das Gewissen
Das Hauptthema von Römer 9 ist die theologisch und philosophisch fruchtbare Diskussion der Erwählung. Ich möchte allerdings noch einige Gedanken vorschieben, die eher psychologisch-ethisch sind,zu denen mich der erste Vers des Kapitels inspiriert hat.

Ich rufe mein Gewissen an,
erleuchtet durch den Heiligen Geist.
1

Ich hatte (und habe immer noch) meine Probleme mit dem Gewissen. Leider kann ich zum momentanen Zeitpunkt kein echtes Wortstudium zum griechischen sunei,dhsij (Syneidäsis) vorlegen, aber im Grunde gilt mein Unbehagen auch eher dem deutschen Verständnis des Wortes als seinem absoluten theologischen Gehalt.
Als Prediger kann man prima ein schlechtes Gewissen erzeugen, wenn es um bestimmte Dinge geht. Man kann etwa über Geld und Mitarbeit in einer Weise predigen, dass Zuhörer durch ihr schlechtes Gewissen motiviert werden, zu spenden oder mit zu arbeiten. In der Fundraisingliteratur (die sich mit der professionellen Spendenwerbung befasst) gilt ein schlechtes Gewissen als guter Beweggrund für Spender und es werden Methoden erörtert, wie man es erzeugen kann. Ich halte das für sehr manipulativ. Andere finden es vollkommen in Ordnung und sehen das Gewissen als eine Möglichkeit Gottes zu uns zu reden und uns auf seinem Weg zu halten.
Auch wenn ich das Gewissen noch immer für unterlegen halte, wenn es darum geht, Gott sprechen zu hören, sehe ich es heute positiver als früher. Gottes beste Methode uns zu überführen ist durch sein Wort und den Heiligen Geist, dennoch ist es gut, ein Gewissen zu haben, dass von Gott geprägt ist.
Früher hielt ich das für ausgeschlossen und dachte, dass Gewissen sei immer eine Über-ich-Funktion im Sinne Freuds. Dann wäre das Gewissen ein Teil unserer Seele, der von Menschen und Kultur geprägt ist und entsprechend zwar gesellschaftliche Wertmaßstäbe widerspiegeln und aufrechterhalten könnte, aber nicht fähig wäre, uns Gottes Wege zu zeigen. Tatsächlich kann uns das Gewissen sogar im Weg stehen, wenn es um Gottes Willen geht. Manch einer arbeitet sich zu Tode weil er eine entsprechende Prägung von zuhause mitbekommen hat und ihn sein Gewissen treibt, jeden Job anzunehmen. Manch einen hält sein Gewissen davon ab, Gottes Erlösung zu fühlen. Er fühlt sich immer schlecht und schuldig, egal, was Gottes Wort über ihn sagt. Solchen Menschen sagt Johannes:

Denn wenn das Herz uns auch verurteilt — Gott ist größer als unser Herz und er weiß alles. (1.Johannes 3,20 nach Herder)

Manchmal muss man die innere Stimme zum Schweigen bringen um Jesus effektiv nachfolgen zu können.

Natürlich ist das Gewissen nicht nur schlecht. Es ist gut, etwas in uns zu haben, das uns zu ethischem Handeln treibt.
Nun bringt Paulus in Römer 9 einen Aspekt, den ich immer übersehen habe: das Gewissen kann nicht nur von Menschen geprägt sein sondern auch von Gott. Damit hätten wir ein geniales Organ in uns, das uns tatsächlich hilft, Gott zu folgen.
Ich stelle mir das Gewissen nun also als ein Organ vor, dass geprägt werden kann. Eine programmierbare Alarmanlage. Es ist keine Frage, ob wir es haben. Die Frage ist, wem wir erlauben, es zu prägen. es kann gefährlich sein, ein Gewissen zu haben, dass nur von Menschen geprägt ist, aber es ist sehr gut, ein Gewissen zu haben, das von Gottes Wort geprägt ist.

