Dem Verständigen ist der Verstand Quelle des Lebens, und den Toren ist die Torheit Strafe. (Sprüche 16,22 nach der Zürcher)

Dass der Verstand eine Quelle des Leben ist, versteht sich von selbst. Verstand verhilft zu guten Noten in der Schule, guten Positionen und Anerkennung. Verständig zu sein, macht im Leben vieles einfacher.

Auch die andere Seite ist richtig: Torheit, der Hang zu Dummheit und schlechten Entscheidungen, macht das Leben schwerer. Bis heute sagt man, dass jemand „mit Dummheit gestraft oder geschlagen ist.“ Dabei geht es nicht darum, dass Strafe immer von einer höheren Instanz wegen eines Missverhaltens verhängt wird. Man kann auch Strafe über sich selbst bringen oder einfach nur „gestraft sein.“ Im Sinne des Auftrages des Sprüchebuches ist natürlich die fruchtbarste Verständnisvariante, dass ein Tor Strafe über sich selbst bringt. Er ist gestraft indem er nicht den Weg der Weisheit einschlägt, sondern weiter auf dem Weg der Torheit geht.
Vergessen wir nie, dass niemand weise geboren wird und Torheit kein Geburtsfehler ist. Das Grundthema der Sprüche ist, dass Torheit kein unentrinnbares Verhängnis ist, weil Weisheit lernbar ist. Sie entspringt in der Furcht Gottes (Sprüche 1,7) und folgt dann einigen Regeln.

 ##sys

Wer ein weises Herz hat, den nennt man verständig, und die gefällige Rede fördert die Belehrung. (Sprüche 16,21 nach der Zürcher)

Von der modernen Denkweise her erschließt sich der Zusammenhang zwischen einem weisen Herzen und Verständigkeit vielleicht nicht unmittelbar. Unter „verständig“ verstehen wir eher jemanden, dem es leicht fällt, etwas zu verstehen, also einen klugen Menschen, als einen weisen. Weisheit hat für uns, auf der anderen Seite, nicht unbedingt etwas mit Klugheit zu tun, eher mit einer Lebensklugheit.
In der Antike waren diese Begriffe allerdings nicht so abgegrenzt wie sie uns heute erscheinen. Gotteslehre, Philosophie und Wissenschaften waren noch vermischt und man kann davon ausgehen, dass jemand, der in der Weisheit der Sprüche unterrichtet wurde, zugleich auch ein Schüler der Wissens war.
In diesem Zusammenhang ist auch die „gefällige Rede“ gestellt. Mit ihr ist nicht gemeint, dass jemand das sagt, was ein anderer hören will, sondern sie gefällt weil sie Kenntnisse rüberbringt. Sie fördert die Belehrung, ist also die gelehrte Rede eines Lehrers und die nicht die glatte Rede eines Schmeichlers.
Auch wenn dieser Ausspruch formal betrachtet eine Feststellung ist, stellt er doch eine Herausforderung an uns dar. Wir sollten mit einem weisen Herzen verständige Rede geben. Weise Menschen werden nicht viele Worte machen und sich durch Geschwätzigkeit hervortun. Sie werden mit gefälliger Rede gute Ratgeber sein und ihre Zuhörer weiter bringen.

##sys

Wer sich tiefergehend (sehr viel tiefergehender) mit Dietrich Bonhoeffer beschäftigen möchte, kommt irgendwann nicht mehr an den gesammelten Schriften vorbei. Herausgegeben wurden sie in sechs Bänden von seinem Freund und Beichtbruder Eberhard Bethge, der durch seine Heirat mit Renate Schleicher auch offizielles Mitglied der Bonhoefferfamilie war.
Anders als Biographien sind die gesammelten Schriften schwer zu schlucken (und noch schwerer zu verdauen): Alles, was Bonhoeffer an Schriftlichem hinterlassen  hat, findet hier Platz – bis auf die Bücher. Man findet Unmengen an Briefen, von denen einige bedeutungsvoll sind, manche aber einfache Gelegenheitsbriefe sind wie wir sie alle mal geschrieben haben. „Wir freuen uns herzlich auf Ihren Besuch. Ab 17. Juni sind wir wieder in Finkenwalde! Bitte bestimmt kommen!“ (am 8.Juni 1937 an Erwin Sutz).
Oft sind gerade die Briefe schlecht zu lesen weil nur Bonhoeffers Briefe erhalten sind, nicht aber die Antworten.
Neben den Briefen gibt es Tagebucheinträge, Sitzungsprotokolle und alles mögliche anderes.

Wenn man weiß was man sucht, bieten die Bände einen unschätzbaren Fundus an Informationen. Wenn man nur mal etwas Schmökern will findet man hier und da mal eine Predigt, die wirklich inspirierend ist. Kurz: nur für Fans und Forscher. Besonders berührt hat mich in Band 1 – Ökumene – der Briefwechsel zwischen George Bell, dem Bischof von Chichester und Freund Bonhoeffers mit Sir Anthony Eden, dem britischen Außenminister. Bell setzte sich für das Anliegen der bekennenden Kirche ein und stellte später ein Bindeglied zwischen dem Widerstand und den Alliierten dar – zumindest dachte Bonhoeffer das. Die Wahrheit war, dass die britische Regierung keinerlei Interesse an einer Kooperation mit deutschen Widerstandsgruppen hatte so dass Eden Bell empfahl, auf entsprechende Anfragen nicht einmal zu antworten. Bevor sie mit einer Gruppe diskutierten, die später möglicherweise eine neue Regierung des deutschen Reiches bilden könnte, wollten sie erst Taten sehen. So lange das Volk Hitler nicht los würde, gäbe es auch keine Verhandlungen.
Ich finde diese historische Situation außerordentlich deprimierend, zumal vor dem Hintergrund des immensen theologischen Kampfes mit dem eigenen Gewissen, den Bonhoeffer und andere ausfochten.

