Ich denke seit Jahren darüber nach, was Glaube eigentlich ist. Zunächst klingt es wie ein einfaches Thema, aber wenn man sich einmal aufgemacht hat, Gott richtig zu glauben wird es ganz schnell sehr kompliziert. Was ist denn richtiger Glaube? Und: gibt es falschen? Ich habe viele Predigten über den Glauben gehalten, viele Blogeinträge geschrieben und Diskussionen über das Thema geführt. Das alles hat mich dem Ziel näher gebracht, aber ich meine nicht, da zu sein.
Eines hat mich immer gequält: in allem, was ich tue hat die Theorie Vorrang vor der Praxis. Ich bin ein Lehrer und begreife die Welt hauptsächlich über den Verstand. Das Wort Paul Tillichs, er sei zur Theorie geboren, begleitet mich. Das will ich nicht, ich will Praxis und Erleben. Theorie ist gut insofern sie der Erfahrung den Weg weist, sei unterfüttert und – falls nötig – korrigiert. Aber Erfahrung und Erleben sind wichtiger als der Staub des Elfenbeinturms. Glaube kann man nicht theoretisch ergreifen, man muss ihn leben.
Von diesem Hintergrund her ist es nicht verwunderlich, dass ich mich nach einem immer gesehnt habe: nach kindlichem Glaube. Ich wusste nur nicht, was es ist.
Ich meine, dem ein Stück näher gekommen zu sein als ich jüngst an der spiegelglatten Nordsee spazieren ging. So ruhig kannte ich die See gar nicht, allein das war schon ein schönes Erlebnis. Dann kam mir auf einmal ein Gedanke: „Glaube ist freudiges Annehmen“. Eigentlich war es ein Satz sondern ein Nachdenken und eine plötzliche Klarheit. Jesus sagte, dass man werden muss wie ein Kind, wenn man Gottes Reich haben will. Ich fragte mich, wie wohl ein Kind im Glauben reagieren würde wenn Jesus zu ihm kommen und ihm Markus 16 schenken würde.
„Ich habe etwas für Dich, mein Kind. Es gibt Zeichen, die Dir folgen, wenn Du an mich glaubst.“
Das Kind schaut mit leuchtenden Augen auf das Geschenk in den durchbohrten Händen Jesu. Es wird hibbelig, kann es kaum erwarten die Verpackung auf zu reissen. Was es findet ist unglaublich: „Sprachengebet“, „Heilung“, „Gegenwart Gottes“.
Wie wird es reagieren? Ich würde annehmen, dass es sich freuen würde und es kaum erwarten könnte alles auszuprobieren.

Meine eigene Reaktion ist oft weit von kindlichem Glauben entfernt. „Wenn ich das wirklich hätte, warum kann ich dann nicht in neuen Sprachen beten oder heilen?“ Wir werfen ein tiefes Misstrauen gegenüber Gottes Geschenken in die Waagschale. Um es deutlich zu sagen: die meisten Predigten verstärken eher unser Misstrauen als dass sie kindliches Vertrauen aufbauen. Gibt es eine einzige Aussage Jesu, der heute nicht in Predigten widersprochen wird? Wenn Jesus sagt, dass wir das Salz der Erde sind predigen wir darüber, wie wir salzig werden können. Wenn Gott sagt, dass er uns liebt, predigen wir, dass wir darüber nicht hochmütig werden dürfen usw. Wir setzen Gottes Aussagen immer wieder unsere Erfahrung und unser Misstrauen gegenüber. So kommt kein kindlicher Glaube zustande.
Ich halte es für einen guten Ausweg, auf jede positive Aussage die Gottes Wort über uns sagt, mit Dank und Anbetung zu reagieren. Kindlich zu glauben heisst für mich, Gott dafür zu danken, dass ich in ihm alles kann; sein Geliebter bin; die Gerechtigkeit bin, die vor ihm gilt; usw. Es bedeutet, erst einmal etwas anzunehmen und es nicht gleich in Zweifel zu ziehen.

Obwohl ich noch nicht bei Euch war,
weiß ich sehr wohl,
daß Ihr meine Ermahnungen nicht nötig habt:
denn Ihr seid rechtschaffene Leute,
reich an Wissen aller Art
und fähig, einander zurechtzuweisen
.1

Das dürfte in etwa der Idealzustand von Gemeinde sein. Alle haben Wissen und müssen nicht extern von einem Apostel ermahnt werden. So stelle ich mir Mündigkeit vor: als etwas das Christen befähigt, sich gegenseitig im Glauben voran zu bringen und zu helfen. Es ist ungesund, wenn Korrektur immer von außen oder von derselben Person kommen muss. Jede Gemeinde hat das innere Potential, sich gegenseitig zu stärken und voran zu bringen.

[…] für alle Menschen wirke,
die nicht aus Israels Haus sind,
und ihnen das Evangelium predige
.2

Dieser Vers ist nur als Hinweis darauf interessant, dass die Christen in Rom eine „heidenchristliche Gemeinde“ waren. Sie kamen nicht ursprünglich aus einer jüdischen Gemeinde oder bestanden aus Christen, die früher mehrheitlich Juden waren. Mich interessieren immer die Hintergründe und sonstigen spärlichen Information, die uns das NT über die Gemeinden gibt, die in der ersten Zeit eine Rolle spielten. Deswegen achte ich auf solche Informationen.

