Kontingent ist das, was ist wie es ist, aber auch ganz anders sein könnte. Kontingenz, und besonders die doppelte Kontigenz ist einer der wichtigsten Begriffe in Niklas Luhmanns Systemtheorie. Klar, dass er gefragt wurde wie er dazu gekommen sei über Kontigenz nachzudenken:

„Herr Luhmann, seit wann denken Sie Kontingenz?“, hat ein kontingenzverliebter Freund ihn einst gefragt. Luhmann, der ein Herr war, soll geantwortet haben: “ Herr X, unsere Gymnasialklasse ist 1945 noch zur Wehrmacht einberufen worde. Ich stand mit meinem Banknachbarn an der Brücke Y, zwei Panzerfäuste in vier Händen. Dann machte es Zisch, ich drehte mich um – da war kein Freund und keine Leiche, da war nichts. Seitdem, Herr X, denke ich Kontingenz“.:“(Bardmann, Theodor M. und Baecker, Dirk: „Gibt es eigentlich den Berliner Zoo noch?“, Konstanz 1999, Seite 183)“:

Kontingenz heisst dass ich, der ich diese Zeilen schreibe, lebe. Es könnte aber auch anders sein: ich könnte in einem Zinksarg aus dem Autowrack getragen werden an dem ich gestern vorbei gefahren bin. Kontingenz bedeutet, dass ich eine Chance habe, dass es aber auch anders sein könnte.

Die vielen Möglichkeiten des Lebens können uns nachdenklich stimmen. Es kann vieles geschehen und dann ist das Leben mit mal vorüber. Eine ähnliche Kontingenzerfahrung hat den Soldaten Wilhelm Busch zu einem der bekanntesten Prediger des Ruhrgebiets gemacht. Als es im Schützengraben bei Verdun seinen Nebenmann erwischte durchzuckte es ihn: „Der steht jetzt mit all seinen Sünden vor Gott. Und wenn ich zehn Zentimeter weiter links gelegen hätte, stünde nun ich vor Gott!“:“(http://www.wams.de/data/2003/04/20/75794.html?s=1)“:
Wir hatten neulich noch ein kleines Gespräch in diesem Blog in dem es darum ging, ob es gut ist über die Hölle zu reden oder nicht. Normalerweise predige ich am liebsten einen liebenden Gott, der seinen Sohn sandte um für die Sünden der Welt zu sterben. Das ist der Kern des Evangeliums. Evengelium ist die frohe, die gute Botschaft. Dass es eine Hölle gibt ist zwar eine wahre, aber keine gute Botschaft. Dennoch ist es manchmal wichtig über Kontingenz und das Leben nach dem Tod nachzudenken, denn, wiederum Busch: „Es kann sein, dass Sie heute abend friedlich ins Bett gehen und morgen früh in der Hölle aufwachen. Ich möchte Sie warnen!“

Wenn Du noch kein Christ bist und nicht weisst, wie Dein Leben nach dem Tod aussieht, solltest Du anfangen zu beten und Jesus kennenlernen. Als Einstieg empfehle ich Dir diesen Post, diesen Link und diesen Flyer.
Für eventuelle Fragen stehe ich selbst und andere Christen Dir gerne unter der Kommentarfunktion zur Verfügung!

Wollt ihr für Gott Verkehrtes reden und seinetwegen Lügen sprechen? Wollt ihr für ihn Partei ergreifen, für Gott den Rechtsstreit führen? (Hiob 13,7-8)

Wikipedia definiert Apologetik so: Unter Apologetik (aus dem griechischen απολογια apologia Verteidigung, Rechtfertigung) versteht man die Verteidigung einer Anschauung, insbesondere die wissenschaftliche Rechtfertigung von Glaubens-Lehrsätzen, und den Teilbereich der Theologie, in dem man sich mit der wissenschaftlich-rationalen Absicherung des Glaubens befasst. In der katholischen Theologie wird dieser Bereich heute meistens Fundamentaltheologie genannt.

