also manchmal könnte ich mich ja glatt ärgern. ich höre gerne predigten von andrew wommack, wirlich toller mann, seine predigten bringen mir extrem viel und gelegentlich fliesst auch was von seinen predigten in meine ein. so sollte es auch neulich sein: ich habe eine geniale predigt von ihm gehört über (unter anderem) römer 1,21: „Because that, when they knew God, they glorified him not as God, neither were thankful; but became vain in their imaginations, and their foolish heart was darkened.“
es ging also um „imaginations“ and how to use them. eine wirklich gute predigt, die ich prompt auch halten wollte – und dann feststellen musste, dass das nicht geht.

KEINE mir bekannte deutsche bibelübersetzung schreibt etwas in die richtung von „vorstellung“. sie sagen alle „überlegungen“, „denken“, „gedanken“. seltsam. dann habe ich ins griechische reingeschaut: nestle-aland und textus receptus haben beide dialogismoi/j (dialogismois). ich habe noch ein wenig weiter geschaut und habe noch zwei weitere stellen im NT gefunden, in denen die KJV „imagination/s“ übersetzt. alle drei stellen haben unterschiedliche griechische worte: lukas 1,51: dianoi,a| (dianoia); römer 1,21: dialogismoi/j (dialogismois) und 2.korinther 10,5: logismou,j (logismous, wobei das wort bei NA ganz fehlt).

also wurden drei verschiedene worte, die alle etwas mit dem verstand zu tun haben, mit imagination übersetzt. warum nur an diesen drei stellen? alle worte tauchen auch an anderen stellen auf. ich finde diese übersetzung wirklich immer seltsamer, je mehr ich aus ihr lese. schade, dass sie DIE übersetzung im englischen sprachraum ist….

odysseeauf seinen irrfahrten musste odysseus auch durch die gefährliche meerenge zwischen skylla und charybdis hindurchschiffen:“(bild von)http://www.mythweb.com/odyssey/media/chomp.gif“:. rechts ein strudel, links das monster, verlor er auf einen schlag sechs seiner tapferen kameraden:
unter donnergetöse schlürfte die charybdis die meeresflut ein, so dass man in einen abgrund von schwarzem schlamm hinunterblicken konnte.während wir unsere augen mit starrem entsetzen auf dieses schauspiel richteten und unwillkürlich zur linken auswichen, waren wir der skylla zu nahe gekommen. mit einem einzigen zupacken hatten ihre sechs scheußlichen köpfe sechs meiner tapfersten gefährten von bord weggeschnappt und hoch in die luft emporgerissen. flehentlich schrien sie um hilfe, aber im nächsten augenblick waren sie zermalmt. soviel schreckliches ich auf meinen irrfahrten erdulden musste, nie erlebte ich einen jammervolleren anblick! :“((gustav schwab: „die schönsten sagen des klassischen altertums“, reutlingen o.j. seite 259)“:

ich bin immer ein fan der klassischen sagen gewesen seit mein vater mir gustav schwab, die nibelungen und alle anderen vorgelesen hat. heute habe ich eine illustration der meerenge in einem buch von maturana/varela über die biologischen wurzeln des erkennens gesehen und sofort waren die alten geschichten wieder da.
in der bibel finden sich viele meerengen wie die, in welche odysseus geraten ist. die lehre der bibel vollzieht sich oft in scheinbaren gegensätzen, die wir mit unserem kleinen menschlichen gehirn nicht zusammenbringen können. tatsächlich müssen wir das aber auch gar nicht, denn die biblischen gegensätze stellen leitplanken dar, in die wir gar nicht reinfahren sollen sondern zwischen denen wir bleiben sollen. teilweise werden diese leitplanken seit den anfängen der theologischen diskussion diskutiert – und jedes jahrhundert findet eine andere extremposition ohne jemals eine synthese beider pole zustande zu kriegen.

wir alle bewegen uns zwischen der skylla der freien willens und der charybdis der vorherbestimmung. oder zwischen dem strudel der souveränität gottes, die den herrn unabhängig von uns schalten und walten lässt und dem monster der verantwortung, die gottes wirken einschränkt auf unsere kooperation.
wahrscheinlich hat jeder von uns schon in theologischen diskussionen die eine oder andere extremmeinung vertreten nur um später das genaue gegenteil zu behaupten. das ist auch an sich gar nicht schlimm. manchmal muss man extrem und einseitig argumentieren und dabei kann es passieren, dass man gelegentlich die seiten wechselt. berthold brecht sagte einmal: „wenn das boot nach recht kippt, setze ich mich nach links.“ recht hatte er: um kentern zu vermeiden muss man gelegentlich extremere meinungen vertreten als man eigentlich hat. aber das ziel sollte ausgewogenheit sein und nicht dem einen oder anderen extrem zum opfer zu fallen.

vielleicht können wir uns die angebliche widersprüchlichkeit mancher bibelaussagen besser erklären, wenn wir das bild der meerenge verlassen und uns wahrheit wie die positionslampen von schiffen vorstellen. backbord (links) ist eine rote, steuerbord (rechts) eine grüne lampe. schaut man nur nach rechts, erscheint einem alles grün, fixiert man die linke seite ist alles rot. aber wenn man auf das deck dazwischen schaut, erscheint es in einem grün-roten licht (keine ahnung wie das dann wirkt, vielleicht wieder weiss?!).
der clou an der sache ist, dass man nicht beides gleichzeitig ausschliesslich sehen kann. entweder man sieht rot oder grün, oder man sieht die mischung. das bedeutet, dass einiges, was menschen widersprüchlich erscheint am wort gottes eigentlich nur eine frage der perspektive ist.

