Bei Amazon.de unter dem Pseudonym Vogelbeobachter erschienen:

 

Der Remscheider Pastor, Prediger, Autor und Musiker Carsten Schmelzer, in der „Jesus-Freak-Bewegung“ bekannt unter dem Namen „Storch“ hat hier ein schon rein äußerlich eindrucksvolles Buch vorgelegt, denn er widmet dem Thema rund 330 Seiten zuzüglich Anhang. Allein die aufgeführte Literaturliste hat einen Umfang von 27 Seiten. Und die aufgeführte Literatur hat er reichlich ausgeschöpft, was Zitate im Text und zusätzliche Fußnoten belegen.

Die ersten drei Kapitel befassen sich mit den alt- und neutestamentlichen Bibelstellen, in denen Homosexualität erwähnt wird und den theologischen Folgerungen des Autors. Dann folgt ein weiteres theologisches Kapitel über „Jesus und das virulente Evangelium“, ehe der Autor die Ursachen und die Frage der Veränderbarkeit von Homosexualität erörtert und zum Schluss auf das Thema „Homosexualität und (christliche) Gemeinde“ eingeht.

Zielgruppe des Buches sind hauptsächlich Gläubige in evangelikal geprägten Freikirchen, neben konservativen Gruppen in evangelischen Landeskirchen und der offiziellen Lehre der katholischen Kirche hierzulande die letzten „Bastionen“, in denen es noch notwendig erscheint, sich über eine neue Ethik gegenüber Homosexuellen Gedanken zu machen. Carsten Schmelzer weist darauf hin, dass es auch innerhalb dieser Lager Christen mit homosexueller Orientierung gibt, denen bis heute Ausgrenzung droht, wenn sie sich „outen“.

Die fehlende Akzeptanz Homosexueller in evangelikalen Kreisen wird in der Regel damit begründet, dass die Bibel Homosexualität klar ablehnt. Folgerichtig geht Schmelzer deshalb ausführlich auf die relativ wenigen Bibelstellen ein, in denen Homosexualität explizit erwähnt wird oder die, wie die Schöpfungsgeschichte, für die Beurteilung herangezogen werden. Der Autor bemüht sich hier um eine objektive Darstellung des geschichtlichen Hintergrunds dieser Texte und der Einordnung in den biblischen Zusammenhang.

Obwohl er zum Schluss kommt, dass die Bibel sich gegen Homosexualität ausspricht, sieht er im Reden und Handeln von Jesus Christus eindeutige Signale gegen eine Ausgrenzung homosexueller Christen aus den Gemeinden. Aus den zusammengetragenen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über Homosexualität zieht Schmelzer zugleich den Schluss, dass Homosexualität auch nicht einfach „veränderbar“ ist. Gerade die Frage, ob Homosexualität „therapierbar“ ist bzw. ob sie überhaupt therapiert werden soll oder darf, ist ein Konfrontationsfeld zwischen Homosexuellen-Lobby und konservativen christlichen Bewegungen. Hier bemüht sich Schmelzer durch das Zusammentragen von Fakten um eine Versachlichung.

Mit dem Fazit aus seiner intensiven Beschäftigung mit dem Thema Homosexualität setzt sich der Autor vermutlich zwischen alle Stühle. Wer sich Bestätigung erhofft für ein liberales Bibelverständnis, könnte enttäuscht sein. Wer allerdings meint, durch die Kenntnis einzelner Bibelstellen sagen zu können „wie Gott über Homosexualität denkt“, wird sich ebenfalls deutlich ausgebremst fühlen. Eine Stärke des Buchs ist, dass es zum gründlichen Lesen und Nachdenken über die Bibel anregt und damit aufzeigt, wie man Texte aus einer anderen Zeit für das Leben in der Gegenwart fruchtbar macht.

