26. November 2010 1

Nachfolge 1

Einleitend muss ich sagen, dass mich die Nachfolge sehr getroffen hat – ich habe sie wohl zur richtigen Zeit entdeckt, früher oder später hätte mich Bonhoeffer vielleicht weniger erwischt. Die Analyse der Nachfolge passt genau zu der Situation, die ich in vielen deutschen Gemeinden und Bewegungen sehe. Bonhoeffers Theologie der billigen Gnade klingt beinahe so, als hätte er das Buch erst vor wenigen Monaten geschrieben; nur der Stil offenbart das wahre Alter der Gedanken.

Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. Unser Kampf heute geht um die teure Gnade.

Billige Gnade heißt Gnade als Schleuderware, verschleuderte Vergebung, verschleuderter Trost, verschleudertes Sakrament; Gnade als unerschöpfliche Vorratskammer der Kirche, aus der mit leichtfertigen Händen bedenkenlos und grenzenlos ausgeschüttet wird; Gnade ohne Preis, ohne Kosten. Das sei ja gerade das Wesen der Gnade, dass die Rechnung im voraus für alle Zeit beglichen ist. Auf die gezahlte Rechnung hin ist alles umsonst zu haben. Unendlich groß sind die aufgebrachten Kosten, unendlich groß daher auch die Möglichkeiten des Gebrauchs und der Verschwendung. Was wäre auch Gnade, die nicht billige Gnade ist?

Billige Gnade heißt Gnade als Lehre, als Prinzip, als System; heißt Sündenvergebung als allgemeine Wahrheit, heißt Liebe Gottes als christliche Gottesidee. Wer sie bejaht, der hat schon Vergebung seiner Sünden. Die Kirche dieser Gnandenlehre ist durch sie schon der Gnade teilhaftig. In dieser Kirche findet die Welt billige Bedeckung ihrer Sünden, die sie nicht bereut und von denen frei zu werden sie erst recht nicht wünscht.

[…]

Teure Gnade ist das Evangelium, das immer wieder gesucht, die Gabe, um die gebeten, die Tür, an die angeklopft werden muss. Teuer ist sie, weil sie in die Nachfolge ruft, Gnade ist sie, weil sie in die Nachfolge Jesu Christi ruft; teuer ist sie, weil sie dem Menschen das Leben kostet, Gnade ist sie, weil sie ihm so das Leben erst schenkt; teuer ist sie, weil sie die Sünde verdammt, Gnade, weil sie den Sünder rechtfertigt… Teure Gnade ist Menschwerdung Gottes.1

Im Anschluss an diese Gedanken wird Bonhoeffer direkt zynisch wenn er über das große Opfer schreibt, dass es dem modernen Christen bedeutet, in der Welt zu leben ohne sich von dieser zu unterscheiden. Gerade an diesen Stellen spürt man wie engagiert sich Bonhoeffer an das Thema machte. Er schrieb nicht vom Elfenbeinturm aus sondern stand mit beiden Beinen in der Welt die er retten wollte.

In mein Notizbuch schrieb ich: „Gnade rechtfertigt den Sünder, aber niemals die Sünde.“ Das ist eine Paraphrase des Bonhoeffersatzes, bringt aber etwas zum Ausdruck was ich als das moralische Dilemma unserer Bewegung verstehe: Wir meinen, dass Gott unser Tun rechtfertigt, aber er rechtfertigt in Wahrheit uns als Menschen. Wir haben ein Problem zwischen dem zu unterscheiden was wir sind und was wir tun. Wir identifizieren uns mit dem, was wir tun, nicht mit dem, was wir sind.
Hier liegt ein grundsätzliches Problem, denn das muss ja bedeuten, dass Gott in Ordnung findet, was wir tun – oder die Gnade ist nicht Gnade. Das ist allerdings ein fundamentaler Denkfehler, denn Gott verdammt noch immer die Sünde, aber eben nicht den Sünder. Diesen Unterschied klar herauszuarbeiten ist nicht leicht, aber von grundlegender Bedeutung.
Wir müssen lernen Sünde zu hassen aber nicht in Selbsthass abzugleiten.

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  1. Bonhoeffer, Dietrich; Kuske, Martin (2002): Nachfolge. 1. Aufl. der Taschenbuchausg. Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus (Gütersloher Taschenbücher, 455), S. 16 []

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