hiob bietet keine eindeutige antwort auf das theodizeeproblem, das buch liefert keinen hinweis auf die fragen epikurs, die die grosse diskussion darum entfacht haben, wie ein guter, allmächtiger gott das leid in der welt zulassen kann. es ist ja ein altes paradox:
Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht:
dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
oder er kann es und will es nicht:
dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
oder er will es nicht und kann es nicht:
dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
:“(Quelle: wikipediaartikel zur theodizee)“:

ich kann mir nicht vorstellen, dass die frage jemals vollständig klärbar sein wird, zu vieles ist nicht offenbart und unser hirn ist wahrscheinlich einfach zu klein, so grosse probleme komplett zu erffassen.
ich hoffe aber, eine kleines schlaglicht auf die frage bieten zu können: zunächst zeigt hiob mir deutlich, dass gott nicht der urheber der probleme und des leidens ist sondern der teufel. das ist sehr beruhigend. wenn es anders wäre hiesse soziales engagement, gebet für kranke und selbst predigt, sich gegen gottes willen zu stellen. leider haben viele christen an dem punkt noch eine recht alttestamentliche theologie und sehen wirklich gott als den urheber des übels. das ist zum glück nicht so. wäre es so, wäre das ganze reich gottes, das heil, die erlösung ad absurdum geführt. normalerweise lehne ich mich nicht so weit aus dem fenster, aber im lichte des NT betrachtet kann ich eine lehre, die sagt, dass gott böses wirkt nur als dämonenlehre (1.timotheus 4,1) empfinden.

wenn ich davon ausgehe, dass die anfangssequenz von hiob gottes schutz darstellt, kommt natürlich die theodizee durch die hintertür geschlüpft und fragt: „wenn gott den willen satans reglementiert, warum dann nicht komplett?“. ich möchte das AT hier mit dem NT auslegen, wie es sich gehört:Noch ist keine Versuchung über euch gekommen, die den Menschen überfordert. Gott ist treu; er wird nicht zulassen, daß ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet. Er wird euch in der Versuchung einen Ausweg schaffen, so daß ihr sie bestehen könnt. (1.Korinther 10,13)
gottes schutz bedeutet, dass die probleme die uns begegnen, mit dem mass an glauben und kraft, das wir aktuell haben, lösbar sind. das ist ein starker satz und wenn du ihn verstehst, wird er etwas in deinem leben verändern. ich war früher leicht zu entmutigen. ständig war mir irgendwas zu schwer, konnte ich mehr usw. als ich christ geworden bin ist mir irgendwann klar geworden, dass das eine tödliche einstellung ist, die zudem im widerspruch zu gottes wort steht.
daraufhin habe ich mir abgewöhnt zu sagen: „ich kann nicht mehr“, ich sage nicht mehr „das schaffe ich nicht“. nicht aus einem übersteigerten selbstvertrauen sondern weil ich weiss, dass gott selber die hand über mich hält. weil ich weiss, dass nichts in mein leben kommt, womit ich nicht klarkommen kann. zugegeben, ich lebe nicht immer in dieser erkenntnis und in gottes kraft. ich schaffe nicht alle herausforderungen meines lebens, aber ich bin wenigstens gewillt, sie anzugehen und weiss, dass es mit meiner momentanen kraftausrüstung möglich ist es zu schaffen!
Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern. (2 .Samuel 22,30 Einheitsübersetzung)

das klärt noch immer nicht die frage, warum gott etwas zulässt, aber es liefert eine ermutigung in schwierigkeiten auf „sieg“ zu setzen. der grund, warum überhaupt negatives in unserem leben passiert ist zutiefst positiv: der mensch wächst mit seinen herausforderungen. oder, biblisch gesprochen:
Deshalb seid ihr voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müßt. 7 Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, daß er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist. So wird (eurem Glauben) Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi. 1.Petrus 1,6 Einheit

das löst die frage immer noch nicht, aber mir gibt es immerhin frieden und einen ansporn mich weiter in gottes richtung zu entwickeln. meiner beobachtung nach ist einer der wichtigsten schritte zum geistlichen wachstum ein paradigmenwechsel in bezug auf herausforderungen und schwierigkeiten: weg von verzweiflung hin zum überwinden. wer diesen schritt nicht gegangen ist steht in der gefahr, die kraft und die wunder gottes zu verpassen.

