ich drücke mich noch um eine defintion von „theologie“ herum. überhaupt stelle ich fest, dass vieles in theologischen diskussionen an worten hängt, die nicht hinreichend klar definiert sind, dass man sich richtig darüber unterhalten könnte. die definitionen zu finden wird indes noch einige forschung erfordern. von daher sind alle überlegungen, die ich hier zusammentrage noch sehr unvollständig und ausbaubedürftig. aber hey, es ist ein blog und noch kein buch! deshalb gestatte ich mir den luxus zu sagen: „ihr, die ihr diese kleine betrachtungsreige über metatheologie lest, wisst, was theologie ist!“

was ich aber weiss, ist dass es neben grundlegenden axiomen, die das theologische denken überhaupt erst ermöglichen, auch tugenden gibt, die die theologie davor bewahren willkürlich und gefährlich zu werden. ich glaube, mich da auch ziemlich festlegen zu können auf drei grundtugenden, die jeder theologe beherzigen sollte um nicht entweder in beliebigkeit oder fanatismus abzurutschen: DEMUT, ERDUNG und FUNKTION.

Grundtugend #1: demut:
obwohl die tugenden in ihrer reihenfolge austauschbar sind, scheint es mir dennoch sinnvoll, die demut an erste stelle zu setzen, weil sie in den gängigen diskursen oft nicht einmal am rande vorkommt.

demut bedeutet in diesem zusammenhang, zu wissen, dass die eigene position nicht die einzige legitime position ist. aus den ganzen erkenntnistheoretischen überlegungen der metatheologie folgt, dass je nachdem welcher mensch etwas von gott erkennt, es das genaue gegenteil dessen sein kann, was ein anderer erkennt. ich habe am anfang dieser reihe ein paar grenzen dieses prinzips gezeigt, die man hier nachlesen kann. ein grosses problem stellen in der praxis theologischer diskussionen „ideologen“ dar, die ihre ansicht als direkt von gott gegeben ansehen. wenn die demut gegenüber der eigenen erkenntnis fehlt, denkt man bei andersglaubenden schnell an häretiker und ketzer, die es zu bekämpfen oder missionieren gilt.
die geschichte der theologie steckt voller lächerlicher grabenkämpfe um absolute nebensächlichkeiten, die aber teilweise bis aufs blut ausgefochten wurden. frühe taufgesinnte gemeinden (die amish auch heute noch), lehnten knöpfe vehement als teufelszeug ab. man kann vielleicht etwas verständnis dafür entwickeln, wenn man sich vor augen hält, dass noch vor einigen jahrhunderten knöpfe als statussymbole galten. aber es fällt mir schwer zu verstehen, dass sich gemeinden gespalten haben, weil ein prediger eine weste trug, die mit knöpfen statt mit haken und ösen verschlossen war. noch luther stand der gabel völlig ablehnend gegenüber und war bereit gegen die benutzung von gabeln als essbesteck zu kämpfen. die reformatoren in der schweiz kämpften erbittert gegen das täufertum – bis hin zur verbrennung der täufer auf dem scheiterhaufen.
heute kann man über diese irrwege des denkens nur den kopf schütteln. aber während wir mit dem kopf schütteln verteidigen wir unsere systeme mit der gleichen heftigkeit und sehen sie mit derselben ausschliesslichkeit. heute können eben die dispensationalisten nicht mit charismatikern reden. manche glaubensgesinnte sprechen christen, die zum arzt gehen das christsein ab. andere drohen modernen bibelübersetzern mit dem höllenfeuer weil ihre übersetzungen nicht heilig genug sind. die mechanismen sind genau dieselben wie im mittelalter und vor dem mittelalter und wahrscheinlich immer schon. dass sich die methoden der diskussion geändert haben liegt nur daran, dass scheiterhaufen verboten sind. aber der spirit ist derselbe…

demut sagt in solchen diskussionsfällen, dass zwei meinungen nebeneinander stehen können. der grund für eine solche haltung liegt in dem bewusstsein, dass ich mich irren kann. tatsächlich habe ich beweise dafür, denn heute denke ich über vieles anders als früher. „irrtum“ ist natürlich in einem solchen post ein heikles wort. es ist eine frage, die noch zu klären ist, was ein irrtum ist. jedenfalls liefe einiges entspannter, wenn wir gläubige mehr demut hätten und andere besser stehenlassen könnten.

trotz aller demut sollen wir positionen und profil haben. das problem liegt nicht darin zu wissen, was man glaubt. noch nicht einmal darin, seine gemeinde in die „einheit des glaubens“ (epheser 4,13) zu führen, also eine lehrmeinung der gemeinde aufzustellen. das problem liegt darin, diese lehrmeinung absolut zu setzen und zu denken, dass sie für alle christen gelten muss.
fanatismus erkennt man zuerst daran, dass missionarische bemühungen sich nach innen richten und darauf ausgerichtet sind, andere christen zur eigenen überzeugung zu bringen. das bedeutet, dass jemand davon ausgeht, dass gott nicht nur ihm eine offenbarung gegeben hat sondern, dass diese offenbarung für alle gilt. das mag noch nicht einmal sooo schlimm sein. richtig schlimm wird es da, wo jemand mit seiner offenbarung so umgeht, dass er andere offenbarungen nicht mehr stehen lassen kann und fortwährend im streit mit anderen liegt.

es gibt selbstverständlich räume für theologische diskussion. aber nicht für theologische rechthaberei.

demut hält uns lernfähig. jemand, der seiner position allzu sicher ist, kann sich nicht mehr weiterentwickeln. er hat die haltung des lernenden zuhörens gegen die des predigens getauscht. das ist eine gefährliche situation, denn wir lernen solange wir leben. theologische positionen, die meinen „angekommen“ zu sein, isolieren sich und erstarren in der folge unweigerlich. geistliches wachstum ist davon abhängig zu wissen, dass man sich von der position, die man gerade einnimmt weiterentwickeln kann.

demut bringt demnach zwei gute früchte hervor:
1. hilft sie im zusammenleben mit andersglaubenden christen
2. ermöglicht sie geistliches wachstum

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Ein Kommentar

  1. Ich finde das gut erklärt. Es fällt praktisch schwer, von „eigenen Erkenntnissen“ abzurücken, es hat was mit Loslassen zu tun, vielleicht auch was mit „Sicherheiten loslassen“. Letztlich bedeutet das, daß man sich (mal wieder…) alleine auf Jesus stellen muß, daß Jesus die Basis ist. Was das konkret bedeutet, kann ich auch nicht so recht erklären, es klingt auch sehr schwammig, dennoch weiß ich, daß Jesus ja der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. In meiner Gemeinde ist habe ich „theologische Vielfalt“ immer als Stärke angesehen. Epheser 4,13 sehe ich dabei als „Ziel“ des einzelnen zur Mündigkeit, also, daß jeder Mensch seine individuelle Beziehung zu Jesus bekommt und dadurch mündig wird. Für mich geht es dabei nicht darum, daß eine Gemeinde eine „einheitliche Lehre“ annehmen muß.
    sofx

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