Die Rezension | Das Buch
Lieber Dr. Facius,
zunächst einmal möchte ich Ihnen für Ihr Interesse danken. Es kann bisweilen schwer sein, ein Buch zu lesen, das man selbst nicht als lesenswert beurteilt. Ihre Zeilen erinnerten mich an Kants ironische Feststellung nach der Lektüre Swedenborgs. Seinen Verriss in den „Träumen eines Geistersehers“ leitet er u.a. mit den Worten ein: „Überdies war ein großes Werk gekauft, und, welches noch schlimmer ist, gelesen worden, und diese Mühe sollte nicht verloren sein.“
Nun denn, die Mühe ist zwar nicht vergebens, aber einige Ihrer Kritikpunkte sind Fehlinterpretationen, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate oder schlicht unterschiedlichen Weltanschauungen geschuldet. Deshalb möchte ich auch meine Lektüre Ihrer Rezension nicht vergebens sein lassen und ein paar Punkte aufgreifen.
1) Die frühkirchliche Außenseiterposition der ewigen Qualhölle
Hier bringen Sie Ihre eigenen Zitate durcheinander. Es wurde nicht behauptet, dass die Lehre der Hölle oder des „dualen Ausgangs des Gerichtes“ Außenseiterpositionen waren. Ich kenne keine Kirchenväterposition, die nicht von einer Hölle ausgeht. Obwohl die Existenz der Hölle allgemein anerkannt war, traf das nicht auf die Ansicht eines Ortes ewiger Qual zu. Im Gegenteil war es verbreitet, daran zu glauben, dass die Hölle einen pädagogischen Zweck hat, der irgendwann erfüllt sein würde.
Dieses Missverständnis stützt deutlich eine spätere These, dass wir uns die Hölle nicht mehr anders vorstellen können, als wir es gewohnt sind. In dem ganzen Kapitel geht es ja um Vorstellungen der Hölle in der frühen Kirchengeschichte.
Wenn ich Sie recht verstehe, löst das noch nicht den Diskussionspunkt, denn sie stoßen sich an der Stelle an der „Außenseiterposition“. Die Erklärung findet sich auf derselben Seite. „Es gab insgesamt mindestens sechs theologische Schulen in der ganzen Kirche. Unter diesen sechs Schulen vertrat eine, und nur eine die Lehre der zukünftigen ewigen Strafe. Eine glaubte an die Auslöschung der Bösen, zwei bevorzugten die allgemeine Wiederherstellung aufgrund der Lehren von Origenes und zwei aufgrund der Lehren von Theodor von Mopsuestia.“ Die Fußnote an der Stelle verweist auf das lesenswerte Buch John Wesley Hansons „Universalism the Doctrine of the Christian Church during its first five hundred years“. Dadurch, dass sie Zitat und Quelle nicht erwähnen, erzeugen Sie den Eindruck, dass diese Einschätzung in der Luft hängt, was tatsächlich nicht der Fall ist.
Solche unfairen Darstellungen finden sich in Ihrer Rezension mehrfach. Die Frage nach den Höllenvorstellungen wird beispielsweise besprochen. Da ist auch von den widersprüchlichen Darstellungen der Texte zwischen den Testamenten die Rede. Zwar gehe ich nicht auf die Pe-trusapokalypse ein, aber sie steht zwischen vielen anderen. Auch Ihr Zitat zu Origenes ist nur die Einleitung.
2) Der verblüffte Leser
Generell ist es nicht verwerflich, wenn ein Leser verblüfft wird. Verblüffung ist ein Zeichen dafür, dass man etwas gelernt hat. Der verblüffte Leser in diesem Fall dürfte allerdings ein Deutscher sein, denn die einschlägige englischsprachige Literatur ist voller Diskussionen. Dort findet man Bücher mit den Titeln „Two views of Hell“ oder „Four views on Hell“. Dr. Hille hat recht, wenn er im Vorwort zu „Heißes Eisen Hölle“ schreibt: „(…) in der deutschen Diskussion wird das Problem oft vorschnell auf die Alternative ewiger Höllenstrafe oder Allversöhung eingeschränkt.“ (Seite 7).
Das Zitat aus Seite 39 ist nicht nur falsch wiedergegeben, sondern auch noch total aus dem Zusammenhang gerissen. Es fasst eine Stellungnahme von ACUTE zusammen, die den ganzen vorherigen Absatz einnimmt. Mit dem „Zitat“ von Seite 35 ist es ebenso, Sie zitieren völlig aus dem Zusammenhang aus einer Einleitung zu einem Unterpunkt. Leider geschieht das immer wieder, so dass ein schlechter Eindruck erweckt wird, der so nicht stimmt.