[…]
wohlbedacht, weil sie Schulden abtragen wollen.
Denn wenn die Völker der Welt
von der Muttergemeinde zu Jerusalem
geistige Güter empfingen
und im Gedanken- und Glaubens-Reich
Teilhaber wurden, dann sind sie,
um eines gerechten Austauschs willen,
verpflichtet, Abrahams Kinder,
die getauft wurden im Namen des Herrn,
zumindest mit Geld zu unterstützen
.3

Der Zusammenhang des Verses ist eine Sammlung für die Gemeinde in Jerusalem, die Paulus noch ausrichten muss; eine Aufgabe, die ihn davon abhält, sofort nach Rom zu kommen. Paulus hat insgesamt mehr über Finanzen geschrieben und gelehrt als die anderen Schreiber des NT. Dabei hat er stets eine nüchterne und ausgewogene Einstellung an den Tag gelegt.
Dies ist nicht die einzige Stelle an der er darüber schreibt, dass man eine Schuld hat mindestens Geld zu geben wenn man von jemandem geistliche Gaben bekommen hat. Weil das Christentum von der Gemeinde in Jerusalem ausgegangen ist, sind die neuen Gemeinden verpflichtet, der Gemeinde in der Nut beizustehen. Wohlgemerkt: man hätte das auch anders formulieren können, denn Not zu lindern ist immer die Aufgabe dessen der es kann. Ich selber versuche, dieses Prinzip umzusetzen und unterstütze z.B. Gemeinden, Prediger oder Anbetungsleiter, die mich gesegnet haben. Uns muss einfach klar sein, dass ihr Dienst in unserem Leben Geld wert ist. Auch wenn man viele Leistungen im Netz kostenlos herunter laden kann, haben sie einen bleibenden Wert. Es ist nur recht und billig, diesen Wert auch mit Geld anzuerkennen. Dieser Aspekt taucht in mindestens drei Paulusbriefen auf.

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 72 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 73 []
  3. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 74 []

Manchmal kann man es nicht vermeiden etwas Böses zu sehen oder zu lesen. Im Allgemeinen bemühe ich mich immer sehr darum, meine Zeit nicht in Internetforen zu verbringen – schon gar nicht in christlichen. Es gibt aber auch Zeiten, in denen man sich den Luxus der Zurückgezogenheit nicht leisten kann und etwas mitlesen muss. In der derzeitigen Diskussion um Entwicklungen in der Wort und Geist – Bewegung finde ich ein Muster wieder, das ich schon oft in der christlichen Szene erlebt habe: Menschen werden erst erhöht und dann komplett abgeschossen. Wenn ein Leiter oder Prediger „fällt“ (was häufig nichts anderes bedeutet, als dass er eine ihn gesetzte Erwartung nicht erfüllt), fallen alle über ihn her und seine ganze Biographie wird im Lichte des „Fehltritts“ oder der „Sünde“ neu geschrieben.

Da das gerade in besonderem Maße mit meinem Freund Paddy geschieht, möchte ich ein paar Sachen mal richtig stellen:

1) Vor nur zwei Jahren waren viele Leute, die jetzt so sauer auf ihn sind noch schwer von ihm begeistert. Es ist noch gar nicht lange her, dass er eine Galeonsfigur der Jesus Freaks war.
Mich erschreckt es immer wieder, wie flexibel Menschen sein können. Zwischen „Hosianna!“ und „kreuzigt ihn“ liegen oft nur Tage und eine einzige Enscheidung reicht um die Massen gegen sich auf zu bringen. Auch wenn man etwas scheiße findet, was ein anderer tut, kann man dennoch dankbar für das sein, was er vorher getan hat.

2) Ich kenne Paddy vermutlich besser als die meisten, die über ihn schreiben. Er hat oft bei mir übernachtet, ich manchmal bei ihm. Wir hatten rege theologische Auseinandersetzungen und tiefe Gespräche. Ich könnte vermutlich stundenlang Anekdoten über Dinge erzählen, die wir zusammen erlebt haben. Von daher glaubt mir, wenn ich sage, dass das meiste, was ich in der letzten Zeit über ihn gelesen habe schlichtweg nicht stimmt.

Er war nicht jahrelang auf der Suche nach einem Führer weil er keine Verantwortung für sein Leben übernehmen wollte. Er war auch nicht geldgeil und hat die erste Gelegenheit ergriffen, welches zu bekommen – wie absurd! Er hat für einen Hungerlohn bei JFI gearbeitet und teilweise noch einen Teil seiner Spesen selbst bezahlt. Er wollte auch nie seine Frau loswerden. Er war auch kein Seelsorgefall, dem man nicht mal die Leitung eines Hauskreises überlassen sollte und noch weniger ein Mensch, der immer schon bedenklich war.
Für mich war Paddy in drei Bereichen immer ein Vorbild: in Demut, Bibelkenntnis und Leidenschaft für die Verlorenen. Ich weiß, dass es vielen ähnlich geht, die jetzt sein ganzes Leben neu bewerten. Ich habe nie einen anderen kennen gelernt, der vor einer Predigt alle Sünde der letzten Woche bekannt und dann gefragt hat, ob er trotzdem predigen darf. Ich habe auch nur wenige kennen gelernt, denen es so leicht fiel, einen Fehler zuzugeben und sich zu entschuldigen
Obwohl ich viele kenne, die Gottes Wort gut kennen, habe ich bisher keinen getroffen, der so viel auswendig konnte wie Paddy und so intensiv mit der Bibel gelebt hat. Das gleiche gilt für die Leidenschaft für die Verlorenen und die Liebe zum Evangelium. Ich würde gerne wissen, wer von denen, die jetzt so viele Fehler an ihm finden, mit Straßenleuten auf der Bank sitzen und über Jesus reden. Das sind alles Qualitäten die mich beeindruckt haben.

