Heute gibt es mal wieder ein altes Handout. Es macht echt Spaß, zwischendurch die alten Sachen zu sichten und nach brauchbarem zu durchforsten. Ich habe schon mehrere Bücher gefunden, die fast fertig auf meiner Festplatte modern und den letzten Schliff erwarten. Der Wechsel des Betriebssystems hat also was für sich. Ich weiß nicht, ob das Thema „Tätowierungen bei Christen“ heute noch jemanden interessiert. Im August 2002, als ich das Handout geschrieben habe, war es durchaus für manchen ein Thema. Naja, mittlerweile hat selbst in unserer Kleinstadt ein Tätowierer aufgemacht. Ich wünsche ihm, dass er mehr Glück hat als den ganzen anderen Läden, die vor ihm in dem Lokal waren beschieden war… Beachtet übrigens bitte auch die Links ganz unten, da ist noch was lustiges bei.
Im übrigen mache mir niemand weitere Mühe; denn ich trage die Malzeichen Jesu an meinem Leibe.
– Paulus im Galater 6,17
Stigmata
„Die Malzeichen Jesu“ klingt so, als wenn Paulus tatsächlich Wunden gehabt hätte, die denen Jesu geglichen hätten. Tatsächlich gebraucht er im Griechischen sogar das Wort „Stigmata“. Im modernen Sprachgebrauch heißt jemand stigmatisiert, an dem sich auf irgendeine seltsame Weise auf einmal die Wundmale Jesu zeigen.
Laut Brockhaus passiert das gelegentlich bei besonders mystisch veranlagten Personen; als erstem bei Franz von Assisi und seitdem bei wenigen hundert Menschen überhaupt.
Mit ziemlicher Sicherheit können wir jedoch davon ausgehen, dass Paulus nicht in dieser Weise „stigmatisiert“ war. (1)
Stigma bedeutet übersetzt „Mal“, und zwar besonders ein Brandmal, eine Narbe oder auch eine Tätowierung. (2)
Interessanterweise war es bei den ersten Christen üblich, sich am Kopf mit Kreuzen und ähnlichen christlichen Symbolen zu tätowieren. 400 wurden diese Tätowierungen von Kaiser Konstantin verboten, ein Verbot, an das sich die christlichen Westkirchen fast ausschließlich hielten. (3)
Mag also sein, dass Paulus hier im wahrsten Sinne des Wortes eine Markierung in Form einer Tätowierung oder eines Brandings meinte.
Eine andere gute Auslegung wäre es, dass Paulus die Narben, die er im Dienst an Christus bekommen hat, als bleibendes Kennzeichen seiner radikalen Christusnachfolge angesehen hat, Zeichen, die ebenso endgültig waren wie Tätowierungen.
In 2. Korinther 11,16-33 berichtet Paulus einige von seinen Leidenserfahrungen. Obwohl dieser Brief (wahrscheinlich) später geschrieben wurde als der Galaterbrief, können wir wohl davon ausgehen, dass der Apostel auch schon, als er den Galaterbrief schrieb, eine Menge Narben hatte.
Die Menschen, die zu Paulus‘ Zeit tätowiert waren oder ein Brandzeichen trugen, hatten das eher nicht aus optischen Gründen. Die Technik war natürlich bei weitem nicht so ausgereift wie heute, und das Resultat wird vermutlich nicht besonders schön ausgesehen haben.
Dennoch war ein nicht geringer Teil der römischen Bevölkerung mit Malen versehen, im wesentlichen drei Gruppen, die sinnbildlich auch für drei sehr wichtige Aspekte des christlichen Glaubens stehen.
Um zu verstehen, warum Paulus seine Narben mit Tätowierungen vergleicht, ist es wichtig, diese drei Gruppen zu kennen.
3 tätowierte Gruppen
1. Sklaven
Sklaven wurden mit Brandzeichen oder Tätowierungen markiert, oft trugen sie den Namen ihres Besitzers. In der Theologie des Paulus spielt das „Sklave Christi sein“ eine große Rolle.
Als Knechte Christi gehören wir nicht mehr uns selber, wir haben Jesus unser Leben gegeben, und nun leben wir nicht mehr unser Leben, sondern Christus lebt in uns (Galater 2,20). Das Brandzeichen Christi zu tragen heisst, sich ihm ausgeliefert zu haben, erkauft zu sein mit seinem Blute und nicht mehr sich selber zu gehören, sondern für Gott zu leben.
2. Geweihte
Menschen, die sich ganz dem Dienst eines Gottes geweiht hatten und ihr Leben in seinem Tempel zubrachten, trugen auch Malzeichen.
Das Malzeichen Christi zu tragen heißt also auch, sich ihm ganz hingegeben zu haben, mit Leib und Leben für immer in seinem Dienst zu stehen und dem lebendigen Gott geweiht zu sein.
3. Soldaten
Als Zeichen ihrer besonderen Treue ließen sich Soldaten oft den Namen des Heerführers oder Kaisers, unter dem sie dienten, tätowieren. Wer mal den „Gladiator“ gesehen hat, kann sich vielleicht an die Szene erinnern, in der Russell Crowe sich das SPQR wieder entfernen wollte…
Paulus nennt das Leben des Christen einen Kampf (1.Timotheus 6,12), und wir alle dienen als Soldaten in Gottes Armee und kämpfen gegen den Teufel. Die Tätowierung Christi ist hier Symbol für die Treue des Soldaten zu seinem Heerführer.
Christen fallen unter alle diese Gruppen; den Namen Jesu irgendwo tätowiert zu haben, kann also schon eine ganze Fülle an Bedeutungen haben.