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 45 []

So viel Jesus auch unterwegs war, es gab immer noch Orte, an denen er nicht war. Er sprach mit vielen Menschen, aber nicht mit allen. Auch wenn er viele heilte, gab es immer noch Kranke in Israel – ganz zu schweigen von der ganzen Welt! Mit der Zeit wurde ihm eine Wahrheit immer schmerzlicher bewusst: alleine konnte er nicht die ganze Welt mit seinem Vater bekannt machen. Selbst seine zwölf Jünger reichten beim besten Willen nicht aus.
Wieder kam Jesus in einen neuen Ort und predigte in den Synagogen. Die Veranstaltungen waren rappelvoll, und als er aus dem Fenster sah, standen draußen noch mehr Leute. Da wurde er traurig, in seinem Inneren bewegte sich etwas, denn er sah die Menschen, wie sie wirklich waren: am Ende, planlos, ohne Perspektive und Sinn. Da reifte in Jesus ein neuer Plan.
„Petrus, Jakobus, Johannes, kommt mal alle her! Wo ist Judas? Vergesst Andreas und den Zeloten nicht, setzt Euch und hört zu!“ Nachdem sich alle gesetzt hatten und das Geraschel mit den Kleidern aufgehört hatte, gab ihnen Jesus eine Lehre über Gebet: „Es ist Erntezeit, die Felder sind so weit. Es gibt viel zu tun, bittet deswegen Gott, dass er Arbeiter in seine Ernte sendet, denn wir haben viel zu wenig Leute.“ (Matthäus 9,35ff nach Storch :-))

Wieder einer dieser schwierigen Aussprüche Jesu, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben, über die man nachdenken und sie befolgen muss, um zu verstehen, was sie bedeuten. Dass die Felder reif zur Ernte waren, konnte man noch glauben. Immerhin hatten sie bei vielen Gelegenheiten erlebt, wie begeistert die Leute Jesus aufnahmen. Es gab auch Gegenden, in denen sie nicht willkommen waren, aber vom Prinzip her war das schon okay.
Aber warum den Bauern bitten, dass er Arbeiter schickt? Kein Bauer würde seine Ernte auf dem Feld verrotten lassen. Man muss keinen Bauern bitten, dass er Erntearbeiter anstellt – die Ernte ist alles, was er besitzt. Warum sollte es gerade bei Gott anders sein, der eine Ernte einbringen will, die wertvoller ist als Getreide.

Jahrhunderte der Theologie und der Erfahrung mit Gott haben uns die Antwort längst gegeben. Heute muss man sich richtig in die Geschichte hinein versetzen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie seltsam die Aussage Jesu eigentlich war. Die Frage lässt sich mit einem Satz beantworten, der so wichtig ist, dass man nicht mehr sagen kann, wer ihn als erster ausgesprochen hat. Die einen sagen Kierkegaard, andere nennen C. S. Lewis oder „die Mönche“ als Urheber: „Gebet verändert nicht Gott, es verändert den Beter.“
Gott muss sich nicht ändern, er ist vollkommen und würde von Veränderung nicht profitieren. Aber wer betet, den wird Gott verändern. Auf unseren Knien finden die tiefsten Veränderungen statt. Eben haben wir noch inbrünstig zu Gott gefleht, dass er Arbeiter in die Ernte schickt, da hören wir schon Gottes Geist leise zu uns sprechen. Wir sehen unsere Nachbarn; verpasste Chancen ziehen an unserem inneren Auge vorbei; wir spüren die Verlorenheit unseres Chefs, und ehe wir es uns versehen, stehen wir mit der Sichel in der Hand in Gottes Erntefeld.

Es ist unmöglich, zu beten und nicht Gottes Veränderung zu erfahren; wer betet, den wird Gott senden.

Das Leiden der Schöpfung
Das dritte große Thema des Kapitels ist die Erlösung, die noch nicht ganz abgeschlossen ist. Währen Jesus bereits alles am Kreuz getan hat, gibt es dennoch Leiden und den Fluch über der Schöpfung (1.Mose 3). Paulus selbst wusste nur zu gut darüber Bescheid, dass diese Welt unvollkommen ist und dass es Leid in ihr gibt. Er selber hatte viel Verfolgung zu erleiden und sprach nicht wie der Blinde über die Farbe wenn er von Schmerz redete.
Umso ermutigender ist sein Fazit:

ich glaube fest daran,
dass alle Schmerzen der Verfolgung
ein Nichts sind, verglichen mit der Herrlichkeit,
due eines Tages offenbart werden wird.1

