06. Juli 2007 7

wer bin ich?

Ich mache immer wieder Erfahrungen die schon fast surreal sind. Am Abend treffe ich Bernd (Name von der Redaktion geändert). Bernd fühlt sich total schlecht weil er meint, dass Gott ihn nicht gebrauchen kann. Immer stimmt irgendetwas nicht und er bekommt es einfach nicht hin, dass er „Gott einfach fliessen lässt“ und ihm dienen kann. Sein grösster Traum ist es wie Petra zu sein, denn die hat gerade das was Bernd nicht kann total drauf.
Am nächsten Abend treffe ich Petra und sie ist total down weil sie meint, dass Gott sie einfach nicht gebrauchen kann…

Die Bilder die wir voneinander haben setzen uns oft Leistungsdruck aus. Wir haben komischerweise immer das Gefühl, dass die anderen es leichter haben und sind dann überrascht, dass die anderen gern so wären wie wir. Das ist ein ewiger und sehr unerquicklicher Kreislauf. Für mich ist es seltsam zu beobachten wie sehr Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinander gehen. Ich musste dabei ungewollt an ein Gedicht von Dietrich Bonhoeffer denken, dass ich hier mal wiedergebe:

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und zu leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?
Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

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7 Kommentare

  1. der ganz normale Wahnsinn … 🙂

  2. Zum Teil machen wir uns diesen Wahnsinn selber, aber teilweise sind die lieben Geschwister manchmal auch nicht ganz unbeteiligt, die die eine Gabe hochjubeln und die andere als niedriger ansehen.
    Mir sagt Gott seit Monaten mit manchmal erstaunlicher Hartnäckigkeit immer wieder: Entspann´ Dich mal!

  3. Gewagter Vergleich (wenn auch nicht beabsichtigt!)

    Bonhoeffer in einer lebensbedrohender aussichtslosen durch widerstand in kauf genommenen Lage, wir in mehr oder weniger mit uns selbst beschäftigten Sinnkrisen.

    Übrigens Deutschland ist zur Zeit auch im Krieg involviert, die Tornados
    schießen keine Urlaubsfotos sondern spähen Ziele für die USA/GB aus, die die dann mit allen „Kollerteralschaden“ bombadieren

    Also ich glaub Bonhoeffer würde wieder Widerstand leisten

  4. Es gibt da einen tollen Liedtext von Tina Neudorf (auch Kwg-Bi)

    Der Christ
    Wir sind nicht was wir denken,
    wir sind nicht was wir tun,
    wir sind nicht was wir woll’n:
    wir sind was Jesus uns sagt:
    Kinder des Höchsten

  5. (he ich war doch noch nicht fertig, was soll das denn)

    also:

    Kinder des Höchsten, Licht der Welt
    eine neue Schöpfung die Gott gefällt.
    Wir haben das Leben Jesu in uns,
    wir tun was er tat und noch viel mehr

    in der 2. Strophe stehn nochmehr tolle Sachen, aber gut finde ich daran, das wir das sind, was in der Bibel steht, und nicht das was wir uns selber immer so denken.

  6. is evt. ein hauch prollig, aber mich trieb früher immer eine ander frage umher: warum hab ich es so leicht. ich bin in einer christlichen familie aufgewachsen, komme aus gutem hause, schule und studium fallen mir mittlerweile zu und das einzige was ich erleiden musste, war’n n paar lächerliche jahre als außenseiter auf der realschule.
    warum geht’s mir so gut, und anderen so schlecht? dermaßen beschissen, dass sie mit sich selbst nich klar kommen und sich um das bewusstsein spritzen? oder wie kommt es, dass ich augenscheinlich nen einfacheren weg zu gott hatte, zu Jesus Christus, als z.B. der knabe im libanon, dessen vater letztes jahr durch ne bombe starb, und der aufwächst, in einem umfeld voll feindbilder und hass, und dessen evt. entscheidung für Jesus mit sicherheit nich so von seinen eltern begrüßt werden würde, wie von meinen.
    Ok… mittlerweile habe ich diese Frage immer noch keine Antwort, aber ich muss sagen dass sie mich nich mehr kaputt macht. ich vertraue darauf, dass Gott gerecht ist.
    hat glaube nix mehr mit dem thema zu tun… hmm… egal. ^^

  7. Was für ein Gedicht! Ging mir total nahe.

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