Der Tempel
Ebenso wie die Gemeinde ist auch der Leib eines jeden einzelnen Christen ein Tempel des Heiligen Geistes (1.Korinther 6,19). Das bedeutet für uns Christen, dass wir eine Verantwortung nicht nur für unser seelisches und geistliches Leben, sondern auch für unseren Körper haben. Der ganze Mensch, Leibe, Seele und Geist soll zur Verherrlichung Gottes da sein.
Das ist weder ein Rat für noch gegen Tattoos, Tätowierungen können definitiv auch zur Ehre Gottes und zu seiner Verherrlichung getragen werden. Ebenso wie dämonische Tattoos darauf hinweisen, wes Geistes Kind der Träger ist, können das auch christliche Tätowierungen. Mittlerweile gibt es eine grosse Menge frommer Motive, die dazu beitragen können, “Gott mit eurem Leibe zu verherrlichen!“ (1.Korinther 6,20). Seltsam ist es dann höchstens, wenn Christen sich irgendwelches dämonisches Zeug stechen lassen…
2 Tattoos in der Bibel
Nachdem ich einmal über Tätowierungen gepredigt habe, bin ich nachher auf zwei Bibelstellen aufmerksam gemacht worden, in denen die Bibel wahrscheinlich direkt (und zwar positiv!) über Tätowierungen spricht.
In Jesaja 49,16 sagt Gott von sich selbst: „Siehe, in meine beiden Hände habe ich dich eingezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir!“ Das hebräische Wort an dieser Stelle bedeutet gravieren oder einschneiden.
In Offenbarung 19,16 heisst es über Jesus: „Und er trägt an seinem Kleide und an seiner (blossen) Hüfte den Namen geschrieben: «König der Könige und Herr der Herren.»“
Natürlich ist es auch möglich, dass der Name wirklich geschrieben war, aber zu der Zeit war es üblich, Statuen auf der Hüfte ihren Namen einzugravieren, nicht aber aufzuschreiben. (4)
Zusammenfassung
Ob Paulus buchstäblich ein Malzeichen Christi, sei es ein Tattoo oder ein Brandzeichen, gehabt hat oder nicht, lässt sich nicht sagen. Am wahrscheinlichsten ist es wohl, dass er seine Wunden und Narben gemeint hat. Auf jeden Fall aber scheint es gute und biblische Motive für Tätowierungen zu geben (gerade für welche mit frommer Symbolik!). Ob man es mag oder nicht, ist sicherlich eine Sache, aber die Bibel spricht zumindest nicht dagegen.
Die eine Stelle im Alten Testament, die gerne als ein Tätowierverbot ausgelegt wird, steht ganz eindeutig im Zusammenhang heidnischer Praktiken und ist eher ein Verbot des Totenkultes als des Tätowierens:
Ihr sollt keine Einschnitte an eurem Leibe machen für eine [abgeschiedene] Seele und sollt euch nicht tätowieren! (5) Ich bin der HERR. 3. Mose 19,28
In jedem Fall gibt es ebenso gute Gründe gegen einen Besuch im Tätowierstudio wie dafür.
Die Dauerhaftigkeit ist zwar schön, wenn man seinen Glauben bekennen will, aber auch wenn man sein Leben lang bei Jesus bleibt, ist es immer noch möglich, dass man ein Motiv eine Weile mag und dann irgendwann nicht mehr gut findet. Der hohe Preis guter Tätowierungen spricht auch dagegen, sich tätowieren zu lassen, es gibt sicherlich meistens bessere Verwendungszwecke für das Geld.
So ist es auch nicht das Ziel dieses Handouts, Christen vom Sinn des Tätowierens zu überzeugen, es geht nur darum darzulegen, dass es von der Bibel her in Ordnung ist, sich als Christ stechen zu lassen. Leider ist das vielen noch nicht klar.
Gott ist kein Gott der Äußerlichkeiten sondern, des Herzens (1. Samuel 16,7) und er traut uns im Umgang mit uns selber offenbar mehr zu, als uns selber lieb ist. Jedenfalls regeln seine Gesetze keine Fragen des Äußeren, sondern des Inneren.
In diesem Sinne,
Gottes Segen!
Credits etc.
Dieses Handout wurde inspiriert von einem Predigtentwurf von James Braga aus seinem Buch „Effektive Predigtvorbereitung“
Das Jesus-Tattoo ist von Ändy Riechert aufgenommen und dieser website entnommen:
www.jesusfreaks.com/Duisburg
Die Tätowiermaschine ist von http://www.med-tattooshop.de/
Weitere Informationen über Stigmata bietet die catholic encyclopedia (www.newadvent.org/cathen)
Dank an Jojo, der die beiden Stellen gefunden hat.
_______ Anmerkungen_________
(1) Die catholic encyclopedia (www.newadvent.org/cathen) enthält interessante Artikel über Stigmatisierungen. Insgesamt gehe ich davon aus, dass es sich um okkulte Phänomene handelt. Stigmatisierte Menschen erleben auch oft dämonische Manifestationen, schwere Glaubensangriffe usw. Insgesamt ist das Thema sehr unerfreulich, und wir können wohl mit Sicherheit davon ausgehen, dass Paulus nichts von übernatürlichen Verstümmelungen gehalten hat, eine solche Sichtweise ist dem Evangelium und den Paulusbriefen entgegengesetzt.
(2) „Stich, Punkt, Merkmal, Tätowierung, Brandmal, Schandfleck“ aus: Langenscheidts Taschenwörterbuch Altgriechisch
(3) Tattoo Revue 2/99 Seite 48ff
(4) William Barclay
(5) Ob es hier wirklich um Tätowierungen geht, sei ohnehin dahingestellt, da sind sich die Übersetzer nicht ganz einig, aber es könnte immerhin sein.
[hier noch eine Predigt dazu]
[Bericht des Tätowiermagazins über uns]
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