unterschiedlich. Im Grunde bringen alle deutschen Übersetzungen diese Tatsache klar rüber. Überdies passt das gut zu dem Gleichnis Jesu von den Talenten (Matthäus 18). Wir haben unterschiedliches in unterschiedlichem Umfang empfangen, aber jeder von uns wird danach beurteilt wie er mit dem umgeht, was ihm Gott gegeben hat. Wir alle können das meiste aus unseren Begabungen, Fähigkeiten und Gnadengaben machen.

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 61 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 61 []

Ich habe es etwas befürchtet. Nun habe ich einmal angefangen und „muss“ auch weiter schreiben. Ich habe schon vor einigen Wochen eine längere theologische Reihe zu Wort und Geist angefangen, war aber unsicher, ob ich sie wirklich veröffentlichen möchte. Jetzt bin ich mir sicher, dass ich mehr zu dem Thema schreiben möchte.
Wer mich kennt weiß, dass mir Lehre und Theologie sehr wichtig sind. Insofern ist hier nicht zu erwarten, dass ich über Personen schreibe oder irgendwelche  schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit wasche. Mir geht es darum, dass ich eine besorgniserregende Tendenz sehe, das Kind mit dem Bade aus zu schütten. Je aufgeregter die Debatte um Wort und Geist wird, umso mehr sorge ich mich um gute Inhalte die wegen ihrer Verpackung weggeworfen werden. Ich muss schon seit Jahren bei vielen Themen in meinen Seminaren Einleitungen machen, die Glaubenstheologie so erklären, dass andere Christen sie annehmen können. So weit möglich vermeide ich dabei ausdrückliche Bezüge auf Röhrnbach, aber oft kommt die Frage, ob das nicht „Wort und Geist sei“.
Ich vermute, dass meine Beiträge vielen zu „weich“ oder „positiv“ erscheinen werden. Dafür kann ich mich nicht entschuldigen, vielmehr will ich eine gewisse Unaufgeregtheit in die Diskussion einbringen. Es liegt auch daran, dass ich einen Standpunkt vertrete der im Moment unterbelichtet ist: ich bin Charismatiker und stehe der Glaubensbewegung positiv gegenüber. Ich möchte nicht, dass gute Theologien unter Generalverdacht kommen weil man eine Bewegung ablehnt. Ich habe mehr Sachen, die ich bei WuG ablehne als befürworte. Aber um der paar guten Dinge, die es auch da gibt, will ich eine theologische Einordnung versuchen.

Derzeit kommt Kritik an Wort und Geist hauptsächlich aus einer Ecke und wird häufig mit dem Namen Rolf Wiesenhütter verbunden. Herr Wiesenhütter betreibt das „Irrglaube-Forum“ und hat es sich zur Aufgabe gemacht, vor Wort und Geist als einer gefährlichen Sekte zu warnen. Ich habe dieses Forum aus mehreren Gründen immer eher kritisch gesehen:

1. Ist es mir im Tonfall zu polemisch. Es gibt nur wenige Posts, die auf Stereotypen wie „Irrlehrer“, „Lügenapostel“ usw. verzichten können. Es klingt naürlich nicht sehr seriös, wenn man permanent angreifend, verletzend und beleidigend ist. Es ist keiner Diskussion zuträglich unhöflich zu werden. Nachdem ich fast jeden Eintrag in dem Forum kenne, kann ich mich des Gedankens (den Herr Wiesenhütter mehrfach dementiert hat) nicht erwehren, dass hier ein Feldzug geführt wird.

2. Ist es mir zu persönlich. Es gibt zu viele Verdächtigungen und nicht alle haben sich als wahr herausgestellt. Ich hatte selber einmal das zweifelhafte Vergnügen von Herrn Wiesenhütter als WuG-ler entlarvt zu werden – was definitiv nicht stimmte und auf ein ungeprüftes Zitat zurück zu führen war. Ich würde mir wünschen, hier eine klarere Unterscheidung zwischen Irrlehre und Irrlehrer zu machen. Sich kritisch mit einer Lehre auseinander zu setzen ist normale christliche Streitkultur. Sich über Leben, Sünden und Fehlschläge einzelner Menschen zu verbreiten ist fragwürdiger. Mir fiel das besonders vor einiger Zeit auf, als Helmut Bauer an Borreliose erkrankte und die einschlägigen Foren voller unangebrachter Häme über den kranken Heiler berichtet haben. Niemand schafft es seinen Standard zu leben und da ist auch im Dialog Gnade angebracht – auf keinen Fall aber Schadenfreude.
Natürlich gibt es Situationen die es rechtfertigen, gut recherchierte Informationen über Personen weiter zu geben, aber das steht auf einem anderen Blatt.

3. Die theologische Weltsicht des Forums ist zu einseitig. Das Forum richtet sich nicht nur gegen WuG sondern auch gegen die ganze charismatische Szene und die Glaubensbewegung. Auch diese Bewegungen kommen sehr schlecht weg und man verbindet vorschnell und naiv Kenneth Hagin mit Helmut Bauer.
Für mich war das einer der Gründe aus denen ich lange nichts geschrieben habe: es sieht so aus, als wäre man ein Freund der Weltsicht von „Irrglaube“ wenn man sich kritisch zu WuG äussert. Das ist ein Eindruck, den ich nicht erwecken möchte.
Paradoxerweise ist das auch der Grund, warum ich nun doch schreibe. Ich meine, dass wir die Kritik nicht Leuten mit einem bestimmten theologischen Profil überlassen dürfen. Natürlich haben sich die charismatischen Leiter auch geäussert, werden aber im Internet nicht so stark wahrgenommen. Das würde ich gerne ändern und eine weitere theologische Perspektive bieten.

