20. Juli 2011 0

Weisheit in Israel

1970 legte der renommierte Alttestamentler Gerhard von Rad sein Buch „Weisheit in Israel“ vor. Da ich mich seit einiger Zeit auf diesem Blog mit mit den Sprüchen beschäftige wurde es mir zur Lektüre empfohlen. Also habe ich es in den letzten Wochen Stück für Stück beim nachmittäglichen Kaffee gelesen und möchte es hiermit empfehlen.

Ein Buch, das wie dieses vermutlich in den Bücherschränken vieler Theologen zu finden ist und außerhalb des Fachpublikums nur wenig Leser erreichen wird, kann man nicht jedem empfehlen. Es behandelt die ganze Bandbreite alt-israelischer Weisheiten von den bekannten Texten der Bibel wie Prediger, Sprüche und Hiob über einzelne Passagen in den Prophetenbüchern bis zu Sirach, Weisheit und Baruch, die in den evangelischen Bibeln nicht enthalten sind. In die Gesamtschau werden als Referenz auch ägyptische Texte mit aufgenommen, die biblische Gedanken befruchtet haben. So entsteht ein sehr komplexes Bild der damaligen Weisheitsliteratur.
Dabei baute von Rad sein Buch nicht als Kommentar auf sondern sortierte das vorliegende Material thematisch. Dabei kommt es vor, dass Passagen die in der Bibel weit verstreut sind, sich in einem Kapitel zusammenfinden was einen ganz neuen Blick auf die Weisheitsliteratur bietet.
Wie zu erwarten war ist die Sprache etwas altbacken, schließlich ist das Buch vierzig Jahre alt, aber dennoch gut lesbar. Besonders gut hat mir gefallen, wie von Rad die komplexe Wechselbeziehung zwischen Glaube und Wissen herausgearbeitet hat, die uns in diesen Texten immer wieder begegnet. Einiges davon war mir bisher nicht so aufgefallen und das hat das Buch zu einer spannenden Lektüre gemacht. Dazu eine Leseprobe aus der „Fragestellung“:

Der Weg zum Verständnis dieser großen geistigen Bemühung Israels [um Weisheit], die sich (wie wir sagen würden) so merkwürdig auf Messers Schneide zwischen Wissen und Glauben bewegt, geht über die Betrachtung zahlloser Einzeltexte. Viele von ihnen laden durch ihren oft fremdartig-tiefsinnigen Gehalt, aber auch durch ihre künstlerische Form den Leser zu längerem Verweilen ein; andere erscheinen uns trivial, und wir vermögen das, was daran einmal wichtig war, nicht mehr zu sehen. Dies letztere aber sollte uns stutzig machen, denn wir könnten daran erkennen, dass wir die entscheidende geistige Leistung, die hinter diesen Erfahrungssätzen steht, nicht mehr recht verstehen.1

Genau so ergeht es mir oft mit den Sprüchen. Manchmal muss man tief graben um wieder ein Gespür für die Bedeutung einer bestimmten Sentenz zu bekommen; manchmal ist die Bedeutung leicht greifbar. Selbst in der deutschen Übersetzung merkt man aber noch die Kunstfertigkeit die hinter der Dichtung der Sprüche steht. Hier verbindet sich tiefe Einsicht über das Leben und Gott mit einer hoch entwickelten Dichtkunst.

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  1. Rad, Gerhard von (1985, c1970): Weisheit in Israel. 3. Aufl. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag. Seite 16 []

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