das Gewissen
Das Hauptthema von Römer 9 ist die theologisch und philosophisch fruchtbare Diskussion der Erwählung. Ich möchte allerdings noch einige Gedanken vorschieben, die eher psychologisch-ethisch sind,zu denen mich der erste Vers des Kapitels inspiriert hat.

Ich rufe mein Gewissen an,
erleuchtet durch den Heiligen Geist.
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Ich hatte (und habe immer noch) meine Probleme mit dem Gewissen. Leider kann ich zum momentanen Zeitpunkt kein echtes Wortstudium zum griechischen sunei,dhsij (Syneidäsis) vorlegen, aber im Grunde gilt mein Unbehagen auch eher dem deutschen Verständnis des Wortes als seinem absoluten theologischen Gehalt.
Als Prediger kann man prima ein schlechtes Gewissen erzeugen, wenn es um bestimmte Dinge geht. Man kann etwa über Geld und Mitarbeit in einer Weise predigen, dass Zuhörer durch ihr schlechtes Gewissen motiviert werden, zu spenden oder mit zu arbeiten. In der Fundraisingliteratur (die sich mit der professionellen Spendenwerbung befasst) gilt ein schlechtes Gewissen als guter Beweggrund für Spender und es werden Methoden erörtert, wie man es erzeugen kann. Ich halte das für sehr manipulativ. Andere finden es vollkommen in Ordnung und sehen das Gewissen als eine Möglichkeit Gottes zu uns zu reden und uns auf seinem Weg zu halten.
Auch wenn ich das Gewissen noch immer für unterlegen halte, wenn es darum geht, Gott sprechen zu hören, sehe ich es heute positiver als früher. Gottes beste Methode uns zu überführen ist durch sein Wort und den Heiligen Geist, dennoch ist es gut, ein Gewissen zu haben, dass von Gott geprägt ist.
Früher hielt ich das für ausgeschlossen und dachte, dass Gewissen sei immer eine Über-ich-Funktion im Sinne Freuds. Dann wäre das Gewissen ein Teil unserer Seele, der von Menschen und Kultur geprägt ist und entsprechend zwar gesellschaftliche Wertmaßstäbe widerspiegeln und aufrechterhalten könnte, aber nicht fähig wäre, uns Gottes Wege zu zeigen. Tatsächlich kann uns das Gewissen sogar im Weg stehen, wenn es um Gottes Willen geht. Manch einer arbeitet sich zu Tode weil er eine entsprechende Prägung von zuhause mitbekommen hat und ihn sein Gewissen treibt, jeden Job anzunehmen. Manch einen hält sein Gewissen davon ab, Gottes Erlösung zu fühlen. Er fühlt sich immer schlecht und schuldig, egal, was Gottes Wort über ihn sagt. Solchen Menschen sagt Johannes:

Denn wenn das Herz uns auch verurteilt — Gott ist größer als unser Herz und er weiß alles. (1.Johannes 3,20 nach Herder)

Manchmal muss man die innere Stimme zum Schweigen bringen um Jesus effektiv nachfolgen zu können.

Natürlich ist das Gewissen nicht nur schlecht. Es ist gut, etwas in uns zu haben, das uns zu ethischem Handeln treibt.
Nun bringt Paulus in Römer 9 einen Aspekt, den ich immer übersehen habe: das Gewissen kann nicht nur von Menschen geprägt sein sondern auch von Gott. Damit hätten wir ein geniales Organ in uns, das uns tatsächlich hilft, Gott zu folgen.
Ich stelle mir das Gewissen nun also als ein Organ vor, dass geprägt werden kann. Eine programmierbare Alarmanlage. Es ist keine Frage, ob wir es haben. Die Frage ist, wem wir erlauben, es zu prägen. es kann gefährlich sein, ein Gewissen zu haben, dass nur von Menschen geprägt ist, aber es ist sehr gut, ein Gewissen zu haben, das von Gottes Wort geprägt ist.

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  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 45 []

Ein Kommentar

  1. Im Grunde ist ja das Gewissen nichts anderes als eine kritische selbstreflektive Instanz in uns. Und als „schlechtes“ Gewissen würde ich tatsächlich einfach ein „falsch funktionierendes Gewissen“ bezeichnen, nämlich wenn es hypersensibel reagiert. Das Gegenteil davon wäre die Gewissenslosigkeit – das Gewissen, dass überhaupt nicht mehr „funktioniert“.

    Aber wie gesagt: wenn das Gewissen, wie ich annehme unabdingbar für eine selbstkritische Betrachtung ist, dann ist auch klar, warum so viele Leute entweder übermäßig selbstkritisch oder jeder Selbstkritik unfähig sind.

    Und ich denke, je mehr wir erkennen, wer wir in Gottes Augen sind, was sein Wille ist, desto mehr wird das Gewissen als selbstreflektive Instanz nicht mehr die Werte und Imperative der Gesellschaft zur Korrektur des Ichs als Maßstab nehmen sondern eben Jesu Werte und Maßstäbe zur Korrektur des Ichs hin zu unserer „Identität in Christus“.

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