Menschen denken anders als Gott. In Hebräer 11,31 ist eine ungewöhnliche Glaubensheldin verewigt: die Nutte Rahab. Sie hat in ihrem ganzen Leben scheinbar nur eine gute Sache gemacht: Israels Kundschafter versteckt. Dafür hat sie es bis in die Hall of Fame der Glaubenshelden gebracht. So ist Gott: er gedenkt der einen guten Tat und vergisst darüber die vielen schlechten. Menschen machen es gerade anders: ein Fehler macht die Errungenschaften eines ganzen Lebens zunichte und wir sehen nichts mehr von dem Guten, was Gott durch den Menschen getan hat.
Lasst das nicht mit Euch machen. Wir sind gehalten Liebe und Respekt für die Vergangenheit zu haben auch wenn wir die Gegenwart nicht verstehen. Leider hat die Gemeinde Jesu Christi es bis heute versäumt eine Kultur der Ehre und der Loyalität aufzubauen, was ich zutiefst bedauere. Ich bete, dass wir aufhören uns diese Blöße zu geben und lernen, notwendige Kritik mit Respekt, Liebe und Loyalität zu verbinden. Der Fehler eines anderen wird Dich nicht von der Schuld befreien für ihn zu beten und ihn zu lieben.

Das Kapitel beginnt mit dem Gedanken mit dem das vorige aufgehört hat: Verantwortung füreinander und speziell die Schwachen.

Wir aber, die wir stark sind
in Gewissen und Glauben,
haben die Pflicht,
statt nach eigenem Gefallen zu leben
die Schwächen unserer Schwestern und Brüder
zu tragen.
Denn wir sind alle in der Schuld
der Angefochtenen.
Darum stehe jeder von uns
den Nächsten zur Seite,
tue Gutes und fördere so,
die Eintracht seiner Gemeinde
.1

Diese Textpassage ist bei Walter Jens zwar recht lang geraten, es sind aber eigentlich nur die ersten beiden Verse des Kapitels. Ich finde diesen Ansatz, so viele Worte zu verwenden wie es nötig ist um den griechischen Sinn wieder zu geben, auf jeden Fall bedenkenswert. Die meisten Übersetzungen arbeiten anders, aber es ist nicht verkehrt, auch eine solche Übersetzung im Regal zu haben.
Ich lese diese Verse von der letzten Zeile her: alles geht um die Eintracht und Förderung der Gemeinde. An dieser Stelle konnte ich dann doch nicht widerstehen und habe in anderen Übersetzungen parallel gelesen. „Gemeinde“ steht nicht in allen Übersetzungen und scheint von daher eine kleinere Lesart oder aus dem Zusammenhang geschlossen zu sein (ich habe mir die Textkritik der Stelle nicht angeschaut). „Seine Gemeinde“ ist definitiv eine auslegende Einfügung des Übersetzers.
Mir fiel das besonders deswegen auf, weil ich zur paulinischen Leibtheologie immer eine Frage habe: welchen Leib meint er? Den universalen Leib Christi, den alle Gläubigen weltweit ausmachen? Oder die Ortsgemeinde? Die Frage ist wichtig und hat einige praktische Implikationen. Wenn Paulus von der Ortsgemeinde spricht gehe ich nach 1.Korinther davon aus, dass alle Gaben potentiell in jeder Ortsgemeinde angelegt sind. Wenn er vom „großen Leib Christi“ spricht muss das nicht so sein. Anders gefragt: tut die Ortsgemeinde die Taten Christi oder der Gesamtleib. An der Frage kann man wirklich ins Philosophieren geraten und je nachdem wie man sie beantwortet kann man dahin kommen die seltsamsten Konzepte zu verteidigen – aber das wäre ein anderes Thema 🙂
Jens entscheidet sich klar für die Ortsgemeinde und ich bin seiner Meinung. Das Konzept des weltweiten Leibes kam erst viel später. Im ersten Jahrhundert dachte man lokal, nicht global. Das Possessivpronomen ist der Lebenswirklicheit heutiger Gläubiger geschuldet. Im ersten Jahrhundert hätte es keinen Sinn ergeben, denn es gab einfach nur die eine Gemeinde in Rom. Heute, wo es in jedem Dorf zwei Kirchen und eine Gemeinde gibt, muss man schon sagen, dass jeder erst einmal zur Erbauung „seiner Gemeinde“ beitragen soll.