Langsam wird es zu einer guten Tradition, dass ich im Urlaub Bonhoeffer lese. Dieses mal waren es zwei Bücher: Eric Metaxas‘ Biographie und Band 1 der Gesammelten Schriften. Ich fange in diesem Post mit Metaxas an.
Es gibt Bücher, um die man einfach nicht herumkommt, wenn man Interesse an einem bestimmten Thema hat. „Bonhoeffer – Pastor, Martyr, Prophet, Spy: A Righteous Gentile Vs. The Third Reich“ gehört dazu. Das Buch war monatelang in der frommen Szene überall in der Werbung. Metaxas stieg in der evangelikalen Szene zu einer Art Rockstar auf, der zu Gelegenheiten wie dem WillowCreek-Kongress stolz verkündete, dass Bonhoeffer einer der unseren sei – ein Evangelikaler. Also war klar, dass ich das Buch lesen musste. Ich habe die E-Book-Ausgabe aufs iPad geladen und habe mich anfangs durchgequält, war am Ende aber doch recht angetan.

Das Buch ist eindeutig amerikanisch und damit habe ich fast immer Probleme, wenn es um deutsche Themen geht. Sicherlich hat Metaxas sich mit der Materie beschäftigt, teilweise habe ich vermutet, dass er auch mit deutschen Quellen gearbeitet hat, das habe ich aber nicht geprüft. Die amerikanische Perspektive ist eindeutig das größte Problem. Ich hatte bei fast keinem geistesgeschichtlichen oder theologischen Konzept den Eindruck, dass Metaxas es wirklich verstanden hätte.
Ganz gruselig wird es, wenn die billige Gnade als einfacher Konflikt zwischen Gnade und Gesetz beschrieben wird. In diesem Zusammenhang hat sich leider bereits im Vorwort Timothy Keller sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Es geht weiter mit Luther, der für Deutschland etwas ähnliches war wie Mose für Israel. Dann wundert er sich darüber, dass Bonhoeffer nicht über eine Entscheidung gebetet hat etc.etc.
Das nächste Problem ist, dass Metaxas das Buch offenbar mit einer Agenda geschrieben hat: Er will Bonhoeffer für den Evangelikalismus requirieren. Das ist aber in der Praxis gar nicht so einfach und nicht möglich, ohne ihm eine gewisse Gewalt anzutun. Man kann Bonhoeffer aus vielen Perspektiven lesen, aber diese Vereinnahmung ist sicher etwas plump. Der Bonhoeffer, der sich formal sein ganzes Leben zur historisch-kritischen Methode stellte und der über religionsloses Christentum nachdachte, wird nur kurz gestreift. Das, was wir heute als evangelikal verstehen, hat Bonhoeffer kaum interessiert – er war ein Mann der Kirche, nicht der Freikirche. Ein großer Punkt des Kirchenkampfes war es, ob die Reichskirche überhaupt noch Kirche ist oder ob nicht vielmehr die bekennende Kirche ihre Nachfolge angetreten hätte. Freikirchen gab es zu der Zeit genug, aber sie waren weit außerhalb Bonhoeffers Blickwinkel.
Manchmal habe ich mich gefragt, ob nicht generell ein Missverständnis besteht, dass auf einem Übersetzungsfehler beruht. Evangelisch übersetzt Metaxas mit evangelical, aber evangelical ist nicht evangelikal. Möglicherweise kommen die Begriffe hier ebenso durcheinander wie bei Milliarde und Billion.

Die ersten hundert Seiten habe ich eigentlich nur Anmerkungen gemacht, um das Buch nachher verreißen zu können. Das habe ich aber nachher wieder sein gelassen weil das Buch besser wurde. Als reine Biographie ist das Buch gut recherchiert. Sicher besser als Mary Glazeners biographischer Roman „der Kelch des Zorns“, den ich letztes Jahr im Urlaub gelesen habe. Ich habe einiges Neues erfahren und dem Autor echte Wertschätzung für Bonhoeffer abgespürt. Die Recherche war sehr gut und als Einstieg in Bonhoeffers Leben eignet sich das Buch allemal.
Lustig sind die Errata, deren einige im Anhang erwähnt sind. Das Buch musste pünktlich zum Bonhoefferjahr rauskommen und wurde so mit der heißen Nadel lektoriert. Das führte dazu, dass in der ersten Auflage ein Physiker namens Alfred Einstein auftauchte.

In Kurzform: Ich bin froh, dass wieder mal über Bonhoeffer gesprochen wird. Ich bin traurig über manche Vereinfachung. Ich empfehle die Biographie trotz einiger Mängel. Bonhoeffer war ein komplexer Denker, den man nicht kennenlernt indem man eine einzelne Biographie liest. Ich empfehle daher auf jeden Fall kommentierte Ausgaben seiner Hauptwerke zu lesen.

