Gestern bin ich seit zehn Jahren in Remscheid. Mein Geburtstag fiel 1999 auf einen Freitag und es war das erste Mal, dass ich im Kultshockk gepredigt habe. Seitdem ist vieles passiert und die Grundtendenz stimmt immer noch. Nach zehn Jahren ist der neue Kultshockk natürlich die größte Errungenschaft, die wir haben.
In den zehn Jahren habe ich mich bemüht, ein stabiles Fundament zu legen, auf dem man etwas Großes aufbauen kann. Diese Arbeit ist immer noch nicht abgeschlossen und wird es vielleicht auch nie sein. Es ist aber eine Arbeit für die wir als Jesus Freaks Remscheid in Deutschland bekannt sind.
In der letzten Zeit habe ich viel über Sünde gepredigt. Über das, was uns von Gott trennt und das unser Leben kaputt macht. Dabei ist mir eines gar nicht aufgefallen, das habe ich erst heute gemerkt: ich habe in der letzten Zeit unser Fundament an dem Punkt merklich erweitert. Das ist auch nötig, denn ein Fundament bestimmt maßgeblich, was man darauf aufbauen kann. Die Größe bestimmt, wie groß das Haus werden kann, die Tiefe bestimmt darüber, wie hoch man bauen kann. Ein Turm braucht ein tieferes Fundament als eine Garage.
Bisher war unser Fundament in Bezug auf Sünde hauptsächlich, dass Jesus davon frei macht und dass es kaum möglich ist, in der Nähe Gottes zu sein ohne verändert zu werden. Die Erkenntnis der Wahrheit macht uns frei (Johannes 8). Das ist eine Grundlage zu der ich nach wie vor 100%ig stehe. Es IST so, dass Jesus frei macht und dass Erkenntnis absolut wichtig ist. Aber es ist dennoch unvollständig und deshalb gut, unser Fundament an diesem Punkt zu erweitern.
Mich hat es immer irritiert, wenn ich E-Mails bekommen habe, in denen gefragt wurde, ob Christen sich tätowieren lassen dürfen. Oder Alkohol trinken, Horrorfilme ansehen usw. Das hat meiner Denkweise absolut widersprochen. Ich meine normalerweise, dass es ausreicht, sich ehrlich Rechenschaft darüber abzulegen, ob ein Verhalten uns Gott näher bringt oder nicht. Wenn wir wissen, dass uns etwas schadet, dann sollte es kein Thema sein, ob wir es weiter machen oder lassen, oder? Außerdem gibt es ja noch den Heiligen Geist, der uns überführt und uns sagt, wenn wir irgendwo auf dem Holzweg sind.
Offensichtlich funktioniert das aber nicht bei jedem so. Manche wissen nicht, was ihnen schadet und nehmen das Reden Gottes nicht wahr. Manche wollen auch ganz einfach, dass ihnen jemand sagt, wo es langgeht. Auch dieser Weg wird in der Bibel ganz klar beschritten. Bei manchen Dingen gibt es keine Diskussion. Da ist entweder schwarz oder weiß:
Überhaupt hört man, daß Unzucht unter euch ist, und zwar eine solche Unzucht, die selbst unter den Nationen nicht stattfindet: daß einer seines Vaters Frau hat. 2 Und ihr seid aufgeblasen und habt nicht etwa Leid getragen, damit der, der diese Tat begangen hat, aus eurer Mitte entfernt würde! 3 Denn ich, zwar dem Leibe nach abwesend, aber im Geiste anwesend, habe schon als anwesend das Urteil gefällt über den, der dieses so verübt hat, 4 – wenn ihr und mein Geist mit der Kraft unseres Herrn Jesus versammelt seid – 5 einen solchen im Namen unseres Herrn Jesus dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tage des Herrn. (1.Korinther 5,1-5 Elberfelder)
Es hat sich bei uns eingebürgert, und sicherlich trage ich daran viel Verantwortung, dass man immer erkennen muss, um etwas sein zu lassen. Die Denkweise ist dann, dass Gott uns überführen uns befreien muss, damit wir mit einer bestimmten Sünde aufhören. Das ist sicherlich nicht ganz falsch, es ist aber auch nicht ganz richtig. In dem Fall in Korinth sollten nicht die Ältesten mit einer Kanne Jasmintee vorbeikommen und mit dem Betroffenen ergebnisoffen diskutieren. Paulus macht im Gegenteil klar, dass es Alternativen sind: man kann entweder als Christ in der Gemeinde sein oder mit seiner (Stief)mutter ins Bett gehen. Das hatte nichts mit persönlicher Erkenntnis zu tun.
Ich möchte, dass unser Fundament an diesem Punkt erweitert wird, dass wir kein Gefühl, nichts Besonderes, brauchen um Dinge zu lassen, die Gottes Wort Sünde nennt. Wir sollten uns danach ausstrecken, Gott nicht nur als Kumpel zu kennen sondern auch als den Heiligen, den Großen, den König, dessen Wort Folge zu leisten ist, egal ob wir es kapieren und eine persönliche Erkenntnis darüber haben oder nicht.
Der Vater
DAS FOLGENDE KANN MAN SEHR LEICHT MISSVERSTEHEN
Wir haben oft eine falsche Vorstellung davon, was es heißt, dass Gott unser Vater ist. Wir benutzen eine idealisierte Vorstellung von dem, was ein Vater ist und projizieren sie auf Gott. Das ist seelsorgerlich absolut richtig, aber exegetisch falsch. Die Menschen an die sich die biblischen Texte in erster Linie richten, hatten eine andere Vorstellung von Vater als wir.
