Jesus ging in ein Haus, und wieder kamen so viele Menschen zusammen, daß er und die Jünger nicht einmal mehr essen konnten.
Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen.
Die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabgekommen waren, sagten: Er ist von Beelzebul besessen; mit Hilfe des Anführers der Dämonen treibt er die Dämonen aus. (Markus 3,20-22 nach der Einheitsübersetzung)

Vor dreissig Jahren hatte ein Engel Maria die Geburt eines Sohnes angezeigt. Nun begann das öffentliche Wirken Jesu und kaum dass er anfing zu predigen dachten seine Angehörigen, dass er verrückt war. Es gibt einige Stellen in den Evangelien die klar machen, dass Maria nicht wusste, was sie da grosszog und dass sie allenfalls eine ungenaue Vorstellung von dem hatte, was dieser Jesus einmal tun würde.

Als Christ der die Evangelien kennt, kann man sich kaum vorstellen, dass die Leute im näheren Umfeld Jesu nicht an ihn glaubten. Dennoch glaubten seine Brüder zu Lebzeiten nicht an ihn (Johannes 7,5). Sie glaubten erst nach der Auferstehung. Es war auch damals nicht leicht, Jesus als Gottes Sohn zu erkennen; genauso wie heute man brauchte göttliche Offenbarung (Matthäus 16,13-17).
Selbst die Wunder die Jesus tat überzeugten nicht alle. Manche kamen dadurch zum Glauben und beteten Gott wegen der Wunder an. Andere schrieben sie dem Teufel zu. Heute würde niemand mehr sagen, dass es der Teufel war wenn jemand übernatürlich geheilt wird, aber es gibt noch immer Menschen, die ein Wunder Gottes sehen und trotzdem nicht an Gott glauben wollen. Je nach Philosophie und Weltsicht schreiben sie ein Wunder den menschlichen Selbstheilungskräften oder kosmischen Strahlungen zu. Manche Dinge ändern sich offenbar nie.

[hier ist ein weiterer Blogeintrag zu dieser Bibelstelle]

Ich gehe gerade meine ganzen theologischen Aufzeichnungen der letzten Jahre durch. Ich suche etwas in der Vergangenheit, das mir die Gegenwart erklärt. Ich will nicht die Erkenntnisse vergessen, die ich früher hatte und die mich eine ganze Weile getroffen und gesegnet haben. Ich schreibe seit Jahren sehr viel und das ist für mich wichtig und wertvoll, weil ich einfach zu viel von dem vergesse, das Gott mir gesagt oder was er getan hat. Es ist bestürzend zu sehen wie viele Erkenntnisse letztlich vergessen und nicht umgesetzt werden weil man sie einfach vergisst. Ich bin auf einen kurzen undatierten Eintrag aus dem Jahr 2005 gestossen:

„Ich preise dich darüber, daß ich auf eine erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke, und meine Seele erkennt es sehr wohl. (Psalm 139,14 nach der Elberfelder)

Mir fiel dieser Vers heute ein, als ich für einen Menschen gebetet habe der von Geburt an behindert ist. Ich glaube, dass Gottes Schöpfung wunderbar ist und 100% gesund. Gott schafft nichts krankes. Krankheit kam erst später, durch den Fluch der Sünde, dazu.
Heilung führt dazu, dass wir wieder zu dem werden, was Gott will. Weil er uns wunderbar gemacht hat, kann Krankheit nicht in Gottes Plan sein.“

Bei der „natürlich übernatürlich“ Konferenz in Speyer hat eine Frau Zeugnis gegeben. Sie sagte: „ich bin blind geboren, aber ich weiss, dass Gott mich nicht so gemacht hat.“ Es ist einer dieser Sätze über die ich immer wieder nachdenke. Es ist etwas anderes ob man so etwas aus der Theorie heraus sagt oder als Betroffene. Mit Theoretikern kann man über solche Sätze streiten, aber nicht mit blindgeborenen Menschen. Ich hatte das Gefühl einer tiefen Erkenntnis als sie das sagte. Sie wusste etwas über ihren Gott, dass viele Theologen nicht wissen.

Jesus stieg auf einen Berg und rief die zu sich, die er erwählt hatte, und sie kamen zu ihm.
Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten
und mit seiner Vollmacht Dämonen austrieben.
Die Zwölf, die er einsetzte, waren: Petrus – diesen Beinamen gab er dem Simon -,
Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, der Bruder des Jakobus – ihnen gab er den Beinamen Boanerges, das heißt Donnersöhne -,
dazu Andreas, Philippus, Bartholomäus, Matthäus, Thomas, Jakobus, der Sohn des Alphäus, Thaddäus, Simon Kananäus
und Judas Iskariot, der ihn dann verraten hat. (Markus 3,13-19 nach der Einheitsübersetzung)

Parallel: Matthäus 10,1-4 | Lukas 6,12-16

Dass Jesus zwölf Jünger hatte weiss jeder, aber kaum einer kennt alle ihre Namen. Die meisten kennen nur die herausragendsten, Petrus und Johannes. Hier stehen alle Namen, so dass man sie mal auswendig lernen kann :-).
Jesus hat seine Jünger ausgesucht. In der Parallelstelle bei Lukas steht, dass er die ganze Nacht gebetet hat bevor er sie aussuchte. Zu dieser Zeit gab es schon viele Menschen, die Jesus nachfolgten, er hatte einen guten Fundus von Leuten aus denen er sich gerade diese zwölf unter viel Gebet aussuchte. Es waren also nicht diejenigen, die Jesus von sich aussuchte weil sie ihm so sympathisch waren; Gott selbst wollte, dass diese zwölf mit Jesus zogen.
Mir macht diese Wahl Mut, denn die Jünger waren eine bunte Truppe, die bis zuletzt voller Fehler waren. Einer war ein Terrorist, andere waren Fischer. Einer war als Zöllner sozial stigmatisiert, einer war ein Dieb. Einer hatte sein Temperament nicht unter Kontrolle und sie alle stritten sich darum wer der grösste unter ihnen ist. Genau diese Leute wählte Gott selbst aus um den Verlauf der Weltgeschichte für immer zu verändern. Vermutlich hätte niemand, der bei klarem Verstand ist diese Truppe zusammengestellt, aber Gott sah etwas in ihnen, was kein Mensch gesehen hätte.
Wenn ich mich frage, ob Gott sich mit mir den richtigen ausgesucht hat oder ob ich nicht eine schlechte Wahl bin, denke ich an die Jünger und bin sicher, dass der Herr etwas in mir sieht, was jedem anderen und mir selber noch verborgen ist. Wenn Gott mit diesen Leuten Geschichte schreiben konnte, dann kann er es mit jedem!