Als einzigen Roman habe ich im Urlaub „der Friedhof in Prag“ gelesen und war, wie soll ich es anders sagen?, begeistert. Ich hatte das Buch in einer Buchhandlung gesehen und am vorletzten Tag gekauft weil ich auf einmal unheimlich Lust hatte, mal wieder etwas von Umberto Eco zu lesen. Als ich das Buch gekauft habe, war mir gar nicht klar, worum es geht, es reichte, dass es das neue Buch eines Autoren war, den ich sehr schätze. Nachher war ich umso begeisterter. Den Hintergrund bildet die Entstehung der Protokolle der Weisen der Zion. Vor vielen Jahren war das mein Ein- und Ausstieg in die Welt der Verschwörungstheorie. Ich war entsetzt über den Grad der Verschwörung und wie weit diese in der modernen Welt realisiert wurde (bis zum Bau von U-Bahnen!). Das Einzige was mich etwas irritierte war, dass die ganze Verschwörung tatsächlich jüdisch sein sollte.

Nach einiger Recherche, die ich zusammen mit einem Freund durchführte, stellte ich fest, dass an den Protokollen nichts dran ist (auch wenn Hitler in seinem Buch das Gegenteil behauptete). Die Protokolle sind schlicht und ergreifend eine Fälschung, die von Frankreich (Joly) nach Russland (Nilus) führte und lückenlos nachvollziehbar ist. Umso schrecklicher, dass sie für hunderttausende Tote zumindest mitverantwortlich sind. Einige Jahre nach meinen Recherchen schrieb Hadassa ben Itto ein Buch mit dem Titel „Die Protokolle der Weisen von Zion: Anatomie einer Fälschung„.(1) Eco hat nun das bekannte Material künstlerisch aufbereitet und einen anspruchsvollen Roman daraus gemacht. Wer auf Verschwörung steht und generell mit Umberto Eco klarkommt (der sicherlich nicht der einfachste Autor ist), dem sei das Buch wärmstens empfohlen.

_____

(1) Mittlerweile ist das Buch wegen neuerer Forschungsergebnisse wohl veraltet. Außerdem hat die deutsche Ausgabe nicht den besten Ruf, vor allem wegen fehlender Quellen. Seinerzeit war das Buch aber ein echter Augenöffner, zumindest für mich.

Die zweite Graphic-Novel, wieder aus der Reihe der Süddeutschen Zeitung, Guy Delisle: Shenzhen. Guy Delisle ist Kanadier und hat als Graphiker in verschiedenen Ländern gelebt und gearbeitet. Einen Teil seiner Auslandsaufenthalte hat er in Form von gezeichneten Romanen oder Reisebeschreibungen festgehalten. Eine davon handelt in Shenzhen, einer aufstrebenden Wirtschaftsmetropole in China. Deslile war einige Wochen dort um die Produktion von Animationen für eine, nicht näher bezeichnete, Fernsehserie ui überwachen. Dabei machte ihm vor allem die Fremdheit und die daraus folgenden Isolation zu schaffen. Die Geschichte ist nachvollziehbar, aber man kann sich denken, dass sie nicht gerade spannend ist. Zudem ist mir der Zeichenstil Delisiles zu spartanisch, teilweise fast kindlich. Insgesamt war der Comic in Ordnung, hat mir aber keine Lust auf mehr gemacht.

4. Mai 2012 in bücher und literatur 0

Gift

So, ich komme eben aus dem Urlaub wieder und wie es so ist, habe ich viel gelesen und geschrieben. Einen Buchentwurf von immerhin fast hundert Seiten habe ich im Gepäck und mehr als ein Dutzend Bücher und Büchlein gelesen. Woran ich schreibe verrate ich noch nicht, aber einige Buchtipps. Zusammenfassungen oder Rezensionen werde ich wohl bloggen. Mal sehen, wie weit es gelingen wird, derzeit sieht der Stapel auf dem Schreibtisch irgendwie bedrohlich aus… Jedenfalls ist es ein netter Potpourri aus hauptsächlich Sach- und Fachbüchern, zwei Graphic-Novels und einem Roman. Ich beginne mit einer Graphic-Novel: Gift von Peer Meter und Barbara Yelin.

Bestimmt habe ich schon einmal erwähnt, dass ich Graphic-Novels sehr mag. Manche glauben mir das nicht, weil sie mit gezeichneten Büchern nur Walt Disney und Superhelden verbinden. Na gut, lustige Taschenbücher habe ich wohl an die dreihundert, aber Superhelden haben mich nie interessiert. Aus Sympathie zu einem großen Autor habe ich Frank Millers Batmanadaptionen gelesen (nicht zu vergleichen mit Bob Kanes ersten Strips), aber das war es auch schon. Das Genre hat mehr zu bieten als Prügeleien zwischen Männern in langen Strumpfhosen und Capes.

Gift ist eine ausgezeichnete Geschichte über eine fiktive britische Autorin, die 1831 nach Bremen reist um eine Reisebeschreibung für den Brockhaus-Verlag zu verfassen. Schon die Beschreibungen der Misogynie und Ressentiments die ihr in der Hansestadt entgegenschlagen machen die Geschichte lesenswert, besonders da ihre Figur von Barbara Yelin graphisch sehr schön umgesetzt ist. Kaum ist sie in Bremen angekommen sieht sie, dass auf dem Platz vor dem Rathaus ein Galgen für eine bald bevorstehende Hinrichtung aufgebaut wird. Es sollte die letzte Hinrichtung in der Geschichte Bremens werden. Die Delinquentin: Gesche Gottfried, die fünfzehn Menschen, darunter ihre eigenen Kinder, mit Mäusebutter vergiftet hatte. Vor den forschenden Augen der Autorin entfaltet sich eine ungeheuerliche Geschichte die letztlich eine Stadt genauso schuldig dastehen lässt wie die Mörderin. Jeder wusste, dass in Gesches Haus etwas nicht stimmte, der Apotheker wunderte sich über die großen Menge Mäusebutter, die Gesche brauchte, aber niemand schritt ein.