PS: ich habe diesen post deshalb nicht mit dem voherigen zusammen veröffentlicht, weil er über die theologie des hiobbuches hinausgeht.

wir können davon ausgehen, dass der teufel uns nichts gutes will. jesus beschreibt ihn in johannes 10,1o zutreffend mit den worten: Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten (einheitsübersetzung). wenn es nur nach ihm ging, gäbe es keinen menschen auf der welt, dem es gut geht und nach möglichkeit würde er jeden menschen töten bevor er jesus kennen lernen kann.
ausgerechnet das buch hiob berichtet davon, dass gott diese macht des teufels einschränkt und in ihre grenzen verweist. wirklich, das buch hiob redet von gottes schutz:
Da sprach der HERR zum Satan: Siehe, alles, was er hat, ist in deiner Hand. Nur gegen ihn selbst strecke deine Hand nicht aus! Und der Satan ging vom Angesicht des HERRN fort. (Hiob 1,12 extra aus der genauen elberfelder zitiert)

für mich ist das der schlüsselvers in hiob überhaupt. theologisch ist es ein absolut griffiger punkt, dass die welt in der hand des teufels ist. paulus nennt satan den gott dieser welt (1.korinther 4,4), johannes schreibt, dass die ganze welt unter der herrschaft des bösen steht (1.johannes 5,19). die welt, und damit hiob, sind schon seit dem sündenfall in der hand des teufels, aber gott setzt ihm grenzen. auch wenn satan der gott dieser welt ist kann er dennoch nicht schalten und walten wie es ihm gefällt, da ist immer noch eine instanz über ihm.

ein zweiter aspekt, der diese stelle zur schlüsselstelle macht ist, dass es klar wird, dass nicht gott der verursacher von leid ist sondern der teufel. das ist für das alte testament eine ungeheuer fortschrittliche erkenntnis. im grunde spielt der teufel im AT kaum eine rolle, er war noch nicht offenbart und alles (egal ob gut oder schlecht) wurde gott zugerechnet. die tragende rolle, die satan in der menschheitsgeschichte und bei not und krankheit spielt wurde erst von jesus im NT richtig gezeigt.
john wimber schrieb über diesen interessanten theologischen aspekt:
Die Tatsache, dass es im Alten Testament an einigen Stellen heisst, dass Gott eine Krankheit schickte, (…)ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Satan noch nicht erwähnt ist. (…) In dem Moment, wo Satan offenbart wird, werden Dinge, die vorher Gott zugeschrieben wurden, ihm zugerechnet.:“(Wimber, John: Heilung in der Kraft des Geistes, seite 263, anmerkung 10 zu kapitel 2)“:
in diesem sinne ist hiob, obwohl eines der ältesten bücher der bibel, eine schnittstelle zwischen AT und NT.

diese beiden grundüberlegungen, bieten einen wichtigen verständnisschlüssel zu hiob und entschärfen manche harten urteile über das buch. scheinbar hat das unabsichtlich auch louis bernière verstanden, als er in einer einleitung zu hiob schrieb:
Es gibt viele Episoden in der Bibel, die Gott in einem ziemlich schlechten Licht zeigen (…), sodass man aus diesen Stellen eigentlich nur schliessen kann, dass Gott entweder ein verrückter, blutrünstiger und launenhafter Despot ist oder dass wir in all der Zeit unabsichtlich den Teufel angebetet haben.:“(„Das Bibelprojekt“, Das Buch Hiob mit einer Einleitung von Louis de Bernières)“:

hiob ist sicherlich ein schwieriges buch, aber auch ein sehr sehr interessantes, das ich allen zu lesen empfehle. hier noch zwei links, die sich mit hiob beschäftigen: ein altes handout von mir (.doc) und eine ebensoalte predigt.

dieser post enthält einen podcast

ich arbeite mich gerade wieder einmal durch hiob. die letzte intensivere beschäftigung mit diesem interessanten buch liegt lange zurück und es wird einfach mal wieder zeit. ausserdem habe ich den eindruck, es durchlesen zu sollen um einige falsche haltungen gegenüber gottes (nicht)wirken zu entdecken (über dieses thema werde ich allerdings eher nicht posten). es ist also in den nächsten wochen immer wieder einmal damit zu rechnen, dass hier hiobbetrachtungen zu lesen sind. wenn du hiob scheisse findest, lösch am besten den feed… 🙂

