Ich überlege gerade, es mir zur Angewohneheit zu machen, Bücher, die ich gelesen habe, hier zu besprechen. Ich werde immer wieder danach gefragt, was ich gerade lese und was davon interessant sei. Deshalb habe ich schon die Leseliste oben in der rechten Navigation eingefügt; der Nachteil ist, dass man da nicht viel Platz für eine Besprechung hat.
Eben habe ich von Albert Camus „die Pest“ gelesen. Ich bin auf das Buch durch einen Hinweis von John Wimber gekommen, der es in „Heilung in der Kraft des Geistes“ erwähnt.
Zunächst fiel mir die wirklich gute Übersetzung auf, die Leute vom Rowohltverlag verstehen ihr Handwerk, was heute nicht mehr selbstverständlich ist. Die Sprache wirkt so, wie man es von einem Buch von 1947 erwarten würde. Camus hat 1957, mit 44 Jahren, den Literaturnpbelpreis bekommen. Normalerweise mache ich mir aus dem Preis nicht allzuviel, er wird sehr willkürlich und – will mir scheinen – teilweise mit politischem Kalkül verliehen. Bei Camus denke ich aber, dass er ihn zurecht bekommen hat, auch wenn er ihn nur bekommen hat, weil Sartre abgelehnt hat.
Camus war ein sehr genauer, pedantischer Erzähler, der seinen Figuren eine Menge Leben gibt; so ist das Buch geprägt von philosophischer und psychologischer Tiefe.
Für mich am interessantesten ist die Entwicklung des Pater Paneloux, der zunächst wie ein Konterpart zum humanistischen Doktor Rieux erscheint – der eine predigt darüber dass die Pest, die in der algerischen Stadt Oran ausgebrochen ist, eine Strafe Gottes ist, der andere organisiert Sanitätstrupps und stemmt sich dem Übel mit aller Kraft entgegen. Camus war kein Christ und das wird in den theologischen Ansätzen seines Paneloux deutlich, dennoch baut er den Pater zum Sympathieträger aus: „…Sie wissen ja, die Christen reden manchmal so, ohne es je wirklich zu denken. Sie sind besser, als sie scheinen.“ (Seite 143)
Paneloux macht im Laufe des Geschichte einen interessanten Wandel durch. Am Anfang sagt Rieux über ihn: „Paneloux ist ein Mann der Bücher. Er hat nicht genug Menschen sterben sehen, und deshalb spricht er im Namen einer Wahrheit. Aber der kleinste Landpriester, der seine Gemeinden verwaltet und das Atmen des Sterbenden gehört hat, denkt wie ich. Er würde dem Elend abhelfen, bevor er seine Vorzüge darlegt.“ (Seite 144)
Später schliesst er sich den Sanitätstrupps an, sieht viele Menschen sterben und verändert seine Predigten. Die Erlebnisse haben ihn von der Theorie zur Praxis durchdringen und fast den Glauben velieren lassen. Am Ende stirbt er selbst an der Pest, aber hat es durch viele Widernisse geschafft den Glauben zu halten. In seiner letzten Predigt heisst es über die Liebe Gottes und die Pest: „Liebe Brüder, der Augenblick ist da. Man muss alles glauben oder alles leugnen. Und wer unter euch würde es wagen, alles zu leugnen?“ (Seite 254)
Diese Aussage, und hier verlasse ich die Besprechung, hat mich nachdenklich gemacht weil sie etwas auf den Punkt bringt, was mich seit längerem beschäftigt. Letztlich ist es so, dass man nicht zu einem gewissen Prozentsatz Christ sein oder an die Wahrheit der Bibel glauben kann. Entweder man kauft den ganzen Fisch mit allen Gräten und (scheinbaren) Ungereimtheiten, oder man lässt ihn ganz liegen. Vieles am Glauben erscheint dem Verstand seltsam und widersinnig, dennoch gehört es dazu.
Unsere Aufgabe ist es an den Ecken und Kanten des Glaubens zu wachsen, uns immer wieder mit aller uns zu Gebote stehenden Redlichkeit mit dem Wort Gottes auseinanderzusetzen und zu lernen es mit unserem Alltag in Einklang zu bringen. Oder noch besser: unsere Alltagsempirie mit dem Wort zu harmonisieren 🙂 .
Jedenfalls finde ich die Pest durchaus lesenswert. Ein Roman der zeigt, wie das Leben den Lebenden verändern kann.
Gestern waren wir am Wrack in Norderney. 25 KM durch Sand und Matsch – alter Falter… aber ein schöner Marsch. Empfehlenswert!
Neueste Kommentare