Wir haben eine Zukunft im Himmel, die bei weitem alles in den Schatten stellen wird, das wir hier auf der Erde erleben werden. Was auch immer kommt, es wird einen Moment geben, in dem sich alles gelohnt haben wird.
Nicht nur wir warten auf den Himmel. Auch die ganze Schöpfung – nicht allein die Menschen sondern die komplette Welt – wartet auf den großen Moment an dem Jesus wiederkommt und alles neu macht:

unvergänglich und schön wird sie sein!
Noch aber sehen wir zu wie die Schöpfung,
gequält und geschändet,
vor Schmerzen schreiend in den Wehen liegt,
in dieser Stunde!2

In alldem haben wir eine zusätzlichen Trost: nichts kann uns von Gottes Liebe trennen und weil Christus für uns ist kann nichts gegen uns sein. So können wir eine mutige, heroische Einstellung haben; egal was kommt:

(…)wir haben keine Furcht vor alledem,
wir werden bestehen! Wir werden siegen!
Er, der uns seine Liebe geschenkt hat,
ist nahe bei uns.3

Amen!

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 41 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 42 []
  3. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 44 []

Bibeltext: Apostelgeschichte 16 – bitte selber lesen!

Paulus und Silas saßen im Gefängnis, das war eine schlimme Sache. Ich kenne einige Leute, die im Knast gesessen haben – alle zu Recht, sie hatten Banken überfallen, Leute verprügelt mit Drogen gedealt oder noch schlimmeres gemacht. Paulus und Silas aber saßen zu Unrecht im Knast, sie  hatten nichts Böses getan. Alles, was man ihnen vorwarf war, dass sie Gottes Liebe gepredigt und den Menschen Gottes Kraft gezeigt hatten. „Im Knast weint jeder,“ hat mir mal jemand gesagt. Man ist einsam und muss ums Überleben kämpfen, man wird hart – es ist eine Atmosphäre in der es schwer ist mit Gott zu sprechen und mit ihm am Start zu sein. Wie schlimm muss es erst sein, wenn man unschuldig sitzt und zusätzlich noch mit der Bitterkeit darüber zu kämpfen hat.
Die Gefängnisse damals waren noch viel schlimmer als die heute in Deutschland: dunkle Löcher, kalt und feucht, mit schimmeligen Strohmatten. Das Essen, das die Häftlinge bekamen würde heute sofort auf dem Komposthaufen landen. Die Apostel wussten nicht einmal, ob sie diese Nummer überleben würden. Möglicherweise wetzte der Henker schon seine Axt um sie im Morgengrauen hin zu richten.
Was tut man in einer solchen Situation?

Die meisten Menschen die ich kenne (und möglicherweise auch ich selbst) würden in einer solchen Situation die Krise kriegen – und nicht zu knapp! „Gott, wir haben Dein Werk getan. Wir haben gepredigt und Wunder getan, und jetzt das! Wo bist Du Gott?!“ Meistens reicht weniger um uns aus der Bahn zu werfen: ein kaputtes Auto, Beziehungsstress, schlechte Noten und wir zweifeln an Gott.
Paulus und Silas waren anders drauf. Sie kannten Gott und die Menschen, sie waren darauf vorbereitet, dass ihr Weg manchmal ganz schön hart sein würde. Deshalb konnte sie auch der Knast nicht aus der Bahn werfen. Statt in Selbstmitleid zu versinken haben sofort eine Anbetungssession gestartet. Sie verzweifelten nicht sondern „priesen Gott mit lauter Stimme“. Ich bin sicher, dass es sich in dem Gefängnis anfühlte als hätte jemand das Licht angemacht – die ganze Atmosphäre veränderte sich als die beiden anfingen zu singen.
Dann kam das Erdbeben. Es war kein normales Erdbeben, denn es wackelten nicht  nur die Wände sondern die Fesseln fielen von allen Gefangenen ab.

Das ist mehr als ein geschichtlicher Bericht aus dem Leben der ersten Christen. Es zeigt eine Wahrheit, die jeder von uns anwenden kann: Freiheit kommt durch Anbetung. Es wäre nichts passiert wenn die Apostel rumgejammert hätten, aber es ist alles passiert als sie sich sagten: „egal in welcher Scheiße wir stecken, Gott ist größer!“
Ich habe das selbst wieder und wieder erlebt, es ändert sich alles, wenn ich Gott in schlechten Zeiten anbete, ihm einfach sage, wie gut er ist und mich selber daran erinnere, was ich schon mit Jesus erlebt habe. Das hat mich schon aus vielen Depressionen und anderer Scheiße rausgeholt. Es gibt kaum was Schlimmeres, als sich nur um sich selbst zu drehen, wenn es einem schlecht geht. Egal, was anliegt, Gott ist größer und es tut so gut, mit ihm zusammen zu sein.