In der christlichen Theologie hat diese intellektuelle Rechtfertigung Gottes immer einen breiten Raum eingenommen – und manchmal groteske Blüten getrieben. Vieles von dem, wie Evolutionstheorie für apologetische Zwecke missverstanden wird, philosophische Positionen falsch wiedergegeben werden und überhaupt ein „wissenschaftliches Christentums“ zusammengestrickt wird, ist peinlich. Es gibt einige Traktate die ich vorsorglich wegwerfe wenn ich sie irgendwo finde damit die Ungläubigen weniger Grund zum Spotten haben.
Es ist üblich für Gott „Verkehrtes zu reden“ und um seinetwillen „Lügen zu sprechen“. Natürlich nicht aus böser Absicht, es liegt in unserer Natur es mit der Genauigkeit nicht zu genau zu nehmen, wenn wir von etwas überzeugt sind. Angeblich hat Sigmund Freud seine Untersuchungsergebnisse der Theorie angepasst, in der jüngsten Gentechnik hört man von ähnlichen Frisierungen. Das gehört offenbar zum Geschäft.

Neben diesen Blüten gibt es auch gute christliche Apologetik, keine Frage. Manches von dem, was zu Gottes Verteidigung geschrieben wurde entsprach und entspricht der Höhe der Forschung und der Wissens der jeweiligen Zeit. Oft wurde gute Übersetzungsarbeit geleistet, biblische Wahrheiten wurden in die Sprache der Erkenntnisse einer Zeit hineinübersetzt.
Dennoch glaube ich, dass Apologetik generell eine Systemschwäche hat. Credo, quia absurdum est hat Tertullian sinngemäss geschrieben: ich glaube es, gerade weil es wider die Vernunft, übervernünftig ist:“(zum Originalzitat und dessen Bedeutungswandel s. Wikipedia)“:.
Glaube und Gott sind nicht 100%ig intellektuell fassbar. Deshalb Jesus auch nicht mit allerlei theologischen und philosophischen Spitzfindigkeiten versucht die Köpfe seiner Zuhörer zu überzeugen. Statt dessen hat er ihnen die Kraft des Geistes gezeigt und zu ihren Herzen gesprochen. Die beste Apologetik greift zu kurz, wenn sie nur den Verstand anspricht, selbst wenn sie korrekt ist. In Deutschland ist das Christentum so sehr verstandesgeprägt, dass es gefährlich ist, weiter in diese Richtung zu gehen. Wir versuchen Gott auf einer intellektuellen Ebene zu verstehen und leben so an seiner Kraft und Offanbarung vorbei. Bei allem Guten was es sicherlich mit sich bringt für Gott zu argumentieren dürfen wir nicht vergessen ihm den nötigen Raum zu geben sich selbst zu erweisen.
Denn nicht in Worten erweist sich die Herrschaft Gottes, sondern in der Kraft. (1.Korinther 4,20)

John Wimber zitierte in einer Predigt mal einen Freund, dessen Namen ich vergessen habe. Sinngemäss sagte er, dass man die Reformation als eines der grössten Geschenke an den Leib Jesu sehen kann – und als eine der grössten Katastrophen, die ihm je passiert sind.
Sicher war die Reformation notwendig, das Heil in Christus, der Glaube und das Wort mussten betont werden, da führte kein Weg dran vorbei. Aber das Ziel Gottes war nicht die Spaltung seiner Kirche sondern ihre Erfrischung. Im Negativen hat die Reformation ebenso grosse Akzente gesetzt wie im Positiven, seither sind Spaltungen normal bis dahin dass jetzt Gemeinden eher ausserhalb der kirchlichen Sphäre gegründet werden als innerhalb „Refomation“ zu versuchen.
Es gab mindestens eine grosse Kirchenspaltung vor der Reformation, die Abspaltung der orthodoxen von der katholischen Kirche. Schon die Wortwahl „orthodox“ (rechtgläubig) zeigt etwas vom Geist der Spaltung: man geht weil die anderen nicht mehr als rechtgläubig gesehen werden. Letztlich nicht selten aus Stolz (ich bin besser) und Resignation (ich kann euch nicht ändern).

