Bereits zu Zeiten des bekannten Kirchenvaters Tertullian, der von 160-220 lebte, begann die Kirche zu erstarren und ihre Kraft zu verlieren. Er schloss sich deshalb der Bewegung der Montanisten an, einer Gruppe, in der die Charismen besser bewahrt wurden als im Rest der Kirche.
Tertullian hat selber Heilungen erlebt. Er berichtet z.B. die Heilung von Kaiser (?) Severin, der geheilt wurde nachdem der Christ Proculus für ihn gebetet hatte.
Bereits im dritten Jahrhundert muss die Kraft der Kirche deutlich im Schwinden gewesen sein. Origenes (ca. 235 gestorben) schrieb zwar noch von vielen wunderbaren Heilungen und Befreiungen, wies zugleich aber auch auf das Abnehmen der Wundergaben hin. Die Entwicklung geschah zwar vermutlich schleichend, muss aber wohl für jemanden mit wachen Sinnen und guter Beobachtungsgabe wahrnehmbar gewesen sein.
Ungefähr in derselben Zeit schrieb Cyprian von Karthago (ca.200-258) darüber, dass die Kraft der Kirche durch die Sünden der Christen geschwächt würde. Diese Aussage bezieht sich zwar auf die ganze Kraft der Kirche, aber darin inbegriffen ist selbstverständlich auch die Kraft der Heilung.
Auch im vierten Jahrhundert waren Heilungen noch keine Seltenheit. Der Ansatz scheint ganzheitlicher geworden zu sein, so gründete Basileus von Cäsarea, einer der „drei Kappadokier“, Kirchenvätern aus Kappadokien, Krankenhäuser und nannte die Heilkunde eine Gabe Gottes. Er erlebte aber, ebenso wie die beiden anderen, Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz, auch übernatürliche Heilungen. Heilung und Befreiung nahm im Dienst der Kappadokier einen großen Raum ein.
Ungefähr zur gleichen Zeit berichtet Athanasius von Alexanrien (357) über den Klausner Antonius dessen Ansiedlung ein Zentrum für Seelsorge, Heilung und Befreiung war. Auch Johannes Chrysostomus (386/387) bezeugte in Antiochien viele Wunderheilungen.
Um 300 herum taucht allerdings eine interessante Prophetie auf. Lactantius warnte dass das Christentum seine Kraft zum heilen nur bewahren kann „solange Friede unter dem Volk Gottes herrscht“ (Institutiones Divinae V, 22). Dieser Friede hielt nicht mehr lange an und spätestens im vierten Jahrhundert kommt es zu immer mehr Vermischungen und Verwässerungen der Lehre, verbunden mit Spannungen durch einen unvorhersehbaren Masseneintritt in die Kirche.
Ende des vierten Jahrhunderts scheinen die Dinge aber langsam in eine gewisse Schieflage zu geraten. Die Pseudochristianisierung während des römischen Reiches war ein echter Schlag gegen den Heilungsdienst. Auch wenn einer der Auslöser der Einführung des Christentums als Staatsreligion eine Heilung war, setzte mit der Einführung doch eine zunehmende Säkularisierung ein. Durch die Anerkennung als Staatsreligion kam es zu einem Masseneintritt von Ungläubigen, die sich nicht vorher bekehrt hatten. Das schwächte die Kirche von innen. Auch wenn die Wunder auch nicht sofort aufhörten, war der Stern des Übernatürlichen doch im Sinken begriffen. Es kam zu einer zunehmenden Vermischung des christlichen Heilungsglaubens mit heidnischen Elementen und Reliquienzauberei.
Ambrosius ist der erste überlieferte, der Endes des vierten Jahrhunderts Reliquien für Befreiungsdienste benutzte. Immerhin zeigt das, dass die Kirche sich ihres Auftrages noch grob bewusst war, es zeigt aber auch, dass man im Bereich der Heilung immer mehr vom Glauben abrutschte und mehr auf rituelle Elemente setzte.
Heilungen müssen zu dieser Zeit schon sehr viel seltener geworden sein, denn Augustinus (354-430), behauptete in seinen früheren Schriften, dass Christen keine Fortsetzung der Heilungsgabe erwarten dürfen. Gegen Ende seines Lebens stellte er jedoch fest, dass sich auch in seiner Zeit noch eine Menge Wunder ereigneten. Offenbar musste man aber, wie auch heute, schon etwas genauer hinsehen und recherchieren.
Eines Tages wurde mir bewusst, wie viele Wunder in unserer eigenen Zeit stattfanden, die so sehr den Wundern von früher glichen, und auch, wie verkehrt es sein würde, diese Glanzlichter göttlicher Kraft unter uns Menschen zunichte werden zu lassen. Erst zwei Jahre ist es her, dass man hier in Hippo mit dem Registrieren begann, und während ich dieses schreibe, haben wir jetzt bereits siebzig aufgezeichnete Wunder. (De Civitates Die XXII, VIII)
Augustinus selbst hat Kranken die Hände aufgelegt und auf seinem Sterbebett noch einen Kranken geheilt, der zu ihm gebracht wurde. In einer Gebetszusammenkunft wurde ein Rechtsanwalt geheilt, nachdem der Kirchenvater gebetet hatte: ‚Herr, welche Gebete deiner Kinder wirst du erhören, wenn Du dieses Gebet nicht erhörst?’ (Ouweneel 37)
Etwa im Jahre 500 schrieb ein anderer bedeutender Kirchenlehrer mit Namen Hippolyt die „Canones“ (hier gehen Quellen auseinander, eventuell hat es zwei Hippolyte gegeben, jedenfalls lebte auch einer im dritten Jahrhundert). Dieses Buch wirft ein interessantes Licht auf Jakobus 5,14, denn Hippolyt nennt die Gabe der Heilung eine Empfehlung für das Bischofsamt. Bei der Weihe eines Bischofs wurde dafür gebetet, dass er besondere heilende und Dämonen austreibende Kraft (heute würde man wahrscheinlich „Salbung“ sagen) empfangen möge („das Vermögen, alle Krankheiten zu heilen“).