Das Buch ist in einer Zeit, in der Diskussionen gerne über soziale Netzwerke und Internetforen geführt und zu einem unversöhnlichen Schlagabtausch mit immer gleichen Argumenten werden, ein wohltuendes Signal, dass auch über religiös motivierte Kontroversen eine sachliche und faire Auseinandersetzung möglich sein könnte.

Seit Jahrzehnten ist das Thema Homosexualität unter Christen ein äußerst umstrittenes Thema. Stets scheiden sich an dieser Stelle die Geister und stehen sich nach wie vor unversöhnlich gegenüber.

Das soeben erschienene Buch von Carsten “Storch” Schmelzer betrachtet eingehend das Alte und Neue Testament, die sich unversöhnlich gegenüber stehenden Gruppen von Christen heute, aber auch die sich in der Gegenwart entwickelnde christliche Ethik zu diesem Thema.

Was dabei heraus kommt ist eine solide Arbeit, in der alle beteiligten Seiten zu Wort kommen. Selbst Betroffene werden gehört, all zu oft wird ja noch immer nicht mit sondern über Homosexuelle geredet. Dieses Buch ist weit weg von der oberflächlichen Frage von Akzeptanz und Verurteilung Schwuler und Lesben. Es nimmt Christen in die Verantwortung und erkennt an, dass mit der Geburt Christi die Welt verändert ist.

Der Pastor mit dem seltsamen Spitznamen scheint keine Angst vor heißen Eisen zu haben!

Brendow, ISBN 978-3- 86506-741-8, Preis 14,95 Euro

Storch hat Bücherändernleben nun folgende Fragen beantwortet:

Hallo Storch, Du lässt wohl kein heißes Eisen liegen? Schon bei Deinem Heilungsbuch wurde munter und auch kritisch debattiert. Jetzt greifst Du das Thema „Homosexualität“ auf. Bist Du lebensmüde, oder warum ist das Thema gerade jetzt wichtig?

Hallo Christian, nein, lebensmüde bin ich sicher nicht, nicht mal ein Konfliktesucher. Ich bin nur davon überzeugt, dass mich als Teil der Gesellschaft dieselben Themen interessieren wie die meisten anderen. Wir leben im größten Umbruch der Geschichte. Wahrheiten, die unsere Eltern noch geglaubt haben, werden heute in Zweifel gezogen. Das heißt, dass jedes Thema neu diskutiert werden muss, und dieser Trend geht ja nicht an den Christen vorbei. Wir reden aber generell zu wenig. Deshalb muss jemand die Themen aufgreifen, die uns im Grunde alle beschäftigen.

Was glaubst Du, warum stehen sich gerade beim Thema Homosexualität Christen verschiedener Gruppen so unversöhnbar gegenüber?

Weil das Thema viel tiefer geht, als es aussieht. Es ist oft ein Stellvertreterkonflikt, in Wirklichkeit geht es um hermeneutische Fragen, Ethik und ähnliche Themen, die uns zu Recht beschäftigen. Im Chemieunterricht an der Schule habe ich gelernt, was ein Lackmustest ist. Bei meinen Recherchen kam das Wort dauernd. Wie man sich zur Homosexualität verhält, soll der Lackmustest des Glaubens sein, der zeigt, ob jemand Gott treu ist oder sich vom Zeitgeist korrumpieren lässt. Dabei stimmt das gar nicht. Sexuelle Orientierung hat nichts mit Glauben zu tun. Wir sollten achtgeben, dass wir nicht Äpfel und Birnen verwechseln.

Du hast Dich ausführlich mit der Homosexualität im Alten und Neuen Testament beschäftigt. Was ist für Dich das Ergebnis Deiner Studien und was für eine Bedeutung haben sie für die Gegenwart?