Jesus gab diesen Jüngern nicht nur den Auftrag zu predigen, sondern auch Macht über die bösen Geister. Sein Reich kommt immer mit Kraft und wen er zum predigen beruft, der ist auch berufen übernatürlich zu wirken (Johannes 3,2). Seltsamerweise leben wir heute meistens nur noch den einen Teil dieses Auftrages – das predigen – und vergessen darüber dass Jesus uns auch Autorität gibt.

[3] Und er redete zu ihnen vieles in Gleichnissen und sprach: Siehe, der Sämann ging aus zu säen.
[4] Und indem er säte, fiel etliches an den Weg, und die Vögel kamen und fraßen es auf.
[5] Anderes aber fiel auf den felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte; und es ging alsbald auf, weil es nicht tiefe Erde hatte;
[6] als aber die Sonne aufging, ward es verbrannt; und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es.
[7] Anderes aber fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen auf und erstickten es.
[8] Anderes aber fiel auf gutes Erdreich und brachte Frucht, etliches hundertfältig, etliches sechzigfältig und etliches dreißigfältig.
[…]
[19] So oft jemand das Wort vom Reiche hört und nicht versteht, so kommt der Böse und raubt das, was in sein Herz gesät ist. Das ist der, bei welchem es an den Weg gestreut war.
[20] Auf den felsigen Boden gestreut aber ist es bei dem, welcher das Wort hört und alsbald mit Freuden aufnimmt;
[21] er hat aber keine Wurzel in sich, sondern ist wetterwendisch. Wenn nun Trübsal oder Verfolgung entsteht um des Wortes willen, so nimmt er alsbald Anstoß.
[22] Unter die Dornen gesät aber ist es bei dem, welcher das Wort hört; aber die Sorge um das Zeitliche und der Betrug des Reichtums ersticken das Wort, und es bleibt ohne Frucht.
[23] Auf das gute Erdreich gesät aber ist es bei dem, welcher das Wort hört und versteht; der bringt dann auch Frucht, einer hundertfältig, ein anderer sechzigfältig, ein dritter dreißigfältig. – Matthäus 13

ähnlich auch in Markus 4 und Lukas 8

Für mich als Prediger ist das eine sehr ärgerliche Geschichte. Selbst bei bester Vorbereitung und aller Kraft des Heiligen Geistes ist es offensichtlich nicht möglich, jeden der eine Predigt hört wirklich zu erreichen. „Der Glaube kommt aus der Predigt“, sagt Paulus. Ja, aber offenbar liegt noch einiges zwischen dem blossen Hören und der Frucht, die eine Predigt bringen kann.

Die Jünger haben das nur zu gut gewusst. Vielleicht war das auch der Grund, warum Jesus die Geschichte überhaupt erzählt hat. Jesus und die zwölf Freunde waren schon eine Weile unterwegs, und das Schicksal der Gruppe war wechselhaft.
Die Gottesdienste waren zwar brechend voll, aber der innere Kreis wuchs einfach nicht. Mal waren mehr Leute in Jesu Gefolge und mal weniger. Leider steht nirgendwo, wie Jesus auf seine Predigtthemen gekommen ist. Aber ich vermute, dass die Frage einfach nahe lag, warum so viele Menschen die Botschaft hörten, einige auch darauf ansprangen, viele die Kraft Gottes erlebten, aber dennoch nicht alle zu motivierten Jüngern wurden. Vielleicht war es gerade diese Frage, die Jesus zu dieser Predigt bewogen hat.

Auch heute haben wir es beim menschlichen Herzen noch immer mit einem vierfachen Ackerfeld zu tun, und nicht nur für die Prediger ist dieses Gleichnis nützlich, sondern auch für die Predigthörer. Warum bewirkt das Wort Gottes so wenig bei mir? Wie kann ich effektiver im Umgang mit Gottes Wort wachsen?

Hier geht es nicht nur um drei verschiedene Menschenschläge und ihren ganz eigenen Umgang mit Predigten; hier geht es ausserdem um drei Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Gottes Wort Frucht bringen kann in unserem Leben, und darum, wie wir so leben können, dass wir 30-, 60- und 100fache Frucht bringen können.

Voraussetzung 1: verstehen – der Weg

So oft jemand das Wort vom Reiche hört und nicht versteht, so kommt der Böse und raubt das, was in sein Herz gesät ist. Das ist der, bei welchem es an den Weg gestreut war.- Matthäus 13,19

Es ist möglich, Worte zu hören, aber nicht zu verstehen. Das Evangelium ist an sich nicht schwierig, es ist keine besondere Intelligenz nötig, um Gottes Wort zu verstehen. Aber Jesus spricht hier auch nicht von Intelligenz, die hatten seine Zuhörer damals wie heute auf jeden Fall genug. Es geht darum, das Wort Gottes nicht nur mit dem Kopf zu verstehen und für wahr zu halten, sondern mit dem Herzen zu verstehen – angesprochen zu sein.
Als Saulus auf dem Weg nach Damaskus war, hatte er eine mächtige Begegnung mit Gott: ein Licht strahlte heller als die Sonne, und Gott rief ihn mit hörbarer Stimme. Auch seine Begleiter hörten die Stimme (Apostelgeschichte 9,7), aber sie haben Jesus nicht kennengelernt.
Die Jünger haben sehr häufig nicht verstanden, was Jesus ihnen sagen wollte, und haben einfach immer wieder nachgefragt. Das Wort Gottes war ihnen zu wichtig, um es an sich vorbeigehen zu lassen.
Wenn Du das Gefühl hast, dass das Wort Gottes Dich gar nicht erreicht, nimm Dir Zeit, Gott zu fragen und ihn zu bitten, es Dir noch einmal zu sagen und zu erklären.
In vielen Gemeinden gibt es nach der Predigt Gebetsteile oder stille Minuten, manchmal werden auch noch ein paar Lieder am Ende gesungen. All das sind Möglichkeiten, noch einmal einen Schritt auf Gott zuzugehen und die Predigt nachklingen zu lassen.
Man merkt, wenn man von Gottes Wort angesprochen ist. Als der auferstandene Jesus einigen Jüngern begegnete und ihnen die Bibel auslegte, sagten sie: Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Weg, als er uns die Schrift öffnete? – Lukas 24,32

Das Wort Gottes beginnt Frucht in unserem Leben zu bringen, wenn es in unseren Herzen und Köpfen brennt.