Wieder spricht Paulus von der Haltung der Starken gegenüber den Schwachen. Er vertritt damit ein Gemeindekonzept, das dem heutigen widerspricht. Uns geht es oft darum, selber im Glauben zu wachsen – wir verstehen den Glauben von der Individualität her. Paulus versteht ihn von der Gemeinschaft her und zeigt, dass es effektiver sein kann, einen Leib zu erbauen, als nur sich selbst.
Tatsächlich wäre es oft einfacher, anderen zu helfen das zu ergreifen, was wir bereits haben, als selber weiter zu kommen. So würde eine ganze Gemeinde in der Erkenntnis Christi wachsen und davon hat man auch wieder selber etwas. Im Grunde ist es keine gute Sache wenn es geistlich fitte Leute gibt, die nicht in andere hinein investieren. man kann sagen, dass wir auf Kosten anderer wachsen wenn wir nicht bereit sind weiter zu geben. (ich weiß, das ist ein harter Gedanke.)
Die Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied und wenn wir nur in uns selber und unsere Stärke investieren kann es sein, dass unser Leib eher schwächer als stärker wird.

Ich halte diese Aussagen für so kontrovers und inspirierend, dass ich hier einen Schnitt machen und die anderen Verse in einem separaten Post behandele.

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 70–71 []

Vor mehr als einem Jahr ging es in der christlichen Szene viel um ein Thema: Todd Bentley und Lakeland. Damals schrieb ich einen Artikel der heute fast 450 Kommentare hat. Seitdem ist viel passiert: Todd ist geschieden und hat eine neue Frau. Er ist in der Gemeinde von Rick Joyner, die Erweckung ist vorbei, oder man hört zumindest nicht mehr viel davon und um Todd und freshfire ist es ruhig geworden. Ich muss es zugeben: ich hatte mir mehr erhofft und bedauere dieses Ende. Ich weiß, dass Menschen Fehler machen, aber seiner war gravierend und hat nicht nur ihn viel gekostet. Dennoch glaube ich, dass Todd Bentley „echt“ ist – kein Scharlatan oder Lügner.
Neulich habe ich eine Mail bekommen, in der es auch noch mal um das Thema ging.  Da ich vom Autor der Mail die Erlaubnis dazu habe, veröffentliche ich unseren Mailwechsel mal in Teilen. Ich kann mir vorstellen, dass es anderen ähnlich geht und vielleicht helfen ja meine Antworten.

Hey Storch,

ich hoffe ich geh dir nicht aufn Sack, du hast bestimmt viel zu tun … ich versuch mich kurz zu fassen:
Ich hab seid längerer Zeit ein paar recht grundsätzliche Fragen bezüglich Todd Bentley und ähnlicher Erweckungen.
Irgendwie stolpere ich in letzter Zeit immer wieder über solche, auch im Zusammenhang mit W+G … mir fällt es als Kind aus (brüdergemeindlich) christlichem Elternhaus recht schwer diese verschiedenen charismatischen Strömungen richtig einzuordnen. Irgendwie steht und fällt das bei mir immer alles zusammen – als ich dann deinen Blogeintrag über W+G gelesen habe in dem du sagst, dass es wichtig ist genau zu deifferenzieren und „das Baby nicht mit dem Badewasser auszuschütten“ hab ich mir gedacht ich frage dich vielleicht einfach mal nach, woher ich genauere (zuverlässige, nicht vollkommen oberflächliche) Informationen bekomme.
[…]
Außerdem habe ich noch eine konkrete Frage:
Ich glaube es ist kaum möglich richtige oder falsche christliche Bewegungen anhand von Dogmen oder „sicheren“ theologischen/biblischen Standpunkten zu überführen. Soll heißten: Ich hab das Gefühl da mit Logik nicht weit zu kommen. Das brachte mich auf den Gedanken, dass man das vielleicht eher auf einer Gefühlebene oder entscheiden muss. Allerdings verdreht sich mir bei sämtlichen Videos wo irgendein Typ Leute „im Geist“ umschmeißt oder lachend auf dem Boden rumliegt statt zu predigen oder wo Leute einander an Hundeleinen durch den Gottesdienstsaal führen, der Magen. Ich bekomm da ein echt komisches, abstoßendes Gefühl, bin mir aber nicht sicher ob das einfach nur ist, weil es mir so unbekannt ist oder – was mir dabei immer wieder durch den Kopf schießt – weil ich das Gefühl habe, dass das was da passiert nicht im entferntesten etwas mit Gott zu tun hat. Kannst du mir irgendeinen Rat geben, wie ich das vielleicht genauer erkennen/einschätzen kann? Kann man das irgendwie auseinanderhalten, bzw. wie hältst du das auseinander?

Ich freu mich wenn du mir antwortest!