Zunächst einmal habe ich viele unterschiedliche Sichtweisen kennengelernt, die in ihrer ganzen Vielfalt von ernsthaften Christen vertreten werden. Die Stellen sind also nicht so leicht zu verstehen, wie oft behauptet wird.
Dann ist es, wie bei allen Themen, nicht so, dass die Bibel pauschal etwas zu sagen hat. In einer säkularen Welt hat die Bibel nur den Gläubigen etwas zu sagen, ihre ganze Bedeutung entfaltet sie durch die Beziehung zu Jesus. Er ist das Zentrum, nicht die Bibel. Deshalb halte ich es für entscheidend, dass jeder Mensch die Gewissensfreiheit hat, aus seiner eigenen Beziehung zu Jesus Christus diesen aus seinem Wort sprechen zu hören. Die Behauptung, dass die Bibel das und das sagt, ist nicht bei jedem Thema hilfreich.

Nachdem ich nun Dein Buch gelesen habe, würde ich es so zusammenfassen: Jesus erlaubt den Quantensprung! Warum verändert sich mit Jesus wirklich alles und was kann dies heute für das Thema Homosexualität bedeuten?

Weil Jesus uns die Möglichkeit gibt, Menschen auf einer Ebene zu begegnen, die noch viel tiefer ist als ihre Orientierung und die ganzen anderen Faktoren, die wir schon tief finden. Er sieht uns, wie wir wirklich sind, und erlaubt uns, dass wir uns selbst und unsere Mitmenschen mit seinen Augen sehen. Seine Gnade verändert alles.

pastor carsten storch

Foto: Pastor Carsten “Storch” Schmelzer

Du lebst nicht auf einem fernen Stern. Du hörst die Stimmen von Christen, die dies völlig anders sehen. Was sagst Du denen?

Das kommt darauf an. Ich habe zwei Sorten von Christen erlebt, die zu anderen Schlussfolgerungen kommen. Auf die einen lasse ich nichts kommen. Es sind Leute, die ehrlich zu der Überzeugung gekommen sind, dass Gott selbst gegen Homosexualität ist. Ich habe einige kennengelernt, die schwule Freunde haben, mit denen sie teilweise sogar im Hauskreis sitzen. Sie setzen sich gegen Diskriminierung ein und versuchen Schwule und Lesben zu verstehen, kommen aber immer zu dem Schluss, dass es vor Gott nicht in Ordnung ist. Solchen Menschen begegne ich mit Respekt und ziehe meinen Hut vor ihrem Mut, eine sehr unpopuläre Meinung zu vertreten. Das sollten wir als Teil der Gewissensfreiheit hoch schätzen.
Auf der anderen Seite gibt es viele, die Homosexualität einfach eklig finden und nicht bereit sind, sich mit ihren Vorurteilen auseinanderzusetzen. Sie übernehmen Vorurteile, die immer schon falsch waren, und sind schlicht zu faul und zu feige, um sich um der Menschen willen mit ihnen auseinanderzusetzen. So was geht in unserer Zeit nicht mehr, und es ist nicht in Ordnung. Da schlage ich meist die Hände über dem Kopf zusammen und spreche ein stilles Gebet. Respekt kann man von jedem verlangen.

Die Weisheit hast Du ganz sicher auch nicht mit Löffeln gefressen, aber ich sehe Dein Buch als Impuls, eine möglichst sachliche Debatte zu beginnen. Was bekommst Du als erste Reaktionen auf Dein Buch zu hören?

Wenn Du damit meinst, dass mein Beitrag nicht das Letzte ist, was zu diesem Thema geschrieben und gesagt wurde, dann hast Du sicher recht. Aber dennoch überwiegen die positiven Rückmeldungen. Ich habe gehört, dass man dem Buch einen engagierten Umgang mit Menschen und der Bibel abspürt. Mehr kann ich kaum verlangen, schließlich geht es mir um den Dialog miteinander.

Vielen Dank für das Interview!

 

Das Interview ist hier erschienen und dort werden auch einige Exemplare verlost.

