Neulich hörte ich in einer Predigt eine interessante Beobachtung: Wenn Gottes Gegenwart einen Raum erfüllt, werden Menschen auf einmal hektisch. Gottes Gegenwart spricht Gaben an, und Propheten wollen prophezeien, der Lehrer will anfangen zu lehren, Heiler suchen Kranke. Ich kenne dieses Phänomen nur zu gut, aber es war das erste Mal, dass ich jemanden darüber reden hörte. Wenn Gott mich berührt, kommen sofort Erkenntnisse, Predigten und manchmal die Outlines für ganze Bücher.
Das ist normal, denn Gott setzt unser Potential frei, und seine Herrlichkeit hat immer etwas an sich, das zum Dienst inspiriert. (Vgl. Jesaja 6: Die Begegnung mit Gottes Herrlichkeit brachte Jesaja auf eine ganz neue Stufe in seinem Leben und setzte seine prophetische Fähigkeit frei.)
Ich habe diese Lektion als junger Prediger gelernt. Komisch, so etwas zu sagen – junger Prediger – ich bin schließlich nicht einmal vierzig. Als ich anfing zu predigen, war die Vorbereitung harte Arbeit. Teilweise musste ich mich die ganze Woche mit dem Predigtthema beschäftigen, und den ganzen Freitag habe ich die Predigt geübt.
An einem bestimmten Freitag hatte ich keine Zeit dazu. Ich hatte mich nicht gut vorbereiten können und stand nun vor der Wahl, die wenige Zeit am Schreibtisch oder im Gebet zu verbringen. Ich dachte an die vielen technisch guten, aber seltsam gottleeren Predigten, die ich gehört hatte. Dann an einige gestammelte, zerrissene rhetorische Katastrophen, die mich in der Vergangenheit ermutigt und aufgebaut hatten. Ich entschied mich für das Beten.
Zu der Zeit betete ich noch viel beim Autofahren, weil ich mich in unserer kleinen Wohnung nicht frei fühlte. Als ich betend durch die Gegend fuhr und Gott suchte, bekam ich beides: Gottes Gegenwart und eine Predigt.
Spätestens seitdem ist der wichtigste Teil der Predigtvorbereitung das Gebet. Wenn es irgendwie möglich ist, bete ich so lange, bis ich eine Predigt empfange. Danach muss ich mich immer noch hinsetzen und Bibel lesen oder einzelne Punkte recherchieren, aber der größte Teil der Predigten wird im Gebet geboren.
Diese „Methode“ setze ich für alles ein. Egal, ob ich ein Seminar vorbereite oder einen Artikel schreibe: Gebet spielt immer eine Rolle. Ich brauche das Gefühl von Gottes Geist in dem, was ich mache, sonst fühlt es sich für mich leer und sinnlos an.
In der Predigt, über die ich oben schrieb, war die Beobachtung allerdings nicht positiv gemeint. Es ist ärgerlich, wenn wir Gott nur suchen, um sein Reich zu bauen. Gerade bei uns „professionellen“ Christen, die ständig auf der Suche nach einem Artikel, einer Predigt oder einem Blogpost sind, kann es schnell passieren, dass wir Gottes Gegenwart nicht um ihrer selbst willen suchen, sondern um etwas von Jesus zu empfangen.
Vor einigen Jahren stand ich an einem solchen Punkt. Ich sehnte mich danach, Gott auf eine andere, frische Weise zu begegnen als bisher. Alles, was ich mit Gott erlebte, hatte immer mit Erkenntnis zu tun. Jedes Mal, wenn ich in der Anbetung stand oder betete, wurde mir etwas in der Bibel klar. Dann drehten sich meine Gedanken nur noch um diese Erkenntnis und ich konnte mich nicht mehr auf die Anbetung konzentrieren. Ich hatte deutlich das Gefühl, dass mich dieses Muster von den tiefen Dingen Gottes fern hielt.
Ich erinnerte mich an meine erste Zeit als Christ. In dieser Zeit war ich oft „breit im Geist“. Ich erlebte Gott sehr ekstatisch. Damals hatte ich nie oder fast nie Erkenntnisse und kannte die Bibel so gut wie gar nicht. Ich war einfach nur verknallt und begeistert.
Ich dachte mir, wenn Gottes Gegenwart das eine hervorbringen kann, dann doch gewiss auch das andere. Wenn ich ihm in Erkenntnissen begegnen kann, dann auch in Gefühlen oder prophetischen Eindrücken oder Heilung.
Ich beschloss, meinem geistlichen Leben gelegentlich eine charismatische Konferenz hinzuzufügen, bei deren Besuch es nur darum geht, Gott zu begegnen – ohne irgendwelche dienstlichen Hintergedanken. Bis heute fällt es mir schwer, über die Ebene der Erkenntnisse hinweg zu kommen zu einem Genießen der Gegenwart Gottes.
Ich weiß nicht, ob jeder nachvollziehen kann, was ich hier schreibe. Die meisten sind damit zufrieden, Gott auf irgendeine Weise zu begegnen oder wären glücklich, überhaupt in seine Gegenwart zu kommen. Es ist auch nicht falsch oder schlecht, in Gottes Gegenwart Zurüstung für den Dienst zu bekommen. Der Punkt ist, dass Gott es wert ist, angebetet zu werden und dass es sich lohnt, Zeit in seiner Gegenwart zu verbringen – ohne Hintergedanken und sonstige Ziele. Ich wünsche mir, seine Gegenwart um seiner selbst willen genießen zu können.
Wir sind oft viel zu beschäftigt sind mit unseren Zielen, Wünschen und Träumen, so dass wir heilige Zeiten in Gottes Gegenwart oft damit verplempern, sein Reich bauen zu wollen oder stille Zeiten nachzuholen, zu denen wir im Alltag nicht gekommen sind. Dieser Artikel spricht bestimmt nicht jeden an. Vielleicht habe ich ihn nur für wenige Mystiker geschrieben. Aber ihnen möchte ich sagen, dass es nichts Besseres gibt als die Herrlichkeit und dass keine Zeit verschwendet ist, die man „nur“ in Gottes Gegenwart verbringt, ohne jemandem zu dienen.
[Dieser Artikel wurde auch im kranken Boten veröffentlicht]
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