Sonntag waren Alex und ich in Wiesbaden im CZW und als wir ins Auto stiegen klemmte ein handgeschriebener Zettel hinter dem Scheibenwischer: „Es ist dem Manne etwas Schändliches langes Haar zu tragen. Gott liebt Gehorsam, keine Wundersüchtigen“, stand darauf in leserlicher Altmännerhand geschrieben. Was haben wir gelacht!, bevor ich den Zettel dem bezopften „Catcher“ weitergereicht habe.
Ich habe ja erst gestern darüber gepostet dass Gott auf das Herz sieht, deshalb erspare ich mir diesen praktischen Teil, gehe gleich zum Theorieteil über und verweise auf mein allererstes theologisches Handout: langhaarige Männer.

Da ich nicht weiss wer diesen Blog so liest, füge ich eine hastige Notiz an alle hinzu, die über Zettel an Scheibenwischern kommunizieren: das ist feige, lasst es bitte. Besser als zu beobachten aus welchem Auto jemand aussteigt der nicht dem vermeintlich christlichen dresscode entspricht, und ihm einen anonymen Zettel zukommen zu lassen ist, ist es, ihn anzusprechen. Dann kann man wirklich reden und vielleicht was klären. Aber schlimmer als Pharisäer (um mal ein böses Wort zu verwenden) sind feige Pharisäer! Nächstes Mal würde ich mich über eine Emailadresse freuen, das zeugte wenigstens von etwas Rückgrat!

[hier noch, recht neu (Februar 2008) der Originaltext des Handouts im Blog]

Hast du die Augen eines Sterblichen, siehst du, wie Menschen sehen? (Hiob 10,4 nach der Einheitsübersetzung )

Eine bange Frage, die Hiob da stellt. Wahrscheinlich eine Frage, die sich schon viele Leser der „Schönheit des Komplexen“ gestellt haben. Ich selber auch.
Als ich Christ geworden bin gab es das Gerücht, dass Gott sehr an Äusserlichkeiten interessiert wäre. Damals wie heute trug ich bevorzugt schwarze Kleidung und versuchte mir klarzumachen, dass der Teufel mich damit „markiert“ hätte. Christen tragen nämlich keine dunklen Sachen sondern lieber Regenbögen und andere positive, lebensbejahende Farben. Es muss die Zeit vor Johnny Cashs „Man in Black“ gewesen sein, denn Mr.Cash machte es unmissverständlich klar, dass man als Christ fast schon zu schwarzer Kleidung verpflichtet ist:
I wear the black for those who never read,
Or listened to the words that Jesus said,
About the road to happiness through love and charity,
Why, you’d think He’s talking straight to you and me.

Also kaufte ich mir eine rote Hose und andere stilistische Widerwärtigkeiten. Tauschte meinen Patronengürtel (waren in den 80ern ausserdentlich modern) gegen eine Punkplatte (irgendeine GBH) ein. Nachher habe ich die Platte zusammen mit allen anderen weggeworfen, weil ich auch Gottes Musikgeschmack nicht hatte.
Jedenfalls machte man mir klar, dass Gott wirklich wie ein Mensch sieht und zwar wie ein konservativer deutscher Mensch. Mittlerweile weiss ich, dass es da durchaus regionale Unterschiede gibt, aber meistens scheint Gott wie ein Konservativer des jeweiligen Landes zu sehen…

Dann entdeckte ich 1. Samuel 16,7. Eine Offenbarung: Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz.
Die Stelle war eine Offenbarung für mich. Gott sieht nicht auf Äusserlichkeiten; Kleidung, Musikgeschmack, all das interessiert ihn nicht. Stattdessen sieht er auf das Herz und ist an meiner Motivation und Liebe interessiert. Ich glaube, das war die Geburtsstunde eines Credos das sich bis heute erhalten hat. „Gott hat keine Kultur!“ ist seither eines der wichtigsten Momente meines geistlichen Dienstes gewesen. Wenn Gott keine Kultur hat, dann ist es möglich ihm so nachzufolgen wie man eben ist – in jeder Kultur. Für mich ist das bis heute einer der Grundpfeiler der Jesus Freaks: jede/r kann so kommen wie er/sie ist. Ohne sich zu verbiegen.
In der Vision der Jesus Freaks Remscheid heisst es: „Wir wollen in Remscheid und Umgebung eine starke christliche Szene von Menschen bauen, die Jesus nachfogen ohne dabei ihre Identität zu verlieren.“ [Für die, die mehr darüber wissen wollen, ist hier unser Visionsflyer]