Offenbar haben sich zu seinen Zeiten die Dinge schon sehr vermischt und es standen echte Heilungsbewegungen ritueller Erstarrung gegenüber.
Wenn Jakobus schreibt, dass Kranke zu den Ältesten gehen sollen um von diesen zur Heilung gesalbt zu werden mag das darauf hinweisen, dass es das Kriterium, von dem Hippolyt hier schreibt, schon zur Zeit des NT gegeben hat und dass schon damals geschaut wurde ob ein Gemeindeleiter Gottes Kraft in seinem Leben ausweisen kann. Ich vermute, dass das Christentum in Deutschland anders aussehen würde wenn Pfarrer neben einem theologischen Abschluss auch Kraft nachweisen müssten!
Noch zu Beginn des sechsten Jahrhunderts schrieb Cäsarius von Arles (ca.470-542): „Seht Brüder, wer sich bei Krankheit an die Kirche wendet, wird die Heilung des Leibes empfangen und die Vergebung der Sünden.“ Noch kamen Menschen mit Nöten zur Kirche. Die Kirche hatte noch etwas mit dem Leben der Menschen zu tun und hatte sich noch nicht ganz so weit in die Seltsamkeit zurückgezogen wie heute.
Das Konzil von Cabillo (813) sprach noch von der Krankensalbung (die schon dabei war zur Sterbesalbung der letzten Ölung zu werden. Der Begriff extrem unctio wurde aber erst ab 1150 benutzt) als von einer Salbung, „wodurch die Übel von Seele und Körper geheilt werden“. Das Konzil von Finico (850) sagte über die Krankensalbung: „…und die Sünden werden vergeben und das leibliche Wohl wird wiederhergestellt.“
Die Mutation der Krankensalbung zur Sterbendensalbung – und damit die völlige Umdeutung von Jakobus 5! – stellt einen weiteren schweren Schlag gegen den Heilungsdienst der Kirche dar. „Sie [die Krankensalbung] war also nicht länger auf Vertreibung der Krankheit ausgerichtet, sondern auf das Nachgeben gegenüber der Krankheit.“ (Ouweneel 37)
Der dritte Schlag kam dann im sechsten Jahrhundert als sich Boethius’ Buch „der Trost der Philosophie“ (524) zunehmend durchsetzte und damit den Grund legte für ein Christentum das dem Leiden gegenüber positiv eingestellt war und mehr auf Werte griechischer Philosophie aufbaute als auf das Evangelium.
Gegen diese Philosophie kämpfen wir immer noch. Heute stellt sie sich hauptsächlich darin dar, dass man sich Krankheit als etwa denkt das von Gott kommt und eines seiner Mittel ist unseren Charakter zu formen und zu bessern. Gottlob lässt sich ein heidnisch-philosophischer Eintrittspunkt feststellen; neutestamentlich ist das nicht! Der Gedanke wurde besonders durch Papst Gregor den Grossen (ca.600) mächtig propagiert.
Martin Luther (1483-1546), der immer etwas zwischen verschiedenen Ansichten über Heilung herumeierte, erlebte 1540 die Heilung von Melanchton (1497-1560) durch Gebet. Seine Art zu beten ist dabei ein altertümliches Beispiel für glaubensbewegtes Gebet: er „warf Gott die Sache vor die Tür, mit allen Verheissungen von Gebetserhörungen die ich in der Schrift zu finden wusste.“ „Da musste Gott mir bezahlen“.
Überhaupt betete Luther regelmässig unter Handauflegung für Kranke. Ein Lutherzitat, das Ouweneel anbringt möchte ich Euch nicht vorenthalten. Es klingt allzu modern in seiner Theologie:
„Wo gibt es in der heutigen Praxis der letzten Ölung das Gebet des Glaubens? Wer betet mit dem Kranken mit einem solchen Glauben, dass er nicht zweifelt, dass dieser gesund wird? Es gibt keinen einzigen Zweifel, dass, wenn heute noch ein solches Gebet über einem Kranken stattfände, das heisst ein Gebet durch die ältesten angesehenen und heiligen Männer, dass dann durch vollkommenen Glauben so viele gesund würden, wie wir wollten. Denn was vermag der Glaube nicht?“
Ab der Reformation wird die schiere Zahl der Heilungszeugnisse und –Prediger natürlich immer größer. Dieses Ansteigen hat allerdings weniger etwas mit einer theologischen Zeitenwende zu tun, als mehr mit dem Buchdruck und der einfacheren Verfügbarkeit von Büchern. Ein signifikantes Ansteigen des Heilungsdienstes und eine Wiederentdeckung der Theologie der alten Kirche gibt es erst wieder ab dem zwanzigsten Jahrhundert.
PS: ich suche gerade alles, was mit Heilungen in der Kirchengeschichte zu tun hat. Alle möglichen Bücher, aber noch lieber Internetquellen. Kennt jemand was, oder hat schon jemand etwas Recherche in dem Bereich unternommen und könnte mir damit aushelfen?
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