Ich möchte nicht, dass dieser Post zu lang wird, deswegen schließe ich mit einem kurzen theologischen Gedanken, der mich zugleich von den meisten „Irrglaube“-Inhalten abgrenzt. Anders als die meisten Kritiker habe ich weniger Probleme mit dem, was gesagt wird, als dem, was nicht gesagt wird.1 Dazu einige oft gehörte Beispiele:

a) ich habe kein Problem damit zu sagen, dass Gott jeden Menschen von jeder Krankheit heilen kann und will. Im Gegenteil, ich sehe das als Teil des Evangeliums an und glaube das auch. Problematisch ist es, wenn keine Möglichkeit gezeigt wird, mit einer Krankheit Christ zu sein und es kein Erklärungsmodell für Leid gibt. Dieselbe Bibel die uns göttliche Heilung zeigt, zeigt auch, dass wir noch nicht im Himmel leben und es nicht zu erwarten steht, dass hier der Himmel komplett anbricht.

b) ich halte die Lehre von unserer Identität in Christus und vom Leben in Geist für einen bedeutsamen Teil der christlichen Lehre. Ich meine auch, dass dieser Teil zu oft ausgeblendet wird. Es darf aber nicht in dem Sinne einseitig werden, dass man nur noch den Geist als Menschen identifiziert und Körper und Seele ausblendet. Die Bibel redet nicht nur von der neuen Schöpfung sondern auch vom Umgang miteinander, Heiligung usw.

Es lassen sich noch mehr Beispiele finden die zeigen, dass die Ausgewogenheit fehlt. Man muss das eine predigen, darf aber über das andere nicht schweigen. Kritiker aus einer theologischen Weltsicht, die dem charismatischen generell skeptisch gegenüber steht, lehnen schnell das Gesamtpaket ab und verlieren damit wichtige theologische Bestandteile. Wir müssen vorsichtig damit sein, alles abzulehnen. Der nächste Post wird sich denn auch mit dem Thema Trennschärfe beschäftigen.

  1. neuere Äusserungen zu Ehe, Apostolat, Anbetung, dem Leib Christi usw. mal ausgenommen. Einiges ist für mich klare Häresie, dass ich davon nichts halte ist klar. []

9. Juli 2009 in theologie und gemeinde 5

twitter

Das ist nur ein kleiner Test. Ich wüsste gerne ob dieser famose Blog jetzt auch an twitter sendet. Da habe ich immer mehr „follower“ (ohne dass ich mir das erklären kann) und so würde ich die Plattform gern auch nutzen.

Römer 12 ist eines dieser typischen Pauluskapitel, in denen es mehr lose Hinweise, Anweisungen und Ermahnungen gibt als ein beherrschendes Thema. Bisher konnte man jedem Kapitel des Römerbriefes ein Thema zuordnen, manchmal waren es auch zwei oder drei. In Römer 12 ist das nicht mehr möglich, das Kapitel kann nicht von einem Thema her verstanden werden sondern müsste Vers für Vers ausgelegt werden.
Da das meiner Methode für diese Reihe widerspricht werde ich mich auf einige wenige Verse konzentrieren die mir in der Übersetzung nach Walter Jens besonders hervorstechen. ich habe beim Lesen das Gefühl, dass die Richtung in die meine Gedanken durch die Übersetzung gedrängt werden, nicht immer der tatsächlichen Richtung des Römerbriefes entsprechen. Einige Verse erscheinen in der Übertragung anders als im normalen Zusammenhang des Römerbriefes. Ich nehme das Risiko falscher Schlüsse auf mich und lese nicht den griechischen Text oder andere Übersetzungen parallel. Wenn dabei etwas herauskommt, was Du als falsch empfindest, stell es doch bitte in einem Kommentar richtig. Ich mag es, eine neue Übersetzung auf mich wirken zu lassen und sie nicht exegetisch zu beurteilen. Für eine korrekte Auslegung des Briefes ist das natürlich keine gute Methode, aber für diese Reihe ist es in Ordnung.

So soll Euer Gottesdienst sein –
vernünftig, weil er dem Willen Gottes entspricht.
1

Da macht Paulus mal ein Fass auf. Viele werden ihm an diesem Punkt leidenschaftlich widersprechen. Wenn es einen vernünftigen Gottesdienst gibt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er dem Willen Gottes entspricht, muss doch auch der Umkehrschluss gelten: es muss einen unvernünftigen Gottesdienst geben, der nicht Gottes Willen entspricht. In einer Zeit die vom Missverständnis der Toleranz geprägt ist, wird das zu einer politisch unkorrekten Aussage. Wer besäße schon die chuzpe einem anderen zu sagen, sein Gottesdienst sei unvernünftig, weil er dem Willen Gottes nicht entspräche?
Früher, in den Zeiten des ausgeprägteren Denominationalismus, war es ja durchaus üblich ganzen Konfessionen einen vernünftigen Gottesdienst abzusprechen. Gut, dass das heute nicht mehr so ist. Der Hinweis darauf, dass es möglich ist, einen unvernünftigen Gottesdienst zu haben sollte kein Anlass sein mit Fingern zu zeigen und ihn bei anderen zu suchen. So leicht macht es uns die Bibel nicht (s. Matthäus 7!) Vielmehr ist es eine Aufforderung an uns selbst uns zu prüfen. Ist etwa unser Gottesdienst unvernünftig und nicht dem Willen Gottes entsprechend?
Paulus erklärt in den Versen vorher, was der vernünftige Gottesdienst ist: komplette Hingabe an Gott, mit allem was wir haben: Herz, Kraft und Hirn. Zeit, Geld, alle Ressourcen. Alles, was wir haben. Gottesdienst wird in dem Moment unvernünftig in dem wir etwas von uns zurückhalten und so göttliches und menschliches mischen. Eine herausfordernde Ansage, der man sich stellen muss. So gesehen kann niemand mehr mit dem Finger zeigen und jeder hat vor seiner eigenen Haustür genug zu kehren… Damit steht eine zweite Aussage im Zusammenhang:

