Alle Mühe führt zu Gewinn, leeres Geschwätz aber führt nur zu Mangel. (Sprüche 14,23 nach der Zürcher)

Tatsächliche Mühe ist nie vergebens. Welch eine Ermutigung für die Unentschlossenen, die immer zwischen guten Gedanken und deren Ausführung schwanken und es letztlich nie auf die Reihe bekommen, etwas von ihren Plänen umzusetzen.
Peinlich wird es wenn man nicht nur über etwas nachdenkt sondern es auch noch an die große Glocke hängt. Wenn man allen erzählt, was man noch alles tun wird und sich vorgenommen hat, aber letztlich alles nur ein Rohrkrepierer ist – Schall und Rauch und leeres Geschwätz.
Den Worten müssen Taten folgen, sonst macht man sich unglaubwürdig.

[systematisch durch die Bibel]

Die Gemeinde der Heiligen ist nicht die „ideale“ Gemeinde der Sündlosen und Vollkommenen. Es ist nicht die Gemeinde der Reinen, die dem Sünder keinen Raum zur Buße mehr gibt. Sie ist vielmehr gerade die Gemeinde, die sich des Evangeliums von der Sündenvergebung würdig erweist, indem hier wahrhaftig Gottes Vergebung verkündigt wird, die nichts mehr mit Selbstvergebung zu schaffen hat; die Gemeinde derer, denen wahrhaftig Gottes teure Gnade widerfahren ist, und die darin des Evangeliums würdig wandeln, dass sie nicht verschleudern und wegwerfen.
Damit ist gesagt, dass in der Gemeinde der Heiligen Vergebung nur gepredigt werden kann, wo auch Buße gepredigt wird, wo das Evangelium nicht ohne Gesetzespredigt bleibt, wo die Sünden nicht nur und nicht bedingungslos vergeben, sondern auch behalten werden. (…)
Eine Gemeinde die nicht Sünde Sünde nennt, kann auch keinen Glauben finden wo sie Sünde vergeben will. (Seite 286)

Bonhoeffer spricht hier von dem doppelten Schlüssel, Sünden zu vergeben und Sünde zu behalten (vgl. Johannes 20,23). Interessanterweise gehört für ihn beides zusammen. Man kann nicht das eine ohne das andere ausüben. Ich selbst habe keine Klarheit über diese Stelle. Ich denke eher, dass wir vielleicht jemandem nicht vergeben können, dass wir es aber immer sollten. Leider geht Bonhoeffer nicht genug darauf ein, wie es praktisch aussieht, dass ich mir wirklich etwas darunter vorstellen kann. Vermutlich geht es in die Richtung, dass wir keine Vergebung ohne Buße aussprechen sollten.
In diesem Sinne wäre es etwas anderes ob man den Umgang des Einzelnen mit Sünde bedenkt oder den der Gemeinde. Wo der Einzelne immer vergeben soll ist es für die Gemeinde möglicherweise falsch, Vergebung aus- oder zuzusprechen wenn keine Buße stattgefunden hat. Seltsamerweise habe ich viele Aussagen des Neuen Testamentes noch nicht tiefgehend für die Gemeinde bedacht und ausgelegt.
Wichtig ist, dass die Gemeinde keine Idealgemeinschaft aus perfekten Christen ist sondern eine reale, tatsächliche Gemeinschaft von Menschen die mit all ihren Stärken und Schwächen Jesus nachfolgen. So ist Gemeinde keine Gemeinschaft von Superheiligen sondern von Christen die aus der Vergebung ihres Herrn leben. Man erweist sich des Evangeliums nicht dadurch würdig, dass man nicht sündigt, sondern dass man gut mit der Gnade umgeht, als etwas Kostbarem, das unseren Gott alles gekostet hat und das deshalb als etwas Wertvolles behandelt werden muss. Immer wieder dieser Gedanke: Was Gott alles gekostet hat, darf uns nicht billig werden.
Zur Vergebung gehört so auch die Predigt über Sünde. Man beginnt die Gnade zu verschleudern wenn man Sünde nicht mehr beim Namen nennt. Wir sollten unsere Scheu überwinden und über Sünde predigen, denn nur dann erhält auch die Gnadenpredigt ihren vollen Sinn.