Voraussetzung 2: vertreten – der Fels

Auf den felsigen Boden gestreut aber ist es bei dem, welcher das Wort hört und alsbald mit Freuden aufnimmt; er hat aber keine Wurzel in sich, sondern ist wetterwendisch. Wenn nun Trübsal oder Verfolgung entsteht um des Wortes willen, so nimmt er alsbald Anstoß. – Matthäus 13, 20-21

Die zweite Voraussetzung für Frucht ist, zu dem verstandenen Wort Gottes zu stehen. Oft ist das erheblich schwerer als es klingt. Anstoss nehmen heisst, sich von dem Wort wieder abzuwenden um der Menschen willen.
Das Wort Gottes kann nicht Wurzeln schlagen, wenn wir nicht stabil genug sind, auch gegen die Meinung anderer dazu zu stehen. Manche Menschen sind in sich ohne Wurzeln und hängen immer ihr Fähnchen nach dem Wind. Eine Predigt versetzt sie in helle Begeisterung, aber wenn sie wieder zuhause sind oder in der Schule oder auf der Arbeit, wenden sie sich genauso schnell wieder von Jesus ab, wie sie sich gerade noch zu ihm hingewendet haben.
In einem solchen Menschen kann sich das Wort nicht entfalten, denn es dauert seine Zeit, bis aus dem Samen die Frucht hervorkommt. Frucht kommt durch Glauben und Geduld (Hebräer 6,12). Diese Zeit müssen wir Gottes Wort geben und nicht zwischendurch wegen der Menschen um uns herum wieder aufgeben.
Im Johannesevangelium sagt Jesus über die Pharisäer, dass sie nicht zum Glauben kommen können, weil sie voneinander Ehre suchen (5,44). Wenn wir in den Augen der anderen Leute toll sein wollen und dafür das ausser acht lassen, was Gott will, ist das ein Hindernis für das Wachsen der göttlichen Saat in unserem Leben.

Voraussetzung 3: verdauen – die Dornen

Unter die Dornen gesät aber ist es bei dem, welcher das Wort hört; aber die Sorge um das Zeitliche und der Betrug des Reichtums ersticken das Wort, und es bleibt ohne Frucht. – Matthäus 13,22

Sorgen sind Gedanken, um die wir uns ständig im Kreis herum drehen und die dadurch jede Beschäftigung mit Gott verhindern. Man kann seine Kapzität eben nur einmal einsetzen. Entweder für Gott und das Wachstum im Verständnis seines Wortes oder eben in Gedanken an etwas anderes.
Das Wort braucht aber nicht nur Zeit zum Wachsen, es braucht auch Pflege.
Jeder, der einen Garten hat, weiss wie schwer es ist Pflanzen ordentlich wachsen zu lassen. Manchmal muss man die kleinen Pflänzchen an Stöcke binden, oft muss man wässern, düngen usw. Ebenso ist es mit Gottes Wort. Man muss sich damit beschäftigen, darauf herumkauen, es in Gedanken bewegen.

Wohl dem, der nicht wandelt nach dem Rate der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzt, da die Spötter sitzen; sondern seine Lust hat am Gesetz des HERRN und in seinem Gesetze forscht Tag und Nacht. – Psalm 1,1-2

Forschen bedeutet hier so etwas wie angestrengtes Nachdenken. Das hebräische Wort kann auch mit „murmeln“ übersetzt werden, also ein so tiefes Nachdenken und Meditieren über Gottes Wort, dass man anfängt, laut zu denken und in Gedanken vor sich hin zu reden.

Es geht also letztlich darum, sich das Wort Gottes anzueignen, dabei zu bleiben und es immer tiefer in sich eindringen zu lassen.
Wachstum ist immer ein langsamer Prozess, wird aber durch Frucht belohnt. Die Frucht des Wortes Gottes ist ein Leben, das in der Kraft Gottes verändert wird und Jesus ausstrahlt. Es gibt sicherlich nichts, was erstrebenswerter ist als Christusähnlichkeit und Gottesnähe. Die Mühe lohnt sich also.

[Das Handout als .pdf]
[Predigten zu diesem Text: 1|2]

2. November 2007 in theologie und gemeinde 1

Markus 3,7-12

Jesus zog sich mit seinen Jüngern an den See zurück. Viele Menschen aus Galiläa aber folgten ihm. Auch aus Judäa,
aus Jerusalem und Idumäa, aus dem Gebiet jenseits des Jordan und aus der Gegend von Tyrus und Sidon kamen Scharen von Menschen zu ihm, als sie von all dem hörten, was er tat.
Da sagte er zu seinen Jüngern, sie sollten ein Boot für ihn bereithalten, damit er von der Menge nicht erdrückt werde.
Denn er heilte viele, so daß alle, die ein Leiden hatten, sich an ihn herandrängten, um ihn zu berühren.
Wenn die von unreinen Geistern Besessenen ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder und schrien: Du bist der Sohn Gottes!
Er aber verbot ihnen streng, bekannt zu machen, wer er sei. (Markus 3,7-12 nach der Einheitsübersetzung)

Im Dienst Jesu war Heilung die wichtigste Werbung überhaupt. Die wenigsten werden ihn als Gottes Sohn gekannt haben; sie sahen nur einen Wundertäter und waren begeistert von dem, was Jesus tat. So ist es auch heute noch, die meisten Menschen werden eher von ihrer Not zu Gott getrieben als von einer echten Sehnsucht nach Gott. Kaum jemand sucht nach Gott solange es ihm gut geht, die meisten beginnen erst in schwierigen Lebensumständen nach Gott zu fragen. Umso wichtiger ist, dass sie Antworten bei den Gläubigen finden. So lange alles, was wir zu bieten haben graue Theorie ist, werden wir die Menschen nicht so effektiv erreichen wie Jesus. Der ganze Schlüssel zu seinem Dienst war die Gegenwart Gottes.
Das Übernatürliche war bei Jesus so anziehend, dass er nicht einmal mehr predigen konnte. Er musste sich in einem Boot auf den See heraus rudern lassen um nicht erdrückt zu werden. Natürlich hatte das auch akustische Gründe, denn die glatte Wasserfläche half ihm gehört zu werden. Ich finde es eine lohnende Vision, dass unsere Gottesdienste wieder so werden wie es bei Jesus Standard war, dass Menschen in Scharen kommen um etwas von Gott zu empfangen und dass es immer Heilungen, Bekehrungen und Befreiungen gibt. Wer sagt, dass Gottesdienste langweilig sein müssen? Ganz bestimmt nicht das Neue Testament!