Die Geschichte wäre schon beklemmend wenn sie erfunden wäre. Dass sie aber zum Teil sehr genau auf Verhörprotokollen beruht, die bis heute erhalten sind, macht sie noch einmal beklemmender. Sehr gutes Buch, einer meiner Lieblings“comics“.

In der letzten Predigt habe ich eine lockere Reihe über unsere Identität in Christus begonnen. Es ging inhaltlich um eine der absoluten Grundaussagen der Bibel über unsere Erlösung: Wir sind die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.

Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden. (2.Korinther 5,21 nach der Einheitsübersetzung)

Die neue Identität ist deshalb schwer zu verstehen, weil sie unser Denken auf den Kopf stellt. In Philosophie, Theologie, Pädagogik, Jura und Psychologie gibt es die Debatte, was der Mensch ist. Ist er das, was er tut oder das, was er ist? Meistens tendieren wir mehr dazu ihn als das zu beschreiben, was er tut. Das ist auch viel einfacher, denn man kann das benutzen, was vor Augen ist um sich ein Bild von jemandem zu machen. Gott sieht aber tiefer, auf das, was wir wirklich sind – und wir sollten lernen, seinem Blick zu folgen.
Bevor ich die Tatsache, dass unser eigentliches Ich unsere Identität in Christus ist, mit einigen Bibelstellen untermauere, will ich mit einem einfachen Bild einsteigen. Ich hoffe, dass es mehr sagt als tausend Stellen.
Eine meiner Lieblings-CDs ist „a kind of blue“. Die CD ist sehr chillig und die meisten, die mal bei mir waren werden sie schon einmal gehört haben, weil sie gut im Hintergrund laufen kann. Über viele Jahre hinweg war sie das meistverkaufteste Jazz-Album überhaupt. Die CD ist von Miles Davies, der als Jazztrompeter bis heute eine Legende ist. Miles Davies wollte ursprünglich nicht unbedingt Jazz machen. Das Problem war nur, dass es nach seinem Studium keine Orchester in den USA gab, die schwarze Musiker einstellten. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als nach Paris zu gehen, Heroin süchtig zu werden und den Jazz neu zu erfinden.
Der Punkt ist, dass seine Identität als Schwarzer negativ über das gestellt wurde, was er tat, nämlich verdammt gut Trompete zu spielen. Was er war wog mehr als was er tat.
Heute würde das jeder als himmelschreiende Ungerechtigkeit empfinden, aber damals war die Welt noch viel rassistischer als heute und es war erschreckende Normalität. Im Positiven ist es genau das, was Gott nach unserer Wiedergeburt tut. Er definiert uns nicht nach dem was wir tun sondern nach dem, was wir sind. Auch wenn wir sündigen sind wir noch die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt und er hört nicht auf gut von uns zu denken. Du sagst vielleicht: „Ich bin ein Zocker!“, aber Gott sagt: „Du bist Gerechtigkeit!“ Nach unseren Maßstäben ist das ungerecht, aber es ist der einzige Weg in den Himmel. Wenn Deine Taten Dich vor Gott gerecht machen müssten hättest Du keine Chance – niemand von uns. Wir könnten vielleicht versuchen, der beste Sünder in der Hölle zu sein, aber für den Himmel reicht es nicht – dafür muss der Wechsel der Identität erfolgt sein.

Jeder, der von Gott stammt, tut keine Sünde, weil Gottes Same in ihm bleibt. Er kann nicht sündigen, weil er von Gott stammt. (1.Johannes 3,9 nach der Einheitsübersetzung)

Mach mal das Experiment und sag: „Ich kann nicht sündigen!“ Es ist ganz schön schwer, das zu sagen. Wir sind so darauf trainiert zu denken, dass wir Sünder sind, dass es uns schwer fällt zu glauben, dass es einen Teil von uns gibt, der nicht sündigen kann. Es regt sich auch schnell der Widerspruch dass wir denken: „Moment, ich zeige Dir gleich, dass ich sehr wohl noch sündigen kann. Das wäre ja wohl gelacht.“ Natürlich kann Dein Körper sündigen und auch Deine Seele. Das wusste auch Johannes und hat auch darüber in seinem Brief geschrieben.
Hier geht es offenbar nicht um den ganzen Menschen nach Körper, Seele und Geist, denn jeder von uns weiß, dass wir sündigen können. Aber ein Teil von uns, der neugeschaffene Teil, kann tatsächlich nicht sündigen und das ist der Teil, der für Gott entscheidender ist als jeder andere.