das bild wird erst dann vollständig, wenn wir vom extrem abrücken und die wahrheit gottes als eine synthese von polen verstehen, die eigentlich widersprüchlich scheinen. schon das führt eigentlich unweigerlich in die anbetung. gott offenbart sich auf eine weise, die menschlich nicht fassbar ist. anerkannt gross ist das geheimnis gottes…

ich habe folgendes luhmann-zitat über das schreiben gefunden:“(walter reese-schäfer: „niklas luhmann, zur einführung, hamburg 1999, seiten 153-154)“: :

wenn ich weiter nichts zu tun habe, dann schreibe ich den ganzen tag; morgens von 8:30 bis mittags, dann gehe ich kurz mit meinem hund spazieren, dann habe ich nachmittags noch einmal von 14:00 bis 16:00 zeit, dann ist wieder der hund an der reihe. manchmal lege ich mich auch eine viertelstunde hin, ich habe mir angewöhnt, mich ganz konzentriert auszuruhen, so dass ich nach kurzer zeit wieder arbeiten kann. ja, und dann schreibe ich in der regel abends noch bis gegen 23:00. (…)ich muss ihnen sagen, dass ich nichts erzwinge, ich tue immer nur das, was mir leichtfällt. ich schreibe nur dann, wenn ich weiss, wie es geht. wenn ich einen moment stocke, lege ich die sache beiseite und mache etwas anderes. „was machen sie dann?“ na, andere bücher schreiben. ich arbeite immer gleichzeitig an mehreren verschiedenen texten. mit dieser methode, immer an mehreren texte zu schreiben, habe ich nie blockierungen.

das ist umso beeindruckender als luhmann einen rund 14.000 druckseiten starken werkekorpus hinterlassen hat.
dabei mache ich es eigentlich ähnlich, nur fehlt dann oft die disziplin, die sachen wirklich zuende und in eine druckfähige form zu bringen. auf diese weise ruhen (vergammeln?) noch einige bücher auf meiner festplatte. da ist das bloggen eine hilfe, denn über den blog kommen die sachen immerhin schon mal in einer rohen form raus und die regelmässigen einträge zwingen mir eine disziplin auf.

13. September 2005 in vermischtes 0

küche renoviert

küche
gestern den ganzen tag küche neu gestrichen. ächz. abends noch party, aber nicht lang. früh im bett.

in diesem post geht es darum, wie und warum sich aus dem strom göttlicher offenbarung einzelne systeme und denominationen ausbilden. im letzten post hatte ich schon meine skepsis dagegen geäussert, dass systeme an sich überhaupt reformierbar sind. wenn man dazu nimmt, dass jemand, oder eine gruppe aber etwas von gott empfangen haben, ergibt sich daraus ein doppelter auftrag: bewahrung und mission.

manchmal sind die dinge, die wir von gott empfangen eher kleinigkeiten. oft wollen wir sie nicht einmal anderen erzählen, weil sie dafür zu persönlich sind. ein leises „ich liebe dich“, beim spazierengehen, eine antwort auf ein gebet, das wir längst vergessen, das plötzliche begreifen einer bibelstelle, die wir nie verstanden haben. aber manchmal sagt gott uns wirklich wichtige dinge, die wir weitersagen müssen. manchmal, ganz selten, habe ich in gebetszeiten eindrücke für andere und ich weiss, „das ist jetzt nicht zum beten, das muss ich der person sagen.“ dann ist es klar, dass man treu sein will und die sachen auch wirklich ausrichtet, die gott aufgetragen hat.
so in etwa muss es martin luther gegangen sein, als er endlich den „genitiv der gnade“ kapiert hatte. jahrelang litt er unter der „gerechtigkeit gottes“, denn er dachte, dass es seine eigene gerechtigkeit wäre, die so vollkommen sein müsste, wie die von gott selber. wer einmal versucht hat aus eigener menschlicher kraft so gut und gerecht zu sein wie gott selber, der weiss, wie schwer es ist. nein, es ist nicht nur schwer, es ist auf eine aufreibende weise unmöglich. luther verstand blitzartig, dass es nicht seine gerechtigkeit war, die vollkommen werden sollte sondern gottes gerechtigkeit, die dieser ihm in christus geben wollte. welch eine epochale offenbarung! für uns heutige, die wir 2.korinther 5,21 auswendig können, ist das vielleicht keine grosse offenbarung, aber damals erschütterte es die welt.

vielleicht könnten wir es mit der geschichte von noah im AT vergleichen. stell dir vor, gott sagt dir, dass ein gericht über die welt kommen wird und dass keiner es überleben kann. du siehst vor deinem inneren auge, wie das wasser steigt und unzählige menschen ersaufen, du weisst, dass es für niemanden einen ausweg geben kann. und dann zeigt dir gott den einen weg, auf dem es doch rettung gibt. du bist mit diesen beiden informationen allein: du kennst den zustand der welt aus gottes augen, du siehst das kommende gericht und hast den einen ausweg. was würdest du tun?

das, was alle christen schon seit anbeginn unseres glaubens tun:

    1.du würdest es allen sagen
    das wissen um eine offenbarung verpflichtet zum weitersagen. ist doch logisch, wer weiss, dass ein schreckliches gericht kommt und es keinem weitersagt, der handelt verantwortungslos. gott hat es ja nicht noah und luther und parham und all den anderen gesagt, damit sie allein das wissen haben. er wollte sie durch das wissen zu sprachrohren machen.
    diesen teil versteht jeder christ, denn wir alle haben diese beiden informationen noahs, wir alle haben den missionsbefehl jesu und wir alle sehnen uns danach, möglichst viele menschen zu jüngern zu machen. aber du würdest noch mehr machen.