Eine Rezension auf Amazon von Frank Hartkopf:

Dieses Buch wird Bewegung in eine festgefahrene Debatte bringen. Auf der einen Seite stehen Christen, die sich an einer positiveren Sicht versuchen und die Ausgrenzung Homosexueller in Gemeinden überwinden wollen. Auf der anderen Seite stehen Christen, die vor einer Abkehr von Heiliger Schrift und Schöpfungsordnung warnen. Dabei geht es Storch zunächst um eine Versachlichung der Diskussion. Er befasst sich unvoreingenommen mit Quellen und Argumenten beider Lager und findet ein Stück Wahrheit bei beiden. Storch erklärt, warum manche Auslegungsversuche exegetisch nicht haltbar sind, wenn sie etwas in den Text hineinlesen, dass von den Schreibern ursprünglich nicht gemeint sein kann. Doch Storch lädt uns ein, hier nicht stehen zu bleiben. Denn die ethische Frage, wie wir mit schwulen und lesbischen Christinnen und Christen umgehen, muss ganz praktisch beantwortet werden. Sonst zwingen wir unsere Geschwister dazu, ihre Orientierung geheim zu halten oder ihre eigenen Gemeinden zu gründen. Der Schlüssel ist Jesus, das menschgewordene Wort Gottes.
Seit Luther wissen wir, dass wir beim Bibellesen unsere Jesus-Brille aufsetzen sollen. Deshalb lehnen wir heute Sklaverei ab, obwohl es Verse gibt, die zur Legitimation dieses Unrechts benutzt wurden. Anschaulich beschreibt der Autor, wie Jesus mit denen umging, die als Sünder von der Gesellschaft ausgegrenzt wurden. Besonders Storchs Auslegung der Begegnung von Jesus mit der Frau am Brunnen hat mich zu Trä-
nen gerührt. Das ist genau dieser radikal liebende, menschengemachte Grenzen übertretende Jesus, an den ich einst mein Herz verloren habe!

Bei seiner Recherche hat sich Storch auch mit den Menschen getroffen, um die es geht. Er beschreibt ihr jahrelanges Ringen mit der eigenen
Identität, mit dem Glauben und die Verletzungen durch andere Christen. Das persönliche Kennenlernen hat auch bei mir ein Umdenken ausgelöst, so dass ich die von der kirchlichen Tradition übernommene, sehr negative Interpretation aufgeben konnte.

Storch hat sich diesem heißen Eisen mit viel Fleiß, Weisheit, Liebe zum Wort Gottes und zu den Menschen angenommen. Ich wünsche mir, dass dieses in jeder Gemeinde und in jedem Hauskreis gelesen und besprochen wird und hilft, Brücken zu bauen.

Es freut mich, dass mein erster Workshop zum Thema ausgerechnet bei den Jesus Freaks stattfindet. Ich habe den Pluralismus unserer Bewegung immer geschätzt und hoffe, dass sie auch in diesem Bereich Heilung bringen kann. Ich hoffe, dass wir wirklich über das Thema reden können ohne die Fronten noch mehr zu verhärten, die Gräben zu vertiefen und den Leib Christi weiter zu zerreißen. In einem guten Geist wird sicherlich auch Dialog möglich sein ohne Gottes Wort zu verleugnen oder Menschen zu diskriminieren.

[weitere Infos]

IMG_1397Gestern bekam ich ein Foto gemailt. Jemand hatte das Buch – für ihn ungewöhnlich schnell – gelesen und mir ein Bild geschickt. Das Buch schein nicht ganz einfach zu sein. Ein schwieriges Thema, eben.

6. April 2015 in Allgemein 0

Jesus, der Verfolgte

Ostern veröffentlichte „Die Entscheidung“ einen Artikel von mir im Internet. Ich war unterwegs als die Bitte um Verlinkung kam und kann erst heute wieder auf meinen Blog zugreifen. Deshalb kommt der Link erst heute. Bitte klicken sie hier.