Viele Grüße aus B!
J
Hi J,

Ist schon okay mit dem Nerven. Ich blogge und predige ja nicht und bin dann über Fragen ärgerlich. 🙂
[…]

Also: ich glaube, dass Todd Bentley “echt” ist und zwar aus mehreren Gründen:
1) ich hatte vielleicht zwei Jahre vor Lakeland den Eindruck, Predigten von TB hören zu sollen. Ich gebe zu, dass sie mich nur auf ein paar andere Sachen vorbereiten haben, die Gott nachher gemacht hat, aber immerhin war ich mir dann sicher, dass er ein Guter ist.
2) Geistliche die ich sehr schätze, allen voran Bill Johnson, haben sich zu TB gestellt. Tatsächlich war TB schon vorher öfter mal in Bethel (Gemeinde von Bill). Ich kenne Bill Johnson als sehr ausgewogenen geistlichen Mann. Auch Peter Wagner, Rick Joyner und andere besonnene charismatische Leute stehen zu TB. Das hilft mir immer sehr und ist ein großer Unterschied zu Helmut Bauer und Wort und Geist, denn zu denen stellt sich (meines Wissens) niemand.
3) ich kenne einige Leute die in Lakeland waren. Alles reife Christen, die einige Jahre mit Jesus unterwegs sind, und alle kamen “verändert” wieder. Ich habe noch nie erlebt oder gesehen, dass Menschen innerhalb so kurzer Zeit so viel von Gott bekommen haben.
4) der Stil ist mir nicht unbekannt. Ich suche so etwas nicht und meine auch nicht, dass es immer so abgehen muss, aber es ist mir auch schon passiert, dass ich zu breit zum predigen war. So was kommt einfach vor.

Ich gebe Dir Recht darin, dass man geistliche Strömungen nicht (nur) theologisch beurteilen kann. Allerdings möchte ich eine kleine Unterscheidung einschieben: die Prediger, Anbetungsleiter usw. muss man mit einem anderen Raster als dem rein theologischen beurteilen, die Lehre kann man aber ruhig theologisch beurteilen. Es kommt regelmäßig vor, dass jemand das richtige predigt aber an persönlicher Sünde scheitert. Vielen Menschen würde ich in ihrer Lehre folgen aber nicht in ihrem Leben. Ich halte mich da an eine Maxime von Jesus:

Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen. (Matthäus 23,3 Einheitsübersetzung)

Leider kommt es immer wieder vor, dass jemand etwas anderes predigt als er tut. Nicht nur bei den Charismaten, das gibt es überall.

“Phänomene” oder “Manifestationen”, wie man es charismatisch nennt, kann man nur aus dem Bauch raus beurteilen. Es kann immer sein, dass Gott anders handelt als man denkt. Ich will da nicht den Fehler der Pharisäer machen und das Heil verpassen weil ich es mir anders vorgestellt habe. Insofern bin ich sehr vorsichtig damit zu sagen “so ist Gott nicht”. Aber es gibt Grenzen. Das mit den Hundeleinen habe ich noch nie gesehen, nur auf youtube in einem Video von David Wilkerson gesehen. Das ist definitiv jenseits der Grenze, ebenso wie der Rest auf dem Video. Manche Leute sollte man schütteln und fragen, “ob’s noch geht”…
Bei so etwas ist es hilfreich, die Gabe der Unterscheidung zu haben. Aber nötig ist es nicht. Wir haben ja den Verstand, der uns hilft. Es gibt jede Menge Gottesdienste die ich sch***** finde. Die Gründe sind ganz unterschiedlich, wobei es häufig vorkommt, dass es mir irgendwo nicht lebendig genug ist. Dann brauche ich kein Wort von Jesus sondern gehe einfach weil es “nix für mich ist”. Wenn Dir solche Dinge komisch vorkommen und Du Dich nicht wohl fühlst, würde ich Dir dasselbe empfehlen. Auch ohne einen konkreten Grund ist voll okay, einfach zu gehen.

Ich hoffe, Deine Fragen beantwortet zu haben. Gottes Segen und alles Liebe,

Storch

Beim Lesen sind mir zwei Verse aufgefallen, die ich besonders behandeln möchte weil sie Teile eines größeren Puzzles sind. Die Frage nach Kontinuität und Diskontinuität der Testamente beschäftigt mich immer wieder. Manches kann man direkt aus dem Alten in das Neue Testament übertragen; anderes nicht. Das Wichtigste, das sich definitiv nicht hinüber retten konnte ist das Gesetz. In der ersten Zeit des Christentums gab es darüber erhebliche Debatten und viel Streit. Ich vermute, dass es im Umfeld messianisch-jüdischer Gemeinden auch heute noch ähnlichen Gesprächsstoff gibt.
In Römer 14 gibt es mindestens zwei Aussagen, die Vertretern einer jüdischen Variante des Christentum schlecht geschmeckt haben dürften.

Sagt der eine: Es gibt Unterschiede
zwischen den Wochentagen,
der Sabbath steht allen voran,
so meint der andere: Alle Tage sind gleich.
Halte es jeder, so wie er mag!
1

Letzten Sonntag, am 29.06.2009 habe ich im Radio von Ausschreitungen in Jerusalem gehört, die von militanten Juden ausgingen, weil ein Parkplatz am Sabbath geöffnet war. Bis dahin hatte ich noch nie etwas von solchen militanten Juden gehört. Das zeigt, wie brisant das Thema selbst heute noch für manche Gläubigen ist. Vor 2000 Jahren wird es eher schlimmer als besser gewesen sein. Wenn Paulus es der Gewissensfreiheit der römischen Christen überlässt den Sabbath zu halten oder nicht, dann ist das ein klares Bekenntnis gegen die Übernahme alttestamentlicher Gesetze.