    2.du würdest dafür sorgen, dass das wissen bewahrt bleibt
    eine grosse und wichtige offenbarung gottes darf nicht wieder verloren gehen. vielleicht hast du am anfang noch gedacht, dass alle das annehmen werden, was dir gott gezeigt hat. mit der zeit wirst du aber feststellen, dass dem nicht so ist. bestehende systeme sind nicht reformierbar. das ist eine schmerzhafte lektion, die jeder lernen muss, der ein brennendes herz hat. man versucht erst einmal, andere christen anzustecken, gemeinden zu ändern usw. dann stellt man fest, dass das nicht geht und beginnt auf einfache und effektive weise, den fortbestand der eigenen offenbarung zu sichern: man gründet eine gemeinde oder ein werk. man schreibt bücher und predigt, sammelt leute, die von der offenbarung begeistert sind und baut eine struktur auf, die den fortbestand der offenbarung sichert.

beide schritte sind logisch unvermeidlich. leider setzen sie den zug auf die schienen, die unweigerlich in die erstarrung führen. ein studium der kirchengeschichte führt zu einem erschreckenden ergebnis: die gemeinden und bewegungen, die erweckungen am stärksten bekämpfen und kritisieren, waren früher einmal selber erweckungsbewegungen. auch die gemeinden, die heute am totesten und spiessigsten sind, waren einmal lebendig, progressiv und am puls der zeit. (falls sich jemand nach diesem satz fragt, ob eine gemeinde wirklich „toter“ sein kann als tot: ja, sie kann.) jede bewegung hat irgendwann einmal vor der notwendigkeit gestanden, ihre offenbarung zu bewahren und weiterzugeben. und im kampf darum ist sie „gestorben“.
was passiert ist, dass sich eine denkfalle einschleicht: „gottes offenbarung hört mit unserer offenbarung auf“. am deutlichsten sieht man das bei religionsgemeinschaften wie den amish-people, die heute noch versuchen so zu leben wie im 16.jhd. scheinbar ist es für uns menschen nicht möglich, konsequent zwischen form und inhalt zu unterscheiden, so dass in systemen nicht nur der inhalt der göttlichen offenbarung bewahrt, sondern auch etwas von der form der gründer konserviert wird.
eine glaubensgemeinschaft, die sich um eine spezielle offenbarung versammelt, bildet imemr auch formen aus. gott wird angebetet, es wird gefeiert, gepredigt, gewählt usw. nach relativ kurzer zeit entsteht ein geflecht aus der botschaft und den formen der gemeinchaft, das nicht mehr zu entwirren ist.

an dieser stelle sei mir ein vorgriff gestattet. es wird zwar erst später um den austausch von systemen gehen, aber ich möchte hier schon etwas anmerken. dass es den meisten christen so schwerfällt, das meist aus den verschiedenen bekenntnisrichtungen zu holen liegt an der identifikation von form und inhalt. sicherlich ist kaum jemand gegen den heiligen geist oder gegen geistesgaben. dennoch sind viele der charismatischen bewegung spinnefeind. und das nicht selten wegen der form in welcher der inhalt präsentiert wird. gottesdienste mit opferpredigten, ekstatischen leuten und stundenlangem lobpreis stossen viele ab und versperren ihnen den blick auf den eigentlichen theologischen inhalt.

wenn form und inhalt gleichermassen weitergegeben werden, wird eine gemeinschaft irgendwann skuril. die zeit überholt die form und der inhalt verstaubt ungesehen. mich erinnert das an indiana jones und der letzte kreuzzug. die szene in der indiana jones endlich den gral gefunden hat und dieser von zwei kreuzrittern bewacht wird, die schon seit jahrhunderten in der höhle sitzen und auf den schatz aufpassen. draussen hat sich die welt – von ihnen unbemerkt – weitergedreht, während sie in mittelalterlichen rüstungen und schwertern dasitzen und den heiligen gral bewachen haben menschen flugzeuge gebaut usw.

gibt es eine möglichkeit diese erstarrung zu vermeiden? ich vermute nicht. zumindest habe ich noch nie davon gehört, dass es gelungen ist. sobald man anfängt offenbarung zu tradieren verliert sie etwas von ihrem leben.
aber vielleicht können wir immerhin verhindern, dass uns das gleiche schicksal ereilt. wir haben uns in remscheid schon verschiedentlich darüber gedanken gemacht, ob es nicht sinnvoll wäre, eine klausel in unsere satzung aufzunehmen, die den verein in 50 jahren auflöst, wenn nicht gute gründe für sein fortbestehen zu finden sind. erstarrung ist eigentlich nur dann vermeidbar, wenn man dem zahn der zeit keine gelegenheit gibt, zu lange zu nagen.

auf jeden fall sollten wir uns angewöhnen, systeme und selbst denominationen zunächst einmal als container anzusehen, die eine göttliche offenbarung beinhalten. diese offenbarung kann man bekommen, wenn es gelingt, sie aus dem ganzen drumherum herauszuschälen.

ich hatte es im vorigen post schon angekündigt, dass die definition von „system“ sich ändern würde. ab jetzt meine ich mit system nur noch theologische systeme, die mit dem glauben an gott zu tun haben, die also davon ausgehen, ihren ursprung in einer offenbarung gottes zu haben.

viele theologen gehen von einer fortschreitenden offenbarung der bibel aus. dahinter steckt folgendes geschichtsbild:
im ersten jahrhundert war die offenbarung gottes in jesus christus naturgemäss noch sehr frisch, die apostel lebten noch und mit ihnen viele andere, die jesus persönlich gekannt und seine predigten gehört hatten. viele hatten pfingsten die erste ausgiessung des heiligen geistes persönlich mitbekommen. die atmosphäre war vom übernatürlichen geprägt, in den gemeinden war es noch üblich menschen in den gottesdiensten zu haben, die von den toten auferstanden waren oder andere heftige dinge erlebt hatten.

mit der zeit bildete sich in den kommenden jahrhunderten der kanon des neuen testamentes aus. schriften, die zweifelhaft waren wurden ausgetauscht. die offenbarung wurde zunehmend indirekt, von den aposteln lebte keiner mehr und man lernte gott über die bibel und den heiligen geist kennen. in dieser zeit begann das geisteswirken zu verflachen und spätestens als nach der fertigstellung des kanons die grossen theologischen grundwahrheiten etabliert wurden, lag der fokus eindeutig mehr auf der geistigen entwicklung als auf dem übernatürlichen wesen gottes. damit will ich nicht sagen, dass das wirken des heiligen geiste irgendwann einmal komplett aufgehört hat. ich bin zwar kein kirchenhistoriker, aber soweit mir bekannt, gab es in jeder zeit charismatische strömungen. aber diese waren während der folgenden jahrhunderte nicht so prominent wie die gedanklichen ströme.

