Die Schuld macht die Toren zu Spöttern, zwischen Rechtschaffenen aber herrscht gutes Einvernehmen. (Sprüche 14,9 nach der Zürcher)

Auch dieser Spruch klingt in unterschiedlichen Übersetzungen sehr verschieden. Die meisten übersetzen ganz anders als die Zürcher und wecken in mir eine immer größere Sehnsucht danach Hebräisch zu lernen – es muss eine tolle, kreative Sprache sein…
Manche Übersetzungen sagen, dass Schuld in den Häusern oder Zelten der Spötter wohnt; andere, dass Narren über Sünde spotten. Beides ergibt Sinn und klingt erst einmal konsistenter zum Rest der Sprüche. Umso reizvoller, auch diesmal bei der Regel zu bleiben gerade die Zürcher zu nehmen.
In der vorliegenden Übersetzung macht Schuld Menschen zu Spöttern. Sie können nicht ertragen was sie getan haben und welche Erinnerungen sie mit sich herum schleppen. Sie finden keine Vergebung für ihre Schuld weil Vergebung zunächst einmal ein Schuldeingeständnis erforderlich macht, das zu geben sie nicht bereit sind. So leben sie mit einer Schuld mit der sie nicht leben können.
Aus diesem Dilemma hilft der Spott. Man macht sich lustig über das, was quält; brüstet sich mit dem, was man im tiefsten Herzen bereut. So reitet sich ein Spötter immer tiefer herein. Aus der Spirale aus Schuld und Spott gibt es nur den Ausweg der Buße, den er schon vor langer Zeit zugemauert hat. So herrscht unter den Toren eine schlechte Stimmung. Man versucht sich gegenseitig als Spötter zu überbieten. Man drückt sich – wie man es heute nennt – gegenseitig Sprüche.
Zwischen den Rechtschaffenen herrscht ein anderes Klima. Sie müssen sich nicht runtermachen oder spotten. Sie haben nichts zu verbergen und werden von keinem Gespenst aus der Vergangenheit verfolgt. Zwischen ihnen herrscht gutes Einvernehmen.
Ich habe das selber so erlebt. Ich war im Laufe meines Lebens in vielen Cliquen und Freundeskreisen. Die Erfahrung ist, dass Sünde immer zur gegenseitigen Entfremdung und einem unangenehmen Umgang führt. Unter ernsthaften Christen habe ich einen ganz anderen Umgang kennen gelernt. Heiligkeit ist Grundlage für gute Beziehungen.

[systematisch durch die Bibel]

Für das Gebet gilt dasselbe wie wir es im letzten Abschnitt über die Gerechtigkeit gesagt haben. Es ist ein Feind des Gebets wenn wir uns selbst dabei Publikum sind. Wenn wir darauf achten, wie wir beten, was wir beten, dann haben wir Gott aus den Augen verloren und wir beten nicht mehr zu ihm sondern nur für Publikum; dann geht es beim Beten nicht mehr um ihn sondern um uns.
Typisch für Bonhoeffer ist, dass wir auch im Gebet keinen direkten Zugang zu Gott haben; das Gebet ist nicht unmittelbar, es geht durch Christus hindurch. „Nur durch Jesus Christus können wir im Gebet den Vater finden.“ (Seite 157) Deswegen ist Gebet immer an sein Wort gebunden.
Gebet hat somit etwas damit zu tun, sich selbst zurück zu lassen, nicht mehr auf sich selbst zu schauen sondern nur noch auf den Gott zu dem wir beten. „Wer betet, kennt sich selbst nicht mehr, sondern nur noch den Gott, den er anruft.“ (Seite 158). Wow!

Die Weisheit des Klugen lässt ihn seinen Weg verstehen, aber die Torheit der Dummen ist trügerisch. (Sprüche 14,8 nach der Zürcher)

Die Weisheit ist hier mit Klugheit verbunden, das macht sie zu einer absolut praktischen Sache, einer „Lebensklugheit“. Anders als in vielen anderen Sprüchen kann man die Weisheit hier nicht als unpraktisch und theoretisch ansehen, sie ist etwas, das in den alltäglichen Belangen des Lebens hilft.
Der weise Kluge versteht seinen Weg. Er geht ihn nicht einfach nur blind Schritt um Schritt sondern versteht den größeren Zusammenhang seines Lebens. Er sieht den Weg wo ein Tor vielleicht nur Schritte sieht und sich durch das Leben getrieben fühlt. Der Weise wird nicht von den Umständen seines Lebens gelebt, er ist aktiv und weiß, wohin es geht und was er tut.
Im Gegensatz zu dem was der Dumme „weiß“, ist dieses Wissen nicht trügerisch. Es ist zuverlässig; eine sichere Bezugsgrößere. Der Dumme hingegen ist in einem Morast und sieht nur Dinge die trügerisch sind. Er kann sich nicht auf seine Erkenntnis verlassen; die Dinge wie er sie sieht können so sein, aber auch ganz anders.

