Langsam wird es zu einer guten Tradition, dass ich im Urlaub Bonhoeffer lese. Dieses mal waren es zwei Bücher: Eric Metaxas‘ Biographie und Band 1 der Gesammelten Schriften. Ich fange in diesem Post mit Metaxas an.
Es gibt Bücher, um die man einfach nicht herumkommt, wenn man Interesse an einem bestimmten Thema hat. „Bonhoeffer – Pastor, Martyr, Prophet, Spy: A Righteous Gentile Vs. The Third Reich“ gehört dazu. Das Buch war monatelang in der frommen Szene überall in der Werbung. Metaxas stieg in der evangelikalen Szene zu einer Art Rockstar auf, der zu Gelegenheiten wie dem WillowCreek-Kongress stolz verkündete, dass Bonhoeffer einer der unseren sei – ein Evangelikaler. Also war klar, dass ich das Buch lesen musste. Ich habe die E-Book-Ausgabe aufs iPad geladen und habe mich anfangs durchgequält, war am Ende aber doch recht angetan.

Das Buch ist eindeutig amerikanisch und damit habe ich fast immer Probleme, wenn es um deutsche Themen geht. Sicherlich hat Metaxas sich mit der Materie beschäftigt, teilweise habe ich vermutet, dass er auch mit deutschen Quellen gearbeitet hat, das habe ich aber nicht geprüft. Die amerikanische Perspektive ist eindeutig das größte Problem. Ich hatte bei fast keinem geistesgeschichtlichen oder theologischen Konzept den Eindruck, dass Metaxas es wirklich verstanden hätte.
Ganz gruselig wird es, wenn die billige Gnade als einfacher Konflikt zwischen Gnade und Gesetz beschrieben wird. In diesem Zusammenhang hat sich leider bereits im Vorwort Timothy Keller sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Es geht weiter mit Luther, der für Deutschland etwas ähnliches war wie Mose für Israel. Dann wundert er sich darüber, dass Bonhoeffer nicht über eine Entscheidung gebetet hat etc.etc.
Das nächste Problem ist, dass Metaxas das Buch offenbar mit einer Agenda geschrieben hat: Er will Bonhoeffer für den Evangelikalismus requirieren. Das ist aber in der Praxis gar nicht so einfach und nicht möglich, ohne ihm eine gewisse Gewalt anzutun. Man kann Bonhoeffer aus vielen Perspektiven lesen, aber diese Vereinnahmung ist sicher etwas plump. Der Bonhoeffer, der sich formal sein ganzes Leben zur historisch-kritischen Methode stellte und der über religionsloses Christentum nachdachte, wird nur kurz gestreift. Das, was wir heute als evangelikal verstehen, hat Bonhoeffer kaum interessiert – er war ein Mann der Kirche, nicht der Freikirche. Ein großer Punkt des Kirchenkampfes war es, ob die Reichskirche überhaupt noch Kirche ist oder ob nicht vielmehr die bekennende Kirche ihre Nachfolge angetreten hätte. Freikirchen gab es zu der Zeit genug, aber sie waren weit außerhalb Bonhoeffers Blickwinkel.
Manchmal habe ich mich gefragt, ob nicht generell ein Missverständnis besteht, dass auf einem Übersetzungsfehler beruht. Evangelisch übersetzt Metaxas mit evangelical, aber evangelical ist nicht evangelikal. Möglicherweise kommen die Begriffe hier ebenso durcheinander wie bei Milliarde und Billion.

Die ersten hundert Seiten habe ich eigentlich nur Anmerkungen gemacht, um das Buch nachher verreißen zu können. Das habe ich aber nachher wieder sein gelassen weil das Buch besser wurde. Als reine Biographie ist das Buch gut recherchiert. Sicher besser als Mary Glazeners biographischer Roman „der Kelch des Zorns“, den ich letztes Jahr im Urlaub gelesen habe. Ich habe einiges Neues erfahren und dem Autor echte Wertschätzung für Bonhoeffer abgespürt. Die Recherche war sehr gut und als Einstieg in Bonhoeffers Leben eignet sich das Buch allemal.
Lustig sind die Errata, deren einige im Anhang erwähnt sind. Das Buch musste pünktlich zum Bonhoefferjahr rauskommen und wurde so mit der heißen Nadel lektoriert. Das führte dazu, dass in der ersten Auflage ein Physiker namens Alfred Einstein auftauchte.

In Kurzform: Ich bin froh, dass wieder mal über Bonhoeffer gesprochen wird. Ich bin traurig über manche Vereinfachung. Ich empfehle die Biographie trotz einiger Mängel. Bonhoeffer war ein komplexer Denker, den man nicht kennenlernt indem man eine einzelne Biographie liest. Ich empfehle daher auf jeden Fall kommentierte Ausgaben seiner Hauptwerke zu lesen.

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2 Kommentare

  1. Ach wie schön, ich habe das Buch auch erst gelesen. Ich kann das nur betonen, dass es ein guter Einstieg ist. Ich habe mich davor nicht sehr mit Bonhoeffer beschäftigt und jetzt ist mein Interesse in dem Gebiet gestiegen. Der Sache mit der billigen Gnade wollte ich weiter nachgehen und hab mir dazu das Buch „Nachfolge“, auch von Bonhoeffer, näher angeschaut. Ich glaube im ersten Kapitel geht es auch speziell um diese Thematik. Da Bonhoffer in meinen Augen ein krasser Denker war, werde ich das Kapitel mehrmals lesen müssen, um wirklich zu verstehen was er meint. Mich faziniert, wie er dem Glauben Werke folgen lässt.

    LG philonfire

  2. Hi Phil,

    schön, dass Dein Interesse an Bonhoeffer geweckt ist. Es lohnt sich wirklich, ihn zu lesen. Allerdings ist die Lektüre nicht ganz einfach. Welche Ausgabe hast Du denn? Von Gütersloher Taschenbücher gibt es eine gute kommentierte. Die Kommentare haben mir oft sehr weitergeholfen, gerade weil man als Nichthistoriker kaum eine Chance hat alle Zusammenhänge des Kirchenkampfes zu verstehen.
    Übrigens habe ich auch mal eine Reihe zur Nachfolge gemacht. Zwar nicht systemarisch, sondern immer nur über Ausschnitte, die mich beeindruckt hatten, aber vielleicht trotzdem auch interessant: http://pastor-storch.de/2011/05/01/dietrich-bonhoeffer/

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