„Geradezu abenteuerlich“ finden Sie die Bemerkung zu Calvins Auslegungspraxis. So allein scheine ich da allerdings nicht zu stehen. In einer Fußnote (806 von Band 2 seines dreibändigen Römerkommentars) bezeichnet Ulrich Wilckens die doppelte Prädestination als „leitenden Gesichtspunkt der vorkritischen Exegese“. Danach widerlegt er diesen Gedanken und zeigt, dass es im Römerbrief um andere Themen geht. Tatsächlich wird die doppelte Prädestination durch einzelne Stellen gestützt, nicht aber durch den Zusammenhang. Ich habe den größten Respekt vor Calvins theologischem Lebenswerk und werfe ihm überhaupt nicht vor, die Bibel auf diese Weise verstanden zu haben. Was Sie „abenteuerlich“ finden, bedeutet, dass ich den Hut tief ziehe vor jemandem, mit dem ich an dieser Stelle absolut nicht einer Meinung bin.
3) Wer sollte ein Buch schreiben?
Es sind nun schon zwei Seiten, und so möchte ich nicht auf jeden Punkt eingehen. Unter der vielen Polemik habe ich ohnehin kein sachliches Argument entdeckt. Sie verstehen es, Ihre Meinung klarzustellen, dass ich falsch liege, sagen aber leider nicht, warum.
Sie scheinen Bücher zu mögen, die klar Stellung beziehen und die klassische Sicht vertreten. In diesem Sinne muss ich Ihnen zustimmen: Vor meinem Buch muss man warnen. Es ist skandalös, dass es in einem seriösen Verlag erschienen ist. Statt klare Antworten zu geben, führe ich „den Leser eher in die Orientierungslosigkeit.“ Es stellt sich Ihnen „doch die Frage, ob man ein Buch schreiben sollte, wenn man auf nahezu keine Frage eine Antwort hat. Schmelzer kann sich nicht einmal dazu durchringen, die Existenz der Hölle zu behaupten.“
Die eigentliche Frage ist doch, inwieweit Glaube an ein festgefügtes theologisches Konzept geknüpft ist. Mir geht es darum, zu zeigen, dass unsere einfachen Antworten durchaus nicht immer so ausschließlich logisch sind. Ich habe bewusst versucht, mich nicht an die Systeme zu halten, sondern die Vielfalt der Bibel und der Schriftauslegung zu zeigen. Es stimmt, dass es mir am Ende schwerfällt, zu sagen: „So ist es“. Ich habe die Bücher der Leute gelesen, die sicher waren. Komischerweise waren sie von ganz unterschiedlichen Sichtweisen der Hölle überzeugt.
Sie legten dasselbe Buch aus, haben mit Jesus gelebt und oft leidenschaftlich für ihre Ansicht gestritten. Trotzdem waren sie Universalisten oder Anhänger der ewigen Qual. Am Ende haben wir unsere Meinungen, die uns richtig erscheinen, die aber nicht beweisbar sind. Experten diskutieren mit Experten und werden sich nicht einig. Konsequent zu Ende gedacht glauben die meisten Christen, dass die meisten anderen Christen in die Hölle kommen. Wie oft habe ich schon gehört, dass die einen das auch genauso über die anderen sagen? Ich glaube, dass die Bandbreite der Offenbarung Gottes viel größer ist als unser Lager, und ich möchte nicht weniger Geschwister haben als mein himmlischer Vater Kinder. Die Art, wie die Geretteten über die Hölle reden, ist oft sehr arrogant und lieblos, besonders wenn die ewige Verdammnis als Trumpfkarte gegen andere Gläubige gezogen wird. In diesem Sinne halte ich eine gewisse Demut gegenüber der eigenen Erkenntnis für durchaus angebracht. Der belehrende herablassende Ton Ihrer Rezension lässt erahnen, dass Sie anderer Meinung sind, aber ich denke tatsächlich, dass uns zurückhaltendere Bücher zu kontroversen Themen gut zu Gesicht stünden.
Damit komme ich zum letzten Punkt Ihrer Kritik. Ja, ich glaube an die Hölle. Mehr geht nicht. Ich weiß nicht, wie es dort aussieht oder ob eine der gnädigeren Positionen Recht hat. Aber so ganz genau kann das auch niemand wissen. Wir können natürlich unseren Glauben absolut setzen, aber jeder andere wird sehen, dass der Kaiser nackt dasteht. Wir sind eben Gläubige, keine Wissenden.
Mit den besten Grüßen,
Carsten „Storch“ Schmelzer
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