Die neue Schöpfung

Die beiden folgenden Stellen werde ich in umgekehrter Reihenfolge behandeln und lese sie auch in zwei Übersetzungen vor von denen die eine verständlicher und die andere genauer ist:

Also schätzen wir von jetzt an niemand mehr nur nach menschlichen Maßstäben ein; auch wenn wir früher Christus nach menschlichen Maßstäben eingeschätzt haben, jetzt schätzen wir ihn nicht mehr so ein. 17 Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. (2.Korinther 5,16-17 nach der Einheitsübersetzung)

Daher kennen wir von nun an niemand nach dem Fleisch; wenn wir Christus auch nach dem Fleisch gekannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr so. 17 Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (2.Korinther 5,16-17 nach der Elberfelder)

Hinten angefangen: Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung. Welchen Teil von uns kann das meinen? Wovon spricht Paulus wenn er uns eine neue Schöpfung nennt? Unser Körper kann es eigentlich nicht sein. Wenn jemand vor seiner Bekehrung krank war, ist er das meistens auch noch nachher, es sei denn, Gott tut ein Wunder. Wenn jemand vor der Bekehrung klug war, dann auch nachher. Paulus spricht von unseren sterblichen Leibern, da ist also keine große Veränderung zu erwarten. Es wäre auch zu einfach, wenn man Christen an ihrem Äußeren erkennen könnte. Der Körper ist es nicht.
Ist es die Seele? Nein, denn mit der Bekehrung beginnt der Prozess des Umdenkens. Wir erneuern unser Denken und Fühlen an Gottes Wort. Das ist es, was wir gerade eben tun. Die Seele muss die Realität Gottes erst einmal lernen und oft fällt ihr das keineswegs leicht.
Der einzige Teil von dem Paulus hier reden kann ist unser Geist. Derselbe Teil von dem auch Johannes geredet hat. Unser innerster Wesenskern ist das, was Gott neu geschaffen hat.

In Vers 16 benutzt Paulus ein schwieriges Wort: Fleisch. Ich habe deswegen extra noch die Einheitsübersetzung dazu genommen, die als „menschliche Maßstäbe“ interpretiert. Wir beurteilen Christus nicht mehr nach menschlichen Maßstäben, d.h. wir interessieren uns nicht für Äußerlichkeiten Jesu sondern für das, was er wirklich ist. Es gibt immer wieder mal Versuche herauszufinden, wie Jesus wirklich aussah. Man scannt z.B. das Turiner Grabtuch und versucht daraus die menschliche Gestalt Jesu abzuleiten. Sicherlich wäre es interessant zu wissen, wie er ausgesehen hat, aber im Grunde ist das nicht wichtig. Es ist ein nice-to-have, aber sicher kein must-have. Äußerlichkeiten sind nicht entscheidend. Das geht noch tiefer. Man kann Mel Gibsons Passion Christi sehen und das echte verpassen. Wenn man nur den leidenden Jesus sieht, hat man menschlichen Schmerz gesehen, aber keine Erlösung. Man kann auf Jesus schauen, ohne Christus zu sehen – vielen geht das so und Jesus wird zum Motiv der Künste, aber nicht zum Erlöser des Menschen.
Christus nicht nach dem Fleisch zu sehen bedeutet ihn als den zu sehen, der er heute ist: Der auferstandene und wiederkehrende König.
Ebenso wie wir Jesus sehen können ohne Christus zu erkennen, können wir Menschen sehen und das Wesentliche bleibt uns verborgen. Wir können Menschen als das sehen was sie tun und wie sie wirken. Oder wir können auf das schauen, was Jesus in ihnen getan hat. Am einfachsten ist es natürlich, mit sich selbst zu beginnen und sich selbst nicht mehr nach menschlichen Maßstäben einzuschätzen sondern sich im Licht der Erlösung zu sehen. Das geht nicht immer leicht und man muss es lernen, sich zu sehen wie man ist, aber es lohnt sich.
Die einzige Quelle dieses Wissens ist Gottes Wort. Man kann seinen Geist nicht anfassen oder sich auf Gefühle verlassen. Wer Gottes Liebe oder Annahme spüren muss macht sich von einer höchst unzuverlässigen Quelle abhängig. Aus Glauben zu leben bedeutet sich selbst im Licht der Erlösung zu kennen und gemäß dieser Erkenntnis zu leben.

Der Weg zur eigenen Identität

Römer 12,2 zeigt uns, wie man es anstellt, sich mehr über seine Erlösung und die wahre Identität zu definieren:

Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist. (Römer 12,2 nach der Einheitsübersetzung)

„Angleichen“ ist das griechische Wort syschämatizo, darin klingt das deutsche Lehnwort „Schema“ an. Ein Schema ist ein Muster, interessanterweise im Griechischen immer ein äußeres Muster, niemals etwas gedachtes. Wir können uns also nach dem äußeren Muster verhalten, das uns die Welt zeigt. Wir werden das sogar automatisch tun, wenn wir nicht eine gewisse Kraft in Gegenmaßnahmen investieren. Die einzige Möglichkeit etwas gegen diese Weltlichkeit zu tun, ist sein Denken zu erneuern.
Wir sind von kindauf weltlicher Prägung ausgesetzt und leider trägt Religion ein Übriges dazu bei, diese Prägung zu vertiefen. Wir denken einfach nicht wie Gott und müssen Mühe investieren, unser Denken zu verändern. Diese Veränderung geschieht an Gottes Wort und ich empfehle dazu einfach mal ganz unbescheiden mein „Wortbuch“, das sich sehr viel gerade mit Römer 12,2 beschäftigt.