Später habe ich entdeckt, dass diese Erkenntnis und weiter geht. Ich habe gesehen, dass es leichter ist, ein Heuchler zu sein als authentisch. Es ist viel einfacher das nachzuplappern, was die Glaubenshelden sagen als selber das Leben bis zum Glauben zu durchleiden. Es ist einfacher heilig und gesalbt zu wirken als es zu sein. Aber es funktioniert nicht. Es gibt etwas, das sieht aus wie Glauben und Frömmigkeit ist es aber nicht. Es bringt nicht dieselben Resultate wie das Echte. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Gott sieht auf das Herz; er lässt sich nicht durch unsere oberflächlichen Taten und unsere frommen Sprüche blenden, er kennt uns.

Zurück zu Hiob: Gott hat nicht die Augen eines Sterblichen. Das ist ermutigend und herausfordernd zugleich. Es wirft uns zurück auf das Wesentliche: Gott lieben mit allem was in uns ist, mit aller Kraft, allem Verstand, von ganzem Herzen.

Vielleicht befinden wir uns alle in der Lage des Mannes, der an den Rand eines Abgrunds kam. Als er so dastand und überlegte, was er als Nächstes tun sollte, staunte er nicht schlecht, als er entdeckte, dass ein Seil über den Abgrund gespannt war. Und langsam und mit grosser Sicherheit kam auf dem Seil ein Akrobat anbalanciert, der einen Karren vor sich herschob, in dem ein weiterer Akrobat sass. Als die beiden schliesslich festen Boden unter den Füssen hatten, lächelte der Akrobat, der den anderen geschoben hatte, über die Verwunderung des Mannes.“Glauben sie etwa nicht, dass ich das noch einmal tun kann?“, fragte er. Und der Mann antwortete: „Aber natürlich glaube ich das.“ Der Akrobat stellte seine Frage noch einmal, und als er wieder dieselbe Antwort bekam, deutete er auf den Karren und sagte: „Gut! Dann steigen sie ein und ich bringe sie hinüber.“:“(Manning, Brennan: Grösser als dein Herz, Wuppertal 2001, Seiten 149f)“: (nach einer Geschichte von Morton Kelsey)

Sage ich: Ich will meine Klage vergessen, meine Miene ändern und heiter blicken!, so graut mir vor all meinen Schmerzen; ich weiß, du sprichst mich nicht frei. (Hiob 9,27-28

Hiobs Situation ist geradezu klassisch für ein Problem des geistlichen Wachstums. Es ist alles andere als einfach, sein Denken und Fühlen zu ändern. Für viele liegt gerade darin das Hauptproblem überhaupt, dass man versucht, seine „Miene zu ändern“, aber einfach nicht anders kann als scheisse drauf zu sein, weil man in Gedanken doch immer wieder bei „all seinen Schmerzen“ ist. Hier hilft es nicht, einfach positiv zu denken, das Innerste muss verändert werden. Ich möchte ein paar, sicher nicht sehr einfache, Gedanken zum Thema „Bekenntnis“ und „Glaube“ hier anbringen. Beides sind ja in der „Wort des Glaubens“-Bewegung und in der Charismatik wichtige Schlagwörter.
Hiob bildet – ehrlich gesagt – nur den Aufhänger. Eigentlich geht es um einen Text aus dem NT: Römer 10,10, aber die Gedanken sind mir gekommen, als ich Hiob gelesen habe. 🙂

Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, und mit dem Mund wird bekannt zum Heil. (nach der Elberfelder)

