Die Vorstellung des Messias in der Zeit zwischen den Testamenten

Da fragten sie ihn: Warum sagen die Schriftgelehrten, zuerst müsse Elija kommen?Er antwortete: Ja, Elija kommt zuerst und stellt alles wieder her. Aber warum heißt es dann vom Menschensohn in der Schrift, er werde viel leiden müssen und verachtet werden?
Ich sage euch: Elija ist schon gekommen, doch sie haben mit ihm gemacht, was sie wollten, wie es in der Schrift steht. (Markus 9,11-13 nach der Einheitsübersetzung)

Zur Zeit Jesu erschien eine Menge Literatur über den Messias und sein kommendes Reich. Die Hoffnungen der Juden waren über Jahrhunderte enttäuscht worden. Zunächst träumte man davon, dass es wieder einen König wie David geben würde, der ein unabhängiges, herrliches Israel herstellen würde. Mit der Zeit wurde es aber immer klarer, dass dieser Traum menschlich nicht zu erfüllen wäre. Statt einen eigenen bedeutenden Staat zu haben, zog Israel von einer Gefangenschaft zur nächsten: erst kamen die Assyrer, dann die Babylonier, die Perser, Griechen und zuletzt die Römer.

Diese Enttäuschung war ein guter Nährboden für die so genannte “apokalyptische Literatur” der Zeit zwischen dem Alten und dem Neuen Testament. Als man den Traum von menschlicher Befreiung nicht mehr träumen konnte, ersetzte man ihn durch den Traum, dass Gott eingreifen und übernatürlich alles in Ordnung bringen würde. In den Büchern und Träumen der “Zwischenzeit” ging es immer um ein kommendes Gottesreich in dem Gott selbst die Herrschaft übernehmen würde. So schön das Ziel klingt, so blutig war der Weg dahin: alle Feinde Israels würden ausgelöscht und das Reich würde durch ein Meer von Blut wieder hergestellt.

In diesen Gedanken hatte Elia eine wichtige Rolle: er sollte kommen und den Messias ankündigen, der dann das Reich bringen sollte. Es ist also kein biblischer Gedanke, dass Elia kommen würde um den Messias anzukündigen sondern einer der aus menschlicher Überlieferung kam.

Die Jünger waren ganz Kinder ihrer Zeit. Sie hatten von Elia öfter gehört als sie mitzählen konnten. Sie sahen Jesus und wussten, dass er von Gott kam, aber es gab mindestens ein Detail, das es ihnen schwer machte zu glauben, dass er wirklich der Messias ist. Wenn er es wäre, wo war dann Elia? Von den Schriftgelehrten hatten sie gehört, dass Elia vorher kommen müsse und für die ganze Welt hörbar den Messias ankündigen muss.

Die Frage, die sie Jesus stellten war also nicht einfach eine philosophische, es war eine existenzielle Frage. Konnten sie daran glauben, dass Jesus der Messias ist oder nicht? Sie waren auf dem Weg zu glauben, aber sie mussten noch verschiedene Verständnisschwierig-keiten aus dem Weg räumen.

Als Jesus sagte, dass Elia schon gekommen ist, meinte er nicht, dass die geschichtliche Person von den Toten wiedergekommen wäre sondern, dass es schon einen Boten des Messias gegeben hatte. Dabei sprach er nicht davon, dass Elia ihm und einigen Jüngern auf dem Berg erschienen war (Markus 9,2-10) sondern von Johannes dem Täufer (Markus 1,1-8). In der Parallelstelle bei Matthäus wird es den Jüngern auch schlagartig klar, wen er meint.

Das war natürlich ein guter Einstieg um noch einmal über das Leiden des Messias zu sprechen. Wenn die Menschen mit dem Boten schon so schlimm umgegangen sind und ihn gekreuzigt haben, wie werden sie es dann erst mit dem eigentlichen Messias tun? Jesus liess wirklich keine Gelegenheit aus, das falsche Denken der Jünger über den Messias zu korrigieren.