Sünde und Freiheit
Interessant, und etwas fremd, ist, dass Jens das griechische Wort sarx oft mit Gier übersetzt. Wir sind es mehr gewohnt, an diesem Stellen „Fleisch“ zu lesen. „Gier“ ist aber eine gute Umschreibung, denn es geht um ein Prinzip in unserer Natur, dass uns zur Sünde treibt. Es ist in der Tat eine Gier, die unsere guten Vorsätze zunichte macht und uns den Weg mit Jesus erschwert. Am Anfang dieser Gier steht die Selbstsucht. Die Sucht, sich selbst als Mitte von allem zu sehen und alles zu wollen, das uns gefällt.

Denn wer der Selbstsucht folgt,
der handelt, was immer er auch anfängt,
in ihrem Sinne.1
Selbstsucht kennt keine Liebe.2

Der Ausweg aus der Selbstsucht kann nur in Christus gelingen, denn es ist nötig, dass unser Leben eine neue Mitte bekommt um die es sich drehen kann. Von diesem Gedanken her ist es logisch, dass mit der Herrschaft Jesu das Ende der Selbstsucht und der Beginn der Liebe eingeläutet wird.

Wir stehn im Dienst des Geistes,
der die Herrschaft
dumpfer Begierden und Missetaten beendet
und Leben verbürgt.3

Ab dem Moment des Herrschaftswechsels, wenn Jesus unser König wird, gilt für uns:

Söhne! Und nicht Opfer neuer Unfreiheit,
nicht Sklaven, die in Angst leben müssen,
sondern Kinder, die den Geist empfangen,
der vom Vater kommt
und sie Abbah! Abbah! rufen lässt.4

Als Gottes Kinder lernen wir, nach dem neuen Gesetz zu leben. Halleluja! Man kennt Paulus sonst eher selten so poetisch und überschwänglich. Allenfalls noch im Hohen Lied der Liebe in 1.Korinther 13 wird er so begeistert und poetisch. Das neue Leben in Christus ist aber auch sehr begeisternd 🙂

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 39 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 40 []
  3. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 40 []
  4. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 41 []

Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen. (Lukas 22,42 nach der Einheitsübersetzung)

Es war das letzte Gebet in Freiheit. Kurz nachdem Jesus im Garten Gethsemane betete, kam die Polizei um ihn zu verhaften und ins Gefängnis zu werfen. Was würdest Du in einem solchen Moment beten? Dass ich beten würde ist sicher, aber kann man sich wirklich vorstellen, was in einem solchen Moment in einem abgeht?
Vermutlich würden wir dasselbe beten wie Jesus: „Vater, wenn es irgendwie möglich ist, lass mich aus dieser Sache heil wieder rauskommen. Ich will nicht sterben – schon gar nicht so!“

Das wirklich krasse ist, dass Jesus viele Möglichkeiten hatte um da wieder raus zu kommen. Er musste nicht so beten. Er hätte nur etwas zu sagen brauchen und ein riesiges Engelheer wäre gekommen um ihm zu helfen. Aber er wollte es nicht sagen; er wollte das tun, was Gott wollte – auch wenn es sein Leben kostete.

Wenn Christen heute beten „Wenn es Dein Wille ist“, dann benutzen sie diese Worte meistens anders als Jesus. Sie beten für Kranke und sagen am Ende „aber Dein Wille geschehe“ oder für irgendwas anderes und sagen „wenn es Dein Wille ist.“ Sie beten wie Leute die nicht sicher sind ob etwas Gottes Wille ist und dann lieber noch etwas hinten dran hängen. Wenn Du weißt, dass etwas wofür Du betest, Gottes Wille ist, musst Du nicht noch „wenn es Dein Wille ist“ an das Gebet hängen. Es reicht dann im Glauben an Gott zu beten.