im mittelalter verlor sich die offenbarung gottes mehr und mehr und man begann zu philosophieren, theologie zu betreiben, kreuzzüge zu führen, kirchenpolitik zu betreiben usw. das zeitalter der scholastik, in dem die europäische christenheit angeblich über so unwichtige fragen diskutierte, „wie viele engel auf einem stecknadelkopf tanzen könnten“, markiert für viele den absoluten tiefpunkt des christentums. die diskussion mit den engeln hat zwar so nicht wirklich stattgefunden, zeigt aber in welche dogmatische verstrickungen man sich hineinbegeben hatte. interessanterweise leitet sich das englische wort für „dummkopf“ (dunce) vom namen eines renommierten scholastischen denkers ab: duns scotus:“(vgl. alister mcgrath: der weg der christlichen theologie, münchen 1997, seiten 49-50)“:. schon der begriff „mittelalter“ ist abschätzig gemeint: mit ihm bezeichneten autoren der renaissance die geistig und geistlich uninteressante epoche zwischen der antike und der renaissance.
später, in der reformation, ging es wieder richtig nach vorne: luther entdeckte die errettung „ganz aus gnade“ wieder. erasmus von rotterdam gab das erste griechiche NT heraus (den textus rezeptus). auf einmal kam wieder bewegung in das christentum, gottes offenbarung nahm zu und stellte alte, vergessene glaubensgrundsätze wieder her.

„fortschreitende offenbarung“ bezieht sich demnach in erster linie auf die zeit ab der reformation. es geht nicht darum, dass gott eine grundlegend neue offenbarung gegeben hätte. der zug ist abgefahren, jesus ist gottes letztes wort (hebräer 1,1-2). vielmehr zeigt gott die dinge, die immer schon in der bibel gestanden haben neu. er offenbart und betont sie, stellt sie wieder her. ohne an offenbarung zu glauben ist die geschichte der denominationen nicht verstehbar. wenn gott nicht mehr reden und die menschen ihn nicht mehr hören würden, wäre der christliche glaube eine statische sache, bei der sich allenfalls die form noch durch auseinandersetzung mit der aussenwelt verändern würde. offenbarung geht aber davon aus, dass auch der inhalt noch änderungen unterworfen ist, je nachdem gott estwas offenbart.
je nachdem, wen man fragt sieht die geschichte der fortschreitenden offenbarung unterschiedlich aus. einige offenbarungen die genannt werden sind:

    – das heil ganz aus gnade (reformation)
    – das universelle priestertum aller gläubigen (reformation)
    – die neuentdeckung der geistesgaben und speziell des sprachengebetes (pfingstler)
    – die neuentdeckung der heilungsgabe (glaubensbewegung)
    – die entdeckung, dass gott kulturübergreifend ist (jesus freaks)
    – die neubewertung des dienstes der frauen (feministische theologie)

das führt zu der vermutung, dass es eigentlich gar nicht in gottes sinne ist, dass sich überhaupt theologische systeme gebildet haben und noch weniger, dass sich zu bewahrung und ausbau dieser systeme denominationen gebildet haben. dass wir heute eine so undurchschaubare menge an bekenntnisrichtungen innerhalb des leibes christi haben, mag an einem missverständnis liegen. vielleicht ging es gott ja darum jeweils den ganzen leib zu erfrischen, zu reformieren und zu verändern. vielleicht war es jagar nicht seine absicht, dass sich eine evangelische kirche bildete sondern dass die bestehende katholische reformiert würde.
so würde fortschreitende offenbarung nicht zu fortschreitender spaltung und zersplitterung der gemeinde jesu führen. im grunde ist es ein wahrer unzustand, dass sich die dinge so entwickelt haben, wie sie sich eben entwickelt haben: dass an dem ersten jahrhundert das christentum immer weiter zersplittert.

auf der anderen seite wäre es eine sozialutopie anzunehmen, dass es anders gehen könnte. neuerungen gefährden immer das alte. das alte mag sich nicht erneuern und noch weniger etwas von seinem anspruch aufgeben, den es einfach daher hat, dass es schon vorher bestanden hat. neues muss eigene strukturen aufbauen um überhaupt leben zu können.
ich weiss, dass es ein düsteres bild ist, das ich hier zeichne. aber im tiefsten grunde meines herzens bin ich davon überzeugt, dass eine reformation bestehender systeme nicht möglich ist. für ein bestehendes system steht im reformationsfalle alles auf dem spiel. wenn das, was ein system ausmacht in frage gestellt wird, dann wird es sich nicht ändern können ohne gefahr zu laufen, sich nach der änderung nicht wiederzuerkennen, also kaputtgegangen zu sein. wir haben als erneuerer immer eine tendenz auf die alten systeme und gemeinden herunterzuschauen, die nicht mit der zeit mitgehen wollen. dabei sollten wir uns aber eines vor augen halten: änderung heisst geistesgeschichtlich immer am zyklus von tod und auferstehung teilzuhaben. bevor etwas neues geboren werden kann muss das alte sterben. aber niemand stirbt gerne – und wenn, dann nur unter kampf.

wenn die annahme stimmt, dass systeme nicht veränderbar sind, zumindest nicht nachdem sie eine bestimmte grösse und tragfestigkeit der struktur erreicht haben, dann müssen reformströmungen ihrerseits strukturen ausbilden um ihrem auftrag gerecht zu werden. was dieser auftrag ist, davon handelt einer der nächsten posts. bis dann!