Gehen nicht in die Irre, die Böses planen? Wer aber Gutes plant, erfährt Güte und Treue. (Sprüche 14,22 nach der Zürcher)

Die rhetorische Frage sollte jeder beantworten können der den Rest des Buches gelesen hat – natürlich geht jemand in die Irre, der Böses plant. Genauer gesagt muss er schon auf einem Irrweg sein, wenn er überhaupt etwas Böses plant.
Es ist eine Sache wenn man in Gedanken angefochten ist, etwas Böses zu tun. So etwas gehört zum Leben dazu, jeder wird angefochten. Es ist aber eine ganz anderes Sache der Anfechtung stattzugeben. Wer schon plant etwas Böses zu tun, der hat den Gedanken bereits Raum gegeben; er hat bereits eine Entscheidung getroffen und so den Weg des Bösen beschritten.
Das Ende des Weges steht bereits fest und es ist mit dem Weg des Guten kontrastiert. Wer Gutes plant, wird Güte und Treue erfahren. Es ist simple Logik anzunehmen, dass demjenigen das Gegenteil erwartet, der auf dem Weg des Bösen geht.

[systematisch durch die Bibel]

Die „Weltfremdheit“ des christlichen Lebens gehört mitten in die Welt, in die Gemeinde, in ihr tägliches Leben hinein – so hatte Luther gedacht. (Seite 261)

Die historische Herleitung aus dem Leben Luther, wie ihn sein Weg ins Kloster und aus dem Kloster wieder hinaus führte, ist hier nicht entscheidend. Wichtig ist zu bemerken, dass hier ein allgemeines Prinzip angesprochen ist, das – Luther hin oder her – für alle Christen gilt. Zwei Extreme gilt es zu vermeiden: Weltflucht, die uns den Menschen entfernt und Weltförmigkeit, die uns von ihnen ununterscheidbar macht.
Es gibt immer wieder Trends die meinen, dass man als Christen genauso leben sollte wie alle anderen auch und man nicht anders Teil der Welt sein kann als dass man sich völlig assimiliert. Ich glaube nicht, dass das stimmt. Niemand braucht Christen, die genau so sind wie die Welt. Wozu sollten sie nützlich sein, Weltmenschen gibt es genug in der Welt.
Das andere Extrem ist das Bilden frommer Burgen in denen es nur noch Christen gibt, die sich von allen anderen Menschen abschotten. So sieht niemand mehr unsere Hoffnung an uns.
Die gesunde Mitte ist, normal inmitten der Welt mit Jesus zu leben. Unser Christusleben nicht zu verstecken, zur „Weltfremdheit“ zu stehen. Wir sind auf eine gewisse Art weltfremd, das ist notwendig so, denn wir sind nicht mehr von dieser Welt. Das muss uns nicht peinlich sein, im Gegenteil: Es ist eine erstrebenswerte Sache, der Welt gestorben zu sein und als Kinder eines anderen Reiches zu leben.

Wer seinen Nächsten verachtet, ist ein Sünder, aber wohl dem, der sich der Elenden erbarmt. (Sprüche 14,21 nach der Zürcher)

Gottes moralische Maßstäbe haben sich zwischen den Testamenten nicht geändert. Nach wie vor sind sie geprägt von einer tiefen Liebe zu den Menschen. Einen Menschen zu verachten, auf ihn hinabzusehen, ist Sünde. Gottes Haltung einem Elenden gegenüber, also gegenüber einem Menschen dem es schlecht geht, ist die Haltung des Erbarmens.
Im Neuen Testament schreibt Jakobus etwas sehr ähnliches und bemerkt, dass es Sünde ist etwas Gutes nicht zu tun, das man tun könnte. Biblische Ethik ist eine Ethik des Tuns, aber es geht nicht nur um das was man tut, sondern auch um das, was man lässt. Etwas nicht zu tun ist auch etwas zu tun, nur eben nicht das Richtige.
Wir meinen oft, dass Ethik sich damit beschäftigt, was man nicht tun sollte: lügen, stehlen, morden usw. Dabei geht es in der Ethik eigentlich um das richtige Tun, nicht um das richtige Lassen. Gottes Wort gibt uns mehr an die Hand was wir tun sollen als es falsches Handeln kritisiert.
Im Grunde ist es auch einfacher das Richtige zu tun als das Falsche zu lassen. Psychologen sagen, dass unser Gehirn Probleme mit Negativbotschaften hat. Wir überhören leicht das „nicht“. Folgerichtig ist es einfacher dem Elenden etwas Gutes zu tun als seinen Nächsten nicht zu verachten. Wenn wir uns um den Elenden kümmern werden wir merken, dass sich unsere Einstellung zu unserem Nächsten verändert. Was wir tun hat Einfluss auf unser Denken und unsere innere Haltungen. So ist es ein gutes Mittel das Richtige zu tun um eine falsche Haltung zu korrigieren.

