16 Nutzt die Zeit; denn diese Tage sind böse. (Epheser 5,16 nach der Einheitsübersetzung)
Solche Bibelverse sind die Ursache für manchen Burnout und Herzinfarkt. Verschwendete Zeit ist böse, und es liegt an uns, den Tag mit möglichst vielen sinnbringenden Aktivitäten zu füllen, um die Zeit, die wir haben, auszukaufen. Wer nach einer solchen Theologie lebt, hat es schwer. Einfach mal die Seele baumeln zu lassen und etwas Schönes machen wird auf einmal zur Sünde. Wie können wir eigentlich ins Kino gehen, während „da draussen“ eine Welt verloren geht?!
Es geht Paulus nicht darum, uns das Leben zu erschweren sondern darum, ein geistliches Prinzip zu erläutern, dessen Anwendung uns das Leben erleichtern wird.
Im Griechischen gibt es mehrere Worte für Zeit. Das Wort, das Paulus hier verwendet, bedeutet so viel wie „Zeitpunkt“. Nicht die 24 Stunden am Tag, sondern ganz bestimmte, von Gott gesetzte Zeitpunkte.
Im Buch Prediger im Alten Testament heisst es, dass alles „seine Zeit“ hat (Prediger 3,1-8).
Ebenso wie es im Natürlichen Zeiten zum Säen und Ernten gibt, gibt es sie auch im Geistlichen und im Leben mit Gott bestimmte Zeiten. Im Natürlichen fällt es uns oft leicht, die richtigen Zeiten zu erkennen und zu wissen, dass man z.B. im Winter nichts ernten kann, aber im Geistlichen fällt es uns schwer. Es muss aber möglich sein, denn sonst hätte Jesus nicht mit den Pharisäern in Matthäus 16 schimpfen können, dass sie nicht die geistlichen Zeiten erkannt haben.
Es gibt Zeiten, in denen sich Gott uns ungewöhnlich offenbart und uns sehr nahe ist. Geistliches Wachstum fällt in solchen Zeiten sehr leicht. Auch die Zeiten geistlicher Zähigkeit, in denen wenig Enthusiasmus da ist und das Leben auch mit Gott etwas zäher ist, sind normal.
Es bleibt, dass die Zeit (oder genauer: die Tage) böse ist. Das Leben gleicht einer staubigen Strasse, auf der hin und wieder ein Diamant funkelt. Mitten in der bösen Zeit sind immer wieder Zeitpunkte Gottes eingestreut, die uns geistlich nach vorne bringen. Diese Zeiten gilt es auszunutzen.
Man könnte Epheser 5,16 auch so übersetzen:
„Nutzt die Zeitpunkte Gottes in diesen bösen Tagen.“
Das Problem ist nun, diese Zeitpunkte zu erkennen und zu nutzen. Die Israeliten wussten in der Zeit ihrer Wüstenwanderung immer genau, wann sie weiterziehen mussten und wann es nicht an der Zeit war zu wandern und sie einfach rasten konnten. Im zweiten Buch Mose ist Gottes Führungsmethode beschrieben: bei Tag wurde sie von einer Rauchsäule geleitet, bei Nacht von einer Feuersäule. Wenn die Säule sich erhob, war es an der Zeit, die Sachen zu packen und weiterzuziehen. Es war ein sehr dynamisches Leben, und man konnte nie genau vorher wissen, wann es wieder weiterging.
Genauso ist auch das Glaubensleben dynamisch und in einem spannenden Sinne unberechenbar. Es mag Zeiten geben, in denen man es sich gerade in seinem Leben gemütlich gemacht hat, und auf einmal spürt man eine Unruhe des Geistes in sich, die einen weitertreibt.
Das, was früher die Wolken- oder Feuersäule war, ist nun der Heilige Geist. Man spürt, wenn es weitergeht. Auf einmal ist Unruhe, wo vorher Gemütlichkeit war. Geistliche Aufbruchstimmung – vielleicht weißt du nicht, wo es hingeht, aber du spürst es in den Knochen, es geht weiter.
Göttliche Zeitpunkte zeigen sich auch oft als Herausforderungen. Türen, die sich im Dienst und im Leben plötzlich öffnen und Chancen, die sich ergeben. Herausforderungen sind natürlich unbequem, und Chancen zu ergreifen, birgt immer ein Risiko in sich, aber letzten Endes sind das die Dinge, an denen wir als Menschen wachsen und durch die Gott unseren Charakter formen will.
Wenn du spürst, dass Gottes Geist dich weitertreibt, dass beten, Gemeinschaft, Dienst etc. auf einmal viel leichter fallen, als sonst und dass du eine Zeit der Gnade erlebst, in der geistliches Wachstum leicht fällt, dann versuch so weit zu kommen wie irgend möglich. Konzentriere dich auf Gott und eure Beziehung, koste die Zeit voll aus.
Wenn es anders ist, lebe dein Leben in Treue und freue dich darauf, dass irgendwann wieder ein göttlicher Zeitpunkt eintreten wird.

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