Ich war die Tage in einem erfreulichen Lobpreisgottesdienst in Dabringhausen. In dem Gottesdienst ging es viel um Ruhe und ein ums andere Mal kam dabei die Sprache auf Hebräer 4,10.

Da mir der Vers lange sehr wichtig war (er klebte jahrelang an meinem Monitor) habe ich natürlich genau hingesehen und auch noch mal die Gelegenheit genutzt um darüber zu meditieren. Heute habe ich etwas in meiner eigenen Vergangenheit geforscht und bin auf ein Worddokument gestossen, dass sich genau mit dieser Stelle beschäftigt. Zufall? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Jedenfalls bemerkenswert genug um eine stark gekürzte Version aus diesem Dokument vom 09.03.1998 zu posten. Ich erspare Euch mein jugendliches Pathos nicht und kürze stattdessen an anderen Stellen. 🙂

Dienstende

Die Luft war schwer von Heiligem Geist,als sich mein Weg dem Ende näherte.Durch viele Mühen und Tränentäler habe ich gerade noch hierher geschafft,wo ich spüre.daß Erneuerung und Freiheit kommen.

… ich fragte nach dem warum und wohin meines geistlichen Lebens mit aller seiner Unfruchtbarkeit.Denn wahrlich,unfruchtbar ist mein Leben bis zu diesem Zeitpunkt. Sowohl was, als auch wie Gott redete überraschte mich. Zum einen war da eine Klarheit, die ich nie zuvor gekannt habe, aber dann ging auch das Rhema in eine echt ungewöhnliche Richtung: Liebesbeziehung mit Gott,statt einer geschäftsmässigen. Besonders dieser eine Vers ist mir wichtig geworden:

Hebr 4,10 denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ruht auch selbst von seinen Werken, gleichwie Gott von den seinigen.

Ich musste feststellen,daß ich in eine Art Geschäftsbeziehung mit Gott hineingeraten bin, wo eigentlich eine Liebesbeziehung hätte sein sollen. Ich bin ziemlich daüber verblüfft gewesen, denn eigentlich habe ich immer versucht, darauf zu achten, daß mir so etwas nicht passiert,
aber es stimmt: es hatte sich an vielen Stellen etwas falsches in meine Gottesbeziehung hineingeschlichen,so daß diese immer mehr geschäftlichen Charakter annahm.
… Jedenfalls hat mir der Herr klargemacht,daß ich mal etwas kürzertreten und lieber in den Werken wandeln soll, die er, Gott mir gibt. So wird es dann auch wieder zu der Dynamik kommen, die ich so vermisse, wenn ich Gottes Werke tue und nicht irgendwelche.
Die Werke, die dann noch getan werden, sollen nun aus einer echten Liebesbeziehung getan werden. Das heisst: erst die Liebe zu Jesus und die Beziehung zu ihm und dann daraus entstehend der Dienst.

Hl 1,4 Ziehe mich dir nach, so laufen wir!

Gott stellte mir die Frage,wie es wohl um meine Beziehung zu ihm tatsächlich bestellt wäre,wenn ich ihn zwar genug liebe um ihm zu dienen,aber doch nicht genug, um einfach Zeit mit ihm zu verbringen….und dann,daß er sich nach Gemeinschaft mit mir sehnt.
Da bin ich dann fast rot geworden. Klar,das weiß ich alles, aber nur mit dem Kopf.

Joh 7,38 Wer an mich glaubt – wie die Schrift sagt -, aus seinem Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.

Ich habe joh.7,38 eigentlich noch nie so richtig verstanden, aber heute habe ich, glaube ich, einen echten Hinweis bekommen:
Zuerst habe ich Jesus gefragt, wie es denn bei ihm gewesen ist, denn er ist schliesslich das grosse Vorbild. Ich hatte es immer eigentlich eher so verstanden,daß Jesus ein ziemlich tätiger Mensch gewesen ist, der dauernd das getan hat,was suf des Vaters Agenda gestanden hat.
Nach allem,was ich jetzt gehört habe, war es so: Gott hat etwas getan und Jesus war quasi da und hat ihm als Gefäss gedient.

Joh 5,19 Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, der Sohn kann nichts von sich selbst tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn.

Das Geheimnis liegt in der Einheit mit Gott, denn dadurch, daß wir eins mit Gott sind, kann dieser permanent fliessen,was zu der Situation in Joh.7,38 führt. Dass diese Einheit von Gottes Seite her gewünscht wird, sehen wir im Hohepriesterlichen Gebet. Ich hatte dazu ein Bild, nämlich, daß wir Türen zur Unendlichkeit sein sollen und dies durch die Einheit mit Jesus sind, so daß Gottes Kraft und Liebe durch uns fliessen können.

Einheit mit Gott bedeutet, sich für IHN durchlässig zu machen, damit er durchfliessen kann.

(…)

Ein Meilenstein auf dem Weg zum Leben und dienen in der Kraft einer Liebesbeziehung zu Gott ist Ergriffenheit. Man muß ergriffen sein von Gott und somit krank von Liebe sein. So kann man es dann schaffen, wie eine Tür zu leben. Alle effektiven und wirklich geistgeleiteten Dinge und Dienste meines Lebens, es seien Gebete, Predigten, oder was immer gewesen, geschahen aus einer Haltung der Begeisterung von Gott heraus.
Das sollte Standard werden im Leben eines Gotteskindes.Ich bin davon überzeugt, daß es Standard war im Leben Jesu.
Alle dies Dinge wie regelmässiges beten und bibellesen und überhaupt, haben mir letztlich nur ein Gefäß geschaffen für den Heiligen Geist, daß jetzt, so hoffe ich, erfüllt wird von Seiner Herrlichkeit. Das ist aber auch alles, was wir als Menschen tun können: daß wir uns zur Verfügung stellen, uns bereit halten.

