Der Stachel kam nicht von Gott
Zunächst einmal kam der Stachel nicht von Gott. Er war ein Engel des Satans, der Paulus mit Fäusten schlug. Es war kein Engel Gottes, den Jesus gesandt hatte. Wäre er von Gott gewesen hätte Paulus sicherlich nicht so motiviert gegen ihn gebetet.
Es ist seltsam, dass es Leute gibt, die meinen, dass etwas Negatives von Gott in ihr Leben kommt und dennoch dagegen kämpfen. Manche Christen meinen, dass Gott ihnen eine Krankheit gegeben hätte, gehen aber zum Arzt um sie loszuwerden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Paulus so ungehorsam gewesen wäre, dass er gegen Gottes Willen gekämpft hätte.
Auf der anderen Seite werfen uns liebe Geschwister mit dieser Theologie vor, dass es von uns inkonsequent wäre zu Ärzten zu gehen, wenn wir doch an Glaubensheilung glauben. Warum sollte das inkonsequent sein? Wir glauben, dass es Gottes Wille ist, dass Menschen gesund sind und es ihnen gut geht – an Körper, Seele und Geist. Wenn unser Glaube gut entwickelt ist und wir in Gottes Ideal der göttlichen Gesundheit leben ist das prächtig. Wenn es an einem Punkt hakt und ein Arzt uns hilft, ist das auch gut. Es geht darum, etwas loszuwerden, was in unserem Leben nicht nach Gottes Plan läuft – egal wie.
Mit seelischen Problemen ist es ähnlich: vieles geht durch eine direkte Begegnung mit Gott in wenigen Minuten weg. Mancher hat eine halbe Stunde im Geist geruht und ist völlig verändert aufgestanden. Ich selbst habe nach meiner Geistestaufe eine Weile auf dem Boden zugebracht und als ich wieder stehen konnte war ich frei von Drogen – bis auf den heutigen Tag. Aber wenn es einmal nicht so funktioniert bedienen wir uns eben anderer Methoden um Gottes Willen in unserem Leben durchzusetzen: wir machen Seelsorge, lassen uns befreien, probieren eventuell sogar mal eine Psychotherapie aus. Warum auch nicht? Wenn Gott uns segnen will können wir uns nicht unbedingt aussuchen aus welcher Quelle dieser Segen kommt. Aber die Voraussetzung ist die Überzeugung, dass Krankheit und Gebundenheit NIEMALS von Gott kommen.
Was auch immer das Problem des Paulus war, er hat es als das erkannt, was es wirklich war: ein Engel Satans und hat dagegen gekämpft. Egal, was unser Problem ist, wir sollten es ihm gleich tun und gegen jeden Einfluss auf unser Leben kämpfen, der nicht von Gott ist.
Was war der Auftrag des Stachels?
Viele Christen lesen das Wort zu oberflächlich und bauen ihre Theologie auf etwas auf, das nicht wirklich stichhaltig ist. So denken sie, dass Gott uns Probleme und Krankheiten schickt um uns demütig zu halten – wie sie es hier bei Paulus lesen.
Dass Paulus große Offenbarungen hatte steht außer Frage, er schrieb einen grossen Teil des Neuen Testamentes und das, ohne Jesus persönlich gekannt zu haben. Am Anfang des Kapitels schreibt er von jemandem, der bis in den Himmel entrückt wurde und da unaussprechliche Dinge gesehen hat. Ich bin davon überzeugt, dass er selber dieser Mensch gewesen ist und dass Gott ihn für kurze Zeit den Himmel hat sehen lassen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es manchem logisch, dass Paulus in der Gefahr stand, sich selbst zu erhöhen . Man denkt dann schnell an ein Gegengewicht, dass er brauchte um auf dem Teppich zu bleiben. Aber das passt natürlich nicht zu der Aussage, dass es ja nicht ein Engel Gottes war, der ihn demütig hielt, sondern ein Engel des Satans. Warum sollte sich der Feind um Paulus’ Charakter sorgen?
Überhaupt weist uns Gottes Wort an mehreren Stellen im NT an, uns selbst zu demütigen. Gott will, dass wir selbst erkennen wer wir sind und wo wir stehen und dass wir uns entsprechend verhalten. Es ist ein großer Unterschied dazwischen sich selbst zu demütigen und gedemütigt zu werden.
Im Griechischen steht das Verb im Passiv. Man könnte also auch übersetzen: „damit ich wegen der einzigartigen Offenbarungen nicht überhoben werde“. Die Stelle ist sicherlich nicht einfach zu übersetzen und ich weiß, dass ich hier eine absolute Außenseiterübersetzung anbiete. Insofern ist diese Variante mit Vorsicht zu genießen.
Dennoch glaube ich, dass es so mehr Sinn ergibt. Der Feind schafft ein Gegengewicht zu den großen Offenbarungen die Paulus hatte damit er nicht auch noch ohne Ende erhoben wird. In Apostelgeschichte 14 lesen wir, dass Paulus und Barnabas für Götter gehalten wurden wegen der Dinge die Gott durch sie tat. Das klingt schon wie eine Überhöhung der beiden Apostel.