Beides muss zusammenkommen, der Glaube des Herzens und das Bekenntnis des Mundes. Allerdings kann auch das Eine das Andere nach sich ziehen. So ist es sinnvoll, weiter zu bekennen und dabei zu beten, dass das Herz nachkommt. Es folgen einige Kommentare aus dem Begriffslexikon zum Neuen Testament zu den Schlüsselworten:

    kardi,a (Begriffslexikon Seiten 680ff):
    KARDIA wird im Profangriechischen sowohl im direkten wie im übertragenen Sinn gebraucht … als Sitz psychischer Regungen, ja als Quelle des seelischen Lebens überhaupt. Vereinzelt hat es auch auf die Natur angewandt den Sinn Mark des Holzes, Kern der Pflanzen. … Es meint also überall die Mitte, das Innerste (bei Menschen, Tieren und Pflanzen) nicht mehr nur die Mitte des Körpers sondern auch das seelische und geistige Zentrum des Menschen schlechthin. Seine zentrale Bedeutung gewinnt KARDIA im NT wenn es dort auftaucht, wenn die Stellung des Menschen vor Gott zur Sprache kommt. KARDIA ist die Stelle im Menschen, an die Gott sich wendet. Sie ist der Ort des Zweifels und der Verstockung, wie auch des Glaubens und des Gehorsams.

    Es ist also die Person, das denkende, fühlende, wollende Ich des Menschen gerade auch hinsichtlich seiner Verantwortlichkeit vor Gott mit KARDIA bezeichnet wird.

    Nicht nur die Leiblichkeit des natürlichen Menschen, nicht nur sein Denken und Wollen, Fühlen und Streben als einzige Regungen sind von der Sünde gezeichnet, beherrscht und verderbt, sondern auch deren Quellort, das Innerste des Menschen, sein Herz. Befindet sich aber das Herz in der Gefangenschaft der Sünde, so ist der ganze Mensch betroffen.

    Gott allein kann das Verborgene im Menschenherzen offenbaren (1Co 4:5), erforschen (Rom 8:27), und prüfen (1Th 2:4). Weil vom Herzen die Verderbnis ausgeht, fängt Gott mit seiner Erneuerung auch am Herzen an. KARDIA ist der Ort, wo Gott mit dem Menschen handelt.

Der Glaube, das Vertrauen auf Gott, kommt also aus der Mitte unserer Persönlichkeit, aus dem Innersten dessen, was uns ausmacht. Es ist dieses Innere, das Gott zunächst verändern will.

    o`mologe,w (Begriffslexikon zum NT, Seite 76):
    hOMOLOGEW und hOMOLOFIA, seit Sophokles und Herodot überliefert, sind Zusammensetzungen aus hOMOs gleich, ähnlich und LEGW sagen, bzw.LOGOS Wort, Rede. Demnach bedeutet hOMOLOGEW das Gleiche sagen, d.i. in der Aussage übereinstimmen. hOMOLOGEW heisst dementsprechend Zustimmung, Übereinstimmung.

Ideal ist eine Übereinstimmung zwischen unserem Innersten und dem, was wir sagen. In diesem Fall – Bekenntnis und Glaube stimmen überein – geschieht, was Jesus sagte: Dein Glaube hat dir geholfen (Matthäus 9,22); dir geschieht nach deinem Glauben (Matthäus 9,29). Während der Veränderung durch Gottes Wort und seinen Geist kommt es aber zu unsympathischen Übergängen, in denen wir zwar schon mit dem Verstand begriffen haben was Gott will, aber noch nicht mit „ganzem Herzen“ dabei sind. Wir haben ein geteiltes Herz, Bekenntnis und das Innerste sind unterschiedlich.
In diesem Fall ist die Frage, ob wir uns mit Gottes Wahrheit oder unseren Gefühlen solidarisieren. Unser Bekenntnis kann nur mit einem von beidem „gleichlauten“. Natürlich sollte es das Wort sein, mit dem wir konform reden und beten. Das Bekenntnis geht dann also der Änderung des Herzens voraus. Ich bin sicher, dass das Bekenntnis einen Einfluss hat auf die Entwicklung des Herzens, deshalb bekennen wir weiterhin die Wahrheit Gottes.
Wenn später das Herz nachkommt, kommt es zum „Heil“, und damit kommt die letzte kleine Worterklärung:

    swthri,a (Begriffslexikon Seite 264f):
    Die Worte (SWZW und SWTHRIA) bedeuten zunächst retten und Rettung in dem Sinn, dass Menschen aus einer sie bedrohenden Lebensgefahr herausgerissen werden, z.B. im Krieg, bei einer Seefahrt, während einer Krankheit … Im religiösen Sprachgebrauch wird die Rettung aus allen Gefahren von den Göttern erwartet; sie sind auch imstande, das über den Menschen verhängte Schicksal abzuwenden. … Die Heilungen von denen die Synoptiker berichten, beziehen sich auf den ganzen Menschen.John Wimber zitiert in „Heilung in der Kraft des Geistes“ (Seite 50) John Wilkinson: Es ist deutlich, dass seine (sozos) umfassende Bedeutung in den Evangelien darauf hinweist, dass sich die christliche Vorstellung vin Heilung und Rettung überschneidet. Je nach Situation ist das Mass der Überschneidung unterschiedlich, aber diese beiden Aspekte sind nie völlig getrennt. Die Heilung des Leibes ist nie nur eine körperliche Heilung und die Rettung der Seele betrifft nie nur den Geist, sondern beide gehören zur vollkommenen Befreiung des ganzen Menschen. Jesu Heilungswunder in den Evangelien dies deutlich und geben einen Vorgeschmack auf die vollkommene Befreiung.

Damit bietet sich uns eine stabile Grundlage, in jeder Situation den Sieg Jesu zu bekennen und uns danach zu sehnen, dass der Glaube des Herzens nachkommt. Es geht hier nicht nur um das ewige Heil sondern um alles, was Jesus am Kreuz erwirkt hat.

Gleichzeitig zeigt diese Stelle, warum nicht jedes dumme Bekenntnis aus unserem Munde gleich in unserem Leben Realität wird. Es ist etwas anderes zu sagen „ich werd verrückt“, „ich glaub´, ich krieg ein Kind“, oder es von Herzen zu glauben und zu sagen. Eine Weile wurde ja eine Menge Panik in der frommen Szene gemacht wenn man etwas falsches oder gar gefährliches sagte. Aber es ist reine Magie zu denken, dass Worte ohne Glauben besondere Kraft hätte!

Liebe Freunde,

ich habe meine Bekehrungsgeschichte in das Profil gepackt. Wen sie interessiert, kann sie hier nachlesen. Ich habe auch ein mp3 der Geschichte von einer Radiosendung und seit gestern ein kleines Video, die werde ich beizeiten nachreichen.
Für heute muss es so reichen. Ist mir schon peinlich genug, dass es so lange gedauert hat bis ich das Zeugnis und eine Möglichkeit, Jesus kennenzulernen reingenommen habe. Schliesslich ist das das Wichtigste überhaupt – nicht nur für diesen Blog!

Lustich: im Webradio laufen gerade Einstürzende Neubauten, BC eine meiner Lieblingsbands, nun schon seit Jahren nicht mehr gehört. 🙂

Und wär‘ ich im Recht, ich könnte nichts entgegnen, um Gnade müßte ich bei meinem Richter flehen. 16 Wollte ich rufen, würde er mir Antwort geben? Ich glaube nicht, daß er auf meine Stimme hört. (Hiob 9,15 nach der Einheitsübersetzung )

„Stell Dir vor Du betest und Gott antwortet“, habe ich mal als Aufkleber an einer Stoßstange gesehen. „Wenn das beten sich lohnen würde, wie ich dann beten würde“, hat mal eine schlimme Kölner Band gesungen (Übersetzung von mir). Beten scheint gerade deshalb so aus der Mode gekommen zu sein weil es in der Bevölkerung einen schlechten Ruf hat: es gilt als reine Zeitverschwendung. Letzten Endes sind beide Aussagen ja Antworten auf Hiobs Frage: „würde er mir Antwort gaben?“ „Nö!“