[…] haltet nich am Bestehenden fest,
sondern lasst Euch verwandeln,
findet zu neuem Denken,
das Euch prüfen lehrt,
was Gott will.
2

Ich habe ein ganzes Buch über diesen Vers geschrieben („Das Wortbuch“, das bald erscheint), von daher fällt es mir schwer, mich nur auf einige Aussagen zu beschränken. Der Hinweis auf „das Bestehende“ ist typisch Walter Jens. Er findet sich in anderen Bibelübersetzungen nicht. Das macht ihn für mich zu einem fruchtbaren Gedanken. Der größte Feind des Fortschritts ist immer die alte Erkenntnis. Die größten Feind einer neuen Erweckung sind oft die Vertreter der alten Erweckungsbewegungen. Tradition ist ein zweischneidiges Schwert und man wird ihr nicht gerecht wenn man nur vor ihr warnt und sie schlecht macht. Ohne Tradition gäbe es keinen Fortschritt in der Theologie und keinen Glauben. In diesem Sinne ist Tradition nicht nur gut sondern unverzichtbar.
Tradition stellt aber auch die Gefahr der Verknöcherung dar. Christen bleiben in ihrem Leben mit Gott stehen wenn sie die Vergangenheit mehr schätzen als neue Erkenntnis. Niemand wächst im Glauben wenn er an alten Erkenntnissen zu sehr festhält.
Für die Juden war dies das größte Hindernis Jesus zu erkennen. Sie waren so sehr in der Tradition und dem Gesetz verhaftet, dass sie nicht glauben konnten, dass Gott Mensch werden könne. Ihre Haltung zum Gesetz des Alten Testamentes schloss sie von einer Erkenntnis aus, die ihr Leben revolutioniert hätte.
Es hält uns immer auf wenn wir einen Rahmen um Gott machen und meinen, dass er nur so oder so handeln kann. Die Aussage „das kann nicht Gott sein“ aufgrund einer Vorprägung zu fällen verschließt uns für neue Erfahrungen.

Wer sich von Bestehendem lösen kann, wird belohnt. Er kann Gott auf neue Weise erleben und auf einem tieferen Niveau verstehen, was Gott will. „Gottes Wille“ ist etwas, was dynamisch ergriffen wird. Je mehr wir uns von altbekanntem lösen und uns immer wieder auf Gott einlassen, umso mehr erkennen wir Gottes Willen. Meine persönliche Vermutung ist, dass es damit zusammenhängt, dass wir Gott selbst immer tiefer kennen lernen und so genauer verstehen, was er mag und was nicht.

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 61 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 61 []

Das ist nun das dritte Mal, dass ich mich öffentlich zu Wort und Geist äußere. Die beiden letzten Male sind einige Jahre her und fanden im Rahmen meines Leitungsamtes bei Jesus Freaks International statt. Damals hatten wir als Leitungskreis bei einem (oder mehreren?) Gesamttreffen über WuG informiert und abschließend bei einem Leitungstreffen („Willow Freak“) eine Stellungnahme herausgegeben, die vor WuG warnte und es jedem nahe legte, nicht zu Veranstaltungen der Bewegung zu gehen oder Mentoringbeziehungen dorthin zu unterhalten. Ich hatte eigentlich gehofft, dass ich es damit bewenden lassen könnte, möchte aber heute doch einmal etwas zu einer Antwort von WuG auf ein Statement von Peter Wenz schreiben.
Von Peter Wenz gibt es bei YouTube ein aktuelles Statement zu WuG (Teil 1|2), dem ich mich nur anschließen kann. Einige nebensächliche Fakten kann ich nicht prüfen, aber das meiste von dem, was er sagt, stimmt. Interessanterweise hat WuG (entgegen ihres normalen Vorgehens) ein Gegenstatement verfasst, das man hier nachlesen kann. Es ist leider nicht unterschrieben, und dort werden einige so seltsame Sachen gesagt, dass ich mich gedrängt fühle, etwas dazu zu schreiben.

[…]
Zunächst etwas Grundsätzliches: Herr Wenz schließt seinen Vortrag mit einem Gebet, in dem er Gott
bittet, das Land von bösen Menschen zu reinigen. Als böse Menschen bezeichnet er Andersgläubige,
die sich seiner Sicht geistlicher Dinge nicht anschließen.
Wörtlich sagt er: „Reinige unser Land. Befreie
uns von bösen Menschen, von falschen Aposteln, von tausenden Menschen, die in dieser Verführung
drin sind […].“ Solche Worte in einem Land wie Deutschland zu hören, ist erschreckend. Das Wort
Rufmord bekommt durch solche Vorgehensweisen eine völlig neue Bedeutungsdimension.

Das ist schlichtweg nicht wahr. Peter Wenz bezeichnet nicht „Andersgläubige“ als böse Menschen, sondern eindeutig WuG-Leute, vor allem Helmut Bauer. Durch die Erweiterung der Personengruppe im WuG-Text klingt es, als wäre Wenz auf einem Kreuzzug gegen Menschen, die Dinge anders sehen als er. Das ist aber keineswegs der Fall. Eher im Gegenteil, ein wichtiger Teil seiner Kritik an WuG richtet sich gegen Arroganz gegenüber anderen und Spaltung. Wenz vertritt eindeutig eine Engführung und richtet sich nur gegen WuG. Auch der Vorwurf des Rufmordes erscheint mir ungerechtfertigt, wenn nur Fakten wiedergegeben werden. Um Rufmord nachzuweisen, müsste WuG zeigen, wo Wenz etwas falsch darstellt. Solange er nur öffentliche Aussagen der Bewegung und allgemein bekannte Dinge zitiert, ist es wohl kein Rufmord.