9 Der Satan antwortete dem Herrn und sagte: Geschieht es ohne Grund, daß Ijob Gott fürchtet?
10 Bist du es nicht, der ihn, sein Haus und all das Seine ringsum beschützt? Das Tun seiner Hände hast du gesegnet; sein Besitz hat sich weit ausgebreitet im Land.
11 Aber streck nur deine Hand gegen ihn aus, und rühr an all das, was sein ist; wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht fluchen.
(Hiob 1,9-11 nach der Einheitsübersetzung)

viele christen leben so, wie satan es sich vorstellt: in den guten zeiten stehen sie zu ihrem gott, bekennen sich zu ihm und leben „geistlich“; geht es ihnen aber schlecht, fluchen sie gott ins angesicht und können nicht mehr glauben. es ist deprimierend zu lesen, dass es offensichtlich genau das ist, was satan sich vorstellt; gleichzeitig entlarvt es seine strategie uns aus der innigkeit mit gott zu holen: verschlechterung der umstände.
es ist die alte lüge (und sie ist tatsächlich schon sehr alt wenn sie in einem ca.4000 jahre altem buch zu finden ist!), dass es uns immer so gut geht wie die umstände es zulassen in denen wir leben. läuft unser leben gut geht es uns gut; läuft unser leben schlecht, geht es uns schlecht. ein prinzip, dass sich scheinbar auch auf unser leben mit gott anwenden lässt: der mensch als spielball seiner umstände. auch wenn es plausibel klingt, es ist eine lüge. wir sind nicht von den umständen abhängig; weder unsere liebe und treue zu gott, noch unsere gefühle sind aussengesteuert. umstände geben uns anlässe uns positiv oder negativ zu verhalten, aber letztlich bestimmen wir unser verhalten selbst und willentlich. wer darüber weiterlesen möchte, kann das hier tun. als christen sollen wir die welt mit allen ihren umständen überwinden, das ist eine der grössten verheissungen jesu, unabhängigkeit von äusserlichkeiten (z.b. römer 8,37)

der weitere verlauf der geschichte macht klar, dass satan sich in hiob getäuscht hat. auch als es mit ihm extrem abwärts geht und sogar seine frau ihm rät, gott zu fluchen und zu sterben (2,9) bleibt hiob standhaft und hält gott die treue. satan hatte hiobs charakter falsch eingeschätzt.
es gibt einen spruch, den man immer wieder hört. er steht in ungefähr jedem buch über leiterschaft und charakterbau oder heiligkeit: „in krisen und druck zeigt sich der wahre charakter“. das stimmt, in guten zeiten ist es einfach höflich, adäquat und zugewandt zu sein, aber im stress zeigt es sich, ob du es wirklich bist oder ob du nur unter idealbedingungen so tun kannst. ob der glaube überwindet und über diese welt hinausweist zeigt sich erst in krisen. und da ist hiob ein echtes vorbild.

2. Februar 2006 in vermischtes 2

er ist auferstanden

das ist einen post wert: der kranke bote ist wieder da! wir haben ihn sehr vermisst, unseren späten goten, den armen gobbler, oder wie immer er geheissen hat. kein medium hat über die jahre so oft den namen gewechselt wie der KB. ich wünsche ihn alles gute, namentlich dass er gesundet und nicht bald wieder seinem namen alle ehre macht indem er ein erneutes siechtum beginnt.
dafür stirbt eine andere institution: news and dates ist dann wohl tot. naja, sei´s drum! jeder jesus freak wusste, dass N&D nur ein übergang ist…

hier ist die neue ausgabe: download! viel spass beim lesen!

oft sind es gerade die, die es am besten mit uns meinen, die uns am meisten auf dem weg mit gott behindern. nicht selten fängt das schon vor der bekehrung an: da finden sich liebe freunde, die aus rationaler gesinnung vehement vom glauben abraten. was hört mich nicht alles an gutgemeinten agrumenten: „die wollen doch nur dein geld. du wirst zur marionette der geistlichen. in der kirche verdummt man…“. aber auch nachher wird es kaum besser. wer sich ernsthaft daranmacht jesus nachzufolgen muss mit klebstoff seiner liebsten rechnen. es gibt so viele gefahren und so viele horrorszenarien über geistesgaben, hauptamtlichkeit und radikalität dass es nachgerade eine gemeinheit von allen weltlich gesonnenen freunde wäre, nicht vor dem weg radikaler nachfolge zu warnen.
ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand auf seinem/ihrem weg mit jesus weiter als bis zum alphakurs gekommen ist, ohne wohlmeinende gegenratschläge zu missachten. vielleicht gehört es einfach zum wachstum dazu, dass man lernen muss die stimme gottes im eigenen herzen lauter zu drehen als die stimme der warner und mahner.