Jesus hat im Neuen Testament diese Frage aufgegriffen und beantwortet; in einem Gleichnis, das bis heute die meisten Christen völlig falsch verstehen:
Jesus sagte ihnen durch ein Gleichnis, daß sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Feind! Lange wollte er nichts davon wissen. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen, denn sie läßt mich nicht in Ruhe. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
Und der Herr fügte hinzu: Bedenkt, was der ungerechte Richter sagt. Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde (noch) Glauben vorfinden? (Luke 18,1-8 )

Eigentlich legt sich das Gleichnis selber aus, aber so weit lesen die meisten scheinbar nicht. Am Ende macht Jesus unmissverständlich klar, dass Gott NICHT wie der ungerechte Richter ist. Gott wird seinen Kindern, die Tag und Nacht zu ihm beten schnell geben, was sie wollen. Warum beten sie dann Tag und Nacht? Hier kommt es zum Missverständnis und die meisten Ausleger predigen, dass sie Tag und Nacht für dieselbe Sache beten. Dann heisst es, dass derjenige etwas von Gott bekommt, der ausdauernd dran bleibt und Gott mit fasten, beten, müssen und proklamieren den Arm umdreht.
Aber das steht da gar nicht. Die Auserwählten beten nicht Tag und Nacht weil sie nie was bekommen, sondern weil sie Gott so lieben, dass es ihre grösste Freude ist Tag und Nacht zu beten. „Betet ohne Unterlass!“ heisst es in 1.Thessalonicher 5,17 . Es ist ein Kennzeichen der Liebe zu Gott so zu beten und bedeutet nicht, dass wir noch nichts bekommen haben. Im Gleichnis hat Jesus beschrieben wie die Auserwählten Kinder Gottes beten und nicht welcher Gebetsstil zum Erfolg führt und welcher nicht.

Der Dreh- und Angelpunkt eines Gebetes, das erhört wird ist nicht Vers 7 (Tag und Nacht schreien), sondern Vers 8 (im Vertrauen beten). Gebet ist nicht davon abhängig, wie viele Worte wir machen sondern in welcher Beziehung wir zu Jesus stehen. Für uns stellt sich die Frage gar nicht ob Gott uns antworten wird. Natürlich wird er das! Gebet hat eine Kraft, wenn es im Vertrauen auf Gott und seine Zusagen geschieht. Glaube drückt hier kein intellektuelles Überzeugtsein aus, er ist auch keine magische Sache die man macht sondern schlicht Vetrauen: Ausdruck einer Beziehung zu unserem Gott. In diesem Sinne kann es am Nutzen des Gebetes auch keinen Zweifel geben wenn wir etwas von der Liebe Gottes begriffen haben.

„Die Summe Deines Wortes ist Wahrheit“, heisst es in Psalm 119,160; zumindest in der Schlachter- und der Elberfelderübersetzung.

Als Prediger sollten wir immer darauf aus sein das ganze Wort zu predigen und nicht nur immer dieselben Teilaussagen, die uns angenehm sind. Das ist eine ziemliche Herausforderung, denn das ganze Wort Gottes ist schwer zu fassen. Die Bibel ist ein vielschichtiges Buch, das zu den meisten Themen des Lebens etwas zu sagen hat; ganz sicher hat sie zu allen wichtigen Themen einen guten Beitrag zu leisten. Wie will man dem gerecht werden?
Früher habe ich mich bemüht „ausgewogen“ zu predigen. Das bedeutete dann zu jedem Ding auch das Gegenteil zu erwähnen, nicht zu unterschlagen, dass es auch eine andere Seite gibt. Einer meiner Lieblingsprediger sagt gerne „There´s a balance to these things“. Recht hat er! Es gibt immer etwas was auf der anderen Seite der Waage liegt und genauso wichtig ist. So zu predigen nimmt dem Wort aber die ganze Schärfe. Da ist es besser auch mal den Mut zur völligen Einseitigkeit zu haben und wenigstens in einer Predigt so zu tun, als gäbe es nur einen Aspekt der Wahrheit. Damit setzt man sich natürlich der Gefahr aus missverstanden zu werden, in Wirklichkeit predige ich vielleicht einseitig, ich bin es aber nicht. Es ist auch in der Lehre so: die Summe der Predigten weist sich als Wahrheit aus, aber Einzelnes kann durchaus übers Ziel hinausschiessen. Jede Predigt ist ein Mosaiksteinchen das unter Umständen anderen Mosaiksteinchen widersprechen kann weil es ihnen in Form und Farbe nicht gleicht.