[…]
Ebenso glaubt sich Herr Wenz berufen, Menschen als falsche Apostel bezeichnen zu können. Seine
Legitimation dafür meint er in den Schriften des Apostel Paulus zu finden, die davon zeugen, dass
dieser zu seiner Zeit falsche Apostel entlarvte. Er vergisst dabei allerdings, dass die Vorgehensweise
des Paulus sich von seiner eigenen grundlegend unterscheidet. Paulus nämlich widerstand Menschen
ins Angesicht, wenn sie nicht das wahre Evangelium lehrten. Auch wollte er keinen Wortstreit führen,
sondern vielmehr die Kraft derer, die vorgaben, von Gott gesandt zu sein, kennenlernen. […]

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, mit Herrn Bauer über solche Dinge zu reden. Ich habe das vor Jahren selbst einmal versucht, aber Helmut lehnte es ab, sich mit uns (JFI Ä-Kreis) zu treffen. Man kann so etwas natürlich auch von zwei Seiten angehen, denn immerhin sagt Jesus in Matthäus 5,23-24, dass wir es klären sollen wenn uns einfällt, dass ein Bruder etwas gegen uns hat. Wenn man mit solchen Vorwürfen konfroniert wird finde ich es naheliegender, selbst das Gespräch zu suchen als ein Gegenstatement zu verfassen.
Dass Paulus an einer Stelle über Kraft redet, ist schon wahr. Nur diese eine Stelle zu sehen, widerspricht aber dem Gesamtzeugnis des Neuen Testamentes, das viele Lehrdiskussionen zur Zeit des frühen Christentums zeigt. In den Punkten, die Wenz angesprochen hat, geht es nicht um Kraft, sondern um Struktur und Theologie. Diese Arena verlassen zu wollen und stattdessen über „Kraft“ zu reden, ist Quatsch. Im christlichen Glauben hat nicht derjenige Recht, der am meisten „Kraft“ (was auch immer das ist) vorzuweisen hat. Es gibt genügend Beispiele in der Kirchengeschichte, die zeigen, dass z.B. Leute mit einem großen Heilungsdienst falsche Lehren verbreitet haben. Theologische Fragen müssen anhand der Bibel geklärt werden.

[…] An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass falsche Apostel Menschen waren, die die Gläubigen zurück
unter gesetzliche Lehren führen wollten, sich durch Verstandeslehren hervortaten und zudem keine
oder nur geringe geistliche Kraft besaßen (Paulus schreibt in eben dieser von Peter Wenz zitierten
Schriftstelle, dass sie einen Schein der Gottesfurcht haben, aber deren Kraft verleugnen). Diese
Merkmale wird wohl niemand unserem Leiter andichten wollen.

Das war nur eine Diskussion im frühen Christentum. Diese Diskussion rührte daher, dass viele Christen aus einem jüdischen Hintergrund kamen und daher das Gesetz in ihr Leben als Christen integrieren wollten. Die andere große Auseinandersetzung im NT galt der Gnosis. Es ist kein Geheimnis, dass WuG sehr häufig gnostische Tendenzen vorgeworfen werden. Ich habe noch nie gehört, dass jemand den Vorwurf des falschen Apostels oder der Irrlehre daran festgemacht hätte, dass WuG gesetzlich wäre. Ich finde es komisch, auf Fragen einzugehen, die niemand gestellt hat und damit von den eigentlichen Kontroversen abzulenken.

Wir möchten auch kurz zu den immer wiederkehrenden Vorwürfen bezüglich Spaltung Stellung
nehmen. Natürlich ist uns bewusst, dass keine andere Bewegung der letzten Jahre die
Gemeindelandschaft in Deutschland und darüber hinaus so grundlegend verändert hat wie
WORT+GEIST
. Folgert man allerdings daraus (wie Herr Wenz es tut), dass dies ein Zeichen für
ungöttliche Leiterschaft und falsche Lehre ist, so muss man sich auch von Martin Luther und allen
Männern und Frauen Gottes und deren Lehren distanzieren, die religiöse Strukturen ihrer Zeit
aufgebrochen und neu definiert haben. Dies waren allesamt Menschen, die für diese Aufgabe
besonders befähigt waren und Offenbarungen in die Christenheit zurückbrachten, die bis dahin
verloren gegangen waren
. Dass diese Menschen nicht dazu gesandt waren, die Einheit mit den
bestehenden Ordnungen zu suchen, liegt in der Natur der Sache, ansonsten wäre es nicht möglich
gewesen, die vorherrschenden Strukturen von Grund auf zu reformieren.

Ich möchte mal deutlich in Frage stellen, dass WuG die deutsche oder eine andere Gemeindelandschaft verändert hat. Da ist mir kein Fall bekannt. Alles, was passiert ist, ist dass sich Gemeinden gespaltet haben, aber nicht, dass sie verändert wurden. Die Breite der deutschen Gemeindelandschaft hat von WuG wenig mitbekommen, der Einfluss der Bewegung ist bei einigen Gemeindebünden zu spüren, aber von einer grundlegenden Veränderung kann wirklich keine Rede sein.
„Reformation“ ist ein Schlagwort, das in diesem Zusammenhang oft fällt. In der Praxis ist WuG aber eine klassische Gemeindebewegung, die sich mehr um sich selbst dreht als einen flächendeckenden Einfluss zu haben. Ich kenne auch keine Fälle, in denen der Einfluss der Bewegung von anderen Gemeinden oder Leitern als positiv eingeschätzt wird. Von daher würde ich mit reformatorischen Aussagen vorsichtiger umgehen.
Auch der Hinweis auf Luther ist völlig aus der Luft gegriffen. Ich habe einiges von WuG gehört, aber keine Theologie, die nicht schon bekannt war. Luther stand mit seiner Wahrheit einer ganzen Kirche gegenüber, während WuG mit ihrer Wahrheit einem Bekenntnispluralismus gegenüberstehen, in dem ihre wichtigeren Lehraussagen auch ihren Platz haben. Auf diesen Aspekt geht Peter Wenz ein, indem er z.B. sagt, dass wir die Lehre von unserer Identität mit Christus nicht über Bord werfen wollen. Überhaupt halte ich es für geschichtlich zweifelhaft, ob Luther eine Reformation gebracht hat. Er hat eine neue Kirche gebracht, aber nicht die alte reformiert.
Ebenso stimmt es nicht, dass nur Menschen, die besonders befähigt und gesandt waren, religiöse Strukturen ihrer Zeit aufgebrochen haben. Da gab es genügend Leute und Bewegungen, die definitiv nicht von Gott gesandt waren. Ob WuG zu den von Gott gesandten gehört oder nicht, wird letztlich die Geschichte entscheiden.

