gestern waren wir noch auf einen sprung in frankfurt auf der buchmesse. leider wirklich nur auf einen sprung, denn alex musste bis 12:00 arbeiten und in den knapp fünf stunden die wir da waren haben wir fast nichts gesehen.
ich bin ja bei messen immer hin und hergerissen zwischen „alles so schön bunt und interessant hier“ und „ich bin völlig überfordert“. aber es war geil. ich war lange nicht mehr da und jetzt zum ersten mal nicht als fachpublikum. glücklicherweise dank der bücherstube trotzdem mit fachbesucherkarten. wir haben eine volxbibellesung mitbekommen und einige zeit in den räumen der 1.frankfurter antiquariatsmesse verbracht. das war richtig geil: eine signierte erstausgabe der „critik der reinen vernunft“ für 25.000, die erste frankfurter ausgabe des maleus maleficarum für ca. 5.000. nietzsches götzendämmerung, in der erstausgabe, mit persönlicher widmung an jacob burckhardt: 51.000. ich würde so was nie kaufen, aber es ist wunderbar, diese schätze zu sehen und zu wissen, dass die originale erhalten sind.
gerade als ich so bei mir dachte: „nicht schlecht, aber nichts wirklich altes dabei. wo sind die inkunabeln?“, kamen wir dann an einen stand, der auch keine inkunabeln hatte, aber das wohl eher, weil er sich mit noch älteren sachen befasste. hier lag alles unter glas und es gab keine preisschilder. soweit ich gesehen habe nur handschriften des späten 13.(!) jahrhunderts. grosse schmuckbibeln, liederbücher, stundenbücher usw. irgendwann habe ich dann doch mal eine angestellte nach preisen gefragt. das könne man so genau nicht sagen, meinte sie. „die preise variieren stark. das dort kostet 330.000 und dieses ist das teuerste stück auf der messe (illuminierte altarbibel, grosses format, 1284): 850.000.“ „wow!“, dachte ich mir. leider ist mein büchertresor voll und wir haben gerade keinen platz mehr für einen weiteren…
die wichtigste frage ist ja eigentlich: wenn ich jetzt mein scheckbuch zücke und sage: „ich nehm die bibel“, fragt mich die verkäuferin dann, ob sie das buch als geschenk einpacken soll? oder ob ich noch eine tüte dazu will?

ich bin fasziniert von (alten) büchern. eigentlich habe ich bücher immer geliebt und habe mein leben lang mit ihnen zu tun gehabt als leser, sammler, buchhändler, autor und zuletzt als verleger. das einzige was noch fehlt ist herstellung; wenn ich zeit hätte würde ich bestimmt noch eine ausbildung zum buchbinder machen. stellt euch mal als abschluss dieser kleinen impressionen die vatikanischen bibliotheken vor: mehrere kilometer bücherregale. im keller in den kaum jemand reinkommt lagern in klimatisierten büchertresoren die richtigen schätze. handschriften, die noch mal jahrhunderte älter sind als die bibeln aus dem 13.jahrhundert. frühe fragmente der werke aristoteles, codices aus den ersten nachchristlichen jahrhunderten, etc.etc. da würde ich gerne mal einen monat verbringen…

gestern hatten wir rick alias „the skinfiltr8er“ im gottesdienst. es war ein experiment, das mir persönlich sehr gefallen hat. wer ihn nicht kennt: rick macht elektronische sachen mit loops und percussions, alles mit sehr viel hall und atmosphäre.
wir haben alles in mehreren parts gemacht (auch die predigt) und hatten einen interaktiven teil dabei in dem es darum ging, dass wir unser altes leben zerreissen und gott etwas neues daraus weben lassen. um das zu symbolisieren hat jeder ein stück stoff bekommen auf das er/sie eine äusserlichkeit schreiben konnte, die ihm/ihr wichtig ist und die er/sie:“(schon schwul, wenn man immer auf männliche und weibliche formen achten will….)“: loswerden will um besser auf das wesentliche zu sehen. nachher wurde der stoff zerrissen.
[ich stelle fest, dass es ganz schön schwierig ist, solche gottesdienste zu beschreiben. wie kriegt mark das immer so gut hin?]

hi leute,
ich bin wieder zurück. kinder, war das geil! habe mir fest vorgenommen bei nächster gelegenheit einen bootsführerschein zu machen. den braucht man zwar in holland nicht (bis 15m darf man da alles einfach so fahren), aber schadet ja nix, einen zu haben und teuer ist das auch nicht.

