Für heutige Leser in Deutschland sind Geschlechtsregister fremd. Auch wenn in den letzten Jahren ein neues Interesse an Genealogie erwacht ist und manche wieder Zeit auf ihre Stammbäume verwenden, verbinden wir mit Geschlechtertafeln nicht dasselbe wie Juden zur Zeit Jesu, für die solche Informationen von großem Interesse waren.
In einer Kultur, die viel Wert auf Familie, Ehre und Tradition legt, sind Geschlechtsregister wichtig. Im Neuen Testament gibt es nur zwei solcher Listen, bei Matthäus und bei Lukas; beide beschäftigen sich mit Jesus Christus. Im Alten Testament gibt es mehrere solcher Listen. „Die Ursache für dieses Interesse an Stammbäumen müssen wir darin sehen, dass die Juden äußerstes Gewicht auf die Reinheit ihrer Abstammung legten. (…) Priester mussten ihren Stammbaum z.B. bis auf Aaron nachweisen, und sofern sie verheiratet waren, mussten ihre Frauen ihre rein jüdische Abstammung für mindestens fünf Generationen zurück nachweisen. Als Esra nach der Rückkehr aus der Verbannung den Tempeldienst neu gestaltete und die Priester wieder einsetzte, blieben die Söhne Habaja, die Söhne Hakkoz und die Söhne Barsillai vom Priestertum ausgeschlossen und galten als befleckt, weil sie ihre Geschlechtsregister suchten und „fanden sie nicht“ (Esra 2,61-62). Die Geschlechtsregister wurden im Hohen Rat aufbewahrt. Die reinblütigen Juden verachteten Herodes den Großen, weil er ein halber Edomiter war. Wie wichtig selbst Herodes diese Geschlechtsregister nahm, ersehen wir daraus, dass er die offiziellen Register vernichten ließ, so dass niemand in der Lage war, einen reineren Stammbaum nachzuweisen als er selbst.“1
Eine wichtige Frage ist die nach dem Unterschied zwischen den beiden Geschlechtsregistern des Neuen Testamentes. Obwohl beide die Abstammung Jesu behandeln gibt es offenkundige Unterschiede zwischen beiden. Ich möchte hier nicht eingehend auf die Frage antworten, weil sei den Rahmen des Matthäusevangeliums verlässt. Nur so viel sei gesagt, dass Matthäus den Stammbaum Josephs auflistet, während Lukas den Stammbaum Marias zeigt. Wenn Ihr mehr in das Thema reinlesen möchtet, empfehle ich einstweilen die Ausführungen auf sound words.
Matthäus vermeidet sehr sorgfältig, Josef als Jesus’ Vater zu bezeichnen. Er ist der „Mann Marias, die Jesus geboren hat“. Später im Text wird noch deutlicher, dass Maria nicht mit Josef geschlafen hat und Jesus tatsächlich eine Jungfrauengeburt war. Das ist wichtig damit sich eine der Messias-Prophezeiungen Jesajas erfüllte (Matthäus 1,23). Da Matthäus für Juden schrieb, wollte er dem Gerücht vorbeugen, dass Jesus ein illegitimes Kind war. Damals war es eine gesellschaftliche Katastrophe unehelich geboren zu sein und für fromme Juden war es gewiss ein Stein des Anstoßes zu glauben, dass Jesus unehelich war.
Wenn Matthäus so daran gelegen war, zu zeigen, dass Josef nicht der biologische Vater war stellt sich die Frage, warum er überhaupt diesen Stammbaum in sein Evangelium übernommen hat. Nach jüdischer Denke war Josef der Vater Jesu, weil er Jesus großzog und dieser in seinem Hause wohnte. Auch wenn er Jesus nicht gezeugt hat, hat er ihn doch ernährt und für ihn gesorgt. Damit wurde er allgemein als Vater angesehen und es war interessant, seinen Stammbaum in die Bibel auf zu nehmen, obwohl er technisch nicht Jesu Vater war.
Der Stammbaum ist in drei Epochen mit je 14 Generationen aufgeteilt, die in sich bereits das Evangelium predigen. Die Teilungen markieren wichtige Stationen der jüdischen Geschichte und damit auch Wegmarken der Erlösungsgeschichte.
So sind nun alle Geschlechter von Abraham bis auf David vierzehn Geschlechter und von David bis zur Wegführung nach Babylon vierzehn Geschlechter und von der Wegführung nach Babylon bis auf den Christus vierzehn Geschlechter. (Matthäus 1,17 nach der Elberfelder)
Die erste Abteilung markiert den Aufstieg Israels von der Schöpfung bis zu ihrem Sonnenkönig David, der die Blüte des israelischen Reiches markiert. In der nächsten Etappe geht es abwärts in Niederlage und Gefangenschaft; er markiert eine Zeit der Demütigung und Schmach. Der dritte Abschnitt umfasst die Zeit bis Jesus. Er ist vollendet, als der Erlöser der Welt kommt und sein ewiges Königreich antritt.
Wir werden in den nächsten Posts den ganzen Stammbaum durchgehen und dabei besonderes Augenmerk auf die vielen Ungewöhnlichkeiten legen, die es in im gibt. Für heute möchte ich nur noch auf den ersten Vers eingehen, denn er fasst den Stammbaum zusammen:
Buch des Ursprungs Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.
Jesus musste ein Nachkomme Abrahams sein, denn Gott hatte mit Abraham seinen Bund geschlossen. Es war ein Bund des Glaubens und der Verheißung. Wir treten durch Glauben (nicht etwa durch Geburt) ein in diesen Bund. Jesus musste auch ein Nachkomme Davids sein, Gott hatte verheißen, dass auf ewig ein Nachkomme Davids regieren würde (2.Samuel 7,12) und Jesus setzte sich auf den Thron Davids.
- Barclay, William (1980): Matthäusevangelium 1. Neukirchen-Vluyn: Aussaat Verlag, S. 19 [↩]
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