Die Bibel gibt uns einige sehr praktische Tipps, wie man sein Denken verändern kann. Mit einem möchte ich schließen. Er stammt aus dem Philemonbrief. Es ist einer der Privatbriefe des Paulus in dem er um Gnade für einen entlaufenen Sklaven bittet. Eigentlich kein Lehrbrief und er enthält auch nur wenig Theologie, aber Paulus wäre nicht der Apostel gewesen der er war, wenn er die Gelegenheit hätte verstreichen lassen, Philemon etwas theologische Lebensweisheit mitzugeben.

4 Ich danke meinem Gott, indem ich allezeit deiner in meinen Gebeten gedenke,
5 da ich von deiner Liebe und von dem Glauben höre, den du an den Herrn Jesus und allen Heiligen gegenüber hast,
6 daß die Gemeinschaft deines Glaubens wirksam werde in der Erkenntnis alles Guten, das in uns im Hinblick auf Christus ist.
7 Denn ich hatte viel Freude und Trost wegen deiner Liebe, weil die Herzen der Heiligen durch dich, Bruder, erquickt worden sind. (4-7 nach der Elberfelder)

Gemeinschaft ist ein Wort, das man erklären muss. Wenn wir im Deutschen von Gemeinschaft sprechen meinen wir oft etwas in der Richtung von „miteinander rumhängen“ oder zusammen Zeit verbringen. Das griechische koinonia geht dagegen viel mehr in Richtung Teilhabe. Wer Gemeinschaft hat, hat Teil an etwas, er bekommt etwas. Im Deutschen ist das im Begriff der Gemeinde, gerade in der politischen Dimension des Begriffes, enthalten. Eine Gemeinde, z.B. eine Stadt, teilt ihre Ressourcen, man gehört dazu in dem man sich einbringt; es ist im Idealfall ein Geben und Nehmen. Es geht also um die Teilhabe am Glauben.
Diese Teilhabe am Glauben wird wirksam in der Erkenntnis des Guten, das uns durch Jesus ist. Glaube wächst also dort, wo man sich um das kümmert und dreht, was Christus in uns getan hat. Das effektivste was wir tun können um unseren Glauben zu stärken und die Beziehung mit Jesus zu vertiefen ist, uns mit dem Guten auseinanderzusetzen, das er für uns getan hat. Mit anderen Worten: Dass wir darüber nachdenken, beten, lesen meditieren, was Christus am Kreuz für uns erwirkt hat.
Die Herausforderung ist es, dass wir unseren Blick von Jesus weg drehen und auf das schauen, was um uns herum passiert. Wer das tut geht leicht in den Wellen unter wie Petrus. Sein Fehler war es aus dem Boot auszusteigen, zu beginnen im Glauben zu laufen – und dann auf die Wellen zu schauen. Auf einmal wurde seine äußere Realität größer als seine innere.
Christliche Gemeinschaft kann etwas total Runterziehendes sein wenn sie nicht in dem Geist von Philemon 6 geschieht. Wenn man Teil hat am Problem und nicht an der Lösung. Wenn man sich mit Sünde beschäftigt statt mit Erlösung. Wenn man auf das Versagen schaut statt auf das Überwinden. Seine Identität kennen zu lernen bedeutet, konsequent den Blick auf die innere Wirklichkeit zu richten, an dem festzuhalten, was Christus getan hat. Glaube wird dann effektiv wen man an der Erlösung festhält und sich mit ihr auseinanadersetzt. Wo man nicht in den Chor der Welt einstimmt und annimmt, nicht geliebt, gerecht und geisterfüllt zu sein sondern gerade dann an der Wahrheit des Wortes festhält und Gott die bedeutsamste Quelle der Identität sein lässt, die man hat.

 

Es gibt Situationen im Leben in denen man wissen muss, was wichtig ist. Daraus kann man nicht den Umkehrschluss ziehen, dass es in manchen Situationen egal ist, aber in den schwierigen Zeiten ist es lebensnotwendig zu wissen, um was man sich dreht, mit was man sich beschäftigt und was einen ausmacht. Wer es dann nicht weiß steht in der Gefahr, sich selbst zu verlieren oder Schlimmeres. Sprüche 4,23 sagt:

Mehr als alles hüte dein Herz; denn von ihm geht das Leben aus.

Das Herz ist unser Innerstes und wenn es vergiftet ist oder Schaden nimmt, dann ist das Leben vergiftet, das aus ihm hervorgeht. Man kann vieles ertragen, aber wenn das innerste Selbst in Mitleidenschaft gezogen wird, ist das eine sehr gefährliche Sache.
Deshalb rät Gottes Wort uns eindringlich, genau das nicht geschehen zu lassen. Bei allem worauf wir sonst noch achten und was wir behüten sollten: Unsere Familie, Gemeinde, Eigentum, Integrität, ist das Herz das Wichtigste, wenn unser Innerstes stimmt, ist alles andere leicht zu reparieren, hat unser Innerstes Schaden genommen, sind die äußeren Dinge egal.
Auf das Herz achtet man in jeder Situation. In den guten Zeiten ist die Gefahr, dass man sich überhebt, eitel und hochmütig wird. Viele kommen mit ihren guten Zeiten nicht klar. Die harten Zeiten sind aber für jeden gefährlich, denn in diesen Zeiten öffnen wir  uns für Zweifel an uns selbst und an Gott. Gerade in Zeiten äußerer Unruhe ist es deshalb wichtig, das Herz zu hüten und darauf aufzupassen.
Die Bibel gibt uns einige sehr praktische Tipps, wie man das tun kann. Ich kann nur ein paar herausgreifen und hoffen, dass die Liste nicht zu unvollständig wird. Beginnen wir mit dem Philemonbrief. Es ist einer der Privatbriefe des Paulus in dem er um Gnade für einen entlaufenen Sklaven bittet. Eigentlich kein Lehrbrief und er enthält auch nur wenig Theologie, aber Paulus wäre nicht der Apostel gewesen der er war, wenn er die Gelegenheit hätte verstreichen lassen, Philemon etwas theologische Lebensweisheit mitzugeben.