[…]
Warum Herr Wenz uns im Zusammenhang mit der Predigt eines Kindes mit nationalsozialistischem
Gedankengut in Verbindung bringen möchte, bleibt sein Geheimnis. Wir können uns dieses Vorgehen
nur mit dem Motiv der Rufschädigung erklären. Kein Vertreter unserer Bewegung steht auch nur im
Geringsten solchen verwerflichen politischen Kräften nahe,
sind doch die persönliche Freiheit und die
unantastbare Würde des Einzelnen Eckpfeiler unseres Glaubens.

Das glaube ich unbesehen. Ich habe WuG nie als politisch motivierte Bewegung wahrgenommen. Ich fand den Vergleich auch nicht ganz fair, muss ich ehrlich sagen. Er erinnert sehr an Godwins Law, und irgendwann musste er wohl kommen, aber ich finde nicht, dass er die Diskussion weiterbringt.
Ich würde WuG aber unter diesen Umständen raten, mehr auf ihre Sprache zu achten. Wer von „Übermenschen“ und einer „neuen Rasse“ spricht und seinen Leiter als „Führer einer Nation“ und „Völkerapostel“ bezeichnet, muss sich nicht wundern, wenn er Assoziationen weckt, die er nicht wecken wollte. Ich weiß, dass die ersten beiden Wendungen aus einer schwachen Übersetzung von E.W. Kenyon stammen, aber das entschuldigt niemanden, der sie öffentlich verwendet.
Persönlich fand auch ich diese Kinderpredigt komplett grenzwertig. Es ist nicht schön, Kinder über „Scheißreligion“ reden zu hören. Die ganze Predigt klingt für mich nur nach Gehirnwäsche und nicht nach „Erkenntnis“. Ich halte es für offensichtlich, dass hier nachgeplappert wird, und würde von einem Kind auch nichts anderes erwarten. Mich macht die Predigt traurig und nachdenklich. Seit ich sie gehört habe, mache ich mir um die Kinder mehr Sorgen als um die Eltern. Bisher konnte ich mir noch sagen, dass man sich nun mal selbst aussucht, wo man hingeht. Bei Kindern kann man das nicht mehr sagen.

[…]
Wir sehen davon ab, zu allen Äußerungen von Herrn Wenz Stellung zu beziehen.

Das finde ich sehr schade. Was mich an dem Statement am meisten beunruhigt, ist, dass zu den wirklichen Vorwürfen nichts gesagt wird. Stattdessen wird ständig das Thema gewechselt und das Wort im Munde rumgedreht. Ich kann das nur als stillschweigendes Eingeständnis deuten. Das würde auch heißen, dass es stimmt, dass WuG Familien zerstört. Das ist die Entwicklung, die mich am meisten traurig macht. Ich hätte gerne etwas Fundiertes dazu gehört. Ich hätte auch gerne etwas zu dem Vorwurf gehört, dass WuG-Leute sich massiv verändern und einem ins Gesicht lügen. Ich habe das auch bemerkt und würde gerne hören, was man bei WuG dazu sagt. Ich hätte auch gerne etwas in der Richtung gehört, dass WuG nicht hochmütig auf andere hinabblickt – statt dessen zeigt das Statement, nicht zuletzt durch sein Schweigen, das Gegenteil.
Wenn ich von Leitern wie Peter Wenz eine solche Kritik zu hören bekäme, würde ich mich anders verhalten. Ich würde mich mehr hinterfragen, mich auch an manchen Stellen entschuldigen. Leider zeigt mir das Statement, dass die Kritik berechtigt ist und WuG ihr nichts entgegensetzen kann.

Sie stützen sich zum einen auf äußerst zweifelhafte Quellen (Herr Wenz benennt diese selbst als nicht zuverlässig, baut
aber ganze Argumentationszüge auf Informationen, die er von diesen Quellen bezieht, auf), zum
anderen gäbe dies streitbaren Geistern noch mehr Anlass, sich zu unseren Belangen zu äußern.

Es stimmt, dass Peter Wenz manche Quellen im Netz kritisch sieht (ich selber auch und aus ähnlichen Gründen). Es stimmt allerdings nicht, dass er sich auf diese Quellen bezieht. Alles, was er gesagt hat, habe ich auch gehört, und nicht (nur) in diesen einschlägigen Quellen. Dass es zweifelhafte Quellen gibt, sagt nichts über Peters Statement aus.