Das ist eine interessante Beobachtung. Es ist die Beobachtung, die Bibelkritiker auch an der Bibel machen: „sie widerspricht sich“, sagen sie und: „deshalb kann sie nicht wahr sein.“ Falsch! Sie muss sich, vordergründig widersprechen um für die Menschen für die sie geschrieben ist wahr zu sein. Warum? Weil die Menschen, die Gottes Wort hören unterschiedlich sind und in ihren unterschiedlichen Umständen verschiedene Wahrheitsaspekte brauchen. Ein Christ dem sie in China die Schienbeine mit dem Vorschlaghammer brechen wird anderen Zuspruch von Gott nötig haben als ein Glaubensbewegter, der zweifelt weil er keinen Bentley fährt.
Es gibt eine Zeit für Frieden und eine für Auseinandersetzung. So erklärt es sich, dass es in derselben Bibel mal heisst „Schwerter zu Pflugscharen!“ (Micha 4,3) und „Pflugscharen zu Schwertern!“ (Joel 4,3). Es sind keine Widersprüche sondern Ansprachen desselben Gottes an Menschen in unterschiedlichen Situationen. Ebenso wie Pastoren zu bestimmten Zeiten unterschiedliche Aspekte betonen, betont Gott in unserem Leben durch sein Wort unterschiedliche Wahrheiten wie wir es gerade nötig haben.

Für mich wird die Frage, wie so oft, zu einem erkenntnistheoretischen Problem. Ein gutes Mittel wirklich umfassend zu sein und nicht immer nur die Lieblingsstellen und -themen zu predigen liegt im systematischen Bibelstudium. Für mich ist das Hiobbuch da eine schöne Herausforderung, denn es spricht durchgehend Themen an, die eher am Rande meines Horizonts liegen (z.b. Leid). Es tut mir gut und gibt mir Weite mich damit auseinanderzusetzen. Auf der anderen Seite sehe ich, dass es immer derselbe Storch ist, der liest und denkt und betet. So finde ich in allem immer wieder mich selbst und meine Erkenntnis vor. „Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, wird in jedem Problem einen Nagel sehen“, schrieb Paul Watzlawick einmal (wenigstens dem Sinne nach). In alles Studieren und jede Predigt bringe ich mich selber mit.
Damit stellt sich die Frage, ob es mir möglich ist, den ganzen Ratschluss Gottes zu erkennen und die Summe des Wortes zu begreifen. Wohl nicht. Was allerdings passiert ist das Wort und Geist eine überintellektuelle Eigendynamik entwickeln und Bibelstudium mich dahin bringt wo ich es nicht vermutet hätte. Es ist wahr, das Wort ändert mich bringt mich in Entwicklung. Diese Entwicklung geht in Richtung einer Ganzheitlichkeit, die ich mir früher kaum hätte erträumen können und je mehr sich meine Theologie und mein Verständnis Gottes weiten umso mehr verstehe ich von Gottes Ratschluss und umso „ausgewogener“ wird die gesamte Lehre sein.

Zieht er an mir vorüber, ich seh‘ ihn nicht, fährt er daher, ich merk‘ ihn nicht. (Hiob 9,11)
Herr, lass mich sensibel sein für Dich. Geh nicht an mir vorbei ohne dass ich es merke.