[systematisch durch die Bibel]

Die „verborgene Gerechtigkeit“ hält einige echte Schmankerl bereit. Man muss sich auf Bonhoeffer einlassen um zu bekommen, was er zu geben hat. Er erschließt sich nicht leicht; vielleicht liegt es aber auch daran, dass mir viele seiner Gedanken zunächst fremd sind und dass ich dieses Feld aufbrechen muss um es für mich urbar zu machen. Es geht Matthäus 6,1-4, die verborgene Gerechtigkeit.
Bonhoeffer sieht deutlich den Widerspruch zwischen den Kapiteln fünf und sechs. Im fünften Kapitel ging es um Sichtbarkeit: Das Licht, das nicht unter den Scheffel gestellt werden soll, die Stadt auf dem Berge, die jeder sieht. Nun soll auf einmal die Gerechtigkeit nicht ausposaunt und geheim gehalten werden. Wie passt das zusammen? Der Jünger soll nichts tun um gesehen zu werden. Die Motivation soll nicht der Applaus oder die Anerkennung der Menschen sein; es geht um Nachfolge. Das größte Problem ist dabei allerdings nicht das Publikum, sondern der Jünger selbst. Wie lebt man so mit Jesus, dass man nichts tut um sich selbst zu beklatschen?

Wem soll das Sichtbare der Nachfolge verborgen sein? Nicht den anderen Menschen, sie sollen vielmehr das Licht des Jüngers Jesu leuchten sehen, wohl aber dem, der das Sichtbare tut soll es verborgen sein. Er soll in der Nachfolge bleiben und auf den sehen, der ihm vorangeht, nicht aber auf sich selbst und das was er tut. Der Nachfolgende ist sich selbst verborgen in seiner Gerechtigkeit. (Seite 154)

Ich kenne wenige Autoren, die so jesusfixiert schreiben wie Bonhoeffer. Der Jünger hat den Blick so eng auf Jesus gerichtet, dass er seine eigenen Leiden nicht als störend empfindet und sich nicht in seiner Gerechtigkeit selbst überhöht. „So sieht der Nachfolgende immer nur seinen Herrn und folgt ihm (155). Bonhoeffer umschreibt seine Bibelstelle als „Du sollst dein eigenes Gutes nicht wissen“ und sieht darin eine phantastische Verheißung: „Die Verborgenheit seines Lebens vor sich selbst ist seine Verheißung“.
Es gibt kaum etwas, das uns so aus dem Genießen von Gottes Gegenwart heraus reißt wie eigene Gerechtigkeit. Wer sich selbst in der Nachfolge sieht, hat damit Christus bereits aus dem Blick verloren.

Geh einem dummen Mann aus dem Weg – du lernst keine verständigen Lippen kennen. (Sprüche 14,7 nach der Zürcher)

