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Unsere Erklärungsversuche für das menschliche Leid richten gelegentlich mehr Schaden an als das Leid selber.

Beim Lesen von Hiob stellt sich die Frage, ob Christen überhaupt glücklich sein können. Ich denke tatsächlich manchmal, dass sie es schwerer damit haben als Ungläubige. Ein Mensch ohne Gott rechnet mit Leid: er weiss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass er unter suboptimalen Umständen im Krankenhaus sterben wird, er weiß, dass Freunde und Bekannte vor ihm den Tod finden, er rechnet damit arbeitslos zu werden und keine Rente zu bekommen – und richtet sich in allen Unsicherheiten ein Leben ein. Den Christen fällt das manchmal schwerer, weil sie nicht damit klar kommen, dass ihnen Leid widerfährt obwohl sie mit einem allmächtigen Gott leben. Auf der anderen Seite widerfährt ihnen nicht selten erheblich mehr Leid als nötig, weil sie es nicht gelernt haben in Gottes Segen und Kraft zu leben.
Die Folge ist eine Spannung zwischen Leben und Anspruch, die immer wieder erklärt werden muss. Warum sterben die Kinder gläubiger Menschen? Warum gehen auch ihre Autos kaputt? Warum werden Baptisten krank? Um diese Fragen zu beantworten werden nicht selten Gott die widerwärtigsten Charaktereigenschaften angedichtet. Dann macht eben Gott das Auto kaputt weil wir zu sehr daran hängen oder lässt die Frau sterben, damit man wieder zu ihm findet oder, oder, oder. Die Liste könnte ich nach tausend und einem seelsorgerlichen Gespräch ad infinitum weiterführen. Besonders betroffen sind oft Kinder in gläubigen Familien, ihnen werden zu Zeiten in denen sie sehr empfänglich für solche Gedanken sind, die haarsträubensten Theorien aufgetischt, zu welchem guten Zwecke Gott welches Leid zugelassen oder herbeigeführt hat. Die Folgen halten nicht selten ein ganzes Leben wenn nicht der Heilige Geist oder ein guter Seelsorger Hilfe leistet.

Nicht jeder hat die Überzeugung und innere Stärke eines Hiob, der auch im Trommelfeuer der Argument immer seinen Stand behalten hat und einfach wusste, dass seine derzeitige Misere nichts mit seiner Sünde zu tun hatte. Vielen geht es anders und sie bekommen zusätzlich zu den widrigen Umständen noch ein schlechtes Gewissen und/oder ein miserables Gottesbild geliefert.
Wir sollten sehr sehr vorsichtig sein mit voreiligen Kausalschlüssen, allzuoft vergrössern sie den Schaden noch statt ihn zu verkleinern!
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Sometimes our attempts at explaining human suffering do more harm than the suffering itself.

Reading the book of Job raises the question whether Christians can be happy. Sometimes I actually believe that it is harder for them than for non-believers. Someone living without God expects suffering: he knows with near certainty that he will die under suboptimal circumstances in a hospital, he knows that friends and acquaintances will die before him, he expects to lose his job and not to receive a pension – and he builds a life for himself in the face of these uncertainties. For Christians this is often much harder to do because they can’t deal with the fact that they experience suffering even though they live with an almighty God. On the other hand they often experience more suffering than necessary because they haven’t learned to live in God’s blessing and power.
The result is a tension between ideal and reality that constantly begs for an explanation. Why do believers’ children die? Why do cars break down? Why do Baptists get sick? In order to answer these questions, God is sometimes imputed with the most repugnant character traits. He makes the car break down because we are too attached to it, or He lets your wife die so you will find your way back to Him, or, or, or. After a thousand and one counselling sessions with Christians I could continue this list ad infinitum. Children who grow up in Christian families are particularly affected. At a time when they are very receptive for this kind of thinking they are presented with the most outrageous theories concerning the good purposes for which God allowed or caused suffering.  Often the consequences of this kind of teaching prevail throughout a lifetime unless the Holy Spirit or a good counsellor comes to the rescue.