 4 Ich danke meinem Gott, indem ich allezeit deiner in meinen Gebeten gedenke,
 5 da ich von deiner Liebe und von dem Glauben höre, den du an den Herrn Jesus und allen Heiligen gegenüber hast,
 6 daß die Gemeinschaft deines Glaubens wirksam werde in der Erkenntnis alles Guten, das in uns im Hinblick auf Christus ist.
 7 Denn ich hatte viel Freude und Trost wegen deiner Liebe, weil die Herzen der Heiligen durch dich, Bruder, erquickt worden sind. (4-7 nach der Elberfelder)

Gemeinschaft ist ein Wort, das man erklären muss. Wenn wir im Deutschen von Gemeinschaft sprechen meinen wir oft etwas in der Richtung von „miteinander rumhängen“ oder zusammen Zeit verbringen. Das griechische koinonia geht dagegen viel mehr in Richtung Teilhabe. Wer Gemeinschaft hat, hat Teil an etwas, er bekommt etwas. Im Deutschen ist das im Begriff der Gemeinde, gerade in der politischen Dimension des Begriffes, enthalten. Eine Gemeinde, z.B. eine Stadt, teilt ihre Ressourcen, man gehört dazu in dem man sich einbringt; es ist im Idealfall ein Geben und Nehmen.
Diese Teilhabe am Glauben wird wirksam in der Erkenntnis des Guten, dass uns durch Jesus ist. Glaube wächst also dort, wo man sich um das kümmert und dreht, was Christus in uns getan hat. Das effektivste was wir tun können um unseren Glauben zu stärken und die Beziehung mit Jesus zu vertiefen ist, uns mit dem Guten auseinanderzusetzen, das er für uns getan hat. Mit anderen Worten: Dass wir darüber nachdenken, beten, lesen meditieren, was Christus am Kreuz für uns erwirkt hat.
Die Herausforderung schwieriger Zeiten ist es, dass wir unseren Blick von Jesus weg drehen und auf das schauen, was um uns herum passiert. Wer das tut geht leicht in den Wellen unter wie Petrus. Sein Fehler war es aus dem Boot auszusteigen, zu beginnen im Glauben zu laufen – und dann auf die Wellen zu schauen. Auf einmal wurde seine äußere Realität größer als seine innere.
Christliche Gemeinschaft kann etwas total Runterziehendes sein wenn sie nicht in dem Geist von Philemon 6 geschieht. Wenn man Teil hat am Problem und nicht an der Lösung. Wenn man sich mit Sünde beschäftigt statt mit Erlösung. Wenn man auf das Versagen schaut statt auf das Überwinden. Sein Herz zu bewahren bedeutet konsequent den Blick auf die innere Wirklichkeit zu richten, sich nicht von äußeren Widrigkeiten den Glauben rauben zu lassen sondern an dem festzuhalten, was Christus getan hat. Das kann manchmal laut und heftig sein. Wir sind alle darauf trainiert unsere Fehler zu sehen und dem, was wir tun mehr Gewicht zu geben als dem, was wir in Jesus sind. Aber Glaube wird da effektiv wo man an der Erlösung festhält wenn es haarig wird. Wo man nicht in den Chor der Welt einstimmt und annimmt, nicht geliebt, gerecht und geisterfüllt zu sein sondern gerade dann an der Wahrheit des Wortes festhält und Gott die bedeutsamste Quelle der Identität sein lässt, die man hat.

In dem allen klingt ein theologisches Konzept an, das ich sehr lange nicht verstanden habe obwohl ich wusste, dass es richtig ist. Was bedeutet es eigentlich, „auf Jesus zu sehen“?

Es waren aber etliche Griechen unter denen, die hinaufkamen, auf daß sie auf dem Feste anbeteten.
21 Diese nun kamen zu Philippus, dem von Bethsaida in Galiläa, und baten ihn und sagten: Herr, wir möchten Jesum sehen. (Johannes 12,20-21 nach der alten Elberfelder)

