25. Juli 2009 8
Walter Jens – Römerbrief 27 – Kapitel 15.1
Das Kapitel beginnt mit dem Gedanken mit dem das vorige aufgehört hat: Verantwortung füreinander und speziell die Schwachen.
Wir aber, die wir stark sind
in Gewissen und Glauben,
haben die Pflicht,
statt nach eigenem Gefallen zu leben
die Schwächen unserer Schwestern und Brüder
zu tragen.
Denn wir sind alle in der Schuld
der Angefochtenen.
Darum stehe jeder von uns
den Nächsten zur Seite,
tue Gutes und fördere so,
die Eintracht seiner Gemeinde.1
Diese Textpassage ist bei Walter Jens zwar recht lang geraten, es sind aber eigentlich nur die ersten beiden Verse des Kapitels. Ich finde diesen Ansatz, so viele Worte zu verwenden wie es nötig ist um den griechischen Sinn wieder zu geben, auf jeden Fall bedenkenswert. Die meisten Übersetzungen arbeiten anders, aber es ist nicht verkehrt, auch eine solche Übersetzung im Regal zu haben.
Ich lese diese Verse von der letzten Zeile her: alles geht um die Eintracht und Förderung der Gemeinde. An dieser Stelle konnte ich dann doch nicht widerstehen und habe in anderen Übersetzungen parallel gelesen. „Gemeinde“ steht nicht in allen Übersetzungen und scheint von daher eine kleinere Lesart oder aus dem Zusammenhang geschlossen zu sein (ich habe mir die Textkritik der Stelle nicht angeschaut). „Seine Gemeinde“ ist definitiv eine auslegende Einfügung des Übersetzers.
Mir fiel das besonders deswegen auf, weil ich zur paulinischen Leibtheologie immer eine Frage habe: welchen Leib meint er? Den universalen Leib Christi, den alle Gläubigen weltweit ausmachen? Oder die Ortsgemeinde? Die Frage ist wichtig und hat einige praktische Implikationen. Wenn Paulus von der Ortsgemeinde spricht gehe ich nach 1.Korinther davon aus, dass alle Gaben potentiell in jeder Ortsgemeinde angelegt sind. Wenn er vom „großen Leib Christi“ spricht muss das nicht so sein. Anders gefragt: tut die Ortsgemeinde die Taten Christi oder der Gesamtleib. An der Frage kann man wirklich ins Philosophieren geraten und je nachdem wie man sie beantwortet kann man dahin kommen die seltsamsten Konzepte zu verteidigen – aber das wäre ein anderes Thema 🙂
Jens entscheidet sich klar für die Ortsgemeinde und ich bin seiner Meinung. Das Konzept des weltweiten Leibes kam erst viel später. Im ersten Jahrhundert dachte man lokal, nicht global. Das Possessivpronomen ist der Lebenswirklicheit heutiger Gläubiger geschuldet. Im ersten Jahrhundert hätte es keinen Sinn ergeben, denn es gab einfach nur die eine Gemeinde in Rom. Heute, wo es in jedem Dorf zwei Kirchen und eine Gemeinde gibt, muss man schon sagen, dass jeder erst einmal zur Erbauung „seiner Gemeinde“ beitragen soll.
Wieder spricht Paulus von der Haltung der Starken gegenüber den Schwachen. Er vertritt damit ein Gemeindekonzept, das dem heutigen widerspricht. Uns geht es oft darum, selber im Glauben zu wachsen – wir verstehen den Glauben von der Individualität her. Paulus versteht ihn von der Gemeinschaft her und zeigt, dass es effektiver sein kann, einen Leib zu erbauen, als nur sich selbst.
Tatsächlich wäre es oft einfacher, anderen zu helfen das zu ergreifen, was wir bereits haben, als selber weiter zu kommen. So würde eine ganze Gemeinde in der Erkenntnis Christi wachsen und davon hat man auch wieder selber etwas. Im Grunde ist es keine gute Sache wenn es geistlich fitte Leute gibt, die nicht in andere hinein investieren. man kann sagen, dass wir auf Kosten anderer wachsen wenn wir nicht bereit sind weiter zu geben. (ich weiß, das ist ein harter Gedanke.)
Die Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied und wenn wir nur in uns selber und unsere Stärke investieren kann es sein, dass unser Leib eher schwächer als stärker wird.