(…)

31. Oktober 2007 in theologie und gemeinde 2

Markus 3,1-6

Als er ein andermal in eine Synagoge ging, saß dort ein Mann, dessen Hand verdorrt war.
Und sie gaben acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn.
Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte!
Und zu den anderen sagte er: Was ist am Sabbat erlaubt: Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten? Sie aber schwiegen.
Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz, und sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus, und seine Hand war wieder gesund.
Da gingen die Pharisäer hinaus und faßten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluß, Jesus umzubringen. (Markus 3,1-6 nach der Einheitsübersetzung)

Parallel: Matthäus 12,9-14 | Lukas 6,6-11

Jesus geriet immer wieder in Schwierigkeiten weil er am Sabbat heilte. Heute kann man das kaum noch verstehen weil man sich fragt, was es mit Arbeit zu tun hatte, was Jesus da tat. Er sprach ja nur mit dem Mann: “streck Deine Hand aus!” und dann war er gesund.
Für die Menschen damals war die Trennung zwischen dem Übernatürlichen und dem Natürlichen nicht so nachvollziehbar wie für uns heute. Ein Arzt arbeitete noch anders als heute und gebrauchte Tränke, aber auch Beschwörungen. Für die Pharisäer war das, was Jesus tat also durchaus etwas, das man als Arzt so machte. Deswegen war es Arbeit, ganz egal, ob es nun anstrengend war oder nicht.
Für mich steht bei solchen Geschichten immer die Offenbarung Gottes im Mittelpunkt. Jesus war wütend und traurig zugleich über ihr verstocktes Herz. Er sah in ihren Augen die Lieblosigkeit dass sie lieber einen Mann weiter mit einer kaputten Hand leben liessen als etwas zu ertragen, was gegen ihre Vorschriften ging. Sie konnten es gut ertragen wenn andere litten – Jesus nicht. Niemand in dem Gottes Geist lebt kann es ertragen wenn Menschen, die Gott liebt, leiden. Wenn man etwas Gutes tun kann, dann will man es auch tun, der Heilige drängt einen Christen dazu.

Weil er es am Sabbat machte wollten die Pharisäer Jesus darauf hin töten. Der Zorn auf Jesus war so gross, dass sie sogar mit den Anhängern der römischen Fremdherrschaft (vermutlich den Sadduzäern) zusammen arbeiten wollten. Es ist erschreckend wie viel mehr ein gemeinsames Feindbild Menschen verbinden kann als ein gemeinsames Ziel. Es ist ausserdem bezeichnend und eine Warnung an uns alle, dass ausgerechnet die frömmsten Leute die es damals gab Jesus verfolgten und töten wollten. Offensichtlich kann man sich bemühen Gott nach zu folgen und gleichzeitig Gottes Reich bekämpfen. Das wirft ein Licht auf die Bedeutung der Liebe für unser Leben. Liebe sollte immer über unserer Theologie stehen.

30. Oktober 2007 in theologie und gemeinde 3

Besessenheit

Nicht nur Derek Prince weist darauf hin, dass Besessenheit ein irreführender Ausdruck ist. Manche Bibelübersetzungen schreiben das ja so. Der griechische Begriff DAIMONIZW heisst dämonisch belastet sein, sich unter dem Einfluss eines Dämons befinden aber nicht, dass man tatsächlich Besitz eines Dämons ist.
Selbst der Gerasener konnte sich noch hoffnungsvoll an Jesus wenden und das will etwas heissen, denn der lebte schon nackt in einer Höhle und terrorisierte sein komplettes Umfeld.
Was diese Dämonisierung ist und wie sie sich manifestiert beschreibt Kafka recht gut in „der Ritt“. Der Ritt ist ein Kapitel aus der „Beschreibung eines Kampfes:

Schon sprang ich mit ungewohnter Geschicklichkeit meinem Bekannten auf die Schultern und brachte ihn dadurch, daß ich meine Fäuste in seinen Rücken stieß in einen leichten Trab. Als er aber noch ein wenig widerwillig stampfte und manchmal sogar stehen blieb, hackte ich mehrmals mit meinen Stiefeln in seinen Bauch, um ihn munterer zu machen. Es gelang und wir kamen mit guter Schnelligkeit immer weiter in das Innere einer großen, aber noch unfertigen Gegend, in der es Abend war.
Die Landstraße, auf der ich ritt, war steinig und stieg bedeutend, aber gerade das gefiel mir und ich ließ sie noch steiniger und steiler werden. Sobald mein Bekannter stolperte, riß ich ihn an seinen Haaren in die Höhe und sobald er seufzte, boxte ich ihn in den Kopf. Dabei fühlte ich, wie gesund mir dieser Abendritt in dieser guten Laune war und, um ihn noch wilder zu machen, ließ ich einen starken Gegenwind in langen Stößen in uns blasen. Jetzt übertrieb ich auch noch auf den breiten Schultern meines Bekannten die springende Bewegung des Reitens und, während ich mich mit beiden Händen fest an seinem Halse hielt, beugte ich weit meinen Kopf zurück und betrachtete die mannigfaltigen Wolken, die schwächer als ich schwerfällig mit dem Winde flogen. Ich lachte und zitterte vor Muth. Mein Rock breitete sich aus und gab mir Kraft. Dabei preßte ich meine Hände kräftig in einander und that, als wüßte ich nicht, daß ich dadurch meinen Bekannten würgte.
Zum Himmel aber, der mir allmählich durch die gekrümmten Äste der Bäume, die ich am Rande der Straße wachsen ließ, verdeckt wurde, rief ich in der erhitzten Bewegung des Reitens: „Ich habe doch anderes zu thun, als immer verliebtes Gerede zu hören. Warum ist er zu mir gekommen, dieser geschwätzige Verliebte? Sie alle sind glücklich und werden es besonders, wenn es ein anderer weiß. Sie glauben einen glücklichen Abend zu haben und schon deshalb freuen sie sich des künftigen Lebens. „
Da fiel mein Bekannter, und als ich ihn untersuchte fand ich, daß er am Knie schwer verwundet war. Da er mir nicht mehr nützlich sein konnte, ließ ich ihn auf den Steinen und pfiff nur einige Geier aus der Höhe herab, die sich gehorsam und mit ernstem Schnabel auf ihn setzten, um ihn zu bewachen.