gut zu wissen, dass es auch jesus nicht anders ergangen ist. auf seinem weg zum kreuz gab es einige hindernisse zu überwältigen. jesus ging es nicht anders als uns; auch für ihn war es einfacher, den willen gottes nicht zu tun als ihn zu tun. er hätte sich nicht kreuzigen lassen müssen und musste im garten gethsemane dagegen ankämpfen sich einfach übernatürlich zu befreien und einen anderen weg zu gehen. aber die härteste versuchung auf dem weg zum kreuz war auch für ihn ein freund:
21 Von da an begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen.
22 Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!
23 Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.
24 Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.Matthäus 16. Einheitsübersetzung

natürlich meinte jesus nicht, dass petrus der satan ist. es gingt darum die versuchung auszuschalten. und damit liefert jesus ein gutes beispiel dafür, wie man sich manchmal hart über gutgemeinte ratschläge wegsetzen muss um gottes weg zuende zu gehen. ich kann nur jedem, der den weg geht empfehlen, sich mit einer ähnlichen haltung zu wappnen – du wirst sie einmal nötig haben!

über mirkos blog habe ich von einem noch grösseren problem jesu erfahren. ich wollte euch diesen, absolut sehenswerten, clip nicht vorenthalten.

alles liebe,

storch

michas kommentar zu „vergebend leben“ hat mich zum nachdenken gebracht. welche hermeneutischen schlüssel verwende ich eigentlich, um die schrift aufzuschliessen? jeder versteht die bibel ja aus einem bestimmten blickwinkel und es gibt „grunderkenntnisse“, die so wichtig werden, dass ein grossteil der bibel sich durch sie erschliesst. es wäre ein interessantes forschungsthema, solche hermeneutischen schlüssel zu sammeln…

der erste schlüssel, an den ich mich bewusst erinnern kann, war „geistlicher kampf“. vor wenig mehr als zehn jahren kamen massig bücher über das thema auf den markt: c.peter wagner schrieb die „warfare-prayer series“, wolfhard margies „über den umgang mit einem besiegten feind“. mir kam es damals so vor, als würde ich zum ersten mal das AT verstehen. mir war es immer sehr blutig vorgekommen und jetzt war ich auf einmal sicher, dass das alles ein bild, eine illustration des geistlichen kampfes wäre, in dem wir stehen. mittlerweile bin ich da nicht mehr so sicher… aber es war ja auch nur der erste schlüssel.

der zweite, und für mich immer noch sehr wichtige schlüssel für das NT ist „heil in christus“. dieser schlüssel hat mich endgültig gegen gesetzlichkeit immunisiert. ich glaube, dass es nur einen weg in den himmel gibt: jesus. im umkehrschluss bedeutet das, dass uns nicht sünde in die hölle bringt, sondern das ablehnen (zumindest nicht-annehmen) des heilsweges gottes. das macht sehr entspannt, auch mit manchen bibelstellen. Galater 5,21 kann gar nicht bedeuten, dass jemand der auf die vorher beschriebene weise sündigt, seinen platz im himmel verliert. wenn das so wäre, dann wäre heil=jesus+eigene heiligkeit. dann hätte eine kleine sünde die kraft, jesu opfer zunichte zu machen. das sein ferne! hier geht es um das diesseitige reich gottes.

der zweite schlüssel, der mir immer wichtiger wird ist „das reich gottes“. ich will verstehen, wie das reich funktioniert; die prinzipien des reiches erkennen und beherzigen. vieles in der bibel versteht man erst, wenn man das reich gottes versteht. zu den vielen dingen gehört besonders der bereich des übernatürlichen und des heiligen lebens als christ.

den dritten habe ich von uwe schäfer. prinzip 5 seiner bibelauslegungsprinzipien:“(in: die theologie des zimmermanns, erzhausen 2000)“: ist: die bibel von gottes charakter her auslegen. amen! vieles wird klarer wenn man weiss, wer etwas schreibt. wenn wir unseren jesus kennen können wir die bibel besser verstehen. gottes charakter ist für mich in einem spannungsfeld von liebe und gerechtigkeit, oder: gnade und gericht zu finden. legt man nur von einer seite her aus, kommt man zu falschen schlüsseln und endet in angstvoller gesetzlichkeit oder allversöhnung. in meinen eigenen hermeneutikseminaren habe ich das immer als einzigen schlüssel gelehrt. das tue ich jetzt nicht mehr, weil ich merke, dass ich mehr schlüssel am bund habe und dass auch mehr vonnöten sind um das wort zu verstehen.

