Das theologische Thema, das man am meisten mit WuG in Verbindung bringt, ist „die neue Schöpfung“ oder „die Identität“ in Christus. Diese Theologie ist nicht originär WuG sondern wurde schon immer verkündet, im 20.Jhd. vielleicht am stärksten von E.W.Kenyon. Mindestens in der Anfangszeit waren Kenyons Bücher auch eine wichtige theologische Referenz der Bewegung. Manche schwierige Formulierungen, wie „neue Rasse“ und „Übermenschen“ kommen durch direkte Übersetzung von Kenyons Büchern zustande. Im amerikanischen Original klingt es dann auch gar nicht so spektakulär wie in einer deutschen Predigt 🙂
Die Lehre von der neuen Schöpfung bezieht sich auf 2.Korinther 5,17:
Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (nach der Elberfelder)
Kenyons Auslegung der neuen Rasse ist tatsächlich keine Übersetzung sondern ein Kommentar. Wenn ein Mensch „neu geschaffen wird“, ist er nach weltlicher Anthropologie etwas ganz neues. Der Gedanke klingt wegen des Wortes „Rasse“ radikal, er ist aber im Grunde nur eine theologische Betrachtung.
Wenn man davon ausgeht, dass wir durch die Wiedergeburt völlig neu gemacht wurden, gleichzeitig aber sieht, dass wir noch aussehen wie immer, muss man sich fragen, was denn neu wurde. Da wir keine äußerliche Referenz haben (außer vielleicht ein paar Gefühlen) müssen wir in der Bibel forschen, was neu geworden ist. Dabei stößt man schnell auf Begriffe wie „vergeben, gerecht gemacht“, die fast jeder Christ glaubt. Aber auch auf andere, über die Christen geteilter Ansicht sind: „geheilt“, „erfüllt“ usw. Relativ neu sind Ansichten wie, dass die neue Schöpfung sich unsichtbar machen oder Gedanken lesen kann. Einige dieser Erkenntnisse sind im charismatisch-glaubensgesinnten Lager ziemliches Allgemeingut, andere empfinden fast alle Christen außerhalb von WuG (mich selbst eingeschlossen) als „esoterisch“.
Nun meine ich auf der einen Seite, dass es absolut dran war und ist, verstärkt über die neue Schöpfung zu lehren – wir müssen uns selbst in Christus kennen lernen. Teilweise lassen sich da sehr alte theologische Konzepte finden, die nur unter dem Label „Identität in Christus“ zusammen gefasst werden müssten.
Auf der anderen Seite meine ich, dass die Beschäftigung mit dem Thema über die Jahre groteske Züge angenommen hat. Es ist einfach ein Schlüssel, manche Bibelstellen zu verstehen, aber bei weitem nicht der einzige. Gottes Wort enthält viele Themen, die wichtig sind und gepredigt werden müssen – die Überbetonung eines Einzelthemas führt immer zu Ungleichgewicht.
Besonders bedenklich wird es, wenn die Realität der neuen Schöpfung Jesus verdrängt. In diesem Sinne empfinde ich WuG als zutiefst anthropozentrisch: der Mensch der neuen Schöpfung steht im Mittelpunkt und nicht Jesus. Selbst in den Lobpreiszeiten die ich mitgemacht habe, ging es mehr um den Menschen als und Gott. Ziel der Theologie sollte es sein, Gott kennen zu lernen. Wer wir in ihm sind ist ein Nebenaspekt.
Man darf auch über die Begeisterung für ein Thema nicht alle anderen über Bord werfen (zumindest nicht langfristig). Die Bibel ist voll von Aussagen über Leiden, Nachfolge, Dienst usw. die sich nicht in ein einziges Lehr- und Erkenntnismodell pressen lassen. Es muss im Endeffekt immer um die gesamte Offenbarung Gottes gehen, nicht nur um den Teil der uns angenehm erscheint.
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