Sie wussten, dass der Vater das Oberhaupt der Familie war. Was der Vater sagte, das wurde getan. Er stellte nichts als Diskussionsgrundlage in den Raum; was er sagte war Gesetz. Wenn der Vater sagte: „Du gehst jetzt und bestellst das Feld“, dann bist Du gegangen und hast das Feld bestellt. Dann hast Du nicht diskutiert und noch eine halbe Stunde playse gezockt.
Wohlgemerkt: ich halte es für richtig, dass wir den Begriff Vater heute anders füllen als vor Jahrtausenden. Es ist gut, dass Kinder heute Rechte haben und es ist auch richtig, dass wir uns Gott als liebenden Vater vorstellen, der nicht gemein ist, nicht schreit usw. Aber wenn wir die Bibel verstehen wollen, dann hilft es uns nicht wenn wir alle ihre Begriffe durch eine rosarote Brille des 21.Jahrhunderts sehen.
Unsere Vorstellung von Gott ist an einigen Punkten sehr menschlich, ganz anders als sie eigentlich sein sollte. In diesem Punkt verbauen wir uns die Erkenntnis Gottes als des Herrn. Wir können ihn nicht mehr als den sehen, der unser Chef ist. Wir müssen aber verstehen, dass vieles, was Gott sagt keine Anregungen sind sondern etwas, dass wir zu tun haben.
Es ist beides unser: die Erkenntnis und der Gehorsam. Es ist dumm, nur eins zu nehmen, wenn uns Gott beides zur Verfügung stellt.
Die zehn Gebote
Die zehn Gebote zeigen, dass es beides gibt. Es gibt eine theologische Diskussion um sie, die schon recht alt ist. Als moralisches Grundgesetz, haben sie viel Verbreitung gefunden; selbst Menschen, die nicht an Gott glauben halten sie als Grundregeln für sinnvoll: „Du sollst nicht stehlen, Du sollst nicht lügen u.s.w.“
Nun hat irgendwann mal jemand beim Lesen des hebräischen Textes die Augenbrauen hochgezogen. Vielleicht hat er einen kleinen Schrei ausgestoßen, ist aufgesprungen, gestikulierend durch sein Arbeitszimmer gerannt und murmelte: „das steht da ja gar nicht. Das ist gar kein Imperativ (Befehlsform), es ist ein Futur, die ganz normale Zukunftsform! Es müsste heißen: ‚du wirst nicht die Ehe brechen!’“
Das war eine Bahnbrechende Erkenntnis. Auch wenn im Neuen Testament die zehn Gebote zitiert werden (etwa von Jesus in der Bergpredigt) stehen sie im Futur, da ist kein Imperativ. Dennoch kenne ich nur eine deutsche Bibelübersetzung, die „Du wirst nicht…“ übersetzt: die von Walter Jens.
Für viele ist das ein theologischer Meilenstein. Die Zukunftsform legen sie so aus, dass wir all das nicht mehr tun werden wenn wir in Gottes Gegenwart verändert wurden. Wer mit Jesus lebt, der verändert sich so sehr, dass er eben nicht mehr lügt, stiehlt, betrügt, begehrt usw. Es hängt alles am Leben mit Gott, dann kommt die Freiheit und Veränderung von selbst.
Richtig oder falsch? —— richtig! Aber auch: unvollständig.
Auch Vertreter anderer Auffassungen lesen die zehn Gebote. Sie sagen: die Zukunftsform kann die stärkste Ausformulierung eines Befehls sein, wenn sie von einer übergeordneten Autorität kommt. Stell Dir vor, Du gehst zu Deinem Chef und sagst: „Chefchen, das Wetter ist so toll, ich würde gerne drei Stunde früher Schluss machen, an den See fahren und die Enten füttern.“
Darauf sieht der Chef Dich seltsam an, fixiert Dich mit dunklen Augen und antwortet leise aber eindringlich: „Du wirst Schluss machen wenn ich es Dir sage. Vorher wirst Du dieses Regal einräumen. Dann wirst Du mir einen Kaffee bringen und wenn dann noch Zeit ist, wirst Du die Toilette mit einer Zahnbürste putzen.“
In dem Fall hat er nur harmlose Zukunftsformen verwendet, keinen einzigen Imperativ. Dennoch weißt Du genau, was Sache ist und Du weißt auch, dass das keinen Verhandlungsspielraum lässt…
Die Frage, wie wir die Zehn Gebote verstehen ist letztlich eine Frage davon, wie wir Gott kennen. Beides ist richtig und wir sollten beides nehmen um ein Gesamtbild zu bekommen. Da wir aber auf der Seite der Heiligkeit ein notorisches Untergewicht haben, liegt mir viel daran, dass wir Gott als den Heiligen kennen lernen dessen Worte keine Vorschläge sind sondern Anweisungen.
Wir sollten unseren Gott so gut kennen, dass wir ihm blind folgen und nicht immer eine Erklärung brauchen oder alles verstehen müssen.
Eine letzte Bibelstelle dazu:
Ich nenne euch nicht mehr Sklaven, denn der Sklave weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe ich Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört, euch kundgetan habe. (Johannes 15,15 Elberfelder)
Bevor Jesus seine Jünger Freunde nannte, waren sie erst einmal Sklaven. Warum sollte das nicht auch bei uns so sein, dass wir erst einmal Gehorsam lernen müssen um Freunde zu werden?
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