Ich glaube – nein, mehr! –
ich weiß mit Christus, dem Herrn,
dass nichts, von sich aus, unein ist.
Nur wenn ein Mensch es dafür hält,
wird es unrein – doch nur für den Einen!
2

Das Zitat findet sich im Zusammenhang mit Essen und dem Einhalten jüdischer Speisegesetze. Das Gesetz ist voll mit unreinen Tieren, die man als gläubiger Jude nicht essen durfte. Paulus erklärt hier pauschal alles für rein – selbst Blutwurst und Klippdachse. Solange man es mit gutem Gewissen genießen kann (s.den vorigen Post in der Reihe), darf man alles essen.

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 67 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 68 []

Derek Prince (1915-2003) gab der charismatischen Bewegung immer wieder eine Warnung mit: sie wären anfälliger als andere Bewegungen, dem Antichristen zu folgen. Ich habe sogar eine Variation des Themas gehört in der er gesagt haben soll, dass der Antichrist sogar aus der charismatischen Szene hervorgehen könne. Auch wenn ich nicht weiß, ob er das wirklich gesagt hat, oder ob es sich um einen Gedächtnisfehler handelt, bleibt eine starke Warnung.

Mich trifft diese Aussage besonders weil sie von einem Insider kommt. Vermutlich würde niemand ernsthaft widersprechen wenn man Prince theologisch als Pfingstler einordnet. Zudem war er aber auch ein sehr gebildeter Mann; eine Kombination, die häufiger vorkommt als manch einer denkt. Er studierte mit Auszeichnungen an englischen Eliteuniversitäten und war Pazifist in einer Familie von Offizieren. Wenn man so etwas sagt, dann braucht man eine gute Begründung. Es ist eben diese Begründung, die mich nachdenklich macht. Laut Prince sind es drei Aspekte, die die charismatische Bewegung anfällig machen:

  • Sie kennen die Bibel nicht oder zu schlecht um falsche Lehren zu erkennen.

Es ist leider wahr, dass oft ein erschreckend niedriges theologisches  Niveau gerade in den Gemeinden herrscht, die am meisten das Wirken des Geistes erleben. Auf der anderen Seite gibt es oft den „bibeltreuen“ Gemeinden (wie sie sich häufig selbst nennen) wenig zu erleben. Man kann auf beiden Seiten vom Pferd fallen. Ich habe einige Male (u.a. auf dem Freakstock) darüber gepredigt, dass es blöd ist, sich für das eine oder das andere zu entscheiden, leider habe ich nur einen Eintrag dazu gefunden und kein Audio. Warum ist es nur so, dass immer die einen Gemeinden einen Schwerpunkt in einem Bereich haben und den anderen vernachlässigen? Schon Tertullian (150-230) sagte, dass Wort und Geist zusammengehören wie die linke und die rechte Hand Gottes. Wenn wir mehr von Gottes Wirken ersehnen sollten wir auch mehr sein Wort kennen lernen. Die Trennung von beidem ist wieder einmal mehr gnostisches als christliches Denken. Wir müssen Ganzheitlichkeit erstreben.
Viele Lehren im Leib Christi lassen sich so einfach durchschauen wenn man die Bibel kennt. Man denke nur an faschistische Theologien, die sich speziell in U,S und A noch immer einiger Beliebtheit erfreuen. Für diese Extreme braucht man kein großes Bibelwissen, aber einiges ist viel subtiler und macht einen kühlen Kopf zum Erfordernis.

  • Charismatiker folgen geistlichen Führern ohne diese kritisch zu hinterfragen

Unglücklicherweise kann man auch diese Kritik nicht ganz von der Hand weisen. Es gibt einen berühmten Halbwitz: „was ist der Unterschied zwischen dem Katholizismus und der charismatischen Bewegung? – die Katholiken haben nur einen Papst.“ Es ist unglaublich, was für Menschen in dieser Bewegung Ämter bekleiden und wie viele ihnen kritiklos hinterher laufen. Auch wenn ich immer dafür plädiere, die Person von der Lehre zu trennen, sollten wir prüfen von wem wir uns prägen lassen und auf keinem Fall kritiklos hinter einem „Führer“ herlaufen. Die Geschichte ist voller Tragödien die nicht entstanden wären wenn Anhänger ihren Leiter nicht maßlos überhoben hätten.

Weil ich hier viel darüber schreibe, dass man dei Botschaft vom Botschafter trennen muss, gebe ich Euch noch ein Bibelzitat dazu:

Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen. (Matthäus 23,3 Einheitsübersetzung)

Unnötig zu sagen, dass es hochgradig peinlich ist, wenn Jesus so etwas über uns sagen würde. Aber selbst in dem Fall wäre ich froh, wenn wenigstens nicht das Richtige, was ich auch gesagt und getan habe, mit verworfen würde.

  • Sie halten das Übernatürliche generell für Gottes Wirken

Ein Kennzeichen alttestamentlicher Theologie ist, dass alles pauschal Gott zugeschrieben wurde. Das trifft besonders für übernatürliche (oder einfach mit damaligen Mitteln nicht erklärbare) Phänomene zu. Das stellt das AT in eine inhaltliche Spannung zum NT, denn vieles, was im AT Gott war, wird im NT dem Satan zugeschrieben. Es ist ein klassisches Beispiel für fortschreitende Offenbarung: die Erkenntnis Gottes entwickelt sich zwischen den Testamenten weiter. In diesem Sinne ist es eher ein Rückwärtstrend wenn heute wieder Menschen glauben, dass alles von Gott ist. Einige Phänomene sind eindeutig nicht von Gott und es ist gefährlich, nur von einer Quelle übernatürlicher Macht auszugehen. Gottes Wort fordert uns auf die Geister zu prüfen und nicht allem zu glauben, was übernatürlich daher kommt. Ein fataler Fehler, das nicht zu tun!