Not everyone has the same conviction and inner strength as Job who maintained his position even though he was bombarded with arguments and who simply knew that his present misery had nothing to do with his sin. For many the situation is different: in addition to the difficult circumstances they are provided with a bad conscience and/or a lousy image of God.
We should be very very careful with rash causal conclusions; too often they intensify rather than lessen the damage.
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21 Kommentare

  1. ähnliche gedanken hab‘ ich auch schon geäussert, nämlich HIER…..

    kann man als christ denn nicht auch realist sein…..?
    ich bin zum schluss gekommen, dass man gerade als christ realist bleiben und sein muss…..!
    dies gerade um der „falschen“ lehre von einem allmächtigen gott, der mein auto zertrümmert weil ich ihn ned beachtet hab‘, der die kinder mit krankheiten quält, damit sie zu ihm finden…..
    nein, dies is‘ doch kein göttliches prinzip, sondern oft nur erklärungsversuche verklärter christen, wenn sie sich was erklären wollen, wo es keine erklärung gibt…..
    der mensch ist anfällig, für krankheiten, für unglück, aber auch für falsche lehre…..
    viele christen denken auch, dass sie ein friede-, freude-, eierkuchen-leben führen müssen um „gottgefällig“ zu sein, dass sie ein übersteigertes harmoniebedürfnis haben, weil sie ja das göttliche prinzip der gnade auch in ihrem leben umsetzen wollen…..
    der mensch kann nur bedingt gnädig sein…..!
    wenn also das auto ’ne delle hat, so is‘ ned gott der schuldige, weil er den mensch an sich erinnern will, sondern schlicht und einfach jener typ, der mit seiner karre in meine gerasselt is’…..
    sicherlich unterstützt gott den menschen in der verarbeitung des schadens, aber nicht auf der finanziellen seite, sondern in dem er gelassenheit gibt um die dinge in ruhe zu regeln und er vewrsucht dir zu erklären, dass, wenn du in seiner gnade und vergebung lebst, du diese vergebung und gnade auch weiterreichen kannst, auch an den kerl, der dir ’ne deftige delle in dein geliebtes karröschen gemacht hat, dies und nix anderes is‘ das göttliche in solchen situationen…..
    gott vergibt dir, wieso kannst du dem anderen ned auch vergeben…..?
    in dem sie die ganze sache gott zuschieben stehlen sie sich aus der verantwortung auch dem anderen vergeben zu müssen…..
    und vergeben heisst ja ned vergessen…..
    auch gott vergisst nicht (so interpretiere ich die offenbarung), sondern bei der abrechnung am schluss legt er deine fehler wieder auf den tisch, aber selbst dann wird er seine gnade walten lassen, wenn du diese fehler bekennst…..

    ja, als christ muss man realist bleiben und sein…..!

  2. Ich glaube das hier das Verständnis des Prinzips Ursache / Wirkung und das genaue Beschäftigen mit den Arten von Leid und deren Herkunft helfen kann. Wird nicht viel Leid durch Anhaftung ausgelöst ?

    Für mich hat Hiob letztendlich das Leid überwunden, weil er keinen Abgott hatte, sondern Gottesliebe so tief verinnerlicht hatte, dass ihm das Leid der Veränderung, des Todes und des Verlusts zwar erschüttern, aber nicht vernichten konnte. Gerade deshalb ist ein tiefes Verständnis der Beschaffenheit unseres Geistes und der materiellen Welt so wichtig.

    Es ist aber ein sehr komplexes Thema und nicht in einem Post möglich voll darauf einzugehen. És ist aber genau dieses Verständnis mit der Anwendung der Lehre Christi, welches uns Existenz meistern lässt.

  3. „Warum gehen auch ihre Autos kaputt? “
    Vor 10min wieder ne Pfütze unterm Auto entdeckt. Diesmal Getriebeöl. Diese Flüssigkeit hatten wir noch nicht in Pfützenform.
    Ursache: Blödes Auto.

  4. Checkfrage: Baujahr, Typ und Kilometerstand ? 😛

  5. Ähm. Peugeot 205, Baujahr Anfang der 90er (1992 glaub ich), 160.000km, aber frisches Getriebe (das is vermutlich auch das Problem) 😉

  6. So ein treuer Kerl darf auch mal bluten 😛

  7. @WGuerillachrist:
    bluten? hm…. die Pfützen unterm Auto bestanden schon aus: Diesel, Motoröl (oft), Kühlwasser, Pflanzenöl (aber nur ab und zu beim Betanken mit Kanistern). Das könnte man schon eine chronische Inkontinenz nennen.
    Oh, und die Autoschrauber (sogar die christlichen) reparieren unser Auto nur noch widerwillig. 😉

    @storch:
    Sorry, Storch, die theologische Diskussion is grad n bisschen abgeglitten.