wir sind auf der maas gefahren und auf dem rhein. maas war ziemlich öde, der fluss kann nix, völlig ruhig, keine grossen schiffe oder wellen. der rhein war schon dynamischer: einmal habe ich die heckwelle eines schubverbandes so gut getroffen, dass unser ganzer bug unter wasser war, die leinen über bord geschwemmt wurden und wasser durch die mittelluke gekommen ist. hehehe. gerd, der schon seit jahren fährt sagte, so eine coole welle hätte er noch nie gehabt.

fischigerd hat diesen fisch gefangen (okay, ich habe ihn minimal vergrössert; anglerlatein für fortgeschrittene: übertreiben mit bildern). hat uns am mittwoch abend gut geschmeckt. für mich war es der zweite selbstgefangene fisch, der erste hat keinen spass gemacht zu essen, tat mir irgendwie leid, der karpfen. das ist ein zander und der war lecker.

mittwoch ist uns leider im stadthaven von heusden ein stück alublech in die schraube gekommen, so dass wir nicht weiterkonnten. ich wollte gerade lernen ohne bugstrahlruder auf der stelle zu drehen, ist dann leider nichts draus geworden. etwas in die schraube zu bekommen beendet den ganzen spass: schiff muss aus dem wasser gehoben und die überschüssigen teile entfernt werden, kann man nichts machen.
deshalb war die fahrt dann für alex und mich in heusden zu ende, weil alex donnerstag abend eine lesung in der bücherstube hatte. wir sind mit dem bus nach s´hertogenbosch, von da nach cuijk und nach einer stunde fussmarsch waren wir wieder beim bootsverleih visser wo unser auto stand.

insgesamt kann ich diese art reisen und urlaub nur jedem empfehlen. es ist schön langsam, mit wenigen km/h daherzutuckern und die yachten, die man mietet sehen innen wie kleine ferienwohnungen aus. wenn wellen da sind machtes richtig spass. da man dauernd schleusen muss hat man immer wieder was zu tun: anlegen, festmachen, durchschleusen, rausfahren usw. gute sache! nochmal danke an die reschkes, die uns eingeladen haben und speziell else für´s kochen!

15. Oktober 2005 in vermischtes 2

vater rhein

so, ich verabschiede mich für ein paar tage.
gleich geht´s nach leipzig, sonntag nach darmstadt und montag nach nijmegen zu einer rheintour mit freunden aus der gemeinde. freu ich mich drauf: vier tage mit einem boot über vater rhein schippern, lecker essen, gute gespräche, zusammen beten. vier tage mit alex ohne zu arbeiten. also alles was spass macht.
bis dann,
storch

«Alles ist erlaubt» – aber nicht alles nützt. «Alles ist erlaubt» – aber nicht alles baut auf. (1.Korinther 10,23 nach der Einheitsübersetzung)

ich bekomme immer viele anfragen von leuten die wissen wollen, ob man eine bestimmte sache als christ tun darf oder nicht. die bandbreite ist gross: horrorfilme, rauchen, charismatische gottesdienste besuchen, nicht vor dem essen beten, usw. für mich ist das eigentlich schwer nachzuvollziehen, weil ich mir diese fragen persönlich nie gestellt habe. ich dachte als quereinsteiger immer, dass ich ja den heiligen geist und die bibel habe und dass mir gott schon zeigen würde, wenn ich was lassen sollte. tatsächlich beschäftigt die frage, was man darf und was nicht, aber viele christen.

ich schätze, dass es schon immer so gewesen ist und dass es wohl im ersten jahrhundert vor allem die apostel waren, die man in solchen fragen zu rate gezogen hat. auf jeden fall hat paulus die frage beantwortet, als es um ein umstrittenes thema ging, nämlich darum, ob es für einen christen okay ist, götzenopferfleisch zu essen. die antwort des apostels ist universal verwendbar: «Alles ist erlaubt» – aber nicht alles nützt. «Alles ist erlaubt» – aber nicht alles baut auf.