Ich halte diese Aussagen für so kontrovers und inspirierend, dass ich hier einen Schnitt machen und die anderen Verse in einem separaten Post behandele.
- Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 70–71 [↩]
Björne. schrieb am
25. Juli 2009 um 09:44Meinst du es geht dann im weiteren eben für die Gruppe/Gemeinde,
somit auch um Transformation?
Zitat: Harald Sommerfeld – (ueber Facebook Chat).
(…) „kurz gesagt: wenn das Evangelium und das Handeln
der Christen sich so auswiken, dass nicht nur einzelne
Menschen verändert werden, sondern ganze Gruppen
oder Orte, dann nennen wir das heute Transformation.“
Zitat: Tobias Faix – (ueber Chat, Blog & Email Kontakt).
Gesellschaftstransformation beschreibt Veränderungsprozesse, die aus einer Integration von Mission und sozialem Wandel erwachsen. Diese ganzheitlichen Prozesse zeigen sich im Wachstum von Gerechtigkeit und zielen auf ein ganzheitliches Heil (Schalom) ab. Gesellschaftstransformation bewirkt somit eine missionale Gestaltung von Christsein und christlichen Gemeinden, in der sich verändernden Wirklichkeit dieser Welt. Theologisch beschreibt Gesellschaftstransformation die inkarnatorische Dimension von Liebe und Tat im ganzheitlichen Prozess der Transformation im jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext. (…)
http://toby-faix.blogspot.com/2007/08/gesellschaftstransformation-part-5.html
Würde mich freuen zu dem Thema Transformation auch einmal etwas auf deinem Blog zu lesen. Das Thema beschäftigt mich gerade
im Zusammenhang auf Gemeinde wirklich sehr.
Lieben Gruss
Björne
storch schrieb am
25. Juli 2009 um 09:48nicht wirklich mein thema, von daher wirst du hier nicht so schnell was darüber lesen. – schuster, bleib bei deinen leisten!
Björne. schrieb am
25. Juli 2009 um 09:53Yes Sir! I know! But we can pray!
Sehen uns Freakstock!
Lieben Gruss
Björne
Norbi schrieb am
25. Juli 2009 um 10:55@ Björne ich kann dir da Martin Scott empfehlen, der hat ein Buch drüber geschrieben und hat auch einen Blog, das Buch ist wirklich sehr gut, ich hab es schon gelesen.
http://3generations.eu/blog/?s=transformation
und das buch: http://www.grain-press.de/index.php?option=com_content&task=view&id=19&Itemid=1
Optimizer schrieb am
25. Juli 2009 um 11:02„Im Grunde ist es keine gute Sache wenn es geistlich fitte Leute gibt, die nicht in andere hinein investieren. man kann sagen, dass wir auf Kosten anderer wachsen wenn wir nicht bereit sind weiter zu geben. (ich weiß, das ist ein harter Gedanke.)
Die Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied und wenn wir nur in uns selber und unsere Stärke investieren kann es sein, dass unser Leib eher schwächer als stärker wird.“
Nachdem ich den Blog auf Martin´s Seite zum Thema WuG gelesen habe, und dort vor allem die Einträge von „Ine“(kenn ich selber nicht) bei mir für eine gewisse Erschütterung gesorgt haben,würde ich Deinen letzten Satz FETT unterstreichen. Irgendwie bin ich in diesem Verständnis groß geworden, nachdem ich mich mit 21 bekehrt hatte(geworden bin-je nach Ansicht).Für mich war klar-Christen sind immer auf das DU ausgerichtet-zuerst in ihrer Gottesbeziehung und dann gleichwertig in und außerhalb der Gemeinde. Jesus ist da sehr einfach…“du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“(Matth. 22,39)(das gilt ja auch für Geschwister;-)
Wesentlich scheint mir zu sein, das Gemeinde im NT-Verständnis kein Haufen von Ich-AG´s ist,wo jeder nach seinen eigenen Vorteil sucht und nebenher die Vorteile von Gemeinde noch abgreift- weder JESUS noch Paulus lassen da Interpretationsspielraum.
Bsp.:
WAndelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander in Liebe ertragend.BEfleißigt euch, die Einheit des Geistes zu wahren, durch das BAnd des Friedens….
