Bei Amazon.de unter dem Pseudonym Vogelbeobachter erschienen:
Der Remscheider Pastor, Prediger, Autor und Musiker Carsten Schmelzer, in der „Jesus-Freak-Bewegung“ bekannt unter dem Namen „Storch“ hat hier ein schon rein äußerlich eindrucksvolles Buch vorgelegt, denn er widmet dem Thema rund 330 Seiten zuzüglich Anhang. Allein die aufgeführte Literaturliste hat einen Umfang von 27 Seiten. Und die aufgeführte Literatur hat er reichlich ausgeschöpft, was Zitate im Text und zusätzliche Fußnoten belegen.
Die ersten drei Kapitel befassen sich mit den alt- und neutestamentlichen Bibelstellen, in denen Homosexualität erwähnt wird und den theologischen Folgerungen des Autors. Dann folgt ein weiteres theologisches Kapitel über „Jesus und das virulente Evangelium“, ehe der Autor die Ursachen und die Frage der Veränderbarkeit von Homosexualität erörtert und zum Schluss auf das Thema „Homosexualität und (christliche) Gemeinde“ eingeht.
Zielgruppe des Buches sind hauptsächlich Gläubige in evangelikal geprägten Freikirchen, neben konservativen Gruppen in evangelischen Landeskirchen und der offiziellen Lehre der katholischen Kirche hierzulande die letzten „Bastionen“, in denen es noch notwendig erscheint, sich über eine neue Ethik gegenüber Homosexuellen Gedanken zu machen. Carsten Schmelzer weist darauf hin, dass es auch innerhalb dieser Lager Christen mit homosexueller Orientierung gibt, denen bis heute Ausgrenzung droht, wenn sie sich „outen“.
Die fehlende Akzeptanz Homosexueller in evangelikalen Kreisen wird in der Regel damit begründet, dass die Bibel Homosexualität klar ablehnt. Folgerichtig geht Schmelzer deshalb ausführlich auf die relativ wenigen Bibelstellen ein, in denen Homosexualität explizit erwähnt wird oder die, wie die Schöpfungsgeschichte, für die Beurteilung herangezogen werden. Der Autor bemüht sich hier um eine objektive Darstellung des geschichtlichen Hintergrunds dieser Texte und der Einordnung in den biblischen Zusammenhang.
Obwohl er zum Schluss kommt, dass die Bibel sich gegen Homosexualität ausspricht, sieht er im Reden und Handeln von Jesus Christus eindeutige Signale gegen eine Ausgrenzung homosexueller Christen aus den Gemeinden. Aus den zusammengetragenen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über Homosexualität zieht Schmelzer zugleich den Schluss, dass Homosexualität auch nicht einfach „veränderbar“ ist. Gerade die Frage, ob Homosexualität „therapierbar“ ist bzw. ob sie überhaupt therapiert werden soll oder darf, ist ein Konfrontationsfeld zwischen Homosexuellen-Lobby und konservativen christlichen Bewegungen. Hier bemüht sich Schmelzer durch das Zusammentragen von Fakten um eine Versachlichung.
Mit dem Fazit aus seiner intensiven Beschäftigung mit dem Thema Homosexualität setzt sich der Autor vermutlich zwischen alle Stühle. Wer sich Bestätigung erhofft für ein liberales Bibelverständnis, könnte enttäuscht sein. Wer allerdings meint, durch die Kenntnis einzelner Bibelstellen sagen zu können „wie Gott über Homosexualität denkt“, wird sich ebenfalls deutlich ausgebremst fühlen. Eine Stärke des Buchs ist, dass es zum gründlichen Lesen und Nachdenken über die Bibel anregt und damit aufzeigt, wie man Texte aus einer anderen Zeit für das Leben in der Gegenwart fruchtbar macht.
Das Buch ist in einer Zeit, in der Diskussionen gerne über soziale Netzwerke und Internetforen geführt und zu einem unversöhnlichen Schlagabtausch mit immer gleichen Argumenten werden, ein wohltuendes Signal, dass auch über religiös motivierte Kontroversen eine sachliche und faire Auseinandersetzung möglich sein könnte.
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