An einem Sabbat ging er durch die Kornfelder, und unterwegs rissen seine Jünger Ähren ab.
24 Da sagten die Pharisäer zu ihm: Sieh dir an, was sie tun! Das ist doch am Sabbat verboten.
25 Er antwortete: Habt ihr nie gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren und nichts zu essen hatten –
26 wie er zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar in das Haus Gottes ging und die heiligen Brote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab?
27 Und Jesus fügte hinzu: Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.
28 Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat. (Markus 2,23-28 nach der Einheitsübersetzung)

parallel: Matthäus 12,1-8 | Lukas 6,1-5

Jesus lebte in einer Kultur, in der man ständig das Alte Testament zitierte. Die Menschen waren zu seiner Zeit noch viel bibelfester als sie sie es heute sind. Heute zitiert man eher Talkshows, Liedtexte oder angesagte Bücher, damals meist das Alte Testament. Für die gläubigen Juden war der Sabbat ein heiliger Tag. An Samstagen durfte unter keinen Umständen gearbeitet werden (vgl. 3.Mose 23,3). Ernten war natürlich eine Arbeit und da man es als ernten ansehen könnte wenn jemand Ähren ausreisst hätten Jesu Jünger hier gegen den Sabbat verstossen.
Die Antwort, die Jesus den Pharisäern gab zeigt Gottes Charakter. Zunächst bringt er ein Beispiel aus dem Alten Testament. David, der Sonnenkönig Israels, tat noch etwas viel Schlimmeres: als er Hunger hatte gab ihm er Priester Abimelecht Brote, die niemand essen durfte und die nur zum Ansehen im Tempel lagen (1. Samuel 21,1-7). Dennoch verehrte man David auch nachher noch und Gott strafte ihn nicht. Für Gott ist es wichtiger, dass es Menschen gut geht als dass ein Gesetz minutiös eingehalten wird. Das war eine Lektion, die die Pharisäer noch lernen mussten. Sie stellten ständig ihr Gesetz über die Menschen.
Die Pharisäer hingen so sehr in ihrer Denke fest, dass sie den Sinn des Vergleiches nicht verstanden. Vermutlich wären sie weggegangen und hätten sich an den Köpfen gekratzt und sich gefragt, was Jesus sagen wollte. Deshalb machte Jesus die ganze Sache idiotensicher und wiederholte es noch einmal wörtlich: “der Sabbat ist für den Menschen da – nicht umgekehrt.”
Gott wollte nicht, dass die Menschen sich zu Tode arbeiten. Er wollte, dass sie Lebensqualität haben. In der Antike galten die Juden wegen des Sabbats als faules Volk, anders als ihre Nachbarvölker arbeiteten sie nicht die ganze Woche durch. Welch eine Gnade Gottes, dass seine Leute Zeit haben für sich und ihren Herrn im Himmel! Es ist schade, dass die Pharisäer sogar diese Gnade Gottes so weit verdrehen konnten, dass ein Knebelgesetz daraus wurde dass Menschen knechtete.

Wieder einmal ein altes Handout. Dieses habe ich schon verschiedene Male benutzt und in andere Schriften eingearbeitet. Ich bin auch immer noch sehr froh, dass ich diese drei verschiedenen Versionen der Bekehrung des Saulus unter einen Hut bekomme…

Saulus aber schnaubte noch drohend und mordend wider die Jünger des Herrn, ging zum Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit, wenn er etliche Anhänger des Weges fände, Männer und Frauen, er sie gebunden nach Jerusalem führte. Auf der Reise aber begab es sich, als er sich der Stadt Damaskus näherte, daß ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Und als er zur Erde fiel, hörte er eine Stimme, die zu ihm sprach: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sagte: Wer bist du, Herr? Der aber sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Es wird dir schwer werden, wider den Stachel auszuschlagen! – Apostelgeschichte 9,1-5

Die Bekehrungsgeschichte des Saulus hat immer schon einige theologische Fragen aufgeworfen. Das liegt in erster Linie daran, dass von ihr drei Versionen in der Apostelgeschichte zu finden sind: Apostelgeschichte 9, 22 und 26, und dass sich diese Geschichten scheinbar widersprechen.

Aber schon auf den ersten Blick ist es eine der faszinierendsten Geschichten überhaupt in der Bibel, die davon berichten, wie ein Mensch Christ wird. Saulus war ein berühmter religiöser Mann. Er war ein hochstehender und bekannter Pharisäer, wie er im Buche steht: hart, selbstgerecht und fanatisch. Als das Christentum aufkam, gab es für die Juden nur ein Gebot der Stunde: die neue Sekte musste ausgerottet werden. Einer von denen, die das frühe Christentum mit grosser Leidenschaft bekämpften, war der Pharisäer Saulus.
Es ist immer wieder erschreckend, wie blind und mitleidlos religiöser Fanatismus machen kann. In Saulus erfüllte sich die Prophezeihung, die Jesus seinen Jüngern in Matthäus 10,17 gab: Hütet euch aber vor den Menschen! Denn sie werden euch den Gerichten überliefern, und in ihren Synagogen werden sie euch geißeln.
Saulus war einer von denen, die aufrichtig glaubten, Gott einen Gefallen zu tun, indem sie Christen aufspürten, verhafteten und – falls möglich – töteten. Als Stephanus als erster christlicher Märtyrer starb (Apostelgeschichte 7), stand Saulus dabei, bewachte die Kleider derer, die Stephanus steinigten und hatte seinen pervers-frommen Spass an der Sache (Apostelgeschichte 7,58 und 8,1). Saulus machte seinen blutigen Job so gut, dass man ihn schliesslich aussandte, auch in anderen Teilen des Landes aufzuräumen, nachdem in Jerusalem eine ausgemachte Christenverfolgung losging. Und so kam es, dass er mit Briefen und Vollmachten ausgestattet nach Damaskus aufbrach.

Es sollte seine letzte Reise als jüdischer Inquisitor sein; Saulus kam nicht von ihr zurück. Während er noch auf dem Weg war, erschien ihm Jesus und veränderte sein Leben so total, dass vom alten Saulus nichts mehr übrigblieb und er sogar seinen Namen in Paulus änderte. Aus dem berüchtigten Christenverfolger wurde einer der berühmtesten Apostel Jesu. Die Wandlung war so vollkommen, dass uns bis heute eine Redensart davon geblieben ist: vom Saulus zum Paulus wird jemand, dessen Leben und Charakter sich total verändern.
Sehen wir uns im folgenden die dramatischen Ereignisse ein wenig näher an, die zu dieser Wandlung geführt haben, denn ich meine, dass sich hier einiges über das Wesen göttlicher Offenbarung lernen lässt.

