Bei Recherchen zum Thema Gesellschaftswandel bin ich auf ein interessantes Thema gestoßen: Sexualgesetze und deren Veränderung im Deutschland des 20.Jahrhunderts. Dabei bin ich davon ausgegangen, dass Veränderungen in der Gesellschaft sich in der Gesetzgebung niederschlagen, bzw. durch die Gesetzgebung abgeschlossen werden.
Ich habe mich mit den Recherchen sehr schwer getan, weil es über das Internet fast unmöglich ist, alte Gesetzestexte zu lesen und ich keine Zeit habe die ich in einer Bibliothek verbringen könnte. Sollte hier also ein(e) Rechtshistoriker(in) mitlesen, wäre ich für jede weitere Information dankbar. 🙂
Ich kommentiere die Gesetze bewusst nicht und stelle nur dar.
§172 StGB: Ehebruch
Heute verbietet §172 nur noch die Doppelehe. Bis 1969 wurde hier noch Ehebruch mit bis zu 6 Monaten Gefängnis bestraft. Zwischen 1958 und 1966 gab es immerhin 1365 Strafen wegen Ehebruchs. Leider habe ich den Originaltext vor der Änderung nicht gefunden. Seitdem ist Ehebruch nur noch zivilrechtlich verboten als „unerlaubte Handlung und als Verletzung der aus der Ehe folgenden Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB)“. „Auch ist seit dem Wegfall des Verschuldensprinzips zum 1. Juli 1977 (1. EheRG) Ehebruch allein kein hinreichender Scheidungsgrund mehr; vielmehr wird auf die Zerrüttung der Ehe abgestellt, die natürlich ihre Ursache in einem Ehebruch haben kann.“
§175 StGB: Homosexualität
Homosexualität war in Deutschland durchgehend vom 1. Januar 1872 (Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches) bis zum 11. Juni 1994 verboten und unter Strafe gestellt. Naheliegenderweise wurde das Strafmaß während des Dritten Reiches erhöht. Was mich sehr gewundert hat, ist dass der Paragraph erst 1994 aus dem StGB gestrichen wurde. Seitdem ist Homosexualität legal.
Sonderbarerweise sprach der Paragraph nur von männlicher Homosexualität, nicht von weiblicher. Heißt das, dass lesbisch sein immer schon legal war, aber schwul sein nicht?
weitere Infos finden sich in komprimierter Form bei wikipedia. Auf diesem Blog gibt es einen weiteren Artikel zum Thema Homosexualität.
§175b StGB: Sodomie
Sex mit Tieren war in Deutschland bis 1969 unter Strafe gestellt. Dann entfiel §175b. Ausnahmen ergeben sich bei Tieren, die man nicht selbst besitzt, aus dem Tierschutzgesetz. Der massenhafte Vertrieb tierpornographischer Schriften steht nach §184a unter Strafe. Der bloße Besitz nicht.
§180 StGB: Kuppelei
Kuppelei ist die seit dem Hochmittelalter in Deutschland bis 1973 allgemein, seitdem nur noch in wenigen Formen verfolgte Förderung sexueller Handlungen zwischen anderen.
Kuppelei (lat. Lenocinium) ist die vorsätzliche Vermittelung und Beförderung der sog. Unzucht. Sie war als Straftatbestand schon seit dem Hochmittelalter bekannt.
Im deutschen Recht wurde sie mit mehreren verschiedenen Variationen in das Kaiserreich, die Weimarer Republik, in die Zeiten des Nationalsozialismus, die Bundesrepublik und die DDR übernommen. Dort war Kuppelei die meiste Zeit durch den § 180 StGB verboten, nachdem dies meistens mit vorehelichem Geschlechtsverkehr (Unzucht) unter Förderung oder Tolerierung Dritter gleichgestellt wurde. In der DDR wurde die Kuppelei mit der Strafrechtsreform 1968 entkriminalisiert.. Seit 1973 wird die neutrale Bezeichnung sexuelle Handlung verwendet
Der schwammige Begriff Unzucht wurde immer wieder unterschiedlich ausgelegt. Mal als „beischlafähnliches Verhalten“, dann wieder nur als Beischlaf. Auf jeden Fall bezeichnete er immer den Beischlaf zweier unverheirateter. Das bedeutet, dass in den 60er Jahren Eltern noch ins Gefängnis kommen konnten, wenn sie nicht streng genug auf die Moral ihrer Kinder achteten und die deswegen Sex hatten.
§218 StGB: Schwangerschaftsabbruch
Von 507-1794 wurde ein Schwangerschaftsabbruch mit Todesstrafe oder/und Folter bestaft. Die Kriterien und das Alter das Embryos wechselten, aber die Rechtslage war klar. 1975 sprach das Verfassungsgericht dem werdenden Leben im Mutterleib Rechte zu: „Das sich im Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung auch unter Art. 2 Abs. 2 und Art. 1 Abs. 1 GG, und hat auch Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Frau.“
In der heutigen Fassung trat der §218 (der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt, aber verschiedene straffreie Gründe kennt) 1976 in Kraft:
18. Mai 1976: Neufassung des § 218 StGB tritt in Kraft und sieht grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe für denjenigen vor, der eine Schwangerschaft abbricht. In besonders schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren möglich. Begeht die Schwangere die Tat, so wird sie mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft. In vier Fällen (Indikationen) bleibt ein Schwangerschaftsabbruch aber straffrei: medizinische, kriminologische, eugenische und Notlagenindikation. (Quelle: wikipedia)
Wer den Paragraphen nachlesen will, sollte auch a,b und c und den §219 lesen.
Weitere Infos, auch zur juristischen Entwicklung, finden sich bei wikipedia. Eine kontroverse Diskussion zum Thema gibt es bei diesem Eintrag.
Sexualität und Wertewandel
Wikipedia hat einen so schönen Satz, dass ich ihn gerne zitieren möchte:
Das Sexualstrafrecht umfasst die Strafnormen für Verhaltensweisen mit Sexualbezug. Nach westlicher Auffassung dient das Sexualstrafrecht insbesondere dem Schutz der individuellen sexuellen Selbstbestimmung. Durch den Wandel der Sexualmoral ist auch das Sexualstrafrecht dem Wandel unterworfen. So diente das Sexualstrafrecht vormals wesentlich dem Schutz der öffentlichen Sittlichkeit (Sittlichkeitsdelikte), der Gesellschaftsordnung, der Ehre der Familie und der Ehe. Die Vorstellung ist insbesondere außerhalb des westlichen Kulturkreises noch anzutreffen. (Quelle)
Das ist natürlich genau das Problem, das Christen mit dieser Gesetzgebung haben. Gerade das Alte Testament hebt das Volk über das Individuum und das schlägt sich in den Gesetzen nieder. Es geht darum, ein Volk zu schützen und nicht den Einzelnen. Damit steht das Denken vieler Gläubiger bereits von Anfang an in einer gewissen Opposition mit dem, was in unserem Land Phase ist. Gottes Ansichten und Gebote können persönliche Freiheit durchaus auch mal beschneiden.
Das stellt uns in den bekannten Konflikt: wie verhalten wir uns in einer Umwelt, die grundlegend andere Werte hat als wir? Bis zu einer gewissen Zeit wurde die gesetzliche Situation in Deutschland sehr von der Bibel beeinflusst, das ist nicht mehr so.
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