leider haben wir als jesus freaks manchmal die tendenz nur den ersten teil zu lesen und zu zitieren. „alles ist uns erlaubt! wir sind nicht mehr unter dem gesetz, ein lump, wer uns was verbieten möchte!“ schade, wenn man den vers so versteht, dass alles okay ist und die freiheit, die wir in jesus haben nur ein billiger vorwand dafür ist, weiter zu sündigen! um es mal ganz deutlich zu sagen, wer das so sagt, hat leider einen wesentlichen teil des evangeliums nicht verstanden. jesus hat uns nicht freigemacht zu sündigen sondern er hat uns frei gemacht, nicht mehr zu sündigen und stattdessen so zu leben, wie gott es sich vorstellt!
gottes liebe ist unabhängig von unseren werken – auf jeden fall! gott liebt den „superchristen“ nicht mehr als den, der „mit ach und krach dem lamme nach“ geht. aber einer der geilsten aspekte des evangeliums ist, dass wir in jesus, erfüllt mit dem heiligen geist, so leben können, wie gott es gut findet. das kann kein mensch aus eigener kraft!

insofern sind wir frei alles zu tun, aber wir wollen gar nicht alles tun, sondern nur das, was erbaut. mit anderen worten: das, was uns weiterbringt. wenige dinge sind wirklich geistlich neutral. das, was wir machen, womit wir uns beschäftigen usw. hat einfluss auf unser leben. es baut auf – oder eben nicht.
ich wollte das in manchen phasen meines lebens nicht glauben. „ich bin frei von einflüssen!“, wollte ich glauben. naja und nun habe ich in den letzten ca. zwei monaten (unfreiwillig) ein kleines experiment gemacht:
ich hatte mir eine geistliche disziplin antrainiert: immer vor dem ins-bett-gehen habe ich eine predigt gehört. der grund liegt auf der hand, im schlaf baut sich das gehirn auf. neuronale verknüpfungen werden gebildet, wissen wird verarbeitet und teil unserer selbst. das wollte ich gerne mit gottes wort so haben. ein gewünschter nebeneffekt wäre es vielleicht, endlich mal von jesus zu träumen, was bisher nie vorkam. das resultat war positiv: morgens bin ich öfters mit bibelversen und kleinen erkenntnissen aufgewacht, ein guter start in den tag!
dann kam eine phase in der ich abends sehr müde war und statt eine predigt zu hören noch eine folge akte-x geschaut habe. nix gegen akte-x, „alles ist erlaubt“, aber das resultat war offensichtlich: morgens bin ich mit den gedanken an szenen aus der nächtlichen folge aufgewacht, teilweise habe ich noch den ganzen tag über die akte nachgedacht.

das zeigt mir ganz deutlich, dass auch sachen, die nicht sünde sind abbauen können. die dinge sind nicht so neutral, wie ich sie gerne hätte. natürlich bedeutet das nicht, dass ich keine videos mehr sehe oder akte-x-staffeln zu verschenken hätte. es bedeutet nur, dass ich wieder vorsichtiger bin mit dem, was ich mir gebe.

das ist die biblische antwort (zumindest ein teildavon) auf die eingangsfrage. weder ich noch ein apostel noch ein anderer mensch können DIR sagen, was gut für dich ist. wenn du wissen willst, was du als christ darfst oder nicht, mach ehrlich selbst den test. baut es dich auf? dann bleib dabei. fuckt es dich ab? dann lass es.
das gilt nicht nur für „dinge“ die man tun oder lassen kann sondern genauso für theologische systeme. nicht jede art zu glauben ist gut und auferbaulich. eine gewissenhafte prüfung ist sinnvoll.

[natürlich gilt das nur für dinge, die grenzwertig und schwer zu entscheiden sind. klare sünden sind ohnehin zu unterlassen. es ist keine frage ob mord, ehebruch, zauberei oder götzenanbetung aufbauen oder nicht. sie tun es nicht. und sind sowieso scheisse!]