[…] Wenn es darum geht, zu beurteilen, ob ein Werk von Gott beauftragt und bestätigt ist, gibt uns die Bibel einen ganz einfachen Schlüssel an die Hand, der auch als Rat des Gamaliel in die Bücher eingegangen ist: „Steht ab von diesen Menschen und lasst sie! Denn wenn dieser Rat oder dieses Werk aus Menschen ist, so wird es zugrunde gehen; wenn es aber aus Gott ist, so werdet ihr sie nicht zugrunde richten können; damit ihr nicht gar als solche befunden werdet, die gegen Gott streiten.“ (Apg. 5,38+39)
[…]

Natürlich steht dieser Rat in der Bibel, aber er ist auf die konkrete Situation nicht anwendbar. Wir prüfen anhand der Bibel, der Früchte und des Zeugnisses des Heiligen Geistes. Damit sind wir in einer ganz anderen Situation als der jüdische Geistliche Gamaliel. Hier passt dieser Rat nicht.
Es zeigt eine Haltung zum Leib Christi an, wenn eine Bewegung es sich aufgrund eines solchen Rates verbittet, beurteilt zu werden. Auseinandersetzungen und Diskussionen waren im Christentum immer wichtig. Wir sind gemeinsam auf dem Weg – wenn eine Bewegung sich so pauschal von anderen distanziert, ist das sehr gefährlich.

Nachdem nun einige Posts über Gebet im Verstand geschrieben habe, möchte ich einen über Gebet im Geist schreiben. Jesu Leben war nicht nur heilig, es war von seiner Empfängnis bis zu seiner Auferstehung übernatürlich. Es überrascht mich, wenn Christen diesen Aspekt außer Acht lassen. Wer leben will wie Jesus, sagt Ja zu einem Leben in Heiligkeit und Liebe, das vom Übernatürlichen geprägt ist.
Das drückt sich auch in unserem Gebetsleben aus. Gebet kann bitten, danken, flehen, anbeten und vieles andere beinhalten kann, aber über das „Beten im Geist“ oder „in Sprachen“ gibt es viele Diskussionen. Warum eigentlich?
Als ich das erste Mal Sprachengebet hörte, war ich überwältigt. Ich war noch kein Christ und kriegte es echt mit der Angst, als einige Hundert Leute anfingen, in Sprachen zu beten. Ich musste raus und konnte vor Zittern kaum einen Joint drehen. Danach konnte ich nie mehr sagen, dass es keinen Gott gibt. Das war etwas anderes als diese klugen Argumentationen, die mich nie ganz überzeugen konnten!
Als ich das zweite Mal Sprachengebet hörte, war ich neidisch. Da war ich schon Christ und war ich  bei Jugend mit einer Mission in Norddeutschland. Scheinbar war ich der einzige in meiner Jüngerschaftsschule, der nicht in Sprachen betete. Ich hatte keinerlei Theologie dazu, hatte die Bibel nicht gelesen und war nach glaubenstötenden Erfahrungen in einer gesetzlichen Gemeinde gerade wieder bei Jesus angekommen. Immer wenn ich die anderen in Sprachen beten oder singen hörte, haute es mich um. Ich wusste, dass es himmlische Sprachen waren. Sprachengesang brachte mich näher zu Jesus als alles andere, obwohl ich kein Wort verstand. Das musste ich auch haben. Ich sehnte mich mehr danach als nach irgendetwas anderem, aber ich wusste nicht, wie man Gaben bekommt.
Dann wurde für mich gebetet, ich ruhte eine Weile im Geist, und konnte in Sprachen beten! Am Anfang etwas zögerlich, ich musste die neue Sprache „erlernen“. Ich hatte nur einige Silben und stockte mit „Halleluja“ und ähnlichem auf. Mit der Zeit wurde mein Gebet flüssiger, und es wurde eine richtige Sprache daraus. Von Anfang an habe ich festgestellt, dass mich das Beten im Geist aufbaut. Wenn ich eine Weile so betete, war ich einfach glücklich, eine überirdische Freude kam. Außerdem erlebte ich, dass es machte mich „klüger“ machte, ich verstand auf einmal Dinge über Gott, die ich vorher nicht wusste. Bis heute bete ich in Sprachen, wenn ich etwas nicht verstehe und es bringt eine göttliche Klarheit, die ich sonst nicht habe.
Trotz der guten Erfahrungen verlor ich die Gabe mit der Zeit aus den Augen. Man gewöhnt sich an das Gute, das Gott schenkt, und irgendwann werden auch die größten Segnungen alltäglich. Eine Weile, vielleicht einige Monate lang, tat ich es nur selten. Dann hatte ein Freund einen prophetischen Eindruck für mich: „Ich glaube, Du solltest jeden Tag eine Stunde in Sprachen beten.“ Okay, habe ich gemacht. Morgens auf dem Weg zur Berufsschule eine halbe Stunde, mittags auf dem Weg zurück wieder eine halbe Stunde. Es tat mir gut, und mein geistliches Leben, das durch einige Enttäuschungen etwas brach lag, bekam wieder eine neue Qualität. Danach habe ich das Beten in Sprachen nie wieder vernachlässigt. Es gibt Zeiten, in denen ich mehr im Geist bete, und Zeiten, in denen ich es weniger tue, aber ich bin sicher, dass es keinen Tag gibt, an dem ich es gar nicht tue.

Auch wenn das mehr ein persönlicher als ein theologischer Post ist enthält er doch einiges von dem, was Paulus in 1.Korinther 14 schreibt. Am besten liest Du dort noch einmal nach, bevor Du Dir ein Urteil bildest.

[Das ist das Ende der Gebetsreihe bei jesus.de. Hier kannst Du die ganze Reihe als .pdf runterladen.]

Die Kontinuität des Heils und die Zukunft Israels
Paulus wird diesen Einwand voraus geahnt haben und er stellt die Kontinuität zwischen den Testamenten wieder her. Eine sehr spannende Argumentation folgt.

Israel – unser Ursprung und Beginn!
Wenn das Erstlingsopfer,
der frische Teig, heilig ist,
dann sind´s auch die Zweige.
1

Im Bild des Baumes sind die Heiden Zweige, die eingepfropft wurden. Man kann Zweige in andere Bäume einpfropfen um die Frucht zu verändern. Dieses Bild benutzt Paulus hier um zu zeigen, wie andere Völker ins Heil gekommen sind. Israel war der Anfang der Heilsgeschichte, jetzt sind andere in diesen edlen Baum eingepfropft worden. Das ist aber kein Grund zum Prahlen oder sich über Israel zu erheben.