viele bibellehrer haben einen schlüssel, den sie anwenden und polieren und anderen zeigen. das ist gut, aber ich glaube immer mehr, dass ein schlüssel zu wenig ist für das ganze wort. schliesslich ist die bibel ein buch mit sieben siegeln (nach offenbarung 6,1), und wem reicht es schon, nur eines zu öffnen?
das hat wieder etwas mit komplexität zu tun: gottes wort ist zu komplex, als dass es reichen würde, es nur durch eine brille zu betrachten, mit einem schlüssel zu erschliessen oder durch einen eingang zu betreten. neben den grossen schlüsseln habe ich immer wieder kleinere, meistens einzelne bibelsetellen, die mir einen besonderen aspekt erläutern. natürlich bin ich auch immer noch auf der suche nach weiteren.

manche theologische schlüssel haben von zeit zu zeit hochkonjunktur, sie sind so wichtig, dass gottes geist sie immer wieder mal betont. derzeit geht es dem schlüssel „christus in uns“ so. es ist ein wichtiger schlüssel um die dynamik des lebens mit jesus zu verstehen. nur ist es eben beileibe nicht der einzige. das problem mit schlüsseln, gerade mit so wichtigen ist, dass ihre besitzer sie oft so schätzen, dass keine anderen schlüssel mehr gesehen werden. im extremfall kann das dazu führen, dass andere schlüssel nicht akzeptiert werden oder der eigene als DER schlüssel angepriesen wird, den alle verwenden müssen. das kann leicht sektiererisch werden, es ist gut auch die eigenen hermeneutischen schlüssel als teil der wahrheit und erkenntnisstückwerk zu sehen.

30. Januar 2006 in vermischtes 8

bloggen

es gibt ja über das bloggen verschiedene philosophien. die einen schreiben einfach ein tagebuch, andere, wie mein kollege fabian zu kurzer unsinnskommunikation. wieder andere schreiben teilweise mehrmals täglich einen superkurzen post, andere einmal im monat einen tiefen und interessanten. und dann gibt es die, die täglich bloggen, und zwar morgens, und die, die täglich lesen und veröffentlichen, aber nicht täglich schreiben.
mal im ernst: als ich den blog angefangen habe, habe ich mir vorgenommen, jeden tag zu bloggen, weil ich websites, auf denen sich nichts tut unattraktiv finde. sollte nicht jeden tag das totale niveau bei rumkommen, aber schon täglich ein paar zeilen. so hatte ich es mir vorgenommen und so habe ich es bis heute fast durchgehalten. allerdings habe ich schnell gemerkt, dass das nicht einfach ist. ich sitze einfach nicht jeden morgen mit zeit am rechner. manchmal sitze ich auch im zug oder im gottesdienst oder (selten) im cafe, bei macdonalds oder sonstwo.
als lösung schreibe ich vor. immer, wenn die muse mich küsst und ich viel zeit habe, schreibe ich ein paar artikel und lasse sie in den entwürfen. wenn ich dann unterwegs bin veröffentlicht alex (die leider keinen blog hat, den ich verlinken kann…) die fertigen artikel.
die grosse belastungsprobe für das system kommt dann im nächsten urlaub. bislang klappt es gut, fünf tage absenz sind keinem aufgefallen. ich hoffe, es geht weiter so.

vielleicht habe ich ja in fünfzig oder sechzig jahren so viele entwürfe gespeichert, dass ich das zeitliche segnen kann und die blogszene mein ableben erst ein jahr später mitbekommt?

natürlich braucht es trotzdem noch mehr als einen schuss disziplin und deshalb grüsse ich euch mit zwei versen, über die ich demnächst posten will: Darum laufe ich nicht wie einer, der ziellos läuft, und kämpfe mit der Faust nicht wie einer, der in die Luft schlägt; vielmehr züchtige und unterwerfe ich meinen Leib, damit ich nicht anderen predige und selbst verworfen werde. (1.Korinther 9,26-27 nach der Einheitsübersetzung