13. Oktober 2005 in vermischtes 6

peinlich peinlich

sonntag wollte mir beim predigen partout ein griechisches wort nicht einfallen. sah, glaube ich, ziemlich doof aus; zumal es das vierte mal an diesem wochenende war, dass ich über das thema gepredigt habe. naja, so kann es gehen. war zum glück auch nicht so wichtig das wort zu zitieren, wär halt schön gewesen.
noch schlimmer war, dass es auch noch oikodomeo war. das wort darf in keinem griechischen grundwortschatz fehlen. ist bestimmt unter den ersten 20 verben die man so lernt… ;-(

12. Oktober 2005 in vermischtes 1

kein bock

hi freunde,

habe gerade keinen bock zu schreiben. bin zudem noch viel unterwegs, aber das ist sicher nicht der hauptgrund. sorry und segen,

storch

Prüft alles, und behaltet das Gute! (1.Thessalonicher 5,21 nach der Einheitsübersetzung)

Christliche Bekenntnisrichtungen entstehen (zumindest im Idealfall :-)) durch eine besondere Erkenntnis Gottes. Wenn wir davon ausgehen, dass das stimmt sind Denominationen, Gemeinden, Werke und alle theologischen Systeme Truhen, die einen Schatz bergen, den wir bekommen können. Wenn wir das, was Gott selbst in die anderen hineingelegt hat, herausholen und in unser Glaubensleben einbauen, dann kann uns das nur weiterbringen. Aber Vorsicht: das Gesamtpaket enthält sowohl Gutes als auch Schlechtes; keine Bewegung ist nur gut. Deshalb ist es gefährlich, alles zu übernehmen, es muss vor dem Übernehmen geprüft werden. Genau darüber lehrt Paulus in 1.Thessalonicher 5,21.

Dieser Vers wird oft sehr falsch verstanden weil viele Christen ihn scheinbar nicht zuende lesen. Es gibt eine grosse Fraktion Geschwister, die sich selbst als „Glaubenswächter“ ((hey Micha, ich versuch es mal mit dem fett Drucken von Schlüsselwörtern. Besser so?)) sehen und Bücher über Bücher darüber schreiben, was andere falsch machen oder falsch glauben. Ich persönlich mag diese „anti-Bücher“ ja überhaupt nicht und frage dann manchmal nach, was es denn soll, so was zu schreiben. Die Antwort ist immer dieselbe: Wir sind von Jesus aufgefordert, alles zu prüfen. Das ist einer der wichtigsten Aufträge der Kirche überhaupt, herauszufinden, was in Gottes Sinne und „biblisch“ ist, und was nicht.
Das ist aber völlig falsch. Es geht paulus nicht darum zu prüfen sondern zu behalten. Nur sollen wir nicht jeden Scheiß behalten sondern das Gute und um herauszufinden, was gut ist, muss man eben erst einmal alles prüfen. Aber es ist eine grundfalsche Haltung, um des Prüfens willen zu prüfen. Wir sollen um des Behaltens willen prüfen.

Das Wort selbst gibt uns einen Hinweis darauf, warum und zu welchem Zweck wir prüfen sollen. Es ist das griechische Verb dokima,zw [dokimazoo]. Es bedeutet zunächst einmal nur prüfen. Die entsprechenden Adjektive bedeuten „nach einer Prüfung als wertvoll oder verwerflich befunden zu werden“. In 1.Petrus 2,4 taucht ein Wort mit gleicher Wurzel auf: avpodokima,zw [apodokimazoo]. Jesus wurde als lebendiger Stein von den Bauleuten nach einer Prüfung verworfen. Hier wird das Wort also verwendet um zu zeigen, dass eine „Materialprüfung“ durchgeführt wurde.
Das passt gut zu Paulus. Er hat ja immer gerne darüber gepredigt, dass die Gläubigen ein Tempel des Heiligen Geistes sind und hat immer wieder gerne Beispiele aus der Welt der Architektur verwendet.

Es geht in 1.Thessalonicher 5,21 also darum, dass wir das Material prüfen, mit dem wir unser Glaubensleben bauen wollen. Wir sollen nicht jeden Unsinn übernehmen sondern das, was nach gewissenhafter Prüfung als „gut“ befunden wird. Was das ist und wie man es erkennt, würde ich gerne anhand eines anderen Verses zeigen, der sich ebenfalls in einem Paulusbrief befindet und der auch mit dem Bauen geistlicher Häuser zu tun hat.
– Morgen, damit dieser Artikel nicht wieder so schrecklich lang wird.

was ein theologisches system ist, lässt sich nicht so ohne weiteres definieren. früher galten die grossen systeme als „kathedralen des geistes“, in denen man als gläubiger zuflucht finden konnte. heute steht der denominationalismus bei vielen in schlechtem ansehen und niemand würde mehr so grosse worte wie „kathedrale des geistes“ in den mund nehmen. das hauptproblem bei der definition sind allerdings nicht die konotationen die sich mit manchen bergriffen verbinden, sondern dass theologische systeme eine doppelrolle einnehmen. je nachdem wie man sie betrachtet, sind es geistige systeme (gedankengebäude) oder soziale systeme (kirchen, gemeinden, bünde).
um die sache etwas überschaubarer zu gestalten, will ich versuchen, beide ansichten zu beschreiben.