HS-CoverNach einem sehr intensiven Jahr, das ich mit Recherche zubrachte und in dem ich viele neue Menschen getroffen und Freunde gewonnen habe, ist nun mein Buch „Homosexualität – auf dem Weg in eine neue christliche Ethik?“ erschienen. Niemand kann sagen, dass es ein einfaches Thema ist. Ein Blick auf die Menschen und die Bibel zeigt ein Spannungsfeld, das kaum größer sein kann. Dabei fehlt in der Auseinandersetzung aber oft der Blick auf die Homosexuellen, die wirklich versuchen, ihre Orientierung und den Glauben unter einen Hut zu bringen. Dieses Buch wurde für die vielen geschrieben, die irgendwie mit dem Thema zu tun haben und es sich nicht leicht machen, Antworten zu finden. Es ist ein Diskussionsbeitrag und eine Einladung an alle Beteiligten: „Lasst uns wieder reden!“

Vielen Dank an Martin Dreyer für das Vorwort und an Nicholas Koch für das gute Lektorat!

[beim Kultshop bestellen]

Die Verlagsangaben:

Carsten „Storch“ Schmelzer: Homosexualität. Auf dem Weg in eine neue christliche Ethik? Brendow Verlag, erschienen 2015. ISBN 978-3-86506-741-8, 337 Seiten, Paperback, 13,5×20,5 cm

„Eine Debatte ist unbedingt nötig!“ Carsten „Storch“ Schmelzer widmet sich einem heißen Eisen: Homosexualität. Es gibt nur wenige Themen, die geeignet sind, die Menschen in den Gemeinden – gleich welcher Denomination – so zu spalten wie dieses. Ist es für den einen schlichtweg Sünde, werden in den letzten Jahren wiederholt Stimmen laut, die sich an einer positiven Sicht versuchen, wobei die Auslegung der betreffenden Bibelstellen oft sehr willkürlich erscheint. Storch beleuchtet die Argumente beider Seiten und nähert sich dem Thema ganzheitlich. Hierzu betrachtet er die gängigen Bibelstellen und (Un-)Möglichkeiten der Auslegung, beleuchtet die Situation homosexuell empfi ndender Menschen in unseren Gemeinden und gibt einen Einblick in die gängigen Theorien über Ursachen und Entstehung von Homosexualität. Dabei gibt er keine fertigen Antworten, sondern stellt dem Leser frei, wie er die verschiedenen Sichtweisen bewerten möchte. Statt eine Marschrichtung vorzugeben, lautet sein Appell: „Wir müssen miteinander reden!“

20. Januar 2015 in Gesellschaft 5

Flüchtlinge im KZ?

Bekanntlich will die Stadt Schwerte Asylanten auf einem Gelände der KZ-Außenstelle Buchenwald unterbringen. Die Entscheidung ist für viele ein echter Aufreger und auch ich empfand es als sehr unsensibel, Ausländer in einem KZ unterzubringen.