…bedenke: Nicht Du trägst die Wurzel –
die Wurzel trägt Dich!
2

Wenn Israel die alten Zeige am Baum ist und die Völker die an Christus glauben auch Zweige sind, was ist dann die Wurzel? Das ist mehr als eine Scherzfrage, da die Wurzel der Ursprung des Heils ist, ist es eine Frage auf Leben und Tod. Nichts desto trotz ist es eine einfache Frage. Die Wurzel des Baumes ist Gott und seine Offenbarung in der Geschichte. Die Heilsgeschichte fand in Jesus nur ihren Höhepunkt, ihr Ziel. Er war nicht ihr Anfang. Gott zeigte seine Gnade und Kraft während des ganzen Alten Bundes und wir sind jetzt durch den Glauben in diese uralte Heilsgeschichte eingepfropft.

Damit hat Paulus Israels Verhältnis zum Heil in zwei Zeitebenen erläutert: in der Vergangenheit liegt die Wurzel des Heils, in der Gegenwart haben sich die Modalitäten so geändert, dass Israel das Heil nicht mehr verwaltet, in Christus aber dieselben Möglichkeiten hat es zu bekommen, wie alle anderen Völker auch. Kommen wir zur letzten, dunkelsten Zeitebene – der Zukunft. Hier brauche ich echt Hilfe, weil meine Einblicke in die Eschatologie es mir nicht ermöglichen zu verstehen, was der Apostel hier meint. Bezieht er sich auf harte Fakten oder verleiht er einem Wunschdenken Ausdruck?

Israels Verstocktheit,
die einen großen Teil des Volkes ergriff,
wird nur so lange dauern,
bis die Völker, in all ihrer Fülle,
eingegangen sind in die Herrlichkeit,
und dann, ihnen folgend,
wird auch das ganze Volk Israel gerettet werden
[…]
3

Ein wichtiges Aspekt wird indes klar angesprochen:

Im Blick auf das Evangelium
sind Israels Kinder
– um Euretwillen,
die Ihr dem Heil schon nahe seid –
Gottes Feind.
Im Blick auf die Erwählung,
um der Väter willen,
aber sind sie die von IHM Geliebten.
4

Gottes Erwählung ist unangetastet – Israel bleibt Gottes Volk, ein auserwähltes Volk. Das bedeutet aber nicht, dass es noch ein Heil in Israel gibt oder dass man Jude werden muss um Gott zu gefallen. Das ist wichtig zu bemerken, weil manche Christen da etwas durcheinander werfen. Erwählung ist nicht immer mit Heil gleichzusetzen.

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 57 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 58 []
  3. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 59 []
  4. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 59 []

5 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler; denn sie beten gern in den Synagogen und an den Straßenecken, um von den Leuten bemerkt zu werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn dahin.
6 Du aber, wenn du betest, geh in dein Kämmerlein und schließ deine Türe zu und bete zu deinem Vater im Verborgenen; und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten öffentlich. (Matthäus 6,5-6)

Obwohl er das sagte, betete Jesus selber öffentlich (z.B. in Matthäus 14,19/26,26) und einige seiner Gebete sind sogar aufgeschrieben und in der Bibel überliefert worden. Ein Teil unseres Gebetslebens ist immer öffentlich. Das kann z.B. im Gottesdienst sein, oder dass Du als Evangelist ein Übergabegebet vorsprichst.
Das Problem war, dass die Pharisäer, an die sich Jesus hier wendete, nur beteten, spendeten oder anbeteten um von den Menschen gelobt zu werden. Ihr geistliches Leben war nur dazu da andere zu beeindrucken. Es ging gar nicht mehr um Gott, sondern um Menschen, darum gesehen zu werden und anderen zu zeigen, wie fromm und heilig man doch ist.
Echtes Gebet ist frei von dem Wunsch zu brillieren. Man will sich nicht darstellen sondern mit Gott reden.
Der springende Punkt am beten an „Straßenecken und in Synagogen“ ist, für Menschen zu beten und sich nicht mehr auf Gott zu konzentrieren. Das kann einem sogar passieren, wenn man allein ist. Auch wenn niemand bei uns ist kann es uns passieren, dass wir nicht für Gott sondern für Publikum beten. Man kann auch beten um sich selbst zu beeindrucken.
Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich beim beten möglichst fromm klingen möchte und mehr eine Show abziehe, als mit Gott zu sprechen. Im Gebet fliesst das Herz über zu Gott. Da ist zunächst einmal kein Platz für wohlformulierte Worte und Sätze. Wenn meine Freunde nur noch extrem gewählt mit mir sprechen und mich in perfekten fünfhebigen Jamben gereimt fragen ob ich ihnen einen Hammer leihen kann würde ich mich wundern. Wenn das mal vorkommt lacht man darüber aber mit der Zeit würde es wohl jeden stören, wenn der Umgang immer so gekünstelt ist.
So ist es auch mit dem beten. Beten ist keine Kunstform, sondern ein Reden mit Gott. Liebe stammelt, Not drängt, aber sie dichtet nicht! Spätestens wenn wir anfangen unsere Gebete mit denen anderer zu vergleichen haben wir uns auf die Strasse begeben.
Das stille Kämmerlein steht auch für die Abgeschiedenheit mit Gott. Es ist ein Ort, an dem uns keiner zuhört und kritisiert, an dem wir so beten können wie wir wollen und uns fühlen. Es ist ein Ort höchster Intimität mit Gott an dem wir uns fallen lassen können. Dieses stille Kämmerlein kann überall sein, aber man muss es entdecken. Es ist letztlich eine innere Sache und man kann überall so beten, als wäre man allein mit Gott. Das kann, muss aber nicht in einer räumlichen Abgeschiedenheit sein, denn es ist eher eine Geisteshaltung, in der man direkt vor Gott steht.