Nun bin ich selber Spalter. Ich halte den Anspruch „Reformator“ zu sein für grotesk. Es gibt keine Reformationsbewegung mehr, weder in Deutschland noch in der Welt. Die Voraussetzungen stimmen 2006 einfach nicht mehr, es gibt nicht mehr DEN verfassten Leib Christi, den man verändern könnte. Die weltweite Gemeinde ist zerrissen in tausend und eine Splittergruppe, alles zu ändern oder anders einzufärben ist unmöglich. Was die etablierten Gemeinden angeht so bin ich ein Kind der Resignation und das bereits bevor ich auch nur anfangen konnte. Systeme sind nicht änderbar und wenn, dann von innen. Sobald Reformatoren von aussen kommen bringen sie nur mehr Spaltung und keine Reformation. Insgesamt ist mein Urteil, dass man keine Gemeinde von aussen ändern kann und dass das auch nicht wünschenswert ist. Ich fand früher die Versuche FeGs charismatisch zu unterwandern, im Geist Pastoren abzusetzen usw. immer sehr daneben. Das tut man einfach nicht, die anderen Gemeinden haben ein Recht auf ihren Stil – auch wenn es ein Frömmigkeitsstil ist, den ich persönlich nicht gut finde.

Ich glaube, dass Gott uns Christen beruft die Gesellschaft um uns herum zu ändern indem wir Menschen retten und Gemeinden bauen, die zu den geretteten Menschen passen. Sicher wird es Dienste geben, die einen Auftrag an die christliche Szene haben, aber auch das sehe ich nicht als Reformation sondern als ein Angebot an wenige interessierte Gemeinden.
Unser Basisauftrag ist Matthäus am Letzten:

Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.

Vieles vom reformatorischen Sendungsbewusstsein der Christen ist in Wahrheit nur eine Ablenkung von dieser Grundwahrheit. Während unsere Kräfte in sinnlosen Bruderkämpfen gebunden sind gehen Menschen verloren. Das darf nicht sein! Das Bild, das wir abgeben ist ein trauriges: jeder versucht jeden zu missionieren, reformieren und zu bekehen; die einen versuchen immer noch die Rockmusik aus den Gemeinden zu kriegen; die nächsten kämpfen gegen die VOLXBIBEL, die dritten verteidigen sie motivert. Einer schreibt Bücher gegen die Zungerede während der nächste nationale Gebetskreise organisiert um Gemeinden für das Wirken des Heiligen Geistes zu öffnen… Von oben betrachtet mag es so aussehen: auf der Insel der Frommen rennt man umeinander und schlägt unter dem Mantel der längst überfälligen Reformation mit Bibeln aufeinander ein, während drumherum die Welt sich kopfschüttelnd abwendet.
So wird Reformation zur Deformation des Leibes.
Es gibt nur ein Mittel dagegen. Paradoxerweise ist das einzige was wir tun können, den Leib wieder in den Blick zu bekommen und allen andersdenkenden und-glaubenden Christen mit unbedingtem Wohlwollen zu begegnen. Vielleicht sollten wir eine Weile die Bibeln und Glaubensbekenntnisse zuhause lassen wenn wir anderen Christen begegnen und in Demut erkennen, dass im anderen derselbe Christus lebt wie in uns. Wir leben in einer Zeit in der das Denken in Dämonisationen, sorry Denominationen, zunehmend verschwindet – eine enorme Chance für Einheit! Wir hören auf den Leib zu deformieren wenn wir Epheser 4,4-6 verstehen:
Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist.

