Ein Großteil unserer Lebensmittel, Rohstoffe und Konsumgüter wird seit langem in Schwellenländern und der Dritten Welt produziert. Zum Teil liegt das daran, dass internationale Konzerne dort zu günstigeren Preisen einkaufen und produzieren können. Das liegt wiederum hauptsächlich daran, dass soziale und nachhaltige Standards in diesen Ländern oft vernachlässigt werden: Kinderarbeit, Ausbeutung von Frauen und moderne Sklaverei sind weit verbreitet, außerdem leiden viele Länder unter wirtschaftlicher und politischer Korruption. Durch die allgemeine Armut können Abnehmer beim Einkauf größeren Druck über den Preis ausüben, was wiederum dazu führt, dass Löhne und Arbeitsbedingungen noch schlechter werden. Umweltschutz und nachhaltige Produktionsweisen werden in armen Ländern selten berücksichtigt, was zwar kurzfristig die Produktionskosten senkt, langfristig aber fatale Folgen für Menschen und Natur hat.
Viele dieser Aspekte sind in den westlichen Ländern erst vor wenigen Jahrzehnten bekannt geworden. Fairhandelsorganisationen arbeiten international und national daran, über Missstände aufzuklären, die Situation der Produzenten zu verbessern und natürlich fair produzierte und gehandelte Waren zu vertreiben.
Als Kriterien für Fairen Handel gelten unter anderem: Zahlung eines angemessenen Preises, Förderung von wirtschaftlich benachteiligten Produzenten, sozialverträgliche Arbeitsbedingungen, Transparenz gegenüber den Produzenten und den Kunden, Umweltschutz.
Mitte der 1940er Jahre gründeten die nordamerikanischen Mennoniten und Brethren in Christ die ersten Fair-Trade-Organisation Selfhelp Crafts (heute Ten Thousand Villages). Sie importierten Kunsthandwerk, Stickarbeiten und Jutetextilien aus Lateinamerika und verkauften diese Sachen auf Kirchenbasaren. Das waren zunächst noch Wohltätigkeitsprojekte, mit denen arme Menschen in der Dritten Welt unterstützt werden sollten. Durch den Verkauf ihrer selbst produzierten Waren sollte ihnen größere Unabhängigkeit von reinen Spenden ermöglich werden.
In den 1960er Jahren entstanden in Europa die ersten Fair-Trade-Organisationen. Im Umfeld der Studentenbewegung kam Kritik an der weltweiten freien Marktwirtschaft und dem Verhalten der großen Konzerne auf dem Weltmarkt auf. Man forderte freien Zugang zu den Märkten für alle Hersteller und eine Preisbildung, die von den tatsächlichen Kosten der Produktion bestimmt wird.
In dieser Zeit fingen in den Niederlanden erste Organisationen an, Kunsthandwerk und ähnliches aus armen Ländern zu importieren und zu verkaufen. Die Läden wurden zunächst von ehrenamtlichen Mitarbeitern und ohne Profit betrieben. Sie waren aber so erfolgreich, dass das Modell bald in Deutschland und anderen europäischen Ländern übernommen wurde.
In Deutschland waren es anfangs hauptsächlich kirchliche Jugendgruppen, die Aktionsgruppen zum Fairen Handel gründeten. Auch hier wurden die Waren ohne Profit von ehrenamtlichen Mitarbeitern verkauft. Außerdem sammelten und verbreiteten diese Gruppen Informationen über die wirtschaftliche und politische Problematik der Dritten Welt. In den 1980er Jahren ließ das Interesse an den traditionellen Fair-Trade-Produkten aus dem Kunsthandwerk nach. Man konzentrierte sich stärker auf Lebensmittel und sprach damit auch eine breitere Verbraucherschicht an. Fair gehandelter Kaffee wurde bereits seit Anfang der 1970er Jahre verkauft, dann folgten Bananen, Tee, Zucker, Kakao, Getreide und ähnliches.
Die Bewegung alternativer Handelsorganisationen wuchs zwar immer weiter, aber fair gehandelte Waren wurden fast ausschließlich in Weltläden von ehrenamtlichen und Teilzeitmitarbeitern verkauft. Um eine noch breitere Kundenschicht anzusprechen, sollten die Produkte auch in Kaufhäusern und Supermärkten angeboten werden. Dazu wurden Anfang der 1990er Jahre die ersten Gütesiegel für Fairen Handel entwickelt. Die Organisationen, die die Siegel vergeben, prüfen unabhängig von den importierenden Firmen, welche Kriterien des Fairen Handels eingehalten werden.
In den folgenden Jahren wuchs die Nachfrage an Fair-Trade-Produkten. 1996 wurde erstmals Schokolade mit dem TransFair-Siegel ausgezeichnet. Das Bewusstsein der Konsumenten veränderte sich: Durch Aufklärungsarbeit und Medienberichte beeinflusst fragten mehr Leute nach, unter welchen Bedingungen Waren hergestellt werden. Weitere Lebensmittel wie z.B. Wein sowie Kleidung, und Teppiche wurden als fair gehandelt zertifiziert.
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Faire Handel so weit verbreitet, dass er für viele Menschen fest zu Konsumgewohnheiten und Lebensstil gehört. Man achtet verstärkt darauf, dass der persönliche Konsum die Erzeuger und die Umwelt so wenig wie möglich belastet. (Dabei spielen in den letzten Jahren auch Umweltschutzaspekte und gesunde Lebensweise mit hinein.) Verbraucher wollen durch ihr Kaufverhalten Einfluss auf Produktion und Angebot von Waren nehmen. Manche Firmen und Stadtverwaltungen stellen ihren Einkauf auf fair und nachhaltig um. Laut einer Studie der Weltbank von 2003 hat fair gehandelter Kaffee nachhaltige positive Effekte auf die Erzeuger. Große Handelsketten haben eigene Fair-Trade-Produktlinien eingeführt. Der Marktanteil des Fairen Handels wächst stetig und schnell.
[Dieser Beitrag stammt von Alexandra Schmelzer und basiert auf Erkenntnissen folgender Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Fairer_Handel http://de.wikipedia.org/wiki/Entwicklung_des_fairen_Handels_im_deutschen_Sprachraum]
Ralf schrieb am
20. Juni 2011 um 12:42Hallo Alex,
interessanter Artikel! Zum Thema „gesellschaftsverändernde Gemeinde“ finde ich auch sehr interessant, was Michael Frost über die missionale Gemeinde sagt – eine Gemeinde, die sich senden lässt und ihre Bestimmung & ihren Auftrag von Ihrer Sendung her versteht. Video „Michael Frost über missionale Gemeinde“: http://www.youtube.com/watch?v=El7puPs9Wug
Robert schrieb am
22. Juni 2011 um 21:36Find ich wichtig, dass die Gemeinde sich eben auch um das kümmert, was auf der Welt abgeht. Hier fällt die Landeskirche oft von der falschen Seite vom Pferd, dass sie sich nur darum kümmern, aber das zu ignorieren, ist auch schlecht.
Eine gute Zusammenstellung wo unsere Produkte eigentlich herkommen und was dahinter steht, kann man mit zwei Kurzfilmen kriegen: „The story of stuff“ und eine ARTE Dokumentation über „geplante Obsoleszenz“ (das Phänomen, dass Produkte bewusst früher kaputt gehen)
Alex schrieb am
24. Juni 2011 um 08:02Vielen Dank für die Kommentare und die Video-Tipps!