PS: Gott sei Dank sind gewisse Weltverschwörungs- Endzeitüberexegeten noch nicht auf diese Stelle gestossen. 🙂

Niklas Luhmann, deutscher Soziologe (Systemtheorie) – * 8. Dezember 1927 in Lüneburg; † 6. November 1998 in Oerlinghausen

(leider habe ich kein Foto gefunden, dass sicher public domain ist. Da ich schon mal wegen eines Luhmann-Bildes abgemahnt wurde, bin ich vorsichtig).
wikipedia über Luhmann

Zwei Aussagen aus Bardmann, Theodor M. und Baecker, Dirk: „Gibt es eigentlich den Berliner Zoo noch?“, Konstanz 1999 fassen meiner Ansicht nach gut zusammen, was die verschiedenen Autoren über das Werk Niklas Luhmanns und den Menschen dahinter zu sagen hatten:

    Luhmanns Bestreben, sich abzugrenzen und abzusetzen, seine Betonung der Neuartigkeit seines Vorhabens und der damit verbundene ständige Perspektivenwechsel verleihen seinen Schriften zuweilen chamäleonhafte Züge. Hierin ähnelt die Systemtheorie Luhmanns Systemen: beide sind schwer „dingfest“ zu machen. (Johannes Berger, Seite 171)Offene Bescheidenheit und Toleranz, freundlich-kritischer Geist, immer mit einem gelassenen Humor, Freude über kleine Dinge des Lebens, Fliess bis jenseits jeder Müdigkeit, bescheiden mit sich selbst, grosszügig mit den Armen, das ist der Eindruck, der mir vom Menschen Luhmann geblieben ist, ein Mensch, der gewiss nicht kleiner als sein Werk ist. (Claudio Souto, Seite 155)

Beiträge zu Niklas Luhmann auf diesem Blog:

was ist ehrwürdig? (Luhmann nur am Rande erwähnt)
bin ich Theoretiker? (Luhmann nur am Rande erwähnt)
baden (Luhmann nur am Rande erwähnt)
content blogging (wie hieß der Hund von Niklas Luhmann?)

über das Schreiben und Blogs (interessante Anmerkung zum Schreiben bei Luhmann)
drei Grundtugenden (Luhmannzitat auf Theologie angewandt)
wenn Recht sich überholt
Rente und Sterben (Zitat)
lernen und vergessen
der Auftrag der Theologie
Anspruch und Individuum (Zitat)
Metatheologie
Kontingenz und Evangelium
Honorare als Sprecher
soziale Systeme (erkenntnistheoretisches Zitat)
Luhmann und Humor

Zettelkasten und FURL (etwas veraltet da ich das Programm nicht mehr verwende)
Komplexität predigen
Komplexität
Zettelkasten (neu)
Multimedia

Audios
Video

weiterführend:
[Personenregister]

Beugt etwa Gott das Recht, oder beugt der Allmächtige die Gerechtigkeit? Haben deine Kinder gefehlt gegen ihn, gab er sie der Gewalt ihres Frevels preis.
wenn du rein bist und recht, dann wird er über dich wachen, dein Heim herstellen, wie es dir zusteht.
(Hiob 8,3-4.6 nach der Einheitsübersetzung )

Die meisten Christen denken auch heute noch wie Bildad, aus dessen Rede diese Verse sind. Sie sind der Meinung, dass Gott ihnen Gnade, Gesundheit, Wohlstand nach Recht zumisst, wenn sie heilig sind und Gottes Reich bauen, dann wird Gott nicht anders können als sie zu segnen, denn das wäre nur recht und billig. Zunächst einmal: so etwas wie ein Recht der Menschen gegenüber Gott gibt es nicht. Wir haben nichts ausser Verdammnis verdient. Alles, was uns Gott an Gutem tut geschieht aus reiner Gnade. Erst wenn wir diese Voraussetzung verstanden haben macht es Sinn, sich mit Segen weiter auseinanderzusetzen.

