[Ein Psalm Davids, als er vor seinem Sohn Abschalom floh.]
Herr, wie zahlreich sind meine Bedränger; so viele stehen gegen mich auf.
Viele gibt es, die von mir sagen: «Er findet keine Hilfe bei Gott.» [Sela]
Du aber, Herr, bist ein Schild für mich, du bist meine Ehre und richtest mich auf.
Ich habe laut zum Herrn gerufen; da erhörte er mich von seinem heiligen Berg. [Sela]
Ich lege mich nieder und schlafe ein, ich wache wieder auf, denn der Herr beschützt mich.
Viele Tausende von Kriegern fürchte ich nicht, wenn sie mich ringsum belagern.
Herr, erhebe dich, mein Gott, bring mir Hilfe! Denn all meinen Feinden hast du den
Kiefer zerschmettert, hast den Frevlern die Zähne zerbrochen.
Beim Herrn findet man Hilfe. Auf dein Volk komme dein Segen! [Sela]
(Psalm 3 nach der Einheitsübersetzung)
Neulich habe ich morgens mit meiner Frau zusammen gebetet. Das tun wir seit etwa zwei Monaten jeden Tag und es ist sehr gut. Ist ja immer so eine Sache in der Ehe – mit dem Beten. Früher haben wir es manchmal versucht abends zu beten, aber das hat nie ganz hingehauen; hat mal eine Woche geklappt, dann wieder nicht.
Wir haben für die Gemeinde gebetet und für alles mögliche und irgendwann hat Alex gebetet: „hilf auch denen zu beten, die zu viel zu tun haben und für die beten eine zusätzliche Belastung ist.“ Darüber habe ich dann noch eine ganze Weile nachgedacht. Beten scheint tatsächlich für viele eher eine Last zu sein als etwas, das aufbaut und näher zu Gott bringt. Es gibt so viele Ratgeber darüber wie man beten kann und der ganze Bereich des geistlichen Lebens ist für viele Christen eine Quelle ständiger Frustrationen. Zu allem Überfluss habe ich dann noch in einem WilloCreek Buch gelesen, dass es den mitteleuropäischen Leser überraschen könnte, dass US-amerikanische Christen Zeit in ihr geistliches Wachstum investieren und verbindlich zur Gemeinde gehen.
Meine Güte, irgendwas läuft schief!
Irgendwer hat mal was ganz Fieses gesagt, das leider ein Fünkchen Wahrheit enthält: „Wenn Du Christ bist hilft Gott Dir bei Problemen die Du ohne Ihn nicht hättest.“ Scheint ein bisschen zu stimmen, ohne Gott müsste man nicht Bibel lesen, beten, Zeugnis geben u.s.w. Aber es kann ja nicht sein, dass Gottes Plan mit den Menschen so aussieht.
Als ich vor 14 Jahren zu Jesus gekommen bin kam ich mit einem ganzen Sack voller Probleme. Ich bekam mein Leben einfach nicht auf die Reihe und brauchte dringend Hilfe. Diese Hilfe habe ich bekommen und Gott hat wirklich einiges für mich getan. Heute morgen habe ich zufällig im Internet ein paar Gothiclieder gehört und ich war auf einmal so froh, dass ich nicht mehr permanent depressiv und niedergeschlagen bin. Das ist wirklich so gut und etwas wofür ich Jesus so dankbar bin.
Ich habe aber auch gemerkt, dass mir sowohl die Musik als auch das Lebensgefühl noch gefällt. Mein alter Mensch (wie Paulus es nennt) hat sich in den Jahren nicht verändert, er ist immer noch derselbe geblieben. Ich bin sicher, wenn ich den Glauben verlieren würde, würde es nicht lange dauern bis ich wieder Horrorfilme gucken, kiffen und depressiv sein würde. Diese Tendenz zum alten Leben ist noch da und – wer weiß? – wird vielleicht immer da sein. Aber ich muss dieses Leben nicht führen, denn Gott gibt mir immer wieder neue Kraft und Ausrichtung mit ihm in diesem guten neuen Leben zu leben.
Von daher hatte ich nie das Gefühl, dass mit Gott etwas in mein Leben kommt, das für eine zusätzliche Belastung sorgt. Absolut im Gegenteil: es kam eine Hoffnung und Energie, die vorher nicht da war. Und eine Sehnsucht: ich wollte immer mit Gott zusammen sein.
Natürlich gab es immer auch mal Durststrecken, wie bei jeder Beziehung, aber im Grunde hatte ich nie über längere Zeit das Gefühl, dass geistliches Leben eine unangenehme Pflicht ist.
Jesus ist dafür gestorben, dass wir einen uneingeschränkten Zugang zum Vater haben:
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als durch mich. (Johannes 14,6)
Etwas wofür Jesus gestorben ist kann nicht so unattraktiv sein, dass man sich dazu zwingen muss. Wenn es stimmt, dass wir letztlich zur Gemeinschaft mit Gott geboren sind, dann muss es uns gut tun in seiner Gemeinschaft zu leben und kann kein Angang sein zu dem wir uns immer wieder zwingen müssen.
Die Psalmen sind voll von Gebeten, die sagen wie gut Gott ist und wie sehr es sich lohnt, zu ihm zu kommen.
„Gott ist meine Zuflucht“, „Gott ist mein Anteil im Lande der Lebenden“, „Gott ist mein Hirte“, usw.