    Noch n (sinnigeres) Wort zu deinem Post:

    Der Mensch ist so getrickt, Ursachen zu suchen. Wenn was Schlimmes passiert sucht er eine Ursache/ einen Sündenbock/… als Erklärung.
    Einerseits ist das produktiv – man lernt aus Fehlern.
    Andererseits gibt ihm eine Erklärung vermeintliche Sicherheit (dass ihm das nicht passieren kann – das ist, was ihn in Wirklichkeit interessiert), auch wenn die Erklärung andere herabsetzt, verletzt etc. (Dem Opfer die Schuld zu geben is ja ganz beliebt.)

    Die Herausforderung an Christen ist es m.A.n. ein Weltbild zu konstruieren, das nicht nur aus eindimensionalem Ursache-Wirkungs-Prinzipien besteht. (Gott ist gut – mir passiert nix Schlechtes). Trotzdem kann ein Welt-/Gottesbild von uns nie ausreichen, alles zu erklären. Der Sinn von Leid lässt sich, glaube ich, nur subjektiv finden, denn allgemeine Erklärungsmuster können bestenfalls Hilfestellung geben.

    Oder anders gesagt: Wir werden es auf dieser Welt aushalten müssen, dass uns und Menschen, die wir lieben, Mist passiert.
    Die Herausforderung ist, in dem Mist auf Gott zu schauen und ihm zu vertrauen. Das ist paradox. Und es liegt Kraft darin.
    Das ist zumindest meine Sicht und Erfahrung.

  8. Vorsicht…ich meine nicht, dass man immer nur rumsuchen sollte a la „DEr“, „DAS“ und „DIE“ ist Schuld, deshalb geht es mir schlecht. Eben gerade ja nicht. Wenn ich von Kausalität spreche meine ich die Zusammenhänge mancher Ereignisse zu sehen, die zu meinen Erleben des Leids führen. Das Grosse und Ganze.

    Gegen diese Resignation/Ohnmacht „Warum ich ?“ zu gehen.

    Hier können wir vom Buddhismus lernen.

  9. @Guerillachrist:
    ich denke, da sind wir einer Meinung (nur anders ausgedrück):
    Ich kann nach Ursachen für Glück und Unglück suchen und das am besten im Zusammenhang von vielen Faktoren. Es hilft mir, mich/meine Situation zu verändern.
    Aber gleichzeitig muss ich es lernen, es auszuhalten, dass ich Sachen nicht verstehe und dann nicht irgendjemandem (Menschen oder Gott) die „Schuld“ dafür in die Schuhe zu schieben.

  10. möglicherweise sind Leid und Glück ja generell zweckfrei?
    läuft immer wieder auf die grosse theologische Frage hinaus ob es einen Zufall gibt und dann auch die ‚grossen‘ Dinge im Leben Zufälle sein könnten.

  11. Dann wäre Logik völlig sinnlos…ein faszinierender Gedanke.

    Aber wahrscheinlicher halte ich letztendlich die Kausalität, da wir ja Dinge anstossen können deren Auswirkungen einem dritten letztendlich „zufällig“ erscheinen aber es nicht sind. Weil dies ist, ist jenes. Deswegen sollte man nie langfristig planen sondern immer den Moment bewusst erleben und seine Entscheidungen überdenken…Parallelen zum karmischen Gesetz sehe ich da.

    Wir sind laut der Bibel aufgefordert wenig geplant zu leben…und aus aller Müdigkeit der Krawattenschlachten und des Business sage ich Amen dazu.

  12. Naja … wenn Leid und Glück zewckfrei wärem, dann wären sie ja irgendwie irrelevant. Aber Gott greift ja tatsächlich lenkend ein. Leid ist ja nichts Unwichtiges, nichts was Gott nichts angehen könnte und ihm egal wäre, oder?

  13. Ist alles Leid und alles Glück von Gott gemacht und gesteuert ?

  14. @ chrisse: nein, egal ist es ihm sicher nihct. auch, dass er es (manchmal) steuert zweifle ich nihct an. für mich wäre eher die frage, ob leid und glück immer übernatürliche ursachen haben. und da rechne ich mehr mit dem zufall als imemr mit ursachen.
    selbst wenn es ursachen gibt entziehen die sich meistens unserem (intellektuellen) zugriff, damit wird die frage nach ihnen wiederum unwichtig.

  15. Hi!

    O.K., das hatte ich leicht misverstanden. Naja, ich glaube ja auch schon an Zufall. Ich habe manchmal die These: Als Gott die Welt geschaffen hat, hat er sie so gemacht, dass sie prinzipiell ohne äußere Einwirkung funktionierte, also keiner Korrekturen bedurfte. Deshalb gibt es vielleicht so etwas wie einen Zufall innerhalb dieser selbstfunktio-nierenden Welt.