:Gottes Offenbarung ist persönlich

Saulus war nicht alleine nach Damaskus unterwegs, er reiste mit einer Karawane Gleichgesinnter, die natürlich auch etwas von dem mitbekamen, was ihrem Anführer passierte. In der ersten Darstellung der Ereignisse heisst es: Die Männer aber, die mit ihm reisten, standen sprachlos da, indem sie zwar die Stimme hörten, aber niemand sahen. – Apostelgeschichte 9,7.
Die zweite Darstellung scheint dieser ersten zu widersprechen: Meine Begleiter aber sahen zwar das Licht und wurden voll Furcht, aber die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht. –Apostelgeschichte 22,9. Die Erklärung liefert die dritte Version, in der Paulus sagte, dass die Stimme mit ihm in hebräischer Sprache redete (Apostelgeschichte 26,14). Hebräisch war zur Zeit des Paulus fast eine tote Sprache, ähnlich wie heute Latein, die nur von wenigen gesprochen wurde. Paulus gehörte zu den wenigen, die Hebräisch konnten (siehe Apostelgeschichte 22,1). Seine Begleiter konnten kein Hebräisch und verstanden die Stimme deshalb nicht.
Dass Apostelgeschichte 22,9 so übersetzt wird, dass es so klingt, als ob seine Begleiter die Stimme gar nicht gehört hätten scheint mir ein wenig unglücklich. Das griechische Wort kann, genauso wie das deutsche „verstehen“, beides bedeuten: hören und begreifen. Was passiert war, ist eigentlich klar: die Begleiter haben zwar die Stimme gehört, aber nicht verstanden.

Ist das nicht seltsam? Mehrere Männer machen sich auf, aber Gott begegnet nur einem von ihnen, die anderen verstehen seine Stimme nicht. Aber so ist eben die Offenbarung Gottes: sie ist persönlich. Gott spricht meistens nicht ganze Gruppen und Völker an, er spricht zu einzelnen Menschen.
Jeder Mensch befindet sich im Zentrum der Aufmerksamkeit Gottes.
Nehmen wir zum Beispiel die Heilung der blutflüssigen Frau, wie Markus (5,24-37) sie berichtet. Jesus und seine Jünger waren unterwegs zu einem Wunder. Ein Synagogenvorsteher namens Jaïrus hatte Jesus gebeten, seine todkranke Tochter zu heilen, und sie waren auf dem Weg zu seinem Haus. Jesus war in einer Menschenmenge, und mitten in dem Gedränge und Geschiebe berührte eine kranke Frau den Saum seines Gewandes, also sozusagen das Bündchen seiner Hose. Durch diese einfache, vertrauensvolle Berührung wurde diese Frau geheilt – und Jesus spürte das! Jesus aber, der an sich selbst bemerkt hatte, daß eine Kraft von ihm ausgegangen war, wandte sich alsbald unter dem Volke um und sprach: Wer hat meine Kleider angerührt? (Vers 30). Die Jünger verstehen nicht einmal die Frage: Da sprachen seine Jünger zu ihm: Du siehst, wie das Volk dich drängt, und sprichst: Wer hat mich angerührt? (Vers 31). Für die Jünger Jesu war es eine Frau unter vielen, aber für Jesus war sie etwas Besonderes.

Die Offenbarung Gottes reisst uns aus der Anonymität der grauen Masse heraus. Auf einmal spüren wir, dass wir im Zentrum der Aufmerksamkeit Jesu sind. Ebenso, wie Gott aus dieser Reisegruppe Saulus hinauspickte und ihm eine Offenbarung schenkte, die keinem seiner Begleiter zuteil wurde, ebenso wie Jesus sich Zeit nahm für die Frau in der Menge, ebenso nimmt sich Gott für jeden von uns Zeit. Die Offenbarung Gottes ist nicht irgendeine Massenhysterie oder ein gehyptes Gottesdienstphänomen. Sie ist im Gegenteil das, was uns aus der Masse aussondert und alleine vor unseren Schöpfer treten lässt.

::Gottes Offenbarung lässt Gott selbst im Dunkel

Nachdem Saulus die Vision gehabt hat, war er blind. Er konnte erst wieder sehen, als ein Jünger namens Hananias in Jerusalem für ihn gebetet hatte. Eigentlich erscheint es fast ein wenig paradox, dass man von einer Vision blind werden kann, aber Gottes Licht war eben so hell, dass es Paulus im wörtlichen Sinne geblendet hat.
Etwa dreissig Jahre später schrieb Paulus seinem Schüler Timotheus über dieses Licht und er sagt ihm, dass Gott in einem unzugänglichen Lichte wohnt und kein Mensch ihn je gesehen hat noch sehen kann; (1.Timotheus 6,16). Das Licht, das Paulus und seine Begleiter gesehen haben und dass den eifernden Pharisäer so nachhaltig geblendet hat, war also schon von Gott, aber es war nicht Gott selber, sondern eher Gottes Wohnung. Die Briefe an Timotheus gehören zu den letzten, die Paulus in seinem Leben geschrieben hat. Manche Historiker gehen davon aus, dass sie aus seinem letzten Lebensjahr stammen. Das, was Paulus hier über Gott schreibt, kann also sozusagen als die Quintessenz seines Lebens mit Gott angesehen werden. Es erscheint schon seltsam, dass jemand, der Jahrzehnte mit Jesus gelebt und in dieser Zeit Wunder über Wunder erlebt hat, der das ganze Leben in seinen Höhen und Tiefen mit Gott gelebt hat und fast schon unvorstellbare Visionen hatte, am Ende zu dem Schluss kommt, dass man Gott nicht sehen kann.
Dennoch ist es so. Man kann etwas von Gott spüren, ihn hören und empfinden, aber letztlich bleibt er ein Rätsel. Im Herrn der Ringe sagt Gandalf: „Ihr Hobbits seid schon ein seltsames Volk, in einem Monat kann man alles Wissenswerte über euch lernen…“. Manchmal gehen wir mit Gott genauso um. Nachdem wir einen Glaubensgrundkurs gemacht und die Bibel einmal durchgelesen haben, meinen wir, alles Wichtige über Gott und das Leben mit ihm zu wissen. Für diejenigen, die es ganz genau wissen wollen, gibt es dann noch Bibelschulen und Seminare, in denen man in drei-, fünf- oder siebenjähriger Ausbildung auch noch das über Gott lernen kann, das gar nicht wissenswert ist. Wenn man dann fertig ist, hat man unter Umständen sogar einen „Master of Divinity“ und die trügerische Gewissheit, jetzt aber wirklich alles zu wissen und jede wichtige Frage beantworten zu können.
Aber natürlich ist das Quatsch. Menschen, mit denen wir ein Leben verbracht haben, können uns noch überraschen, und wir wundern uns nicht weiter darüber. Wieviel rätselhafter als ein Mensch ist Gott? Er lässt sich nicht in ein Schema pressen und mit zwei, drei Schlagworten treffend beschreiben. Gott ist grösser als alles, was wir von ihm sehen, hören und spüren.