Jesus hat nur dieses eine Mal gebetet, dass Gottes Wille geschieht. Bei dieser einen Gelegenheit ist es ihm wirklich schwer gefallen, das zu tun, was Gott will. Er hätte lieber etwas anderes getan und brauchte wirklich Kraft, um Gottes Willen zu tun. „Wenn es Dein Wille ist“ war ein Gebet um Kraft, als Jesus Gottes Willen schon längst kannte. Er hatte keinen Zweifel daran, was Gott wollte. Sonst hat Jesus mit großer Zuversicht und Sicherheit gebetet.
Wir sollten nicht so beten als würden wir Gottes Willen nicht kennen. Gott sagt in der Bibel deutlich, was er will. Er möchte, dass die Menschen ihn erkennen und dass es ihnen gut geht. Er will, dass wir gut mit der Welt umgehen und dass unsere Gesellschaft nicht Arme und Unterprivilegierte unterdrückt. All das ist völlig klar und wir sollten ohne eine Spur von Zweifel dafür beten.

„Dein Wille geschehe“ ist ein Gebet des Gehorsams, wenn der Weg Gottes gerade nicht einfach ist. Es geht nicht darum für andere zu beten, dass Gottes Wille in ihrem Leben geschieht sondern darum selber in Gottes Willen zu leben. In den harten Zeiten ist es wichtig, dass Du Dir klar machst, dass Du nicht nur wegen Dir allein auf der Welt bist sondern wegen Gott und dass Du hier einen Auftrag hast, den nur Du erfüllen kannst.

Der Konflikt zwischen Geist und dem Fleisch -1

Römer 8 behandelt mehrere wichtige Themen; eines ist der Konflikt zwischen Geist und Fleisch, zwischen unserer alten Natur und dem neuen Leben in Christus. Die ersten Verse von Römer 8 würde ich von der Logik her eher in den Zusammenhang von Römer 7 einordnen, denn sie bedeuten das Ende und die Erlösung des Zwiestreits in diesem Kapitel. Da sie aber in allen Bibelübersetzungen bei Römer 8 einsortiert sind, zitiere ich sie auch hier. Es sind beruhigende Verse, die uns unserer Erlösung versichern:

Wer mit Jesus Christus vereint ist,
wird nicht verurteilt vor Gott.
Es gibt für ihn keine Verdammnis.
der lebendige Anhauch des Neuen Gesetzes
hat uns von der Sünde erlöst (…)1

Wenn wir mit Jesus leben haben wie die göttliche Garantie, dass wir nicht verdammt werden. Wir sind ein für alle Male errettet. Ab diesem Moment kommen wir unter ein anderes Gesetz – das Neue Gesetz. Im Gegensatz zu dem alten Gesetz der Sünde, das uns von Gott fern hielt und sicherstellte, dass wir immer wieder von neuem versagen würden, ist dieses neue Gesetz ein Gesetz der Gnade und der Erlösung.
Wir haben die Möglichkeit, durch dieses Gesetz frei zu werden von unserem alten Leben und Denken und sogar von der Sünde. Es ist aber nicht unbedingt einfach, in diese Freiheit hinein zu kommen. Die Gesetze die unser Leben bestimmen müssen wir erst lernen. Es ist ein Lernprozess, das alte Denken und vergessen und durch neue Denkmuster der Freiheit zu ersetzen.
Wenn wir als Christen sagen, dass wir nicht mehr unter dem Gesetz sind, meinen wir nicht, dass wir keine Norm haben nach der wir uns richten. Es geht nicht darum, in einem Raum zu leben, in dem es gar kein Gesetz gibt. Einen solchen „rechtsfreien Raum“ gibt es auch nicht. Die Welt des Geistes unterliegt genauso Regeln und Gesetzen wie die sichtbare Welt von den Naturgesetzen beherrscht wird. Wir meinen also nicht, dass wir unabhängig von Gesetzen leben sondern, dass wir unabhängig vom Gesetz des Mose oder dem Gesetz der Sünde sind.

Was aber das Gesetz nicht vermochte,
das hat Gott vollbracht,
indem er seinen Sohn
(…)
als Sühneopfer zu uns sandte,
auf dass ein Mensch die Sünde besiegte.2

Paulus wird nicht müde, diese Grundtatsache des Glaubens immer wieder zu wiederholen. Wir haben die Wiederholung auch bitter nötig. Es sind immer wieder die Grundlagen mit denen wir Schwierigkeiten haben und zu denen wir deswegen immer wieder zurück kehren müssen um unsere Fundamente stabiler zu bauen.