Das elfte Kapitel des Römerbriefes behandelt die komplizierte Haltung Israels zum Heil. Das Thema wird durch die persönliche Betroffenheit des Apostels und die drei Zeitebenen in denen das Kapitel handelt, noch zusätzlich verkompliziert. Es ist komplexe Theologie in der Sprache menschlicher Betroffenheit. Damit ist es auch ein schönes Lehrkapitel darüber wie Theologie generell betrieben werden soll. Was wäre das Nachdenken über Gott ohne persönliche Betroffenheit? Wer unpersönlich über Gott nachdenkt ist kein Theologe sondern Philosoph – er behandelt ein Thema ohne mit Gott in Beziehung zu stehen.
Die vorangegangenen Kapitel legen den Verdacht nahe, dass Gott sein Volk Israel verstossen hat. Da fängt Paulus Betroffenheit an:

Nein! Das kann ich nicht glauben!
Denn auch ich bin ein Jude,
Abrahams Nachfahr,
imd gehöre zu Benjamins Stamm.
Nein und abermals Nein!
1

Insbesondere die starke Sprache, die Walter Jens hier benutzt, macht es schwer zu entscheiden, ob Paulus sich leidenschaftlich gegen eine unangenehme Wahrheit wehrt oder ein theologisches Argument vorbringen will. Aber zum Glück gibt es ja den Zusammenhang! Der macht klar, dass Paulus ein Argument vorbereitet. Es gab schon einmal eine Zeit in der Geschichte Israels, als die meisten Juden sich gegen Gott gestellt haben. Damals, zur Zeit von König Ahab und Prophet Elia war nicht das ganze Volk verstockt, es gab noch einen kleinen Überrest, der seine Knie nicht vor den fremden Göttern beugte: 7000 Männer, die treu zu ihrem Herrn standen (1.Könige 19,18).In dieser Zeit ist es dasselbe: wieder widersteht das Volk an sich Gott, aber es gibt einen Überrest, zu dem auch Paulus gehört:

Und so ist es auch jetzt,
durch Gottes Gnade auserwählt,
ein kleiner Rest vorhanden:
die Gemeinde der wahrhaft Getreuen,
eine Schar von Gerechten,
die Gott beruft: Du! Und Du! Und Du!
[…]
Was das Volk Israel – das ganze Volk! – suchte,
die Gemeinschaft mit Gott, hat es verfehlt.
Nur eine kleine Schar der Erwählten
erreichte das Ziel.
2

An dieser Feststellung gibt es zwei interessante Aspekte, die man noch weiter diskutieren sollte. Zum einen zeichnet es den kleinen Überrest aus, dass er das neue Heil in Christus angenommen hat. Die Verstockten macht es aus, dass sie Jesus nicht als Messias angenommen haben und stattdessen weiter Gott durch den Buchstaben des Gesetzes dienen. Das eröffnet eine Diskussion, die auch heute noch brandaktuell ist: gibt es noch ein Heil in Israel, oder nicht? Auf diese Frage geht Paulus später ein. Zum anderen drängt sich die Frage auf, wie die Verstockung zustande kommt. Ist sie menschengemacht und auf falsche Entscheidungen zurück zu führen oder hat Gott Menschen verstockt und andere erleuchtet? Auch das ist eine brandaktuelle Frage, die wieder einmal mit der größeren Frage nach der Willensfreiheit des Menschen zusammenhängt.
Jens lese ich so, dass nur eine kleine Schar der Erwählten es geschafft hat. Das würde bedeuten, dass alle, das ganze Volk Israel erwählt war, aber nur eine kleine Schar in der Gemeinschaft Gottes angekommen ist. Leider lesen sich alle anderen Bibelübersetzungen anders. Luther übersetzt beispielsweise:

Wie nun? Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt; die Auserwählten aber haben es erlangt. Die andern sind verstockt, (Römer 11,7)

So gelesen gibt es Menschen, die besonders auserwählt wurden um den neuen Weg in Christus zu erkennen. Ich meine aber, dass der Gesamtzusammenhang sowohl des Römerbriefes als auch der gesamten Schrift, gegen eine solche Interpretation spricht. Paulus predigt das Evangelium gerade auch im Hinblick darauf, dass Juden dadurch zum Glauben an Christus kommen möchten:

Als Sendbote Gottes,
[…]
preise ich meinen Dienst nicht zuletzt deshalb,
weil ich darauf hoffe,
die eigenen zum Nacheifern zu reizen
und wenigstens einige unter ihnen zu retten.
3

Überdies hat Jesus in einem Gleichnis deutlich gepredigt, dass das ganze jüdische Volk zum Glauben gerufen ist, aber nicht gefolgt ist (Matthäus 22) und er verstand seinen Auftrag als Dienst am ganzen Volk (Markus 7,24). Der Grund der Verstockung ist in menschlichen Ursachen wie Tradition zu suchen, nicht in einem Wirken Gottes.
Die zitierte Stelle bietet auch eine Antwort auf die andere Frage. „Nein, es ist kein Heil mehr in Israel“. Könnte man noch durch das Gesetz gerecht werden, wäre der halbe Römerbrief und der Galaterbrief hinfällig. Ein großer Teil der Diskussionen im Neuen Testament drehte sich genau um diese Frage. Die Aneignung des Heils ist sicherlich der größte Bruch zwischen den Testamenten überhaupt. Ich kann mir gut vorstellen, dass da einiges Konfliktpotential lag und einige theologische Diskussionen nötig waren.

[Damit dieser Post nicht viel zu lang wird, unterbreche ich ihn hier und gehe übermorgen der Frage nach der Kontinuität des Heils zwischen den beiden Testamenten weiter nach.]

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 54–55 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 55 []
  3. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 57 []
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