Wer noch mehr über Derek Prince erfahren möchte, findet Informationen in seinen deutschen Wikipediaeintrag und auf der Website seines Dienstes.

Das ganze vierzehnte Kapitel handelt vom Umgang miteinander in der Gemeinde. Ich stelle mir die Gemeinde in Rom als multikulturellste Gemeinde ihrer Zeit vor. Als Hauptstadt des Reiches wird es viele Kulturen und Religionen in Rom gegeben haben. Es ist kaum vorstellbar, dass diese Pluralität vor der Gemeinde halt gemacht hat.
Das Kapitel beginnt mit einer bemerkenswerten Aussage über den Umgang mit jungen Christen:

Wer noch schwach ist in seinem Glauben,
liebe Schwestern und Brüder,
den nehmt auf in Eure Gemeinschaft,
seid freundlich zu ihm
und führt keine Wortgefechte
über strittige Fragen mit ihm.
1

Natürlich müssen junge Gläubige im Glauben unterwiesen werden, aber es gibt vieles, das einfach nicht so wichtig ist und nicht am Anfang der Unterweisung stehen sollte. Als ich Christ geworden bin, waren kulturelle Fragen in den Gemeinden außerordentlich wichtig. Noch bevor ich ein tragfähiges Fundament im Glauben aufbauen konnte wusste ich schon, dass Gott keine langen Haare, Nietengürtel und Punkmusik mag – alles Dinge, die ich mittlerweile vollkommen anders sehe. Zu Paulus Zeiten gab es keinen Punk und keine ausgeprägte Jugendkultur, deshalb sehen seine Beispiele anders aus: bei ihm geht es um Speisevorschriften und Feiertage.
Interessanterweise schwenkt er im Verlauf des Kapitels etwas um und zeigt, dass unterschiedliche Auffassungen nicht nur bei älteren und jüngeren Christen vorkommen sondern generell zum Gemeindeleben dazu gehört.
Das öffnet einen Zugang zu einer individuellen Ethik, die uns auch an anderen Teilen des NT begegnet. Während es Dinge gibt, die ganz klar daneben sind – Mord, Lüge, Ehebruch, usw. – gibt es andere, die einfach Grauzonen darstellen und die man so oder so sehen kann. Moderne Beispiele lassen sich z.B. im Bereich der Unterhaltung finden: für den einen sind Computerspiele okay, der andere sollte unbedingt die Finger davon lassen. Dasselbe gilt für Fernsehen, Musik, Sport u.a.
Für diese Grauzonen gibt der Apostel zwei gute Faustregeln von denen die erste eine gemeinschaftliche Maxime ist, die zweite eine private:
1)

macht den einen Gedanken
zum Richtmaß eures Handelns:
ich will meinem Bruder
keinen Stein in den Weg legen
und ihm keine Falle stellen,
in die er stürzt
.2

Für Paulus ist der Gedanke des Leibes stets ein bestimmendes Merkmal seiner Theologie gewesen. Ich vermute, dass er gedanklich viel mehr von der Einheit der Gemeinde her kam als vom Individualismus; ein Merkmal, dass ihn von vielen Denkern heute unterscheidet und in dem ich selber auch noch einiges zu lernen habe. Mit so einer Denke muss ethisches Handeln die Gemeinschaft einbeziehen und gemeinschaftsschädigendes Verhalten muss kritisch gesehen werden.
Deswegen ist das erste Prüfkriterium, ob mein Verhalten den Bruder oder die Schwester in Bedrängnis bringt. Natürlich werde ich keinen Alkohol trinken wenn ich trockene Alkoholiker zu Hause habe, auch wenn ich selber die Freiheit dazu habe. Das Prinzip ist unmittelbar einleuchtend, deshalb gehe ich nicht weiter darauf ein.
Leider hat es in der Vergangenheit immer wieder zu Missbrauch geführt, denn es ist natürlich ein „Gummiparagraph“: muss man alles lassen, was jemand anderen stört? Dann kann man bald nichts mehr tun, denn irgendwer hat sicher immer ein Problem mit einer Aussage oder einem Stil. Speziell die Jugendarbeit vieler Gemeinde leidet oft unter einer solchen Auslegung, denn von einer eigentlich tiefen Aussage bleibt oft nur eine Plattheit in den Köpfen: „Du darfst nichts tun, womit Du bei einem Bruder Anstoß erregst“. So dürfen dann keine englischen Lieder gesungen werden, weil die „Alten“ daran Anstoss nehmen. Selbiges gilt für Lautstärke, Kleidung, Ausdrucksweisen und ziemlich alles andere.
Das ist echt Quatsch! Und zwar aus zwei Gründen. Zum einen stellt Paulus das Prinzip auf, dass Starke und Erfahrene auf Schwache Rücksicht nehmen (und nicht umgekehrt, wie es oft gelebt wird!). Zum anderen geht es hier um Dinge, die an die Substanz gehen. Wenn jemand wegen englischer Lieder vom Glauben abfällt und seinen Platz in der Ewigkeit  verliert sollte man darauf Rücksicht nehmen. Wenn er einfach mal ein Lied nicht mitsingen kann ist das tragbar.