zunächst unterscheide ich zwei grundlegend unterschiedliche arten von theologischen systemen. diese unterscheidung hat erst einmal nicht mit theologie zu tun, es ist also eine unterscheidung, die auf jedes theologische system anwendbar ist, egal, was es für einen inhalt hat. diese unterscheidung beschreibt die perspektive, die das system auf „wahrheit“ hat. „wahrheit“ ist dabei das identitätstiftende element eines derartigen systems. wenn wir von gott reden, geht es um die wahrheit, die jemand erkannt hat.
dabei ist wahrheit nicht an glauben gebunden. es gibt auch atheistische systeme, deren wahrheit es ist, dass die bibel ein buch ist, das nur von menschen geschrieben ist, dass jesus ein guter mensch war und die letzte aussage des christentums in einer verhaltensnorm besteht, die das NT vorgibt. im unterschied zu systemen, die auf glauben aus sind, werden aus liberalen und atheistischen systemen immerhin keine denominationen. atheismus eignet sich nicht dazu, kirchen zu bilden.
im weiteren verlauf werde ich den begriff „theologisches system“ eingrenzen auf solche systeme, die den begriff „wahrheit“ mit dem glauben an einen gott verbinden.

blickwinkel die nebenstehende grafik zeigt die blickwinkel, die ein system mindestens einnehmen kann. links ist ein system, das den blick stark nach innen, auf das zentrum gerichtet hat. rechts ein system, das den blick nach aussen, auf den rand gerichtet hat. in der praxis hat das folgende auswirkungen:“(aus didaktischen gründen drehe ich die reihenfolge. sorry, ich hatte keine lust, die grafik noch umzustellen.)“::

1.systeme mit blick auf den rand
meiner ansicht nach ist dies das klassische modell eines theologischen systems. die identität wird über abgrenzung von anderen theologien und der welt gebildet. man weiss sehr genau, was man glaubt, aber das system ist in erster linie über seine grenzen definiert. das ist negative theologie par excellence, die definition über das, was man nicht ist, nicht meint und nicht glaubt.
wenn man einmal darauf achtet stellt man schnell fest, dass die meisten systeme so funktionieren. gestern habe ich z.b. einen buchprospekt eines bekannten verlages bekommen, in dem fast alle bücher nach diesem prinzip aufgebaut waren: „was gott wirklich über charismatischen lobpreis sagt“, „warum wir nicht an dieser und jener stelle mit dem zeitgeist/modernen theologischen strömungen/ etc. mitschwimmen“, usw.usf. bücher, websites, seminare, etc. gegen andere theologien gibt es haufenweise.
bei einer solchen blickweise kann man meist sehr gut den rand des systems feststellen. man kann sagen, ob jemand dazu gehört oder nicht. man kann die eigene position leicht gegenüber allen anderen abgrenzen. eine solche abgrenzungspolitik macht natürlich mühe und so gibt es in den entsprechenden richtungen jeweils sehr populäre grenzschützer, die alle anderen ansichten unter die lupe nehmen und ihnen fehler nachweisen.

der hauptnachteil dieses blickwinkels liegt imho darin, dass der blick auf das eigene zentrum verstellt ist. wenn identität nur über abgrenzung läuft verblasst das wesentliche, der kern. das kann man im gespräch feststellen, wenn angehörige dieser systeme minutiös darlegen können, was andere falsch machen, aber das, woran sie selber glauben nur in einigen programmatischen schlagsätzen darstellen können.
ich vermute, dass das eine historisch entwicklung ist, kann das aber derzeit nicht belegen. mit einiger sicherheit haben die gründer dieser systeme eine offenbarung gottes gehabt, die sie in den mittelpunkt der betrachtung gestellt haben. als das system mehr und mehr denominationellen charakter angenommen hat, wuchs der druck, sich abzugrenzen und nach innen hin zu konsolidieren. so wird spätestens die dritte generation von leitern angefangen haben, andere zu prüfen und sich abzugrenzen.

2.systeme mit blick auf das zentrum
systeme, deren blick sich auf das zentrum richtet funktionieren völlig anders. hier ist die abgrenzung gegenüber anderen weniger wichtig, denn dass identitätsstiftende element ist das zentrum, auf das sich alle mitglieder zu bewegen. in der konsequenz verschwimmen natürlich die grenzen zur welt und anderen theologischen systemen weil man einfach keine notwendigkeit verspürt, sich klar abzugrenzen. interessanterweise hat kester brewin in seinem buch „thecomplex christ“, es als ein kennzeichen emergenter gemeinden genannt, dass sie „blured borders“ haben, dass also ihre grenzen verschwimmen. offenbar wären also systeme mit unklar defninierteren grenzen besser an die postmoderne angepasst.
in der praxis gibt es noch recht wenige systeme, die zentrumsorientiert sind. es hat sicherlich schon immer welche gegeben, aber sie waren verhältnismässig in der unterzahl. erkennbar sind sie daran, dass in ihren gemeinden eine pluralität verschiedener ansichten in nicht wesentlichen punkten herrscht und dass die bedingungen für mitgliedschaft und mitarbeit sehr niedrig gehalten wird. entscheidend dafür, dazu zu gehören ist nicht, viele regeln zu befolgen, einen dresscode zu halten usw. sondern eine positive einstellung zum systemkern. im frommen deutsch könnte man von herzensmitgliedschaft sprechen.