Aber darum geht es ja gar nicht. Von einem Konzentrationslager spricht niemand. Es handelt sich um Gebäude, die erst nach dem Krieg gebaut wurden und somit in keinem Zusammenhang zum Nationalsozialismus stehen. „Bei den Recherchen, bei denen Luftbilder aus den Jahren 1952/1959 aufgetaucht sind, habe sich herausgestellt, dass die fragliche Baracke nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen worden sein muss. Allein die nahe gelegene Pfadfinderbaracke sei noch original.“ Diese Ergebnisse einer historischen Forschung stellte Schwertes Bürgermeister Böckelühr vor.
Bei den teils sehr hitzigen Reaktionen geht es also eher um Vergangenheitsbewältigung als um die aktuelle Nutzung. Die Frage scheint zu sein, ob man ein „vorbelastetes“ Gelände solcherweise nutzen darf.
An anderen Stellen hat man das längst gemacht, denn ganz Deutschland hat dieselbe Vergangenheit und dennoch nutzt man Straßen, Rathäuser, Flugplätze und Autobahnen noch immer. Warum dann gerade hier nicht?
In der Geschichte nutzte man die Infrastruktur eines besiegten Feindes anders. Man statuierte ein Exempel, indem man sie entweihte oder umweihte. Das Matthäusevangelium spricht von einem „Gräuel der Entweihung“, der an heiliger Stätte stehen wird (Matthäus 24,15). Damit bezieht es sich auf eine Prophetie aus dem prophetischen Buch Daniel. „Dort [umschreibt] dieser Ausdruck den von den Syrern auf dem Brandopferaltar im Tempel aufgerichteten Zeusaltar.“1
Salopp gesagt hat man die Gebäude also einfach umgenutzt; aus einem Tempel JHWHs wurde ein Zeustempel. Warum kann dann nicht auch ein KZ-Gelände zu einem Ort der Menschlichkeit umgeweiht werden? Es ist ein schöner Gedanke, dass an einem Ort der Naziverbrechen heute Araber und Schwarze leben. Hitler dreht sich im Grabe um.
Überhaupt gehen nicht nur die Neonazis und Rechten falsch mit der Vergangenheit um. Ihre ewig-gestrige Gesinnung zeigt sich in Glorifizierung des Dritten Reiches. Aber es ist ähnlich, wenn die Dämonisierung des Dritten Reiches so sehr zum Kult wird, dass man ihrer mehr gedenkt als heutigen Opfern. Unmenschlichkeit ist kein Problem, das seit 1945 gelöst wäre. Wir würden mehr gegen den Geist des Dritten Reiches unternehmen, wenn wir der heutigen Opfer mehr gedächten. Da gibt es viele, man muss nur an Boko Haram denken und die Dörfer, die sie vernichten. Oder an die Opfer des Krieges zwischen Israel und den Palästinensern.
Es dient auch unserer Vergangenheitsbewältigung, wenn wir ehemalige KZ-Flächen sinnvoll nutzen indem wir Flüchtlingen mit Liebe und Respekt behandeln. Wie schrecklich wäre es, Asylanten abzuweisen weil wir keine „historisch belasteten Flächen“ nutzen wollen.


1) Luz, Ulrich (2002): Das Evangelium nach Matthäus. Matthäus 26-28. Düsseldorf, Zürich: Benziger (EKK – Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament, Bd. 1, Teilbd. 4). Seite 425.

7. Januar 2015 in philosophie usw. 4

Charlie Hebdo

Fast hätte ich nach dem schrecklichen Anschlag in Paris mein Profilbild auch in je suis Charlie geändert, aber ich habe es gelassen. Um mich gegen den IS und mit den verfolgten Christen zu solidarisieren hatte ich auch ein arabisches N als Profilbild, aber ich bin weder Satiriker noch Comiczeichner. Deshalb habe ich alles beim Alten gelassen. Dennoch hat mich das Attentat aufgewühlt und schockiert. Was fällt diesen Leuten ein, Menschen zu töten, weil sie Satire betreiben?! Mein aufrichtiges Beileid und Gottes Segen an alle Leidtragenden dieses Wahnsinns!

Aber mehr noch als die schreckliche Tatsache an sich frage ich mich, was man nun tun sollte. Außer beten kommen mir zwei Dinge in den Sinn.

1) Wir dürfen den Dialog nicht aufhören. Solche Katastrophen sind Wasser auf den Mühlen von Antimuslimen, Rechten, Angstzerfressenen und anderen Kräften, die unsere Gesellschaft spalten. Davon sollten wir kein Teil sein. Jesu Wort „selig sind die Frieden stiften“, hat niemals mehr Bedeutung, als in kriegerischen Zeiten. Wir sollten weiterhin auf MitbüergerInnen anderer Nationen und Religionen zugehen, denn das Wort hat eine Verheißung: „denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Matthäus . Gerade in Zeiten wir diesen sollten wir als Kinder Gottes bekannt sein.