Der Feind ist nicht die falsche oder mangelnde Erkenntnis der anderen. Der Teufel ist der Feind, der immer die Brüder verklagen wird (Offb 12,10), dass sie nicht heilig, gesalbt, klug, orthodox usw. sind und unserer Hilfe bedürfen um auf unser Niveau angehoben zu werden.

Sicherlich hat Hiob nichts vom Konstruktivismus gewusst, so weit war die Philosophie zu seiner Zeit noch nicht. Dennoch hat er eine der Grundregeln dieser Richtung bennant. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie viel zeitübergrifende Weisheit und Wissen in der Bibel steckt. Erkenntnistheoretiker wie Maturana und Varela haben ihre Theorien anhand des Schöpfungsberichtes erläutert. Soziologen entpuppen sich manchmal unversehens als Theologen und das Wissen, das seit Jahrhunderten in Gottes Wort nachzulesen ist wird Stück für Stück und Schritt für Schritt durch moderne Wissenschaft entdeckt.

Darf nicht das Ohr die Worte prüfen, wie mit dem Gaumen man die Speisen schmeckt? Findet sich bei Greisen wirklich Weisheit, und ist langes Leben schon Einsicht? (Hiob 12,11-12)

Konstruktivismus geht davon aus, dass der Mensch seine Umwelt generiert. Es gibt zwar eine Umwelt, Konstruktivismus ist nicht Solipsismus, aber sie wird nicht wahrgenommen wie sie ist sondern wie wir sie interpretieren. Teilweise wurde die Theorie von der Kybernetik beeinflusst und der beginnenden „Computerwissenschaft“. Man kann sich das menschliche Gehirn als eine Art Rechner vorstellen. Wie bei einem Computer kommt nicht direkt Schrift durch die Tastatur oder Bilder durch den Scanner sondern eine endlose Folge von Nullen und Einsen, die Welt in binärer Codierung: 00010011101…. Diese Kette wird interpretiert und – voilá – wird aus ihr „Die Schönheit des Komplexen“.
In Hiobs Sprache bedeutet dies, dass „das Ohr die Worte prüft„. Worte kommen an als erst einmale nutzlose Informationen die im Gehirn verarbeitet werden. Je nach Gehirn und Sprache, kulturellem Hintergrund usw. kann das Ergebnis dieser Prüfung oder Verarbeitung völlig unterschiedlich aussehen. In der Sprache Humberto Maturanas heisst das:
Als strukturdeterminierte Systeme sind wir von aussen prinzipiell nicht gezielt beeinflussbar, sondern reagieren immer im Sinne der eigenen Struktur. So kann ich nicht steuern, wie meine worte wirken: jeder liest, was er oder sie liest, dafür trage ich keine Verantwortung! nicht der Text legt fest, was sie lesen, sondern ihre Strukur, ihre Befindlichkeit.:“(Maturana, Humberto: Was ist erkennen?, München 1994, Seite 36)“:

Natürlich kann es passieren, dass die Kette aus Nullen und Einsen falsch interpretiert wird. Jeder, der länger mit Computern zu tun hatte kennt das: auf einmal macht die Kiste Blödsinn, man kann nichts mehr lesen, hat einen Bluescreen oder sonstige Unschönheiten passieren. Dem Gehirn kann gleiches widerfahren, so z.B. bei Dyslexie. Das ist eine wichtige Einsicht. Vielleicht ist es in Bezug auf Theologie im speziellen und Gott im allgemeinen eine der wichtigsten Erkenntnisse überhaupt. „Die Welt ist anders als ich sie wahrnehme“ bedeutet, dass ich meinen Gefühlen, Gedanken, meiner Alltagsempirie mit einer gewissen Skepsis begegnen sollte. „Wahrheit“ kann nicht von innen, aus meiner „Sinneserkenntnis“ (dem Realm of the Senses, wie Kenyon sagen würde) kommen. Ich brauche eine andere Quelle um Wahrheit wirklich ergreifen zu können.

Nun frage ich Dich, Sherlock Holmes, welche Quelle wird das sein?