um von randfixierten zu zentrumsorientierten systemen zu kommen müsste ein paradigmenwechsel stattfinden. und zwar leider einer der unwahrscheinlichsten sorte. menschen scheinen darauf ausgelegt zu sein, gerne gegeneinander zu kämpfen. in der gesamten menschheitsgeschichte scheint es keine zeit ohne krieg gegeben zu haben:“(humberto maturana und andere gehen davon aus, dass es in der steinzeit matristische kulturen gegeben hat, die keinen kriegt kannten. das wort „matristisch“ hat nichts mit matriarchat zu tun, also einer gesellschaft, die von frauen beherrscht wurde (matriarchate gab es sicher nicht). vielmehr ist eine nicht-agressive form des zusammenlebens gemeint. die entsprechenden archäologischen funde sind vermutlich auch anders interpretierbar, auf jeden fall ist sicher, dass sich diese formen nicht lange gegenüber kriegerischen nachbarn behaupten konnten.)“:. es liegt in unserem blut uns abzugrenzen und zu bekämpfen. systeme, denen es um das zentrum geht sind nicht beherrschbar, weil ihre mitglieder schlechter zu kontrollieren sind:“(damit spreche ich nicht gegen leitung. soziale systeme brauchen meiner ansicht nach immer leiten. mehr noch, sie haben eine leitung und zwar immer, wenn mehr als zwei personen zusammen eine gruppe bilden.)“:. da aber macht eine der haupttriebfedern bei allen systemen schlechthin ist, ist es unwahrscheinlich, dass sich solche systeme durchsetzen.

die geschichte des christentums ist leider eine sehr blutige und unrühmliche. noch vor wenigen hundert jahren hätte ich wegen der gedanken, die ich hier äussere, angst um mein leben haben müssen. wenn man die geschichte der christen als eine geschichte der theologie wertet (was weder ganz falsch noch ganz richtig wäre), dann wäre auch die geschichte der theologie eine unrühmliche und blutige. als zu zeiten der reformation die täuferbewegungen aufkamen („tauffgesinnte“), wurden ihre anhänger von den reformatoren zum teil blutig verfolgt. bücher wie der „märtyrerspiegel“ bezeugen die tötung tausender männer, frauen und kinder. in einigen der gemeinden mussten die prediger ehelos leben, nicht weil man an das zölibat glaubte sondern weil der märtyrertod fast sicher war und der mann so wenigstens keine familie hinterliess…

das ist die extremste spielart des ersten blickwinkels. abgrenzung bis zum tod oder töten. jede geschichte ist mit blut geschrieben, aber bei unserer eigenen macht es mich schaudern. weil dieser charakterzug des menschen in allem was er tut deutlich wird, kann ich kaum glauben, dass wir einen flächendeckenden paradigmenwechsel hin zu zentrierten systemen erleben werden.
aber es ist eine schöne vision: christen, die genau wissen, was sie glauben und darüber mit andersgesinnten in diskurs treten können. christen, die glauben ohne fanatisch zu sein, in deren gemeinden man sich als nichtgläubiger genauso wohl fühlen kann wie als andersgläubiger. in deren denken und gemeinden liebe wichtiger ist als wahrheit und barmherzigkeit als ideologie. hoffentlich ist es wirklich eine vision und keine utopie—–

——–
nachsatz:
zum ende noch eine preäsentation, die dasselbe als strukturmodelle darstellt. ich habe darüber 2004 bei willofreak ein seminar gemacht. wen es interessiert, der kann sich hier die animierte powerpointpräsentation hier runterladen. viel spass!

jetzt kommt der letzte teil der metatheologiereihe. ich freu mich schon drauf, die sachen demnächst mal zusammenzufassen, ins reine zu schreiben und komplett zu überarbeiten. bis es soweit ist, kommen noch einige posts zu dem thema, manches habe ich ja übersprungen, so dass noch ein paar posts zu erkenntnis und den erkenntnisbedingenden faktoren zu erwarten sind. ich hoffe, dass ihr mit den vielen sprüngen, die die reihe macht klarkommt. manchmal frage ich mich schon, wie das für leser aussieht, was in meinem kopf klar ist – vermutlich recht verwirrend, oder?

als ich diese reihe begonnen habe, standen für mich zwei fragen im vordergrund:

    1. wie steht das individuum zur bibel?
    alle christen haben dieselbe bibel:“(jedenfalls im grossen und ganzen. apokryphen haben nicht alle und einzelne übersetzungen unterscheiden sich durch die verwendung verschiedener grundtexte zum teil erheblich. aber unterm strich ist es doch dieselbe bibel.)“:. warum verstehen wir sie dann alle unterschiedlich? ausgehend von der these, dass die bibel gottes wort für jeden ist und nicht für alle, habe ich einige erkenntnistheoretische aspekte der theologie beleuchtet.
    2. wie stehen die systeme zueinander?
    in dieser frage geht es um die kommunikation theologischer systeme untereinander und wie diese überhaupt zueinander stehen. können anhänger zweier theologien miteinander in konstruktiven diskurs treten? falls ja, welche faktoren müssen gegeben sein um einen theologischen diskurs konstruktiv werden zu lassen? wie, wenn überhaupt, können wir voneinander lernen und die erkenntnis, die in einem system gespeichert ist, für geistliches wachstum nutzen?

im laufe der posts sind mir schwächen des konzepts aufgefallen. das ist gut, denn es zeigt, dass die methode über blogs zu denken und das web als diskursplattform zu nutzen, funktioniert. diese schwächen waren in erster linie semantischer natur. schlüsselworte wie „erkenntnis“ und „theologie“ waren nicht hinreichend definiert um wirklich sinnvoll und logisch über das thema schreiben zu können. überdies fehlte an ein paar stellen die anbindung an bibel und praxis und die abgrenzung gegenüber philosophischen disziplinen.

ab jetzt geht es also um systeme. das wort ist nicht im sinne der systemtheorie gemeint. vielmehr geht es um glaubenssysteme, die entstehen, wenn dogmatische sätze für mehr als eine person soviel sinn ergeben, dass diese personen sich zu ihnen bekennen. so entsteht ein system. wenn das system sich dann noch eine soziale ordnung gibt, die den fortbestand der erkenntnis sichert, die in ihm enthalten ist, entsteht eine bewegung. wenn diese bewegung sich hinreichend durch grösse und tradition verfestigt, anfängt hierarchische strukturen aufzubauen und sich gegenüber anderen systemen abzugrenzen entsteht eine denomination – und spätestens ab da wird es spannend, denn denominationen beschneiden den theologischen diskurs ihrer mitglieder….

