Übertreibung ist ein sehr häufiges Stilmittel in semitischen Sprachen, und wir haben in den Evangelien viele Beispiele dafür. Übertreibungen machen ein Prinzip so überdeutlich klar, dass auch der Letzte es verstehen sollte, rütteln oft durch ihre Härte auf und zwingen so den Zuhörer, einen Standpunkt zu beziehen. In der Form der realistischen Übertreibung (im Gegensatz zur unrealistischen in Punkt 2) kann die Übertreibung allerdings auch wörtlich genommen werden. So kommt es manchmal zu Verwirrungen. Ein Beispiel findet sich im Lukasevangelium:

Lukas 14,2.6: Wenn jemand zu mir kommt und nicht seinen Vater und die Mutter, Weib und Kinder, Brüder und Schwestern haßt, dazu aber auch seine eigene Seele, der kann nicht mein Jünger sein. Es wäre Quatsch, diese Stelle wörtlich zu nehmen und seine Eltern hassen zu wollen, weil man ja Jesus nachfolgt. Das stünde im Gegensatz zum Gesamtzusammenhang der Bibel (z.B. Markus 7,9-13 oder Lukas 6,2).

Die Parallelstelle im Matthäusevangelium zeigt hier den eigentlichen Punkt, um den es Jesus ging: Matthäus 10,3.7: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.

Ein weiteres Beispiel, diesmal aus Matthäus:

Matthäus 5,29-30: Wenn dir aber dein rechtes Auge ein Anstoß zur Sünde wird, so reiß es aus und wirf es von dir. Denn es ist besser für dich, daß eins deiner Glieder verloren gehe, als daß dein ganzer Leib in die Hölle geworfen werde. Und wenn deine rechte Hand für dich ein Anstoß zur Sünde wird, so haue sie ab und wirf sie von dir. Denn es ist besser für dich, daß eins deiner Glieder verloren gehe, als daß dein ganzer Leib in die Hölle geworfen werde.

Parallelstelle: Markus 9,43-47 Hier will Jesus klarmachen, wie wichtig es ist, sich von Dingen zu trennen, die die Nachfolge behindern. Alles, was uns zur Sünde verleitet, soll aus unseren Leben weichen! Auf keinen Fall kann es darum gehen, sich selbst zu verstümmeln. „Die Worte Jesu waren nicht Selbstzweck, sondern ein Beförderungsmittel seiner Botschaft.“

Unglücklicherweise gibt es immer wieder Ausnahmen, die auch solche Stellen wörtlich nehmen. Zum Beispiel William Minor:

„(…) nichts auf der Welt bereitete ihm so viel Freude wie sexuelle Abenteuer und Phantasien. Doch als er bekehrt wurde, erkannte er, dass er dem lüsternen Leben entsagen musste, das er geführt hatte – und er kam zu der Überzeugung, dass die Amputation seines Penis das Problem lösen würde.“[1]

[1] Aus dem Krankenbericht. Zitiert nach: Simon Winchester, Seite 230. Das ist eine wahre Geschichte.

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Ein Kommentar

  1. Autsch…trotzdem, Jüngerschaft bleibt einfach hammerhart. Ohne seine Gnade geht da nix…

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