[systematisch durch die Bibel]

Der Raum Jesu Christi in der Welt nach seinem Hingang wird durch seinen Leib, die Kirche eingenommen. Die Kirche ist der gegenwärtige Christus selbst. Damit gewinnen wir einen sehr vergessenen Gedanken über die Kirche zurück. Wir sind gewohnt, von der Kirche als von einer Institution zu denken. Es soll aber von der Kirche gedacht werden als von einer leibhaften Person, freilich einer ganz einzigartigen Person. (Seite 232)
So ist „der neue Mensch“ zugleich Christus und die Kirche. (Seite 233)

Bonhoeffer macht deutlich, dass Christus sowohl die Kirche ist, als auch der Auferstandene, der zum Himmel aufgefahren ist und von dort aus wiederkommen wird. Beide, der Leib und der Auferstandene stehen sich noch gegenüber, eine „mystische Verschmelzung“ hat nicht stattgefunden, auch wenn der Gedanke vielleicht sprachlich nahe liegt.
Diese Gedanken über die Kirche sind tief und wegweisend. Wir müssen der Versuchung widerstehen, die Kirche als reine Organisation zu verstehen und begreifen, dass sie ein Organismus ist. Die Kirche ist Christus, seine Arme, seine Beine. Das sind tiefe Gedanken, die uns ein erneuertes Verständnis von Kirche und Gemeinde geben können.
Statt uns zu sehr darauf zu konzentrieren Kirche als „Firma“ anzugehen die von „Managern“ geleitet ist (ein Bild, das oft herüberkommt wenn man gerade amerikanische Gemeindebauliteratur liest), sollten wir im Blick behalten, dass die Kirche Christus repräsentieren soll. Sie soll sein Wort predigen, seine Kraft ausüben und seinen Vater predigen. Das ist es, was Kirche im Wesenskern ausmacht, der Rest ist Kommentar, Antworten auf die Frage wie das gehen kann. Wer das wesentliche verstanden hat wird mit den nebensächlichen Fragen anders umgehen. Wenn wir davon träumen der Kirche ihren Stellenwert zurückzugeben, beginnt das mit einer Rückbesinnung darauf, was die Kirche eigentlich ist.

Selbst seinem Nächsten ist der Arme verhasst, der Reiche aber hat viele Freunde. (Sprüche 14,20 nach der Zürcher)

Hier haben wir es mit einer allgemeinen Beobachtung des Lebens zu tun. Wir gewinnen eher Erkenntnis über den Stand der Dinge, den Lauf der Welt, als dass wir Weisheit lernen würden. Allerdings gehört beides zusammen denn Weisheit bedeutet, dass man sich in der Welt sicher und nutzbringend zu verhalten weiß; dabei hilft es natürlich die Welt erst einmal zu kennen.
Der Arme hat nichts zu geben und deshalb wird ihn auch sein Nachbar nicht mögen. Vielleicht ist der Arme auch noch ein Schnorrer, was ihn natürlich zusätzlich zu einer Quelle des Ärgers macht. Niemand wird gerne mit ihm zusammen sein, weil man sich in seiner Nähe ausgenutzt fühlt.
Beim Reichen ist es das gerade Gegenteil: Man kann von seiner Nähe profitieren, weswegen jeder gern sein Freund sein will. Wie echt eine solche Freundschaft ist, ist natürlich eine ganz andere Frage. Die Zahl der Freunde sagt nichts über die Qualität der Freundschaften aus. Deswegen ist in diesem Spruch auch keine Weisheit zu finden sondern nur eine Beschreibung: Die Moral fehlt, es wird kein Urteil getroffen. Man könnte vielleicht eine implizite Aussage vermuten wenn schon die explizite fehlt. Aber die Aussage: „Werde reich um falsche Freunde zu finden“, würde nicht in das Gesamtkonzept der Sprüche passen. Sie würde die Aussage des restlichen Buches eher durchstreichen als unterstreichen.