Grundtugend #3: funktionalität
christian a. schwarz hat in seinem bahnbrechenden buch, „die dritte reformation,“ ein neues paradigma in die christliche szene eingeführt: fuktionalität. das ist zugleich auch meine dritte theologische tugend.

jede theologie hat eine funktion, in dem sinne, dass sie etwas bewirkt. wenn eine denkweise nichts bewirkt, dann ist sie auch nicht beachtenswert. funktion ist an sich ein neutrales wort, aber es schwingt schon mit, dass das, was theologie bewirkt positiv oder negativ sein kann. dabei will ich erst einmal nicht bewerten, was positiv oder negativ ist sondern diese frage genauso offen lassen wie paulus (1.korinther 10,23). gut bedeutet ganz allgemein: aufbauend. menschen können aufgebaut werden, gemeinden und völlig allumfassend gottes reich.
die frage, die theologie immer an sich stellen lassen muss ist demnach: „dient sie den menschen?“ eine theologie, die nach ehrlicher gewissensprüfung diese frage verneinen muss, ist schlecht.

dabei sind die prüfkriterien sicherlich unterschiedlich. es wird nicht möglich sein, kriterien aufzustellen, die für angehörige aller theologischen systeme gleichermassen als verbindlich angesehen werden. das macht auch nichts, denn auch ich argumentiere von einem spezifischen standpunkt her. für mich muss theologie folgende funktionale kriterien erfüllen:

    1. in die freiheit führen
    theologie, die christen unter ein joch der gesetzlichkeit zwingt ist meiner ansicht nach nicht in gottes sinne. wenn ein system seine mitglieder dazu bringt, bestimmte dress-, sprach- oder sonstige codes einzuhalten und bei nicht-einhaltung mit hölle, ausschluss etc. droht, ist etwas falsch gelaufen. theologie muss christen in mündigkeit führen und glücklich machen. christen, die in angst vor einem bösen gott leben sind weder glücklich noch frei. deshalb lehne ich solche theologien (auch) aus funktionaler sicht ab.
    gesetzliche theologien gibt es viele. da muss man nicht lange suchen. solange sich menschen so schwer damit zu tun in der freiheit christi zu leben, so lange wird es einen nährboden für derartige systeme geben. am ende scheint sartre recht zu behalten: „der mensch ist zur freiheit verurteilt.“
    2. innovation fördernd
    theologie scheint immer schon eine sache gewesen zu sein, die eher bestehendes bewahrt als neue wege zu gehen. dabei hat es aber das reich gottes dringend nötig, in seinen strukturen und ausdrucksformen ständig erneuert zu werden. theologie, die angst vor der welt und den errungenschaften der modernen welt lehrt, versucht die zeit anzuhalten und verliert den anschluss an den menschen. damit ist nicht gesagt, dass wir nicht eine gesunde skepsis gegenüber zeitgeistlichen strömungen haben sollten. damit ist nur gesagt, dass das christentum eine wertkonservative einrichtung ist, keine strukturkonservative.
    auf innovation ausgerichtet zu sein bedeutet, kulturelle offenheit zu zeigen und einen starken schwerpunkt auf die jugend zu richten. das bewahrende der theologie wird oft noch dadurch verstärkt, dass in den gemeinden die „rücksicht auf die alten“ die höchste tugend ist. das führt natürlich unweigerlich dazu, dass alle formen (und die lautstärke!) sich an den bedürfnissen der alten anpassen. da der generationenkonflikt in deutschland nicht wegzudiskutieren ist, führt das dazu, dass das erneuernde potential der gemeinden abwandert und sich nicht selten religiös komplett umorientiert.
    3. weltzugewandt
    zuletzt erwarte ich von theologie, dass sie christen in die welt sendet und „weltkompatibel“ ist. theologie darf nicht überintellektualisiert:“(hm, das kann in einer solchen reihe, wie der metatheologischen, die voller fach- und fremdwörter steckt, ironisch wirken. ist aber nicht so gemeint. ich lege hier ein fundament, das haus, das darauf steht ist normalsprachlicher und, naja, sagen wir ein klein bischen prollig…)“: sein und auch nicht ghettoisierend. vielfach ist theologie und die daraus erwachsende lebens- und gottesdienstpraxis nicht mehr anschlussfähig. christen werden zu schrulligen aliens erzogen, die von ihrer subkulturellen sprachlichkeit und ihren verqueren ansichten völlig von der welt isoliert werden. (und die sich dann wundern, dass keiner zum glauben kommt…).
    Theologie hat einen Auftrag: Grundlagen dafür zu schaffen, dass Gott den Menschen gebracht wird. Ebenso wie die Ethik die Reflexionstheorie der Moral ist (Luhmann), ist Theologie die Reflexionstheorie des Glaubens. Beide müssen praktische Auswirkungen haben und dürfen nicht zum Selbstzweck werden. Glaube und Moral können nicht theoretisch bleiben, sie erstehen erst in der Praxis.

funktionalität allein wirkt schnell prinzipienlos. „gut ist, was funktioniert“, könnte das motto lauten. aber das ist nicht möglich, wenn die theologie auch geerdet ist. die bibel ist zu voll mit moralischen grundlagen um eine unmoralische theologie zuzulassen. wenn alle drei grundtugenden beherzigt sind, macht es letztlich sinn.

