Das Wort wurde Fleisch
Als Jesus geboren wurde, wurde also Gott selbst Mensch. Dazu war es nötig, dass Gott alle seine göttlichen Eigenschaften ablegte um als Mensch geboren zu werden. Paulus schreibt im Philipperbrief darüber:
5 Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht:
6 Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein,
7 sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen;
8 er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. (Philipper 2,5-8 nach der Einheitsübersetzung[1])
„Entäußern“ ist im Griechischen das Wort keno, was auch „entleeren“ bedeutet. Jesus entleerte sich demnach für die Dauer seiner Zeit als Mensch seiner göttlichen Eigenschaften. Er war nicht allgegenwärtig, allwissend oder allmächtig, während er als Mensch unter Menschen gelebt hat. Er klammerte sich nicht daran Gott zu sein, sondern wurde ganz Mensch – ohne göttliche Eigenschaften.
Damit steht der Verstand vor einem ziemlichen Problem, denn Jesus war offensichtlich beides: er war Gott, der immer existiert hat und er war Mensch, von einer Frau geboren, mit einem normalen menschlichen Körper usw. Diese beiden offensichtlichen Gegensätze muss man erst einmal zusammenbekommen.
Tatsächlich dauerte es auch ganz schön lange, bis die Kirche das auf eine Formel brachte mit der alle gut leben konnten und die bis heute unsere Theologie über Jesus bestimmt.
Erst 451 einigte man sich beim Konzil von Chalcedon auf die Formel, die auch heute für die meisten christlichen Kirchen gilt:
„Wir folgen also den heiligen Vätern und lehren alle übereinstimmend: Unser Herr Jesus Christus ist als ein und derselben Sohn zu bekennen, vollkommen derselbe in der Gottheit vollkommen derselbe in der Menschheit, wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch derselbe, aus Vernunftseele und Leib, wesensgleich dem Vater der Gottheit nach, wesensgleich uns derselbe der Menschheit nach, in allem uns gleich außer der Sünde, vor Weltzeiten aus dem Vater geboren der Gottheit nach, in den letzten Tagen derselbe für uns und um unseres Heiles willen [geboren] aus Maria, der jungfräulichen Gottesgebärerin, der Menschheit nach, ein und derselbe Christus, Sohn, Herr, Einziggeborener in zwei Naturen unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt zu erkennen, in keiner Weise unter Aufhebung des Unterschieds der Naturen aufgrund der Einigung, sondern vielmehr unter Wahrung der Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen und im Zusammenkommen zu einer Person und einer Hypostase, nicht durch Teilung oder Trennung in zwei Personen, sondern ein und derselbe einziggeborene Sohn, Gott, Logos, Herr, Jesus Christus, wie die Propheten von Anfang an lehrten und er selbst, Jesus Christus, uns gelehrt hat, und wie es uns im Symbol der Väter überliefert ist.“[2]
Bis dahin gab es im Wesentlichen drei Positionen, die sich mit dem Verhältnis von Gott und Mensch in Christus auseinandersetzten. Sicherlich gab es (wie auch heute noch) ebenso Menschen, die gar nicht glaubten, dass Jesus Gott ist und vielleicht auch einige, die daran zweifelten, dass er wahrer Mensch war.
- Arianismus, der in Christus Gott sieht (Logostheologie), ihn jedoch als nicht ewig bezeichnet, sondern als von Gott (vor der Zeit) gezeugt.
- Monophysitismus, wonach das Göttliche und das Menschliche eine vermischte gott-menschliche Natur bildeten (polemisch überzeichnet: Jesus als Gott, dessen Menschlichkeit als Schein und Verkleidung sei)
- Dyophysitismus, wonach das Göttliche und das Menschliche in Jesus eher geschieden sind.
Teilweise wurden diese Fragen bereits 325 im Konzil von Chalcedon beantwortet, das aber noch wichtige Fragen ungeklärt ließ.
[1] Ich habe mich an dieser Stelle gegen die Elberfelder entschieden, die „sich zu nichts machte“ übersetzt. „Entäußerte“ gibt meiner Ansicht nach die Bedeutung von Keno besser wieder. Es ist darüber hinaus missverständlich zu sagen, dass Jesus sich zu nichts gemacht hätte. Er hatte zwar auf Erden keine göttlichen Eigenschaften, aber er war auch nicht „nichts“.
[2] Josef Wohlmuth, S. 86
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