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 38–39 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 39 []

Vor einigen Jahren habe in einem Gottesdienst gepredigt in dem die komplette Liturgie eingehalten werden musste (für mich als Freikirchler ist das eher ungewöhnlich). Es gab Fürbitten und eine Kollekte. Für mein Empfinden hatten diese Teile etwas unangenehmes, als wären sie als Ausdruck eines Strebens nach “sozialer Gerechtigkeit” geplant gewesen der betroffen machen sollte. Im Nachhinein haben sie mich nur wütend gemacht.
Die Fürbitten drehten sich um “Armut” und “Krieg”. Kinder in der Dritten Welt müssen leider ja immer wieder dafür herhalten, betroffen zu machen wenn man betet oder Spenden sammelt. Am Ende waren dann etwa 20 euro in der Kollekte für irgendeine humanitäre Organisation, deren Namen ich nicht nennen möchte. Bei vielleicht 250 Gottesdienstbesuchern ist das herzlich wenig! Ich glaube nicht, je zuvor so viel Kupfergeld gesehen zu haben….

Seitdem geht mir ein Satz nicht aus dem Kopf, an den ich immer wieder denke, obwohl der Gottesdienst schon einige Jahre her ist. Ich will nicht sagen, dass das Folgende theologisch 100% korrekt ist, aber die aussage ist gewiss richtig: “wer aus seinem Überfluss 5c gegen Armut in der Welt spendet, braucht auch nicht dagegen zu beten!” Mal ungeschminkt: es fällt den Menschen in einem der reichsten Länder der Welt an weihnachten leichter gegen Missstände zu einem Gott zu beten, an den sie gar nicht glauben, als das zu geben, was sie haben. Gebet ist aber nichts dazu da, das auf Gott abzuwälzen, was wir selber tun sollten. Gott macht keine one-man-show; er kann die Welt nicht alleine retten. Wer nicht sein Herz, seinen Besitz, seine Kraft und Liebe in Gottes Sache hineingibt braucht auch nicht zu beten.
In vielen Bereichen ist der Ball in unserer Hälfte. Wenn wir etwas tun können ist es zu billig, zu versuchen, den Ball wieder zurück zu spielen und von Gott zu erwarten, dass er dafür sorgt, dass jemand anderes tut, was wir nicht wollen.
Oder um es mit den uralten Worten des Propheten Jesaja zu sagen:

5 Ist das ein Fasten, wie ich es liebe, ein Tag, an dem man sich der Buße unterzieht: wenn man den Kopf hängen lässt, so wie eine Binse sich neigt, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt?
6 Nein, das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen,
7 an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen. 8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Wunden werden schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach.
(Jesaja 58,5-8 nach der Einheitsübersetzung)

Der Konflikt zwischen dem Geist und dem Fleisch

In Römer 7 führt Paulus einen Begriff ein, der für seine Theologie sehr wesentlich ist. Den des „Fleisches“. Der Begriff ist so typisch paulinisch, dass Walter Jens ihn schwerlich ändern konnte. Das tut er auch nicht. Die Übersetzung arbeitet allerdings, klarer als andere, eine Definition des Wortes heraus.
Zunächst bringt Paulus am Anfang des Kapitels eine der Analogien, die für seinen Schreibstil so typisch. Bei näherer Betrachtung kann er auch gar nicht ohne Beispiele auskommen, weil man über Gottes Reich kaum in direkten Worten reden kann. Es ist ein Thema, das auf dieser Welt keine Entsprechung hat und so muss man sich über Vergleiche annähern.
Der Vergleich zielt darauf ab, dass das Gesetz des Mose keine Macht mehr über uns hat. Ebenso wie eine Frau nach dem Tode ihres Mannes keine Pflichten mehr gegen ihn hat und von ihm frei ist, sind wir frei vom Gesetz weil das Gesetz für uns tot ist. Wir sind jetzt die Braut Christi und er hat Macht über uns, aber kein Buchstabe des Gesetzes. Wir müssten auch nicht mehr sündigen, denn mit dem Gesetz ist auch die Sünde gestorben. So weit so gut, aber noch ist es die pure Theorie und jeder weiss, wie schwer es ist, diese Theorie im Alltag praktisch werden zu lassen. Wenn das Gesetz tot und wir der Sünde gestorben sind, warum kann es dann immer noch passieren, dass wir sündigen?
Hier kommt das Fleisch ins Spiel. Zunächst einmal ist aber alles positiv, der Sünde gestorben können wir der Gerechtigkeit leben:

Wie anders war es früher!
Da tatet ihr, was unsere Natur befahl
– ich nenne sie Fleisch! – möget ihr verstehen!1

So positiv bleibt es nicht, denn ungefähr die ganze zweite Hälfte des Kapitels behandelt einen großen Konflikt. Unsere alte Natur, das Fleisch, ist zwar tot, aber noch immer recht wirksam und so kommt es zum Kampf zwischen dem alten Leben mit seinen Leidenschaften und dem neuen Leben in Christus.

Dieser Hauptteil von Römer 7 ist verschieden ausgelegt worden. Da die paulinische Anthropologie von Fleisch und Geist, alter Mensch – neuer Mensch oder altes Leben – neues Leben eine psychologisch und theologisch komplexe Angelegenheit ist, war das auch nicht anders zu erwarten. Im Laufe der Zeit haben mich vor allem drei Auslegungen angezogen. Die dritte ist mein derzeitiger Favorit.

1) Eine klassische Auslegung ist, dass Paulus seinen Weg zu Christus beschreibt. Römer 7 ist dann eine Übergangsphase des Kampfes auf dem Weg zum neuen Glauben und der Freiheit in Jesus. Die Auslegung ist bestechend, aber aus mindestens zwei Gründen nicht stichhaltig. Zum einen widerspricht es einfach der Alltagserfahrung anzunehmen, dass der Konflikt vor dem Himmel aufhört. In Christus angekommen zu sein bedeutet nicht, keinen Kampf mehr zu haben. Im Gegenteil: Gottes Wort setzt uns immer wieder neuen Kämpfen aus. Zum anderen taucht das anthropologische Modell des Römerbriefes auch noch im Galaterbrief auf und da wird klar, dass es für jeden Christen ein Lernprozess ist im Geist zu wandeln.

2) E.W.Kenyon sieht in Römer 7 den Ausgang aus einer sinnedominierten Welt. Fleisch ist für ihn sehr wörtlich zu verstehen als unsere fünf Sinne, auf die wir uns stützen. Für ihn geht es im Christsein darum, dass wir lernen aus Glauben zu leben und dem Wort mehr zu vertrauen als unseren Sinnen. So sehr ich ihm auch in der Schlussfolgerung zustimme, hier liest er etwas in das Wort Fleisch hinein, was Paulus nicht hineingelegt hat. Überhaupt weist sein Konzept Lücken und gnostische Züge auf; aber darum geht es hier nicht.
Ich habe von seiner Ansicht viel gelernt und bin absolut der Ansicht, dass sich der Glaube der meisten Christen zu sehr am sichtbaren orientiert und zu wenig an der biblischen Offenbarung – das ist aber beim besten Willen nicht das Thema von Römer 7.

3) Ich sehe in Römer die Beschreibung des Kampfes in den uns Gottes Wort immer wieder stellt: Es zeigt uns eine neue Realität und fordert uns heraus. Wenn wir die Herausforderung annehmen, gehen wir immer wieder durch dieselbe Phase: wir wollen das Eine, tun und leben aber das Andere.

Ein Kampf auf Leben und Tod:
Ich freue mich, tief im Herzen,
an Gottes Gesetz,
aber die Glieder meines Leibes
– das elende Fleisch! –
folgen einem anderen Gebot,
dem Gebot,
das sich meiner Vernunft widersetzt.
Wehe! Die Lüste! Die Begierden!
Der Aufstand der Glieder
– der Werkzeuge des „Fleisches“ –
gegen den Geist!
Erlösung! rufe ich, Erlösung!2

Am konkreten Beispiel geht es hier um den Kampf gegen Sünde. Aber es können auch andere Themen sein in denen uns Gottes Wort in Widerspruch zu dem setzt, was wir bisher gelebt haben. Immer wieder gibt es Phasen im Wachstum in denen wir selber nicht tun, was wir wollen. Am Ende bleibt immer der Schrei nach Erlösung und die Erkenntnis, dass wir noch immer Menschen sind, die eines Erlösers bedürfen.

  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 35 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 38 []
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