Es muss aber auch wirklich schwer gewesen sein, Jesus als Messias an zu nehmen, wenn man mit den jüdischen Vorstellung vom Messias aufgewachsen ist. Markus 9,30 f zeigt, dass Jesus mehrmals über seinen Tod sprechen musste um populäre jüdische Vorstellungen aus den Köpfen seiner Jünger zu entfernen:

Sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa. Er wollte aber nicht, daß jemand davon erfuhr;denn er wollte seine Jünger über etwas belehren. Er sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert, und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen.
Aber sie verstanden den Sinn seiner Worte nicht, scheuten sich jedoch, ihn zu fragen. (Markus 9,30-32 nach der Einheitsübersetzung)

Mittlerweile war Jesus so berühmt, dass er im Geheimen reisen musste um die Gelegenheit zu haben, mit seinen Jüngern allein zu sein. Es ist die dritte Gelegenheit zu der er mit ihnen darüber sprach, dass er gekreuzigt werden müsste.

Im ganzen Evangelium ist das der Punkt, den sie am schwersten begriffen haben. Ein sterbender Messias widersprach so vollkommen ihren Vorstellungen, dass Jesus sie immer wieder darüber belehren musste (s.a. Markus 9,11-13).
Selbst nachdem er es ihnen dreimal gesagt hatte verstanden sie immer noch nicht, was er sagen wollte. Diese Botschaft muss Jesus sehr am Herzen gelegen haben. Es kam öfter vor, dass die Jünger etwas nicht verstanden, was er ihnen sagte (z.B. Markus 4,1-20), sie kamen dann immer zu ihm und fragten ihn, aber ausgerechnet bei diesem Thema fragten sie nicht nach obwohl sie ihn nicht verstanden. Der einzige Grund, den ich mir dafür vorstellen kann ist, dass Jesus so eindringlich mit ihnen sprach und es dann ja auch noch so häufig wiederholte, dass sie einfach Angst hatten ihn zu beleidigen, wenn sie wieder nachfragten.

Während sie auf dem Weg hinauf nach Jerusalem waren, ging Jesus voraus. Die Leute wunderten sich über ihn, die Jünger aber hatten Angst. Da versammelte er die Zwölf wieder um sich und kündigte ihnen an, was ihm bevorstand.Er sagte: Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf; dort wird der Menschensohn den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tod verurteilen und den Heiden übergeben;
sie werden ihn verspotten, anspucken, geißeln und töten. Aber nach drei Tagen wird er auferstehen. (Markus 10,32-34 nach der Einheitsübersetzung)

Die Jünger ahnten, was bevorstand. Die Menschen waren noch von Jesus begeistert, sie waren überall verwundert wo er auftrat. Aber es lag auch etwas anderes in der Luft. Der Weg nach Jerusalem war der Weg zum Gericht. Man konnte spüren, wie Jesus der letzten Etappe seines Dienstes entgegen ging. Bald würde er sterben

Jesus sprach offen mit seinen Jüngern über das, was in Jerusalem passieren würde. Er wollte sie darauf vorbereiten, dass er verhaftet, gefoltert und schliesslich ermordet werden würde. Wie bei den letzten Malen auch verstanden sie es nicht. In Markus kommt das nicht so klar heraus, aber Lukas gibt ganz offen zu, dass sie es nicht verstanden. Es ist seltsam, dass die Jünger gerade die Dinge nicht verstanden, die Jesus klar sagte, dennoch ist es so gewesen, dass sie erst nach der Auferstehung und als der Heilige Geist gekommen war, alles verstanden, was Jesus ihnen sagte. Manchmal kann man das Leben und speziell auch Prophetie, nur verstehen wenn sie schon erfüllt ist. Der christliche Philosoph Sören Kierkegaard hat das mal so ausgedrückt: “man kann das Leben nur rückwärts verstehen, unglücklicherweise muss man es vorwärts leben.”

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2 Kommentare

  1. Klitzekleine Anmerkung:

    »Wenn die Menschen mit dem Boten schon so schlimm umgegangen sind und ihn gekreuzigt haben…« – geköpft statt gekreuzigt, oder?

    Ansonsten: Spannende Serie. Sehr gut. Bin gespannt auf die weiteren Folgen.

  2. ja, lustig, ne? wir haben beim korrigieren auch gut darüber gelacht. aber da ich ja gesagt hatte, dass hier die nicht lektorierte Fassung reinkommt, habe ich auch diesen sachlichen Fehler drin gelassen 🙂

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