Der Hinweis auf die Bedeutung des Umganges kann unterschiedlich aussehen. Positiv formuliert heißt es: „Suche Dir Leute die Dir helfen Dein Potential zu entwickeln und die Dich weiter bringen“. Negativ: „Meide Leute, die Dir schlecht tun.“
Manchen Menschen muss man erst die Negativformulierung bringen weil sie das Prinzip noch nicht leben und sich mit den falschen Leuten umgeben. Wenn Du so jemand bist und Gruppendruck Dich immer wieder nach unten zieht, solltest Du auf die Wahrheit der Sprüche hören und den falschen Menschen aus dem Weg gehen.
Dummheit färbt ab und schon deswegen sollte man nicht zu viel mit dummen Leuten Umgang pflegen. Man schaut sich etwas von ihnen ab und orientiert sich falsch. Solcher Umgang kann nur kosten.
Wenn ich es so paraphrasiere kommt deutlicher zum Ausdruck, dass man solche Aussprüche leicht in den ganz falschen Hals bekommen kann. Ist es nicht ganz schön arrogant sich selbst für klug zu halten und mit Leuten keinen Umgang zu haben, die unter dem eigenen Niveau sind? Ich kann mir vorstellen, dass man sich nicht unbedingt beliebt macht wenn man eine solche Haltung durchblicken lässt.
Man kann es aber auch anders sehen: Eingebettet in das Klima der fördernden Gesellschaft die z.B. Johann Gottlieb Fichte erträumt hat. In diesem Klima profitiert jeder, aber es profitieren auch andere von ihm. Von einem falschen Verständnis von Sprüche 13,14 aus kann man sich fragen warum ein Kluger mit einem weniger klugen Umgang pflegen sollte. Wenn Du mit jemandem nicht verkehren willst weil er oder sie unter Deinem Niveau ist, warum sollte dann jemand mit Dir Zeit verbringen, unter dessen Niveau Du bist?
In einer guten Gesellschaft wäre dieses Prinzip erweitert: Jeder pflegt Beziehungen nach oben und unten, um selbst zu profitieren, aber auch um anderen zu helfen sich weiter zu entwickeln. Damit ist vor allem das Wesen von Beziehungen anders definiert als wir es oft verstehen. Es geht nicht mehr um reines „miteinander rumhängen“ sondern um mehr: Um Wachstum. In einem solchen Klima ist ein dummer Mensch niemand der weniger intelligent ist als ein anderer sondern nur jemand, der sich dem Aufwärtstrend von Beziehungen widersetzt. Um einen solchen macht man in der Tat besser einen Bogen.

[systematisch durch die Bibel]

Mit dem Gebot der Feindesliebe (Matthäus 5,43-48) endet die Auslegung von Matthäus 5. Eine Aussage hat mich mehr getroffen als andere in diesem dichten Kapitel:

Der Feind ist im Neuen Testament immer der, der mir feindlich ist. Mit einem, dem der Jünger feind sein könnte, rechnet Jesus gar nicht. Dem Feind aber soll zukommen, was dem Bruder zukommt, die Liebe des Nachfolgers Jesu. Das Handeln des Jüngers soll nicht bestimmt sein durch das Handeln der Menschen, sondern durch das Handeln Jesu an ihn. Er hat darum nur eine Quelle, den Willen Jesu. (Seite 142)

Er hat Recht, und beides sind tiefe Wahrheiten: Der Jünger hat von sich aus keine Feinde. Wer so lebt wie Jesus es vorgemacht hat, wird niemandes Feind sein. Sind wir es doch, müssen wir irgendwo vom Weg der Nachfolge abgekommen sein.
Das Andere aber ist noch tiefer: Sich nicht vom anderen manipulieren zu lassen, ihm keine Hoheit über unsere Gefühle und Taten zu geben, ist wahre Freiheit. Es ist ein erstrebenswertes Ziel sich nur von Jesus und seinen Werten treiben zu lassen. Wie man es erreicht weiß ich leider nicht, aber es muss wunderschön sein, in der Nachfolge so weit zu kommen.

Der Spötter sucht Weisheit, aber vergeblich, doch dem Verständigen fällt das Erkennen leicht. (Sprüche 14,6 nach der Zürcher)

Auf den ersten Blick klingt diese Aussage widersprüchlich zu vielen, was zuvor gesagt wurde. Ist es nicht gerade das Kennzeichen eines Spötters, dass er Weisheit verachtet und gerade nicht sucht?
Wir nähern uns hier von einer anderen Seite. Der Spötter merkt, dass er auf dem falschen Weg ist. Er beginnt Weisheit zu suchen, findet sie aber nicht mehr. Er begehrt sie, findet sie aber nicht (mehr) weil etwas in ihm wie imprägniert ist gegen die Weisheit. Auf alles, was ihm begegnet reagiert er als Spötter. Er meint, darüber zu stehen und kann sich nicht mehr unter die Weisheit stellen um von ihr zu lernen. Spott ist keine Tat, er ist eine Einstellung, eine innere Haltung, die sich in äußerem spöttischen Verhalten äußert.
Wer lange so gelebt hat, hat eine Kultur des Spottes etabliert, die dem Erwerb der Weisheit absolut entgegensteht. Jemand, der dann wieder zurück will beginnt mit ganz anderen Startvoraussetzungen als der Verständige; er muss eine ganze Wegstrecke gegen den Strom zurücklegen. Er gleicht einem Alkoholiker der es schwer hat ins trockene, bürgerliche Leben zurück zu kehren. Er kann es schaffen, aber es sieht zunächst einmal vergeblich aus – soll es gelingen, braucht er eine große Position göttlicher Gnade.