Der Teufel sah, dass Paulus eine so starke Offenbarung Christi hatte und dass mit dieser Offenbarung so viel göttliche Kraft einherging, dass er sich ernsthaft Gedanken um sein Reich machen musste. Also schuf er ein Gegengewicht um die Menschen davon abzuhalten in Scharen Paulus nachzulaufen und errettet zu werden. Er wusste, dass die Worte des Apostels so viel Macht und Attraktivität hatten, dass viele Menschen durch ihn Christus annehmen würden und das einzige was ihm noch einfiel war, etwas in sein Leben zu bringen das so negativ war, dass jeder, der ihn hörte es sich noch zweimal überlegen würde auch so zu werden.
Was war der Stachel?
Ich bin persönlich absolut davon überzeugt, dass es Verfolgung war.
Schon wenige Tage nach seiner Bekehrung sagte Gott in Apostelgeschichte 9,16 zu Paulus: Ich werde ihm auch zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muß. Das war dann auch seinen ganzen Dienst hindurch Programm. Wenn Du es lange nicht mehr getan hast, lies einmal wieder die Apostelgeschichte und Du wirst sehen, dass Paulus überall wo er war verfolgt wurde. Es dauerte in keiner Stadt lange bis sich ein heftiger Widerstand gegen ihn formierte. In 2.Korinther 12,10, noch im Zusammenhang mit der Geschichte vom Stachel im Fleisch sagt er selber:
Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Mißhandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.
Kurz vorher, im elften Kapitel, auch schon in einem Sinnzusammenhang mit dem, was er dann über den Stachel schreibt, zählte Paulus einige seiner Leiden um des Evangeliums willen auf:
24 Fünfmal erhielt ich von Juden die neununddreißig Hiebe;
25 dreimal wurde ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt, dreimal erlitt ich Schiffbruch, eine Nacht und einen Tag trieb ich auf hoher See.
26 Ich war oft auf Reisen, gefährdet durch Flüsse, gefährdet durch Räuber, gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden, gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet auf dem Meer, gefährdet durch falsche Brüder.
27 Ich erduldete Mühsal und Plage, durchwachte viele Nächte, ertrug Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Blöße.
28 Um von allem andern zu schweigen, weise ich noch auf den täglichen Andrang zu mir und die Sorge für alle Gemeinden hin. (2.Korinther 11,24-28)
Alles zusammengenommen macht es mehr als wahrscheinlich, dass Paulus hier von Verfolgung spricht. Ich kenne keine andere Theorie, die so stimmig ist wie diese.
Während wir auf bald jeder Seite seiner Reiseberichte offensichtliche Verfolgungen sehen, gibt es keinen Bericht davon dass Paulus eine Predigt nicht halten konnte weil er krank war. Es erscheint mir sehr vernünftig anzunehmen, dass der Feind nachdem die normalen Methoden nicht mehr funktionierten und er Paulus weder durch Frustration, noch durch einen unmoralischen Lebensstil oder Krankheiten ausschalten konnte er einfach nur noch daran arbeiten konnte seine Attraktivität zu mindern.
Dahinein passt auch, dass Gott den Stachel nicht aus seinem Leben entfernt hat, denn während wir klare Stellen haben, die uns Heilung versprechen, haben wir genauso klare Stellen, die von Verfolgung als einem Teil des christlichen Lebens reden. Wir haben keine Verheißung dafür, dass Verfolgung aufhört, wohl aber, dass Gott uns heilt. [vgl. auch Leiden und Herrlichkeit]
Das zeigt auch Gottes Antwort auf Paulus’ Gebet:
lass Dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in Schwachheit mächtig.
Es ging nicht so einfach, den Stachel wegzunehmen, aber es war für Paulus möglich in den schlimmen Umständen in denen er steckte Gottes Gnade zu erleben. Davon legt die Apostelgeschichte ein beredtes Zeugnis ab!
Um diese These noch weiter zu erhärten möchte ich noch eine kleine Wortstudie zu dem „Stachel“ machen.
Der “Stachel” ist im griechischen ein SKOLOPS. Das Wort taucht im NT nur an dieser Stelle auf, aber es gibt Fundstellen in Numeri 33,55 und Hesekiel 28,24. Beide hat Paulus sicherlich aus der Septuaginta, die er zitiert hat, gekannt. Beide Stellen handeln von militärischen Gegnern Israels. Eine weitere Fundstelle aus Hosea benutzt das Wort in gleicher Weise aber einem anderen Zusammenhang. Eine Stelle aus Sirach habe ich nicht gecheckt, weil ich hier eh keinem mit Apokryphen kommen kann. 🙂
Somit bin ich sicher, dass Paulus hier von Verfolgung spricht. Hermeneutisch spricht, wie gesagt, einiges dafür und der grössere Zusammenhang der Bibel legt den Verdacht auch nahe.
Die Theorie, dass Paulus eine lebenslange Krankheit der Augen oder etwa Epilepsie hatte, lässt sich wesentlich schlechter argumentieren. Ich bin damit absolut zufrieden und denke, dass dies der Schriftbefund ist.
PS: manches habe ich auch schon in anderen Einträgen gepostet. Deshalb kann es vorkommen, dass es regelmässigen Lesern bekannt vorkommt.
Neueste Kommentare