Während meiner kleinen Hiobreihe kamen vereinzelt Wünsche nach einer systematischen Hiobauslegung. Natürlich freut es mich sehr zu lesen, dass jemand einen Kommentar von mir kaufen würde und ich hätte manchmal sogar Lust, einen zu schreiben. Der Grund, warum ich es dennoch nicht tue ist, dass mir zum einen fachlich einiges an Wissen und Kompetenz fehlt, so kann ich beispielsweise kein hebräisch, zum anderen aber auch, weil meine Auslegungsweise recht „unorthodox“ ist.
Das ist mir besonders heute beim lesen aufgefallen. Mir geht es darum, den Text zu mir sprechen zu lassen, nicht darum, ihn zu verstehen. Bei vielen meiner Auslegungen könnte man mir nachsagen, dass sie nichts mit dem Text zu tun haben, bzw. weit über ihn hinausgehen. Damit meine ich nicht einmal, dass ich der allegorischen Auslegung und sogar der mittelalterlichen Quadriga durchaus zugetan bin (wie dieser post beweist). Vielmehr sehe ich jeden Bibelvers im grossen Gesamtzusammenhang der Bibel und beziehe ihn auf mein Leben. Ich lese Bibel und lege sie als Prediger aus. Deshalb nenne ich den Stil einfach mal „homiletisch“, das klingt irgendwie theologischer, gebildeter als „Predigerauslegung“.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist es klar, dass die Texte mit einer gewissen Willkühr ausgelegt sind. Ihre Anwendung auf das Leben eines Heutigen ist wichtiger als zu verstehen, was sie damals genau bedeutet haben. Das Leben Hiobs liesse sich in wenigen Sätzen zusammenfassen und ebenso könnte man das ganze Buch sehr kurz auslegen, vielleicht mit einem einzigen Schlagsatz: „durch Leiden zur Fülle“. So würde Gott aber nicht zu uns sprechen. Im Gegenteil: manchmal spricht Gott gerade durch unscheinbare Nebensätze, die mit einem mal immens wichtig werden. Aber zu sagen, dass die homiletische Auslegung dieser Nebensätze das wäre, was der Text sagen will wäre falsch. Wenn etwa die Beschreibung der (Alp)träume Hiobs mich verleitet für prophetische Träume zu beten oder bat kol zu überdenken, geht das weit über den Text hinaus. Dennoch ist es richtig und wichtig, mich verändert es, bringt mich Gott näher. Nur ist es keine „Auslegung“ im klassischen Sinne.

In diesem Blog ist immer wieder die Rede von Auslegung, Exegese, Hermeneutik, Quadriga, Erkenntnis usf. Das ist ein Themenkomplex, der in meinem Denken eine grosse Rolle spielt. Ich gehe nicht unreflektiert an Gottes Wort heran sondern mache mir im Gegenteil sehr viele Gedanken über die Prinzipien meiner Theologie. Es ist bis zu einem gewissen Grad in Ordnung das nicht zu tun, aber irgendwann kommt der Punkt an dem es geistlich und wissenschaftlich unredlich ist zu exegieren ohne sich seiner Grundsätze im Klaren zu sein. Derzeit befinde ich mich noch mitten auf der Reise, noch bin ich mir nicht ganz über meine theologischen Werte und Sichtweisen im Klaren, werde das aber ändern. Einer der spannendsten Punkte ist dabei das Dreieck zwischen dem, was der Autor eines Bibelbuches sagen wollte, was Gott ihm und seinen Zeitgenossen sagen wollte (rhema) und dem, was Gott mir heute sagen will (aktualisiertes logos). Diese drei Eckpunkte stehen immer in einem Verhältnis zueinander, aber das Verhältnis ist dynamisch: es legt sich immer wieder neu fest.
In der historisch-kritischen Auslegungstradition liegt das Dreieck auf der Spitze „Autor“, es geht nur darum, was der Text den Menschen damals sagen konnte. Gott wird als Inspirationsquelle ausgeschlossen. In den meisten evangelikalen Auslegungen kommt der „Rhemaaspekt“ hinzu: die Frage ist oft, was Gott den Menschen damals sagen wollte (man geht davon aus, dass er uns heute dasselbe auch sagen will). In manchen charismatischen Auslegungen liegt das Dreieck auf der Spitze des „aktualisierten Logos“: seltsame Aussagen werden in die Bibel hineingelesen und als Gottes zeitüberdauerndes Wort an alle Menschen (und speziell uns heutigen) angesehen.
Für die homilietische Auslegung ist der Dreieckspunkt des „aktualisierten Logos“ der wichtigste. Rhema wird Logos in der Niederschrift. Logos wieder Rhema in der Erkenntnis. Das aktualisierte Logos ist also wieder direkte Ansprache Gottes. Wie das funktioniert ist der wichtigere Teil der „Metatheologiereihe“.

