Die folgenden Zitate finden sich am Ende der 10.Vorlesung Barths in der Einführung in die evangelische Theologie. Die Vorlesung handelt von der Einsamkeit, der ein Theologe ausgesetzt ist und am Ende geht es um die Einsamkeit unter Menschen. Mich interessiert das Thema Kritik seit einiger Zeit. Im Grunde seit ich am eigenen Leibe erfahren habe, dass man sich erheblicher Kritik aussetzt wenn man in die Öffentlichkeit tritt. Im Grunde bin ich ein friedliebender Mensch; aber ich habe etwas zu sagen und tu das auch. Die Erfahrung ist, dass je bekannter man wird umso mehr Kritik kommt. Oft auf einem eher niedrigen Niveau: Persönlich, beleidigend, oft nicht mal durchdacht. Teilweise hat mir das schon ganz schön zugesetzt, aber dann habe ich entdeckt, dass es allen so geht und es also „nichts mit mir zu tun hat“; besser gesagt: Nicht zwingend mit meinen Gedanken oder meiner Kommunikationsfähigkeit zu tun hat.
Vor einiger Zeit stand dieser kurze Artikel in der Westfalenpost:
Auch ein Präsident hat es nicht leicht
US-Präsident Barack Obama wird nach eigener Aussage von zahlreichen wütenden Briefeschreibern wüst beschimpft. Seine Mitarbeiter ersparten ihm die Beschimpfungen nicht, sondern legten ihm jeden Abend eine repräsentative Auswahl von zehn der rund 40.000 Briefe eines Tages vor. „Ich sage Ihnen, meine Mitarbeiter sind sehr fair, denn ich der Hälfte der Briefe werde ich als Idiot bezeichnet“, scherzte er.
Wie Kritik zu äußern ist wäre ein anderes Thema, einfach Leute zu beschimpfen qualifiziert niemanden zum Gesprächspartner. Aber das ist eine andere Sache, es ging um Karl Barth. Für Barth ist der Theologie ein Kritikmagnet eingebaut, es liegt einfach in der Natur der Sache, als Theologe nonkonform, und damit der Kritik ausgesetzt, zu sein.
Die Theologie ist zwar keine menschenfeindliche, sie ist aber, indem der neue Mensch im neuen Kosmos ihr Thema ist – es sei denn, sie wäre lendenlahm – eine in ihrem Kern kritische, ja REVOLUTIONÄRE Angelegenheit, und wer sich mit ihr einlässt, wird sich darauf gefasst machen müssen, es den Leuten gerade mit seinem Denken und und Reden im PRAKTISCHEN Bereich durchaus nicht recht machen zu können, sich gerade in dieser Hinsicht in einer der mit so ganz anderen Masasstäben messenden Umgebung mindest tief verdächtigen MINORITÄT zu befinden.
[…]
Es ist unwahrscheinlich, dass die Theologie gerade wegen der direkt und indirekt von ihr ausgehenden ETHISCH-PRAKTISCHEN Beunruhigung im Ganzen kaum je populär werden kann: bei den Weltkindern nicht und unter den Frommen auch nicht.
Im Grunde ist das eine komplizierte Umschreibung von 2.Timotheus 3,12. Wir leben nach anderen Maßstäben als die Menschen um uns herum und oft fungiert die Theologie als das Gewissen der Gesellschaft. Die Tendenz, das eigene Gewissen zum Schweigen zu bringen ist in der Gesellschaft ebenso vorhanden wie in jedem einzelnen Menschen der die Gesellschaft bildet. Das Mittel dazu ist die Kritik.
Es geht von uns etwas Beunruhigendes aus – und wenn ich „uns“ sage, dann meine ich nicht uns Theologen sondern uns Christen, denn jeder Christ wird in seinem Denken , Glauben und Leben Theologe. Die einzige Möglichkeit diesen Widerspruch zu reduzieren ist „lendenlahm“ zu werden, wie Barth es so schön ausdrückt. Wo wir darauf verzichten, mit unseren Worten Leben zu schaffen hört die Beunruhigung auf und wir werden jedermanns Freund – mögen wir bitte nicht in diese Falle gehen!
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