[lange posts scheinen wordpress probleme zu bereiten, deshalb ist dieser jetzt zweigeteilt. sorry, wegen der umstände…]

2. wissenschaft
die wissenschaftliche herangehensweise an die bibel ist in unseren kreisen ziemlich verpönt. man vermutet skeptizismus und einen bibelkritischen ansatz hinter allem, was mit wissensachft zu tun hat. tatsächlich ist vieles in diesem bereich von der historisch-kritischen methode:“(ein buch, das sich mit dieser methode kritisch auseinandersetzt ist von gerhard meier: „das ende der historisch-kritischen methode“. kann sein, dass es nur noch die schräge englische übersetzung gibt: „the end of the historical-critical method“. )“: geprägt und inspiriert. viele „bibelwissenschaftler“ gehen davon aus, dass die bibel ein ganz normales buch ohne göttlichen hintergrund ist.

diese art von wissenschaft meine ich natürlich nicht. worum es mir geht ist, dass theologie in guter exegese gegründet sein muss. es gibt leider sehr viele theologische ansätze, die voller fehler sind, weil ihre urheber eine eher wissenschafts-kritische linie fahren. das erkennt man z.b. daran, dass ganze theologien auf einer interpretation des grundtextes aufgebaut sind, die haarsträubend ist. natürlich kann man nicht von jedem verlangen, sich in den grundsprachen und am besten noch der textkritik auszukennen, aber wenn eine theologie sich verfestigt und für viele menschen prägend wird ist es wünschenswert, dass ihre grundlagen stimmen.
exegese bedeutet, den inhalt eines bibeltextes auszupacken. man versucht herauszufinden, was er für die damaligen adressaten bedeutet hat. es gibt manche „pneumatische:“(okay, ich gebrauche den begriff gerade etwas pejorativ, obwohl mir pneumatische ansätze sonst natürlich heilig sind….)“:“ ansätze, denen der hintergrund von bibeltexten völlig egal ist und unter „leitung des heiligen geistes“ ganze bibelpassagen umdeuten. wenn das zulässig ist, dann ist der reformatorische grundsatz, dass „die schrift die schrift auslegt“ ausgehebelt. dann legt nur noch die momentane situation die schrift aus, wie es gerade angebracht erscheint. dann sagt die bibel alles aus, was man möchte, dass sie aussagt.

ein prominentes beispiel ist die auslegung der zeugen jehovas der zahl 144.000 in der offenbarung (7,4; 14,1; 14,3). um aus diesen die einzigen zu machen, die ins himmelreich eingehen, während die anderen auf einer grunderneuerten erde bleiben, braucht man phantasie. mit einer guten exegese wäre es sofort klar gewesen, dass der bibeltext das nicht gemeint haben kann.

3. konsens
dieser punkt wird vermutlich am meisten widerspruch erregen. wir sind erben einer langen tradition der christlichen kirche. vor uns haben grosse theologen sich mit gottes wort auseinandergesetzt und haben teilweise jahre diskutiert und gebetet um zu bestimmten lehrsätzen zu kommen. „wenn ich etwas weiter sehen konnte als andere, so nur deshalb, weil ich auf den schultern von riesen stand“, sagte newton einmal. ebenso stehen wir auf den schultern von riesen.
umso mehr ärgert es mich manchmal, dass theologische diskussionen geführt werden,als würde das christentum gerade erst aus der wiege gehoben. nach zweitausend jahren ist es unwahrscheinlich, dass grundlegend neue gedanken kommen und überhaupt konstatiert schon der prediger im AT, dass „es nichts neues unter der sonne gibt“ (1,9). das rad neu zu erfinden ist nicht nötig und auch nicht möglich.

im verlauf dieser beiden jahrhunderte christlicher geistesgeschichte hat sich in vielen fällen ein theologischer konsens herauskristallisiert. teilweise betrifft das sehr schwierige fragen, wie die dreieinigkeit. die göttlichkeit und menschlichkeit jesus. usw. in solchen fragen tut man theologisch gut daran, sich an dem zu orientieren, was man schon vorfindet.
theologische systeme, die teile der dreieinigkeit nicht mehr brauchen oder die ganz ohne gott auskommen, die eine einheit aller religionen finden, das opfer jesu ablehnen usw. stehen in krassem widerspruch zu dem, was im christentum konsensfähig ist. ich bin persönlich sehr vorsichtig mit gedanken, die ich nirgendwo wiederfinden kann. in der regel halte ich diese für falsch oder stelle sie zumindest noch einmal zurück und forsche weiter.

es gibt insgesamt recht wenig dinge, die sich eines globalen konsens erfreuen. je nachdem wie man den leib christi kategorisiert, gibt es aber grössere segmente, die in ihren richtungen inhaltlich ähnlich sind. die mindestunterscheidung wäre katholisch, reformiert, orthodox. für unsere szene wäre der reformierte block noch aufzuteilen in landeskirchlich (für deutschland), evangelikal und charismatisch. mit noch erhöhterer trennschärfe werden die unterscheidungen dann immer exakter.
ich behaupte, dass jede theologie sich irgendwo in diesem schema wiederfindet und es bezugspunkte gibt, die theologie erden und vor dem sektiererischen bewahren. diese bezugspunkte müssen nicht immer im selben system sein. tatsächlich bin ich eher systemkritisch und es gibt bezugspunkte für meinen eigenen glauben, in allen möglichen systemen.

bezüglich geistesgaben tendiere ich z.b. der pfingstlichen richtung zu. manches aus meinem geistlichen leben ist hingegen eher katholisch-mystisch geprägt. anderes übernehme ich fast komplett aus der glaubensbewegung. usw. es geht nicht darum, einem bestimmten system anzugehören sondern darum, sich überhaupt in der tradition verwurzelt zu wissen.


man kann jeden der drei erdungspunkte übertreiben. dafür lassen sich leicht beispiele finden. manche theologie ist so ausgewogen und abgefedert, nach allen seiten austariert und abgeschliffen, dass sie keine schärfe mehr hat um leben zu verändern. andere ist wissenschaftlich tot und im fernen elfenbeinturm beheimatet. wieder andere hängen in alten (veralteten!) systemen fest, werden strukturkonservativ und verlieren den bezug zum heute.
schiefgehen kann es immer – ganz klar. aber darauf müssen wir uns nicht ausrichten. erdung muss ja nicht übertrieben werden. wenn sie in einem gesunden mass geschieht, kann sie die theologie erheblich vereinfachen und gegen missliche entwicklungen absichern.

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