    Ja, aber man muss ja auch bedenken, dass die Welt jetzt ja nicht mehr optimal ist, also dass sich auf jeden Fall Leid und Glück nicht mehr in einem funktionierendem Zustand befinden. Und das aus einem übernatürlichem Grund. Vielleicht kann man jetzt sagen, dass Leid existiert, aber eher als zufälliges Resultat einer nicht zufälligen Angelegenheit.

    Auf der anderen Seite ist es doch irgendwie auch so, dass Paulus sagte (ich weiß nicht das genaue Zitat): „in ihm leben und weben wir“, also das Gottes Einfluss auf alle Dinge vielleicht sehr direkt ist. wäre eine andere Seite. Weiß auch nicht.

    Chrisse

  16. P.S.: Ich finde es ja persönlich auch ganz praktisch wichtiger, dass mir Leid passieren kann, dass ich aber einfach besser damit umgehen kann (ist logisch).
    Allerdings funktionert die These beim kaputten Auto noch gut, beim schweren Autounfall nicht mehr so leicht.

  17. @chrisse:
    damit stellst du ja die frage nach der letzten ursache des leids. da sehe ich es ähnlich wie du. leibniz hat in seiner theodizee zuerst die theorie gehabt, dass wir in der besten welt leben, weil wir an einen guten und allmächtigen gott glauben und es diesem per definition nicht zuzutrauen wäre eine schlecht welt zu erschaffen. das hat er später revidieren müssen und so wurde aus der „besten“ welt, die „beste aller möglichen“ welten. auch das geht nach meinem dafürhalten knapp an der realität vorbei. gott hat die beste welt geschaffen und in ihr sollte der mensch in einer vollkommenen und völlig leidfreien umwelt leben. dann kam aber die menschliche entscheidung dazwischen.

    damit scheidet gott auch als letzter urheber des leides aus, denn so war die welt nun mal nicht geplant. es ist eine koproduktion der korruption aus mensch und teufel. diese welt, so wie sie nun einmal ist, ist der vergänglichkeit und dem (zufälligen) leid unterworfen. dumme sache, aber leider realität….

  18. Dem würde ich völlig zustimmen.

  19. Hi!

    Ja, so hatte ich das ungefähr gemeint. Mit „übernatürlicher Ursache“ meinte ich den Sündenfall.

    Was ich micht trotzdem frage: Gott greift ja trotzdem in die Regeln der gefallenen Welt ein und überlässt nicht alles dem freien Lauf. Also ist es schon so, dass er quasi diesem Zufall ein Schnippchen schlägt. Jede Heilung, jede Bewahrung, jede Offenbarung oder jedes Wunder geht doch eigentlich gegen diese „Gefallene-Welt“-Regeln, oder? Aber warum macht er es manchmal nicht? Da muss es ja dann trotzdem Kriterien oder so etwas geben, wann Zufall und wann kein Zufall wirkt?

    Also spannend finde ich das ja eben beim Thema Heilung oder Krankheit allgemein. Praktisch gibt es ja eben manchmal keine Heilung. Oder auch bei der Frage, was ich vom Leben an Bewahrung als Christ erwarten kann. Da hast du, Storch, ja auch dazu geschrieben.

    Ich hätte auch die These, dass Gott Dinge passieren lässt, die rein weltlich betrachtet Katastrophen sind, die aber uns gar nicht so tangieren, weil wir auf Gott vertrauen (Bsp.: Autounfall -> finanzieller Schaden -> nicht so schlimm, weil Versorgung).

  20. das ist sicherlich eine interessante frage. oft ist es so, dass man weiss, was falsch gemacht wurde, wenn z.b. eine heilung nicht passiert. da gibt es ja eine menge faktoren, die gegen ein wuner wirken können.
    wenn es dann nicht passiert obwohl man alles „richtig“ gemacht hat kann es sein, dass einfach erkenntnis fehlt. das kann natürlich schon in sich ein pauschalargument werden, das niemanden weiterbringt, denn es kann immer erkenntnis fehlen.

    ich gehe davon aus, dass die frage nicht komplett beantwortet werden kann. da ist einfach ein grosses geheimnis drin, das wir menschen nicht lüften können. deshalb fahre ich gut damit, es gar nicht zu versuchen. ich konzentriere mich auf die sachen die klappen und auf jesus. was nicht funktioniert, dem will ich nicht die gelegenheit geben mich ins grübeln und (ver)zweifeln zu bringen. das ist eine frage des fokus. aber eine entscheidende denn wir werden wohl nur dann mehr erleben im übernatürlichen wenn der fokus auf jesus erhalten bleibt.

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