2) Wir dürfen aber auch das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht aufgeben. Satire hat in einer aufgeklärten Gesellschaft einen Platz, sie leistet einen Beitrag zur Demokratie. Wir müssen uns daran erinnern, dass die Meinungsfreiheit ein kostbares Gut ist, das in Europa teuer bezahlt wurde. Kant, Fichte, Voltaire… die Liste derer, die für unsere Rechte gekämpft haben, ließe sich endlos weiterführen. An solchen Tagen kommt mir ein Liedtext von New Model Army in den den Sinn:

„No rights were ever given to us by the grace of God
No rights were ever given by some United Nations clause
No rights were ever given by some nice guy at the top
Our rights they were bought by all the blood
And all the tears of all our
Grandmothers, grandfathers before.“

27. Oktober 2014 in vermischtes 6

Alles nu(h)r Satire

Ich muss gestehen, dass ich Dieter Nuhr nicht kenne. Eigentlich trifft das auf jeden Kabarettisten zu, denn das Genre liegt mir nicht besonders. Aber nun habe ich natürlich seine Islamkritik gesehen und möchte gern einmal einen Vergleich ziehen.

Ich bin Christ. Keiner von denen, die nur Weihnachten einen Gottesdienst besuchen, sondern einer von denen, die an Weihnachten einen Gottesdienst veranstalten. Als Christ verstehe ich, dass es einen nerven kann, wenn andere das in den Schmutz ziehen, was man glaubt. Es gäbe so vieles, was mich vermutlich an Nuhrs Programm nerven würde. Ich rolle jedes Mal die Augen, wenn ich in den zweifelhaften Genuss der Jesus-Comedy bei 1live komme. So ein Scheiß! Aber warum sollte ich sie deshalb verklagen? Ich lebe in Deutschland und kann meine Meinung frei äußern. Also: „1live Comedy ist ganz bitter. Humor ganz unten. Unterirdisches Niveau, schlecht gemacht. Pfui. Aber, liebes 1live, ihr habt jedes Recht, schlechte Comedy zu machen.“

Wie Voltaire versichere ich euch: „Ich bin nicht Eurer Meinung, aber ich werde darum kämpfen, dass Ihr Euch ausdrücken könnt.“

Genauso verstehe ich, dass es nervt, wenn man sich immer wieder erklären muss. Wenn Muslime sagen, dass Nuhr den wahren Islam nicht kennt, mag das sein. Aber geht es mir denn anders? Wie oft habe ich mich für Kreuzzüge erklären müssen, für Judenverfolgungen, die Hetze gegen Homosexuelle, die Enteignung der Donatisten, die Inquisition. Alles ist lange her, oft Jahrhunderte. Mit meinem Glauben hat es nichts, aber auch gar nichts zu tun. Trotzdem ist es in den Köpfen der Leute fest verankert. Man muss eben Überzeugungsarbeit leisten, wenn man eine Botschaft hat.
Als Jesus Freaks schrieben wir früher, dass wir erlebt haben, dass trotz all dieser schrecklichen Dinge an der Sache mit Jesus etwas Fantastisches dran ist. Also lasse ich es mir nicht verdrießen, es wieder und wieder zu erklären. Im Gegenteil, jeder, dessen Religion zu Gewalt geführt hat, muss sich von dieser distanzieren – auch wir Christen. Wie viel mehr trifft das dann auf diejenigen zu, deren Religion aktuell für Gräueltaten herhält?
Hätte ich jeden Komiker verklagt, der die Kirche beleidigt oder meinen Glauben verspottet, hätte ich keine Zeit mehr zum Beten gehabt! Aber ich habe es nicht. Satire hat in unserer Gesellschaft nämlich eine wichtige Funktion: Sie sagt auf lustige, beißende, spöttische Weise, was sich sonst niemand traut. Und davon profitieren wir alle, auch wenn wir uns manchmal nicht nur Lachtränen aus den Augen wischen müssen.

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