1. theologische systeme sind gedankengebäude
th.systeme sind um eine doktrin herum aufgebaut. die doktrin wird meistens mehr oder minder unmittelbar aus der bibel abgeleitet und bildet das fundament des systems. insofern ist ein solches system erst einmal nichts weiter als eine theologische ansicht.
solche ansichten kommen meist von berühmten theologen oder predigern und sind mehr oder weniger dezidiert ausgeführt. manche theologen wie karl barth haben einen enormen werkekorpus hinterlassen, der mit detailversessenheit theologie betreibt. andere wie bonhoeffer inspirieren mehr durch ihr persönliches zeugnis. aber alle haben sie lehrsätze formuliert, die für andere sinn ergeben.
nun formt sich aber nicht jede lehre zu einem system aus. manche theologen haben innerhalb bestehender systeme, wie dem katholizismus, gewirkt und haben kein komplettes eigenständiges system ausgebaut. das ist gut, denn sonst gäbe es soviele kirchen wie christliche denker und der leib christi wäre noch unüberschaubarer. um von einem th.system sprechen zu können muss noch eine soziale komponente hinzu kommen.

2. theologische systeme sind soziale systeme
theologische systeme können theoretisch im elfenbeinturm entwickelt werden und da bleiben. dann sind sie aber für diese arbeit hier uninteressant. etwas, was seinen weg nicht nach draussen an die öffentlichkeit findet ist schlichtweg uninteressant, weil es niemanden beeinflusst und von niemandem diskutiert wird. ein theologisches system wird dadurch sozial, dass es für eine grössere anzahl von menschen „sinn“ ergibt. ich verwende das wort „sinn“ im normalsprachlichen sinne, als etwas, was schlüssig genug erscheint um es zu vertreten. ein th.system kann also nicht aus nur einer person bestehen, es ist nötig, dass eine gruppe entsteht. wie gross diese gruppe ist und wie sie organisiert ist ist dabei zunächst einmal egal.
es ist offensichtlich, dass theologische systeme spätestens ab da einen hang zum abgrenzen haben müssen. wer sagt, dass er etwa dem system des calvinismus angehört sagt damit auch, dass er nicht dem system der orthodoxie zuzurechnen ist. systeme definieren sich somit weitgehend negativ als etwas, was sie nicht sind. das scheint auch soziologisch schlüssig, denn ein system entsteht durch differennzierung von seiner umwelt. ein wichtiges merkmal th.systeme ist es „verteidigbar“ zu sein. das system muss eine diskutable position bilden. mit luhmann würde man wohl sagen, dass es eine klare „system-umwelt-differenz bilden muss“.

ja nachdem wie viele menschen einem theologischen system glauben schenken um so grösser wird das system. hier geht es von einer gruppe gleichgesinnter bis hin zu einer denomination. normalerweise sind th.systeme abgerundet durch eine struktur und verbindliches schrifttum.

an dieser stelle kommt eine interessante paradoxie zum tragen. ein system, das aus einer gruppe von individuen besteht kann nicht homogen sein. neben erkenntnistheoretischen faktoren, die auch hier zum tragen kommen und alle anhänger die doktrin anders verstehen lassen, bringt jeder eigene ansichten über alles mögliche mit. es ist also nicht zu erwarten, dass jeder anhänger eines th.systems alles glaubt, was das system aussagt. das umso weniger, als bei alten systemen kaum einer weiss, was das system eigentlich wirklich glaubt. nimmt man die katholische kirche als extremes beispiel so hat man es mit einer zugrundeliegenden doktrin zu tun, die sich über einen gewaltigen zeitraum hinweg etabliert hat. in jahrhunderten haben sich zehntausende an der entwicklung dessen beteiligt, was wir heute den katholizismus nennen. es wird zigmillionen seiten in dutzenden sprachen geben, die an dem prozess beteiligt sind, hunderte treffen usw. um die sache dennoch transparent zu halten wurden katechismen geschrieben, die wenigstens die kernaussagen in verständlich kurzer form transportieren sollen.
dennoch spricht man vom system des katholizismus und das system hat anhänger (derzeit rund eine milliarde anhänger…). wenn man in deutschland mit katholiken redet merkt man schnell, dass diese auch nicht alles glauben, was ihr glaubenssystem eigentlich sagt. ich habe schon viele katholiken getroffen, aber alle haben auf befragen gesagt, dass sie z.b. nicht an die unfehlbarkeit des papstes in lehrfragen glauben. überhaupt scheiden sich an der frage des pasttums auch bei den katholen die geister. ebenso an der frage der marienverehrung, des heiligenkultes und einigen weiteren fragen, die mir als protestanten essentiell erscheinen.