Natürlich bemühe ich mich darum, die anderen Punkte des Dreiecks zu berücksichtigen und möglichst nicht gering zu achten oder gar zu übergehen. Da das aber nicht immer gelingt liefere ich keine Auslegung, die im Sinne der meisten Theologien (und gerader systematischer Theologien) valide wäre. Deshalb schreibe ich keine Kommentare.

Vielen Dank fürs Lesen dieser theoretischen Grundlagen!

Du fühlst dich sicher, weil noch Hoffnung ist; geborgen bist du, du kannst in Ruhe schlafen. Du kannst dich lagern, ohne daß jemand dich schreckt, und viele mühen sich um deine Gunst. (Hiob 11,18-19)

Ich wollte diesen Vers gerne all den Ängstlichen zusprechen, die die schrecklichen Möglichkeiten der Zukuft in den schillerndsten Farben sehen während die Hoffnung in ihnen verblasst. Wir haben eine Hoffnung die grösser ist als alles: Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? (Römer 8,24 )
Die Hoffnung die wir haben ist der Himmel der auf uns wartet. Er ist noch nicht da, aber kommt gewiss. Hoffnung bedeutet im Neuen Testament nicht dass „etwas hoffentlich eintritt“. Hoffnung ist das Sichere, das uns erwartet. Hoffnung ist kein Grund zum zweifeln sondern zur Vorfreude.

Ich hörte vor kurzem jemanden (könnte Bill Johnson gewesen sein) sagen, dass „Angst Vertrauen in den Teufel ist“. Leider stimmt es, dass es un leichter fällt darein zu vertrauen, dass alles schlimmer wird und der loser sein Ding durchzieht als dass unser Gott es zum Guten wendet. Was uns die Bibel über die letzten Tage vorhersagt ist sicher auch nicht nur positiv. Dennoch gibt es Grund zur Hoffnung (=Vorfreude) für jeden, der mit Jesus unterwegs ist. Gott ist grösser als alles!

Und Jesus antwortet und spricht zu ihnen: Habet Glauben an Gott. (Markus 11,22)

Die Welt hat nur durch Extreme Wert und nur durch die Gemässigten Bestand. (Paul Valery)

Wenn du selbst dein Herz in Ordnung bringst und deine Hände zu ihm ausbreitest – wenn Unrecht klebt an deiner Hand, entfern es, und laß nicht Schlechtigkeit in deinem Zelte wohnen! -, dann kannst du makellos deine Augen erheben, fest stehst du da und brauchst dich nicht zu fürchten. (Hiob 11,13-15)

Gerecht vor Gott zu stehen ist ein Thema, dass Christen zu Recht beschäftigt. Es beschäftigt sie so stark, dass es oft zu ernstzunehmenden Missverständnissen führt. Für Luther war es das Schlüsselerlebnis als er, im Römerbrief lesend, verstand, dass nicht er die Gerechtigkeit Gottes in sich schaffen muss sondern dass ihm Gerechtigkeit von Gott zugesprochen wird. Mit anderen Worten: wir können nicht von uns aus gerecht werden, wir müssen die Gerechtigkeit annehmen, die uns Gott in Christus gibt.
Welch eine Erleichterung! Der Kampf ist vorbei, wir können durchatmen.