[systematisch durch die Bibel]

Gott wurde Mensch. Das heißt: Gott nahm die ganze kranke, sündige menschliche Natur an, Gott nahm die ganze abgefallene Menschheit an; nicht aber: Gott nahm den Menschen Jesus an. (Seite 228)

Für Bonhoeffer ist gerade dies ein wichtiger Aspekt der Menschwerdung Gottes, dass Jesus in sich die ganze Menschheit begriff und nicht etwa allein erwählt war. Dadurch ist das Fundament gelegt auf dem die Errettung der ganzen Menschheit steht.

Es ist das sündliche Fleisch, das er trägt – doch ohne Sünde (2.Korinther 5,21; Hebräer 4,15). Wo ein menschlicher Leib ist, da ist Angenommensein für alles Fleisch. „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen“ – darum allein konnte Jesus die Krankheiten und Schmerzen der menschlichen Natur heilen, weil er all unsere Krankheiten und Schmerzen an seinem Leibe trug (Mt. 8,15-17). (Seite 228)

So etwas lese ich natürlich auch auf dem Hintergrund meiner eigenen Heilungsrecherchen sehr gerne. Auch hierin nimmt Bonhoeffer die Bibel beim Wort, dass er glaubt, dass Jesus buchstäblich unsere Krankheiten trug und so zu unserem Heiler wurde.

Böse mussten sich beugen vor Guten und Frevler an den Toren des Gerechten. (Sprüche 14,19 nach der Zürcher)

Hätten wir nur diese eine Aussage in der Bibel wäre das sicherlich zu wenig. Es entspricht nicht der Realität, dass sich Bösen vor den Guten beugen. Im Gegenteil, wie oft sieht es so aus als würde alles schiefgehen und als müsste sich der Gerechte vor dem Ungerechten beugen? Die Psalmen und auch der Prediger sind voller solcher Klagen über den Lauf der Welt. Wir haben hier also nur einen Teil der Wahrheit.
Es geht in diesem Buch sicherlich nicht um Ausgewogenheit oder ein komplettes Sittengemälde der Zeit. Es geht darum Weisheit zu vermitteln und beim Lehren kann es immer eine gute Methode sein zu überzeichnen. So bringt man Kontraste und Prinzipien besser zum Ausdruck. Die andere Seite der Medaille lernt man ohnehin im Leben kennen. Jetzt ist lernen angesagt, später, wenn man das Gelernte im täglichen Leben zur Anwendung bringt, bekommt man das ganze Bild.

[systematisch durch die Bibel]

Bonhoeffer widmet der Taufe einen ganzen Abschnitt der Nachfolge. Für ihn ist die Taufe etwas sehr wichtiges, denn sie ist für die Paulusbriefe das, was der Ruf in die Nachfolge in den Evangelien ist. Darin unterscheidet Bonhoeffer nicht zwischen der Predigt Jesu in den Evangelien und den Paulusbriefen – wie die Fußnote zeigt, ein gravierender Unterschied etwa zu Rudolf Bultmann für den der christliche Glaube, der uns betrifft erst mit der nachösterlichen Auferstehung Jesu ins Kerygma begann.
Was mich befremdet ist, dass nach allem – auch sehr radikalen – was hier über die Taufe zu lesen ist, Bonhoeffer dennoch ein Ja zur Kindertaufe hat und es ihm nur wichtig ist, dass sie in einer lebendigen Gemeinde stattfindet, die eine regelmäßige Wiederholung des Glaubens garantiert:

Kindertaufe ohne Gemeinde ist nicht nur Missbrauch des Sakraments, sondern zugleich verwerflicher Leichtsinn im Umgang mit dem Seelenheil der Kinder; denn die Taufe bleibt unwiederholbar. (Seite 226)

Mit einer solchen Aussage hätte ich nicht gerechnet, denn alles was er sonst schrieb weist eigentlich auf die Erwachsenentaufe hin. Wie schon bei Luther denke ich (vielleicht einfach aus meiner freikirchlichen Perspektive), dass hier ein logischer Bruch ist und die Reformation nicht weit genug geht. Ist nicht gerade die Kindertaufe eine Einladung an die billige Gnade, die viele Menschen in unserem Lande gerne annehmen? Mehr als jedes religiöse Ritual wiegt sie Menschen in die trügerische Sicherheit, dass zwischen ihnen und Gott alles in Ordnung ist.

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