Es ist nicht nur der Traum eines jeden Evangelisten, dass Menschen zu ihm kommen und sagen: „Zeig uns Jesus!“ Es ist auch seit Jahren mein Gebet – und das vieler anderer – dass ich Jesus sehen will.
Am Tag seines Todes stand der Vers in Hermann Zaiss’ Kalender. Kurz nachdem er die Zeile notiert hatte, verunglückte der große Solinger Heilungsevangelist auf dem Weg zu einem Predigttermin und starb. Allein das macht diesen Vers für mich schon unvergesslich. Ich habe mich lange mit Hermann Zaiss beschäftigt und werde immer an ihn denken, wenn ich Johannes 12 lese. Es gibt dem schlichten Wunsch, Jesus zu sehen, eine ganz andere Bedeutung.
Früher hatte ich mir das nicht so vorgestellt. Ich habe nicht jedes Mal, wenn ich gebetet habe, Jesus zu sehen, für meinen Tod gebetet. Dennoch hat das etwas Tröstliches: Ich werde Jesus sehen – von Angesicht zu Angesicht. Das ist genauso sicher wie mein körperlicher Tod. 1998 wurde Karla Faye Tucker als zweifache Mörderin zum Tode verurteilt. Im Gefängnis war sie Christin geworden. Kurz vor ihrer Hinrichtung soll sie gesagt haben: „Ich werde Jesus sehen.“ So betrachtet wird dieses Gebet also definitiv erhört. Wir werden Jesus sehen.
Ich hätte früher dabei nie an Tod gedacht, ebenso wenig wie die Griechen, die darum baten, Jesus zu sehen. Sie wollten ihn damals einfach anschauen. Heute ist das mit den natürlichen Augen nicht mehr möglich. Jesus ist gestorben und auferstanden und sitzt nun zur Rechten des Vaters im Himmel. Wir können ihn nicht mit den Augen sehen, aber wir können ihn im Geist sehen.
Ich stellte mir darunter immer eine bahnbrechende Erfahrung vor. Etwas Außergewöhnliches, eine Vision von Jesus. Die Mystiker aller Zeitalter haben atemberaubende Dinge erlebt. Sie haben Dinge gesehen und Erfahrungen mit Gott gemacht, die man schwer beschreiben kann. Manche wirkten geradezu verrückt durch ihre Visionen. So etwas habe ich noch nie erlebt, aber ich wollte es immer gerne. Am liebsten eine Vision mit offenen Augen. Noch lieber eine, mit der man auch sprechen kann, eine interaktive Vision.
Heute stelle ich es mir wieder anders vor, wie Gott das kleine Gebet um Erkenntnis Jesu erhören kann. Ich habe nichts gegen Visionen. Ebenso wenig gegen andere mystische oder charismatische Erlebnisse. In der Regel bete ich aber nicht mehr dafür. Das liegt nicht daran, dass ich es unwichtig finde, Gott auf diese Weise zu erleben, sondern daran, dass es mir wichtiger ist, ihn im Leben anderer zu sehen, als in meinem eigenen.
Die Sehnsucht nach individueller Gotteserfahrung kann leicht eigennützig werden. Man kommt schnell dahin, dass sich das geistliche Leben um ein eigenes subjektives Erleben der Gegenwart Gottes dreht. Auch an diesem Punkt war ich schon und musste schmerzlich lernen, dass sich nicht alles darum dreht, dass ich Gott spüre, umfalle, Engel sehe oder Eindrücke habe.
Wenn ich heute bete, Jesus zu sehen, meine ich, dass ich ihn im Leben anderer Menschen wirken sehen möchte. Ich liebe es, Jesus bei der Arbeit zuzusehen und mitzubekommen, wie Gottes Reich sich unter den Menschen ausbreitet. Es ist einfach toll, zu sehen, wenn Menschen geheilt oder durch ein prophetisches Wort angesprochen werden.

Wir sehen Jesus in seinem Wirken. Wer sich mit dem auseinander setzt, was Jesus getan hat, der sieht Jesus. Sein Innerstes zu bewahren bedeutet somit, es in dem fest zu machen, was Jesus getan hat. Das ist die alleinige Quelle unserer Identität – wir sind, wer wir in ihm sind. Das bringt uns zum letzten Aspekt, den ich heute beleuchten möchte: Wer auf das schaut, was Jesus getan hat, also Jesus im Herzen hat, der wird von allem anderen wegschauen müssen.

indem wir hinschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. (Hebräer 12,2 ELB)

Es ist Weihnachten. Wem könnte das entgehen? Wir alle haben zugenommen, der Schnee hindert uns am Rausgehen und überall steht und liegt Weihnachtsschmuck. Dem einen gefällt’s, dem anderen eher nicht – aber umgehen kann es keiner. Niemand kommt um Weihnachten herum.
Das ist doch eigentlich gar nicht mal so schlecht. So gibt es wenigstens eine Zeit im Jahr in der selbst der hartgesottenste Gottesleugner sich der Beschäftigung mit dem Evangelium nicht entziehen kann. Leider fällt diese Beschäftigung allzu oft negativ aus, aber wer weiß, vielleicht bekommt Gott ja hin und wieder doch eine Chance, durch das ganze Brimbamborium hindurch das eine oder andere Menschenherz zu erreichen.
Man muss allerdings tief graben um an die verschütteten Quellen von Weihnachten heranzukommen, denn fast nichts von dem, was wir so tun, hat etwas mit dem ursprünglichen christlichen Kern zu tun. Das beginnt schon bei der Zeit. Wann Jesus genau geboren ist, weiß niemand. Im Grunde behauptet das auch gar keiner. In der frühen Christenheit interessierte man sich mehr für Todestage als für Geburtstage und so kam das Datum des 25.12. erst im dritten Jahrhundert auf. Was allerdings ganz sicher nicht stimmt ist, dass man einfach germanische Feste übernommen hat um das Christentum in unseren Breiten zu etablieren.
Leider wahr ist, dass die rot-weiße Farbe des Weihnachtsmannes von Coca-Cola herrührt und dass der moderne Konsumterror ebenso wenig mit Weihnachten zu tun hat wie ein „Fest der Liebe“. Das klingt zwar immer schön romantisch, aber das Fest der Liebe ist – wenn überhaupt – der seltsame US-Import des Valentinstages, aber sicher nicht Weihnachten.

Seite 10 von 217« Erste...89101112...203040...Letzte »