29. Januar 2006 in theologie und gemeinde 2

IAOMAI

ich recherchiere gerade stellen im NT, die mit heilung zusammenhängen. ich habe immerhin 184 stellen gefunden, in denen mindesten eins von fünf möglichen worten auftaucht, die das NT für heilung verwendet. das erste ist iaomai (iva,omai), dessen prominenteste fundstelle 1.petrus 2,24 ist:
der unsere Sünden an seinem Leib selbst an das Holz hinaufgetragen hat, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben; durch dessen Striemen ihr geheilt worden seid. (elberfelder)

iaomai wird an allen stellen, an denen es vorkommt eindeutig für (körperliche) heilung verwendet: Matthäus 8:8, 13; 13:15; 15:28; Markus 5:29; Lukas 5:17; 6:18f; 7:7; 8:47; 9:2, 11, 42; 14:4; 17:15; 22:51; Johannes 4:47; 5:13; 12:40; Apostelgeschichte 9:34; 10:38; 28:8, 27; Hebräer 12:13; Jakobus 5:16; 1.Petrus 2:24:“(nein, ich habe die nicht abgeschrieben, bibleworks exportiert verslisten in die zwischenablage. und ja, ich habe sie doch abgeschrieben: in mein notizbuch :-))“: auch bei perseus habe ich nur eine einzige klassische fundstelle entdeckt, die den sinn etwas erweitert: bei Platon, Gesetze 933d:“(platon: werke, band 8/II, darmstadt 1990, seite 412 )“: heisst es iashtai to blaben da soll ein schaden wiedergutgemacht werden. das bedeutet für mich, dass petrus eindeutig von (körperlicher) heilung spricht und nicht vom heil in christus.
interessant ist, dass manche bibelkommentare sagen, dass iaomai zwar heilen bedeutet, in diesem einen fall aber bildlich gemeint sei. das begründen sie natürlich mit dem textzusammenhang, was für mich aber gar nicht schlüssig ist. zumal der zusammenhang ja (bis auf eine kleine, erklärbare, grammatische ungenauigkeit) ein zitat aus jesaja 53 ist, das auch von heilung spricht.
ich vermute, dass es keine grosse erkenntnis ist, dass petrus hier von heilung spricht. aber ich fand es trotzdem wert, das mal genauer unter die lupe zu nehmen. immerhin heisst es ja, dass auch heilung etwas ist, was jesus durch seinen tod erwirkt hat…

[dieser post enthält griechische schrift. sollte diese „normal“ dargestellt werden, bitte oben rechts in der navigation die seite „schriftarten für diese seite“ lesen!]

man traut es ihm kaum zu, wenn man seine bücher liest, aber niklas luhmann scheint ein possierlicher verteter der soziologenzunft gewesen zu sein. gelegentlich, und vor allem in fussnoten, blinzelt in seinen werken ein humor hervor, der ebenso trocken ist wie seine systemtheorie.

„es ist ungewöhnlich, wenn man in einer diplomarbeit die aussage ‚alles kacke‘ findet.“1:.

oder meine lieblingsstelle auf seite 583 der sozialen systeme, folgende anekdote in der fussnote zu diesem harmlosen satz:

„Ohne Thesenanschlag keine Reformation, ohne Preisschildchen kein reibungsloser Verkauf.“ Fussnote 50: „Bei einem Versuch, mit einer Ladeninhaberin längere Verhandlungen über den Preis einer Tafel Schokolade zu führen, habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie anstelle von Argumenten immer wieder auf das Preisschildchen verwies, auf dem der Preis deutlich sichtbar aufgeschrieben war.“

die arme frau! mit einen weltfremden, ohnehin zur unverstädlichkeit neigenden soziologieprofessor preisdiskussionen führen zu müssen kann einem den ganzen tag versauen.

luhmann hat seinen witz sicher sehr gezielt und mit grosser sprachkunst eingesetzt, hatte aber dennoch möglicherweise ein gespaltenes verhältnis zum geschriebenen humor:

„Als wir Luhmanns erste Fassung von Zweckbegriff und Systemrationalität besprachen, meinte ich abschliessend, dass mir am besten seine witzigen Beispiele gefallen hätten. Fast erschrockem reagierte er: „Wo stehen sie?“ So etwas muss sofort beseitigt werden!“2

dieser einstellung zum geschriebenen humor stand eine andere zum gesprochenen entgegen. als er einmal einen politisch-unkorrekten witz machte, beantwortete er die entstehende empörung mit dem bonmot „der gag heiligt die mittel!3