Es muss also mal anders gewesen sein, als es heute viele empfinden. Die Psalmenschreiber lebten ihr Leben von einer anderen Perspektive aus. Sie schauten von Gott her auf die Welt und nicht umgekehrt.
Worauf schaust Du?
Die meisten Psalmen bestehen – grob gesagt aus zwei Teilen. Es gibt den menschlichen Part und den göttlichen. Natürlich gibt es auch andere Psalmen, aber sehr viele beginnen damit, dass David oder ein anderer Psalmist einen schlechten Tag hatte: sein Sohn verfolgt ihn und will ihm ans Leben; die Feinde umringen ihn und zünden seine Stadt an – schlechtes Kriegsglück kommt immer wieder vor; Leute belügen ihn und wollen ihn töten. etc.pp.
Aber dann kommt der Gott-Part und der Autor hebt den Blick zum Himmel und sieht: es gibt noch Hoffnung. Ab da kommt reiner Lobpreis: „Du bist der größte Gott, den es gibt! Du bist so herrlich und Du hast gute Gedanken über mich. Es gibt eine Hoffnung und eine Zukunft, denn Du bist bei mir!“
Bei vielen Psalmen hat man das Gefühl, dass beim lesen das Licht angeht.
Einer der Hauptgründe aus denen Gebet eher ab- als aufbaut ist wohl, dass wir nicht die erste Phase überwinden sondern in ihr hängen bleiben. Wenn wir uns beim beten auch wieder nur um dieselben Probleme drehen wie sonst auch den ganzen Tag, dann ist es eigentlich klar, dass wir genauso angebaut sind und dass beten uns stark macht.
Wir können uns nur um eins drehen, entweder um das Problem oder um die Lösung. Es gibt tatsächlich nur sehr weniges in der Welt, das wirklich neutral ist, die meisten Dinge bauen uns entweder auf oder ab; sie fördern Glauben oder sie hemmen ihn, aber nie beides gleichzeitig.
In den sechziger oder siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts boomten auf einmal Bewegungen, die sich mit positivem Denken auseinandersetzten. Sie erkannten, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Denken und unserem Leben gibt. Man kann nicht auf Dauer traurig denken und glücklich sein. Man kann auch nicht erfolgreich sein und sich dauernd in Gedanken mit dem eigenen Versagen beschäftigen. In der Veränderung des Denkens liegt eine enorme Kraft, deswegen steht da auch einiges drüber in der Bibel. Die Gedanken, die man damals hatte waren alles andere als neu. Im Grunde waren es alles gute biblische Sachen, die immer schon im Buch standen.
Anders als die NewAge-Leute müssen wir uns nichts positives einreden und auch nicht negative Umstände einfach abstreiten und uns irgendwo hin autosuggerieren. Wir haben etwas in unserem Leben, das nur positiv ist: den Heiligen Geist. Durch seinen Geist wohnt Christus selbst in uns – wenn das kein Grund ist zur Freude und wenn das nicht etwas ist, worum wir uns drehen können.
Ich habe dieses Prinzip vor einiger Zeit entdeckt und merkte, dass ich auch so beten kann, dass es mich traurig macht und Kraft raubt. Ich habe eine zeitlang oft gebetet: „Gott, bitte gib mir Kraft, erfülle mich mit Deinem Heiligen Geist.“ Einmal, als es mir nicht so gut ging und ich wieder so betete, hörte ich Jesus sehr deutlich sagen: „Du hast jetzt so viel Heiligen Geist wie Du jemals haben wirst. Mehr gibt es nicht.“
Das stimmt. Mehr Heiligen Geist als ich habe gibt es gar nicht. Gott kann uns nicht mehr geben, weil wir schon alles haben!
Also fing ich an zu danken und Gott zu loben. Gerade wenn es mir nicht so gut geht und ich denke, dass mir irgendwas wesentliches fehlt, bete ich Gott an und danke ihm für seine guten Gedanken über mich und für seinen Plan und das alles schon bezahlt ist. Das baut echt auf. Am Anfang ist es ein bisschen komisch, den Blick auf Jesus zu richten und göttliche Wahrheit aus zu beten, aber es kann wirklich die ganze Wahrnehmung göttlich verändern.
Als Paulus und Silas im Knast saßen, wann kam das Erdbeben, dass die Tore öffnete? Als sie anbeteten. Anbetung ist ein Schlüssel zur Freiheit! Das ist eine meiner Lieblingsgeschichten über Anbetung, denn sie zeigt, was Gebet bewirken kann, wenn es wirklich auf Gott ausgerichtet ist. Für mich ist da ein klares Prinzip beschrieben: Gottes Herrlichkeit kommt, wenn wir in schwierigen Zeiten den Blick auf ihn richten und ihn anbeten können. Das ist eine der wichtigsten Sachen, die wir lernen können.
Die Tore, durch die wir einmal den Himmel betreten, werden aus einer einzigen riesigen Perle geschnitzt sein (Offenbarung 21,21). Perlen entstehen in den schlechten Phasen eines Muschellebens. Sand kommt in die Muschel und wird von ihr umschlossen. Ebenso werden Perlentore in unserem Leben gebaut wenn wir in den schwierigen Zeiten nicht verzweifeln und den Blick auf unsere Umstände und Probleme richten sondern auf Jesus.
Ich möchte zum Schluss noch ein Gebet von Nikolaus von Flüe zitieren.
Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert von dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich führet zu dir.
Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und mach mich ganz zu eigen dir.
[Hier noch eine Predigt dazu.]
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