[systematisch durch die Bibel]

Über „die Vergeltung“ hat Bonhoeffer einiges interessantes zu sagen. Wir befinden und nun in den Versen 38-42 von Matthäus 5. Das Gebot, lieber Böses zu leiden als Gleiches mit Gleichem zu vergelten, erscheint dem normalen menschlichen Verstand widersinnig. Deswegen hat die Reformation eine Unterscheidung zwischen Amt und Person eingeführt: Was der Person angetan wird, fällt unter das Nicht-Vergeltungs-Gebot Jesu, aber das Amt kann es erforderlich machen, dem Bösen die Stirn zu bieten, sonst würde das Böse ungehindert überhand nehmen.
Nun sah sich Bonhoeffer einer schwierigen Situation gegenüber (und wieder einmal kommt dieser Konflikt in den Fußnoten klarer heraus als im Text): „Durch das nationalsozialistische Regime waren viele „Ämter“ in Staat und Gesellschaft korrumpiert, und die Berufung auf den Amtsgehorsam konnte der eigenen Entlastung beim Teilnehmen an bösen Aktionen dienen.“ (Fußnote 125 auf Seite 138). Vor dieser Situation konnte die reformatorische Unterscheidung für Bonhoeffer keinen Sinn mehr ergeben. Zudem ergibt sich die Schwierigkeit zwischen beidem zu unterscheiden:

Wo bin ich im wirklichen Leben nur Privatperson, wo nur Amtsträger? Bin ich nicht, wo ich angegriffen werde, zugleich der Vater meiner Kinder, der Prediger meiner Gemeinde, der Staatsmann meines Volkes? (Seiten 137-138)

Wenn eine Unterscheidung nicht mehr tragfähig ist, muss man das Gebot doch wieder wörtlich nehmen und also auf Vergeltung verzichten. Bonhoeffer bemerkt dazu, dass gerade das Erleiden des Bösen, dieses stoppt. Das Böse erwartet (allerdings personifiziert der Autor hier nicht), einen Widerstand und verbreitet sich gerade durch diesen Widerstand: Böses bringt Böses hervor – bis es von der duldsamen Vergebung gestoppt wird.

Das Böse wird darin ohnmächtig, dass es keinen Gegenstand, keinen Widerstand findet, sondern willig getragen wird. Hier stößt das Böse auf einen Gegner, dem es nicht mehr gewachsen ist. (Seite 135)

Jesus selbst geht diesen Weg voran. Er erfüllt sein eigenes Gebot am Kreuz. So ist die Nachfolge Christi einmal mehr ans Kreuz gebunden.

19. März 2011 in theologie und gemeinde 5

Geburtstag

Heute habe ich Geburtstag. Wünschen tu ich mir nichts, aber ich schreibe auch nichts. Schönen Tag noch 🙂

…weder ist das Gesetz selbst Gott, noch ist Gott selbst das Gesetz, so dass an die Stelle Gottes das Gesetz getreten wäre. So hatte Israel das Gesetz missverstanden. (Seite 117)

Laut Fußnote stammt der Gedanke nicht von Bonhoeffer sondern wurde von M.Noth in dessen Buch „12 Stämme Israels“ ausformuliert. Es ist ein interessanter Gedanke der näher erläutert, was Gesetzlichkeit eigentlich bedeutet. Es heißt, mehr einem Gesetz als Gott zu folgen. Das Gesetz, das Gott gab um sein Volk zu leiten, erfüllt nicht mehr seinen Sinne sondern wird zum Gott selbst. Es schiebt sich zwischen Gott und den Menschen.
So kann es mit allem gehen, was uns helfen soll Gott nachzufolgen. Es kann sich zwischen uns und Gott stellen und uns den Blick auf den verstellen, dem wir eigentlich nachfolgen. Wir sollten acht geben, dass es uns mit unseren Traditionen und Theologien nicht ebenso ergeht.

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