  1. soziale systeme, leider finde ich die seite nicht… []
  2. Otthein Rammstedt: In Memoriam: Niklas Luhmann. In: Bardmann, Theodor M. und Baecker, Dirk: „Gibt es eigentlich den Berliner Zoo noch?“, Konstanz 1999, Seite 19 []
  3. Hans-Martin Kruckis: Abgründe des Komischen. Schlaglichter auf Luhmanns Humor.. In: Bardmann, Theodor M. und Baecker, Dirk: „Gibt es eigentlich den Berliner Zoo noch?“, Konstanz 1999, Seite 49 []

eigentlich hatte ich nur vor, die stellungnahme zu posten, aber natürlich stellt sich das thema komplexer dar, als man in einem post schreiben könnte. die möglichkeit der pluralität muss geschützt werden. zum einen durch ein paradoxes nicht tolerieren der intoleranz, zum anderen aber auch (und das ist wichtiger!) dadurch, dass pluralität auf einer wertebasis steht. darum ging es im zweiten post. die wertebasis der jesus freaks ist natürlich grösser als ein glaubensbekenntnis, aber ich will nicht alles posten, was uns ausmacht. wenn es euch interessiert, lest es bitte auf unserer website nach. ich muss gestehen, dass ich etwas geschmunzelt habe, als ich das glaubensbekenntnis mal wieder gelesen habe. es ist definitiv das bekenntnis einer fischerbewegung, nicht einer theologischen vereinigung. da ist auf bundesebene nur das allernötigste geregelt und der rest bleibt frei. – wenn er frei bleibt, genau darum geht es in diesem post.

der weitgehenden theologischen unbegrenztheit der bewegung steht das theologische profil der gemeinden gegenüber. während eine bewegung mit starkem theologischen profil einengend wirkt, wird eine gemeinde ohne starkes profil unscharf. auf gemeindeebene ist die „einheit des glaubens“ nach epheser 4,13 eine sehr wichtige sache. das führt manchmal zu paradoxen situationen, denn während ich für meine gemeinde eine betsimmte theologie richtig finde, ist es für den bund wichtig, an denselben stellen freiheit zu haben. also kann ich ebenso für eine bestimmte theologische position kämpfen, wie ich für das recht einer anderen gemeinde einstehe, das gegenteil zu praktizieren.
an dieser stelle kommt oft das paradebeispiel: taufe. persönlich kann ich auch nach langen nachforschungen kein argument für die kindertaufe finden. wir haben das vor ein paar jahren in remscheid intensiv besprochen, ich habe bücher aus vielen richtungen gelesen und mit vielen leuten geredet. das resultat: wir erkennen die KT nicht an. wenn du bei uns mitglied werden willst, musst du glaubensgetauft sein.
gleichzeitig ist es mir wichtig, dass andere gemeinden es anders handhaben können. manche gemeinden, mit deren leitern ich befreundet bin, erkennen KT an. das kann ich zwar nicht verstehen, aber sie müssen das recht einfach haben. die souveränität der ortsgemeinde ist ein hohes gut.

natürlich steht dieser toleranz in manchen bereichen eine starke lehrmeinung der meisten bei uns entgegen. z.b. was die gaben und den heiligen geist angeht, oder das recht der frauen zu leiten und zu predigen. auch wenn diese einstellungen nicht irgendwo verschriftlich sind, werden sie so stark vorgelebt, dass es undenkbar wäre dass JFI jemals eine dispensationalistischen theologie vertritt. im prinzip ist es möglich, jesus freak und anticharismatisch zu sein, aber in der praxis wird sich die position kaum durchziehen lassen weil wir einfach charismatisch:“(im sinne von: an gaben glaubend und diese auslebend. nicht zwingend im sinne charismatischer kultur)“: sind.
hier kommt ein weiterer wichtiger begriff der pluralität ins spiel: das prägen. es ist besser und effektiver, positiv vorzuleben und zu lehren als zu verbieten. vielfach wird theologie hauptsächlich negativ verstanden im sinne einer abgrenzung. so versucht man dann auch einheit über grenze herzustellen statt über mitte. ich habe da schon einmal drüber gepostet. das finde ich schlecht. es ist besser positiv zu formulieren was man will, als negativ, was man nicht will!

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