Augustinus fasste es vielen Jahrhunderten so: „Er (Jesus) wurde was wir sind, damit wir in ihm würden, was er ist“ (frei aus dem Gedächtnis). Das ist eine tiefe Erkenntnis, wer das fassen kann hat vieles verstanden. In den Worten des Apostel Paulus heisst das: Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden. (2.korinther 5,21).
Jesus wurde nicht nur pro forma schuldig gesprochen, er wurde zur Sünde gemacht. Jeder, der im Glauben daran lebt wird so die Gerechtigkeit Gottes. Das ist viel mehr als ein sündiger Mensch erreichen könnte. Du bist nicht nur gerecht gesprochen, Du bist die Gerechtigkeit die vor Gott gilt. Wenn das sitzt, haben Sündenbewusstsein und Angst vor dem Vater im Himmel keinen Platz mehr in deinem Leben.

Jetzt muss Du es nur noch glauben! Stick Dir den Vers auf ein Küchenhandtuch. Meditiere Tag und Nacht darüber. Tätowiere ihn Dir auf die Brust und bete, dass Gott ihn auf Dein Herz tätowiert. Das ist zu wichtig um es zu verpassen!

E.W.Kenyon hat „Gerechtigkeit“ so definiert:

    Righteousness means the ability to stand in the Father´s presence without a sense of guilt, with the same freedom and liberty that Jesus has. (Jesus the Healer, page 75
    Righteousness means the ability to stand in the presence of the Father, or of demons, or of sickness and disease, without the sense of inferiority, condemnation, or of sin-consciousness. (Jesus the Healer, page 28)

Diese Gerechtigkeit ist Grundlage, nicht Resultat eines heiligen Lebens. Viel Leid, Versagen und Kraftlosigkeit im Christentum kommen daher dass an diesem Punkt Ursache und Wirkung verwechselt werden. Gerechtigkeit ist die Ursache des heiligen Lebens, niemals die Wirkung. Heiligung als Ursache der Gerechtigkeit ist nichts mehr als Selbst- und Werksgerechtigkeit. Nur wenn wir frei vor Gott stehen und voll Zuversicht zu ihm beten, können wir es schaffen heilig zu leben. Wenn wir nur versuchen unsere Minderwertigkeits- und Ohnmachtsgefühle loszuwerden indem wir das rauchen, fluchen und geizen drangeben werden wir enttäuscht.

Ich bin zutiefst von einem heiligen, selbst einem weltabgewandten, Leben überzeugt; manche, die solche Post lesen sehen dass nicht und meinen, dass ich einer laxen Haltung gegenüber Sünde das Wort rede weil ich glaube, dass nur der Glaube gerecht macht. Das stimmt nicht. Heiligkeit hat eine grosse Kraft und das Leben mit Jesus zeigt sich nicht zuletzt an Veränderung des Charakters. Es muss nur alles in der richtigen Reihenfolge ablaufen und wir müssen wissen, dass Heiligkeit uns nicht die Liebe Gottes erkauft.

Rudolf Bultmann hat als grosser Gelehrter am Neuen Testament gearbeitet. Seine Schlüsse mögen uns, als bibelgläubigen Christen, zuweilen bizarr erscheinen aber das ändert nichts an der Tatsache. Jedenfalls hat er auch versucht, das Johannesevangelium in eine eigene Ordnung zu bringen. Nach einem erkenntnistheoretischen Witz ist dies nun ein theologischer:

Bultmann erkennt einige Quellen, die der Autor der Evangeliums verarbeitet hat, und gibt eine eigenständige Lösung des Problems, das durch die oft disparate Anordung des Evangeliums sich ergibt: bei der Schlussredaktion des Buches seien einige Blätter durcheinander geraten! Hier versucht Bultmann eine neue, einsichtigere Ordnung. Daraufhin erzählt man sich in amerikanischen Theologenkreisen: Als ein Windstoss dem Johannes seine Papyrusblätter durcheinanderweht und er sie eifrig wieder ordnen will, flüstert ihm der Inspirationsengel zu: „Macht nichts, da gibt´s jemand in Marburg, der bringt das schon wieder in Ordnung!“ (Dembowski, Herrmann: Barth Bultmann Bonhoeffer, Rheinbach 2004, Seite 63)

Diesen schrägen Hang zur Neusortierung teilt er ausgerechnet mit einem der Lieblingsübersetzer der Glaubensbewegung: James Moffatt hat mich einmal das Schwitzen gelehrt weil ich einfach ein Kapitel des Johannesevangeliums nicht gefunden habe: auf 13 folgt 15, 14 kommt erst nach 16. Nicht, dass mich das besonders stören würde, ich verstehe nur den Sinn nicht.
Dass die Auslegung des Wortes Gottes oft seltsam, missverständlich und völlig zweifelhaft ist, daran habe ich mich gewöhnt. Aber dass auch die Reihenfolge diskutiert wird ist komisch.

Die Tiefen Gottes willst du finden, bis zur Vollkommenheit des Allmächtigen vordringen? Höher als der Himmel ist sie, was machst du da? Tiefer als die Unterwelt, was kannst du wissen? Länger als die Erde ist ihr Maß, breiter ist sie als das Meer. (Hiob 11,7-9)

Es gibt eine menschliche Arroganz die versucht, Gott zu verstehen. Das „Faustische“, dass wir verstehen wollen „was die Welt im Innersten zusammenhält“ und damit konsequenterweise auch vor dem Übernatürlichen und – in letzter Konsequenz auch vor Gott – nicht Halt machen. Es wird uns nicht gelingen, denn Gott ist immer „überintellektuell“, er ist greifbar aber nicht begreifbar. Der Verstand kann sich mit ihm be-fassen aber nur das Herz kann ihn er-fassen.
Gottes Tiefe, Breite und Höhe ist der Ende des Verstehens und zugleich der Beginn der Anbetung. Der Verstand kann uns immer nur bis zur Klippe des Unendlichen bringen, dann muss er sich trollen und dem Staunen Platz machen.

Ich empfinde das als eine der grössten Herausforderungen des Glaubens: zu Staunen ohne zu begreifen. Ich bin auf begreifen ausgelegt, den Faust-Monolog habe ich auswendig gelernt weil es mich so fasziniert hat: nachdem Faust alles studiert hat mit eifrigem Bemühen steht er vor dem Nichts und muss erkennen „ich bin so klug als wie zuvor“. So geht es mir mit dem Vater im Himmel, ich kann lernen und studieren aber immer wenn ich meine etwas verstanden zu haben entgleitet es mir wieder und ich erkenne wieviel grösser Gott ist als mein kleines Gehirn. Das liegt mir nicht und es ist die grösste Hürde zu einem konstanten Leben im Geist.

Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit; such ihn zu erkennen auf all deinen Wegen, dann ebnet er selbst deine Pfade. (Sprüche 3,5-6)

Paulus weist uns zwar an die Breite, Höhe und Tiefe der Liebe Gottes zu erfassen (Epheser 3,18), aber das hat nichts gemein mit einem Verstandeserfassen. Dasselbe Wort wird in Johannes 1,5 verwendet wo es heisst, dass die die Finsternis das Licht nicht erfasst hat. Ich verstehe es so, dass die Finsternis das Licht nicht in sich aufnehmen und damit auslöschen konnte. Ein schönes Bild für unsere Gotteserkenntnis: es geht nicht darum Gott zu verstehen sondern in aufzunehmen, mit ihm zu verschmelzen wie das gelöschte Licht in der Dunkelheit.

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