…Und er hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten, andere als Evangelisten, andrer als Hirten und Lehrer ZUR AUSRÜSTUNG DER HEILIGEN FÜR DAS WERK DES DIENSTES, FÜR DIE ERBAUUNG DES LEIBES CHRISTI,BIS WIR ALLE HINGELANGEN ZUR EINHEIT DES GLAUBENS UND DER ERKENNTNIS DES SOHNES GOTTES, ZUR VOLLEN MANNESREIFE, ZUM VOLLMAß DES WUCHSES DER FÜLLE CHRISTI.(Eph. 4,2/3;11/13)
Hier wurden die Ämter also „zweckgebunden“ gegeben-der Zweck ist immer das „Wohlergehen“ des Anderen…da kommen wir nicht drum rum…und das ist sehr gut so.
In meinem Leben haben mich die Menschen am meisten geprägt, die auch im Bezug auf meine Person sich voll investiert haben.Obwohl sie vielleicht geistlich schon „auf dem Wasser gehen konnten“,sind sie bei mir im Walfischbauch vorbeigekommen-auf Augenhöhe und haben mich so überzeugt.
Diese starke Betonung auf „individuell-aber schnell“ (auch in Gemeinden) ist für mich eine Zielverfehlung.Bei Jesus heißt es eben, „deinen Nächsten wie dich selbst“.Es ist wichtig sich selbst zu lieben-aber da gibt es eben noch einen anderen Teil des Satzes. Auf Betonung kommt es an…
Spitzenthema!THX!!
Optimizer schrieb am
25. Juli 2009 um 11:24KLar, Jesus hat nicht in dem Sinne zum Thema Gemeinde gesprochen, aber ja durchaus fundamentale Aussagen zur Beziehung von Menschen gemacht…die hab ich jetzt einfach mal in das Gemeindethema mit reingeballert…dort gibt es ja auch Menschen…
storch schrieb am
25. Juli 2009 um 13:20ich denke schon, dass man diese aussagen auch auf gemeinde anwendwn kann. wenn jeder das beiträgt, was er hat und anderen weiter hilft, dann kommt am ende was gutes bei rum!
und: lass dich nicht zu sehr erschüttern. man kann immer dinge so oder auch ganz anders sehen oder empfinden.
Optimizer schrieb am
25. Juli 2009 um 14:55und: lass dich nicht zu sehr erschüttern. man kann immer dinge so oder auch ganz anders sehen oder empfinden.
Auweh, habe die Einträge eben nochmal überflogen, und festgestellt, dass sie dich mehrmals persönlich angreift…hatte ich komplett ignoriert.Darum ging es mir nicht, mir geht es eher darum, das ich glaube, das sie eventuell u.a. jemanden gebraucht hätte, der in diesem Sinne handelt.(Die Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied und wenn wir nur in uns selber und unsere Stärke investieren kann es sein, dass unser Leib eher schwächer als stärker wird.)Denn sie klingt eher unentspannt und kommt zu einer negativen Einschätzung der Freaks.
Und davon gibt es natürlich ne Menge Leutz in verschiedenen Denominationen und Konfessionen…und ein Weg diesem Problem vorzubeugen, wäre:“…zu helfen, dass zu ergreifen was wir haben…“
Also, da hab ich wohl ein blödes Beispiel gewählt…
Themawechsel: Eine Gemeinde(Gemeinschaft) ist nur so stark wie das schwächste Glied….richtig. Genauso richtig ist die Schlußfolgerund als Starker dem Schwachen zu dienen.
Die Herausforderung sehe ich praktisch in Art und DAUER.
Jeder kennt das.
Bsp: HAuskreis
Wir hatten in einem Hauskreis eine Frau, die extreeeeme Probleme mit ihrem Selbstwert hatte und von Selbstmitleid aufgefressen wurde…ungute Mischung. In NAhezu jedem Hauskreis war es ein Kampf für die Gruppe, die Geduld zu behalten, da sie zu dem o.g. Problemen noch ein starkes Redebedürfnis hatte und auch zeittechnisch den gemeinsamen Rahmen sprengte…alles (fast) hat sich zwangsläufig nur noch um sie gedreht…da wurde aus der Schwachen in negativer Art eine Starke.Da muß man wohl praktisch Grenzen ziehen…