Wie bei jeder guten Lüge scheint auch diese Sinn zu machen. Es leuchtet dem Verstand unmittelbar ein dass Gott uns mehr liebt und segnet wenn wir in seiner Spur leben. Ausserdem passt es zu unserer Alltagserfahrung, unserer Empirie, wie die Soziologen sagen würden: Leute, die ein heiliges Leben mit guten geistlichen Disziplinen führen machen einen gesegneteren Eindruck als Christen die nie Bibel lesen, jeden Tag eine Kiste Bier trinken und geizig sind.
Dennoch ist der Eindruck falsch. Das eine ist nicht die Ursache des Anderen, es sind lediglich Koinzidenzen, getrennte Ereignisse, die gleichzeitig auftreten und so den Eindruck von Kausalität erwecken können. Ein Beispiel aus der Medizin:
Vor Jahren gab es eine Studie über die auftauchenden Krankheiten in verschiedenen Berufsgruppen. Dabei kam für Tankwarte ein unerwartes Risiko für Lugenkrebs heraus. Die Lungenkrebswahrscheinlichkeit lag hier signifikant höher als bei anderen Berufen. Natürlich war das ein alarmierendes Zeichen und man machte sich daran herauszufinden, welche krebserregenden Stoffen in Benzin, Öl und anderen Stoffen enthalten sind, die man in Tankstellen findet. Nach langer erfolgloser Suche fiel einem der Forscher eine andere Studie in die Hände aus der hervorging, dass der Raucheranteil bei Tankwarten ebenfalls um einiges höher liegt als bei anderen Berufen und die Sache war klar. Der einzige karzinogene Stoff dem sich Tankwärte dauernd aussetzen ist Tabak… (das lässt sich leicht empirisch prüfen. Hat schon mal jemand einen Tankwart gesehen, der nicht raucht?).

Geistlich liegt etwas ähnliches vor. Der Segen liegt nicht an unserem heiligen Leben. Einer meiner Lieblingsprediger, Andrew Wommack, sagt immer gerne: „God does not love us based on our performance.“ Amen, ich sage: „he does not even bless us based on our performance“. Das Kreuz liegt hinter uns, der Segen ist bezahlt und muss nur noch in unserem Leben umgesetzt werden. „Jetzt ist alles klar“, sagt einer „der Segen wird in unserem Leben umgesetzt, wenn wir das tun, was Gott uns sagt.“
Falsch, das wäre die alte Kausalkette: heilig leben führt zu Segen. Richtig ist, dass wir in dem Masse in Gottes Segen leben, wie wir das Opfer Jesu verstehen. Wenn wir verstanden haben, dass er für unsere Sünden gestorben ist, nehmen wir dieses Opfer an und werden Christ – der Segen der Vergebung fliesst in unser Leben. Selbiges mit allem anderen auch: Kraft, Heilung, Liebe, usw.usf.
Nun kann man aber gar nicht Gottes Segnungen verstehen ohne seine Handlungen zu ändern: Heißt das nun, daß wir an der Sünde festhalten sollen, damit die Gnade mächtiger werde? Keineswegs! Wie können wir, die wir für die Sünde tot sind, noch in ihr leben? (Römer 6,1-2). Erkenntnis geistlicher Zusammenhänge führt nicht nur dazu, dass der Segen in unserem Leben sichtbarer wird sondern auch dazu, dass unser Leben heiliger, gottgeweihter wird.
Nach unendlich langer moralischer Prägung stellen die meisten hier einen unkorrekten Zusammenhang her indem sie glauben, dass die Taten zum Segen führen. Richtig ist, dass die Erkenntnis zu beidem führt: zu einem heiligen Leben und zu einem Leben in Gottes Segnungen. Wenn es anders wäre, hätten wir es wieder mit einer gesetzlichen Werkgerechtigkeit zu tun: dann würden unsere Handlungen über Gottes Kraft und Segen disponieren.

In der Praxis führt dieses Denken zu einem gefährlichen Rat, der jungen Christen gegeben wird: „Lebe heilig, wenn Du Gott begegnen willst“. Das Problem ist: es geht nicht. Heiligkeit kann nicht aus dem kommen was wir tun. Sie muss aus dem kommen, was wir sind.
Heiligkeit und Segen kommen nicht aus unserer Bemühung sondern aus unserer Veränderung. Deshalb gibt es nur einen biblischen Rat, den ich jemandem geben würde, der mehr im Segen leben will:
Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, daß ihr prüfen mögt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. (Römer 12,2, ausnahmsweise nach der Elberfelder)

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