So hoch der Himmel über der Erde ist, so viel höher sind meine Wege als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. – Jesaja 55,9

Je näher wir diesem Gott kommen, um so unbekannter scheint er zu werden. Je näher wir seinem Licht kommen, um so mehr werden wir von ihm geblendet. Ebenso wie der Wind uns so stark ins Gesicht wehen kann, dass es uns den Atem verschlägt, kann Gottes Licht so hell sein, dass wir davon geblendet werden.
Letzten Endes reicht ein Leben nicht aus, um Gott kennenzulernen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir im Himmel alle noch einiges zu entdecken haben und überrascht sein werden, wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht so sehen, wie er wirklich ist.

Früher dachte ich, dass ich einiges wissen würde über Gott, und natürlich hatte ich die Antworten auf alle grosse Fragen, die uns Menschen bewegen. Aber je näher ich Jesu komme, um so geheimnisvoller wird er mir. Was gut daran ist, ist dass mit jeder vorschnellen Antwort, die mir wie Sand durch die Finger rinnt, mein Vertrauen in den grossen, unfassbaren Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, wächst. Je grösser Gott wird, und um so weniger er sich in eine Form pressen lässt, um so tiefer wird auch das Staunen und die Anbetung.

:::Gottes Offenbarung kann man nicht weitergeben

Ein letztes Merkmal göttlicher Offenbarung folgt aus dem Vorangegangenen: man kann über die Erfahrungen schlecht reden. Die Begleiter des Saulus haben das Licht gesehen, das auf einmal um ihn herum strahlte, sie haben die Stimme gehört, auch wenn sie die Worte nicht verstanden haben. Vermutlich wird Saulus ihnen auf dem weiteren Weg auch erzählt haben, was er gehört hat und auf jeden Fall haben sie gesehen, dass Saulus blind und verwirrt war.
Trotzdem haben sie Jesus nicht angenommen und sind von ihrer Reise nicht so verändert zurückgekehrt wie Paulus.

Manchmal hat mich das fast wahnsinnig gemacht. Gott hat so viel in meinem Leben getan und Freunde und Bekannte haben das auch durchaus gesehen. Trotzdem hat kaum jemand die Konsequenz daraus gezogen und Gott angenommen. Warum nicht? Weil es eben nicht ihre Offenbarung war. Man kann den Effekt, den Gott auf ein Leben hat, sehen, ohne deshalb an Gott glauben zu müssen. Gott hat keine Enkelkinder; jeder muss selber angesprochen werden und ihn erfahren.
Es ist ohnehin schon ausserordentlich schwer, über Erfahrungen, die man mit Gott macht zu reden; vieles ist mit fast nichts zu vergleichen; man redet oft mit Heiden über Gott, wie man mit einem Blinden über die Farbe redet. Natürlich ist es trotzdem gut und richtig darüber zu reden, was wir mit Gott erleben, aber es bleibt immer übernatürlich, wenn jemand versteht, was wir sagen

Für Theologen
Hier noch einmal die drei – angeblich widersprüchlichen – Versionen auf einen Blick und eine mögliche Auflösung des Rätsels:

1.Version: Apostelgeschichte 9
Apg 9,7 Die Männer aber, die mit ihm reisten, standen sprachlos da, indem sie zwar die Stimme hörten, aber niemand sahen.
8 Da stand Saulus von der Erde auf; aber obgleich seine Augen geöffnet waren, sah er nichts. Sie leiteten ihn aber an der Hand und führten ihn nach Damaskus.

Die Männer bei Paulus hörten, die Stimme, sahen aber niemanden. Paulus sieht aber auch niemanden (Vers 9). Niemand bezieht sich also auf den Sprecher, nicht darauf, dass die Begleiter das Licht nicht gesehen hätten. Denn dann hätte auch Paulus das Licht nicht gesehen.

>>> Alle haben das Licht gesehen und die Stimme gehört, aber niemand hat den Sprecher gesehen.

2.Version: Apostelgeschichte 22
Apg 22,9 Meine Begleiter aber sahen zwar das Licht und wurden voll Furcht, aber die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht.

Die Begleiter sehen das Licht, das passt zu Apg. 9. Das sie die Stimme nicht hörten ist ein scheinbarer Widerspruch. Tatsächlich kann aber AKOUW (avkou,w), gerade wenn es mit Akkusativ steht, auch mit verstehen übersetzt werden. Da die Stimme hebräisch mit Saulus sprach (s.u.) und er der einzige in der Karawane war, der die Sprache konnte (hebräisch war zu der Zeit eine sterbende Sprache und es war etwas Besonderes, dass Paulus hebräisch konnte ? Apg 22,1), hörten die anderen zwar die Stimme, verstanden sie aber nicht.

>>> Alle haben das Licht gesehen und die Stimme gehört, aber nur Paulus hat verstanden, was die Stimme sagte – es war eben seine Offenbarung.

3.Version Apostelgeschichte 26
Apg 26,13 sah ich mitten am Tage auf dem Wege, o König, vom Himmel her ein Licht, heller als der Sonne Glanz, welches mich und meine Reisegefährten umleuchtete.
14 Und da wir alle zur Erde fielen, hörte ich eine Stimme in hebräischer Sprache zu mir sagen: Saul, Saul! was verfolgst du mich? Es wird dir schwer werden, gegen den Stachel auszuschlagen!

Es wird nichts über die Begleiter gesagt, aber die Geschichte wird um zwei wichtige Details erweitert: 1.) Das Licht war definitiv übernatürlich.
2.) Die Stimme sprach hebräisch, was für das Verständnis der 2. Version wichtig ist.

Impressum etc.
© bitte kopieren und weitergeben. copyright wird generell nicht erhoben.
verantwortlich für den Inhalt: storch. Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
? Bibelzitate nach der 1951er Schlachterübersetzung
? mehr Theologie der Jesus Freaks Remscheid im Internet: www.theologie.jfrs.de
? zu diesem Handout gibt es eine Predigtkassette. Auch als mp3 im Internet
? Das Bild: http://www.bibelsajten.nu/atillo/paulus.htm

[AudioPredigt zu diesem Handout]
[Handout als .pdf]

Seite 147 von 217« Erste...102030...145146147148149...160170180...Letzte »