theologische systeme sind also ein hochkomplexe angelegenheit, die immer paradox sein wird. ein ganzes wird gebildet aus teilen, die sich mitunter gravierend widersprechen. obwohl das th.system aus sehr uneinheitlichen teilen besteht ist es aber eine oberflächlich mehr oder weniger einheitliche sache. ich ergänze „mehr oder weniger“ weil es in grösseren systemen auch unterschiedliche strömungen geben kann (geben muss?), die aber noch unter demselben dach zusammengefasst werden.
das ist vielleicht auch ein entelechieprinzip: ein system ist mehr als die summe seiner teile. das mag ich natürlich, denn es zeigt deutlich wie falsch die ansicht ist, dass kriche (gemeinde) nur die summe der gläubigen darstellt. damit ist ein th.system immer auch mehr als das, was in seinem katechismus und der imagebroschüre festgeschrieben ist.

th.systeme sind schwer zu greifende organismen, schillernd in ihrer ständigen umwandlung. sie verändern sich mit jeder änderung ihrer anhänger und behalten doch oft über lange zeiträume eine ähnliche form. zeit ist ein problem wenn man sich mit systemen befasst, egal ob th.systeme oder andere. luhmann schreibt: „ein weiteres thema, das alle probleme multipliziert, haben wir bisher ausgespart: die Zeit. jede realitätsbezogene systemtheorie muss davon ausgehen, dass nicht alles so bleibt, wie es ist.“:“(niklas luhmann: soziale systeme, frankfurt main 1987, seite 70)“: mit der zeit entfernt sich ein th.system von seinen wurzeln und nimmt immer mehr komplexität auf. der prozess ist reversibel, wenn das system wieder mitglieder verliert und irgendwann überschaubarer wird. aber zunächst einmal gilt, dass komplexität permanent vermehrt wird.

gestern ging wieder mal ein predigerseminar zuende. diesmal ein ganz besonderes für mich: es war das erste predigerseminarleiterseminar, also für leute, die das seminar in ihren regionen anbieten. insgesamt sind dieses jahr so ein paar dutzend prediger parallel ausgebildet worden. wir haben fast 200 mappen verkauft, was darauf schliessen lässt, dass das system funzt.
dieses seminar war das erste pilotprojekt für die neue GROBIANstruktur.

derzeit sind wir dabei, das skript als wiki ins netz zu bringen, um es den ausbildern zu ermöglichen zusammen an der mappe zu arbeiten. federführend für die technische seite ist corcken aus bremen, die erste installation sieht schon sehr überzeugend aus. allerdings zeichnet sich schon ab, dass wiki nur ein übergangsstadium sein wird. insgesamt ist das system noch sehr ausbaufähig wenn es um printmedien geht…

ausserdem freue ich mich über eine weitere erstveröffentlichung des orkrist-verlages im zusammenhang mit dem predigerseminar: das lernspiel „hsn-hsn“. es handelt sich um ein synonym-suchspiel nach ähnlichen regeln wie tabu. etwa fünfhundert begriffe aus dem bereich des christlichen und religiösen sind zu erklären, dabei sind die üblichen kanaanäischen begriffe verboten, die man sonst gerne verwendet. das spiel soll die ausdrucksweise von predigerInnen traininieren.
auf jeden fall ist es sehr lustich, bei manchen teilnehmern bei der spielrunde am samstag habe ich mir schon sorgen gemacht, dass sie sich eventuell totlachen würden.
im preis von 8,– euro ist wieder eine spende von 1,– euro an GROBIAN enthalten. weitere infos demnächst unter www.kultshopp.de.

Seite 205 von 217« Erste...102030...203204205206207...210...Letzte »