2) die zweite Handlungsmaxime ist persönlich und sehr einfach:

Gesegnet aber sei, wer sich nicht selbst
verurteilen muss, sondern sagt:
Ich habe mich geprüft
und stehe zu meinem Verhalten.
[…]
(…) Alles aber,
was nicht aus Glauben getan wird,
ist Sünde
.3

Wir sollten uns schlicht und ergreifend Gedanken darüber machen, was wir tun. Das beinhaltet, dass wir nicht blind irgendwelchen Führern hinterher laufen und tun, was sie uns sagen, sondern dass wir selber prüfen und entscheiden. Wir können in strittigen Fragen selber Bibel lesen, beten, goolgeln und uns beraten lassen. Es ist schlimm, wenn Christen so unmündig sind, dass die Leitung einer Gemeinde oder Bewegung regelmäßig sagen muss, was man tun und wo man hingehen darf. Der Markt solcher Bücher ist ja riesig, besonders wenn es darum geht, was man nicht lesen, hören, glauben oder besuchen darf.
Wir müssen selber lernen uns mit Hilfe der Bibel und des Heiligen Geistes zu prüfen und dann mit gutem Gewissen zu dem zu stehen, was wir tun.

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 66 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 68 []
  3. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 70 []

Das theologische Thema, das man am meisten mit WuG in Verbindung bringt, ist „die neue Schöpfung“ oder „die Identität“ in Christus. Diese Theologie ist nicht originär WuG sondern wurde schon immer verkündet, im 20.Jhd. vielleicht am stärksten von E.W.Kenyon. Mindestens in der Anfangszeit waren Kenyons Bücher auch eine wichtige theologische Referenz der Bewegung. Manche schwierige Formulierungen, wie „neue Rasse“ und „Übermenschen“ kommen durch direkte Übersetzung von Kenyons Büchern zustande. Im amerikanischen Original klingt es dann auch gar nicht so spektakulär wie in einer deutschen Predigt 🙂
Die Lehre von der neuen Schöpfung bezieht sich auf 2.Korinther 5,17:

Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (nach der Elberfelder)

Kenyons Auslegung der neuen Rasse ist tatsächlich keine Übersetzung sondern ein Kommentar. Wenn ein Mensch „neu geschaffen wird“, ist er nach weltlicher Anthropologie etwas ganz neues. Der Gedanke klingt wegen des Wortes „Rasse“ radikal, er ist aber im Grunde nur eine theologische Betrachtung.
Wenn man davon ausgeht, dass wir durch die Wiedergeburt völlig neu gemacht wurden, gleichzeitig aber sieht, dass wir noch aussehen wie immer, muss man sich fragen, was denn neu wurde. Da wir keine äußerliche Referenz haben (außer vielleicht ein paar Gefühlen) müssen wir in der Bibel forschen, was neu geworden ist. Dabei stößt man schnell auf Begriffe wie „vergeben, gerecht gemacht“, die fast jeder Christ glaubt. Aber auch auf andere, über die Christen geteilter Ansicht sind: „geheilt“, „erfüllt“ usw. Relativ neu sind Ansichten wie, dass die neue Schöpfung sich unsichtbar machen oder Gedanken lesen kann. Einige dieser Erkenntnisse sind im charismatisch-glaubensgesinnten Lager ziemliches Allgemeingut, andere empfinden fast alle Christen außerhalb von WuG (mich selbst eingeschlossen) als „esoterisch“.

Nun meine ich auf der einen Seite, dass es absolut dran war und ist, verstärkt über die neue Schöpfung zu lehren – wir müssen uns selbst in Christus kennen lernen. Teilweise lassen sich da sehr alte theologische Konzepte finden, die nur unter dem Label „Identität in Christus“ zusammen gefasst werden müssten.
Auf der anderen Seite meine ich, dass die Beschäftigung mit dem Thema über die Jahre groteske Züge angenommen hat. Es ist einfach ein Schlüssel, manche Bibelstellen zu verstehen, aber bei weitem nicht der einzige. Gottes Wort enthält viele Themen, die wichtig sind und gepredigt werden müssen – die Überbetonung eines Einzelthemas führt immer zu Ungleichgewicht.
Besonders bedenklich wird es, wenn die Realität der neuen Schöpfung Jesus verdrängt. In diesem Sinne empfinde ich WuG als zutiefst anthropozentrisch: der Mensch der neuen Schöpfung steht im Mittelpunkt und nicht Jesus. Selbst in den Lobpreiszeiten die ich mitgemacht habe, ging es mehr um den Menschen als und Gott. Ziel der Theologie sollte es sein, Gott kennen zu lernen. Wer wir in ihm sind ist ein Nebenaspekt.
Man darf auch über die Begeisterung für ein Thema nicht alle anderen über Bord werfen (zumindest nicht langfristig). Die Bibel ist voll von Aussagen über Leiden, Nachfolge, Dienst usw. die sich nicht in ein einziges Lehr- und Erkenntnismodell pressen lassen. Es muss im Endeffekt immer um die gesamte Offenbarung Gottes gehen, nicht nur um den Teil der uns angenehm erscheint.

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