03. April 2011 20
Nachfolge 28
Die Auslegung zu Matthäus 7,13-23 hat mich natürlich sehr interessiert. Es ist die große Frage, wie jemand weissagen und Wunder tun kann und am Ende Jesus zu ihm sagt: „Ich habe Dich nie gekannt.“ Für Bonhoeffer ist das schon eine große Sache, dass hier die Scheidung quer durch die Schar der Gläubigen geht und dass die letzte Trennung zwischen den echten und den falschen Nachfolgern erst am jüngsten Tag geschieht. Pointiert heißt es auf Seite 187:
Das Herr-Herr-Sagen ist das Bekenntnis der Gemeinde. Es wird nicht jeder, der dieses Bekenntnis spricht, ins Himmelreich kommen. Mitten durch die bekennende Gemeinde hindurch wird die Scheidung gehen. Das Bekenntnis verleiht keinerlei Anrecht auf Jesus. Niemand kann sich einmal auf sein Bekenntnis berufen. Dass wir Glieder der Kirche des rechten Bekenntnisses sind, ist kein Anspruch vor Gott. Wir werden nicht auf Grund dieses Bekenntnisses selig werden. (Seite 187)
Wenn man solche Zeilen liest kann man sich gut vorstellen, dass Bonhoeffer zu Lebzeiten alles andere als unumstritten gewesen ist. In der historischen Distanz man so etwas abnicken, aber in der Situation wird es ein Donner gewesen sein. Dass das Bekenntnis allein nicht reicht, wird manchem Vertreter der billigen Gnade nicht geschmeckt haben. Schließlich ist das doch evangelisches Erbe, dass Heil allein durch Glauben und Bekenntnis kommt. Wenn das Bekenntnis allein nicht reicht, dann doch bestimmt das Tun?
Vielleicht, aber man kann die frömmsten Dinge tun und dennoch nicht aus Liebe und dem Heiligen Geist handeln. Da kommt die nächste, schwierigere Trennung. Jemand kann das richtige sagen und sogar das richtige tun, und dennoch kennt ihn Jesus nicht. Bonhoeffer erklärt das mit der Prädestination und ich war ehrlich überrascht, diesen Gedanken bei ihm zu finden. Es ist auch das erste Mal in der Nachfolge, dass ich ihm nicht folge und seine Auslegung nicht teile.
Das allein ist die Frage, ob wir von Jesus erkannt sind oder nicht. Woran sollen wir uns halten, wenn wir hören, wie Jesu Wort die Scheidung vollzieht zwischen Gemeinde und Welt und dann in der Gemeinde bis zum jüngsten Tag, wenn uns nichts mehr bleibt, nicht unser Bekenntnis, nicht unser Gehorsam? Dann bleibt nur noch sein Wort: ich habe Dich erkannt. (Seite 189. Die Fußnote sagt: „Ob wir von Jesus erkannt sind (Prädestination), daran scheidet sichs).
miriam schrieb am
3. April 2011 um 20:06bei diesen ganzen „Scheidungen“ zwischen echt und unecht gehts doch letztendlich immer um die Liebe, oder? Daran soll man seine Jünger erkennen, nicht an Wundern, geistigen Erkenntnissen, heiligen Gesetzen etc.
Aber diese Dinge dürfen „die Liebe“ durchaus flankieren, genau wie ein Bekenntnis oder eine Mitgliedschaft oder eine schöne geistige Erkenntnis 😉
Ob er das mit „erkennen“ meint? Wird doch auch zwischen Mann und Frau verwendet dieses Wort, wenn zwei zusammengehören/heiraten…
storch schrieb am
4. April 2011 um 11:13kann ich nicht sagen, ich habe jetzt ein paar bücher von bonhoeffer gelesen, aber so gut kenne ich ihn leider nicht.
Markus schrieb am
2. August 2011 um 15:16Hallo Storch! ich verfolge Deine Gedanken zur Nachfolge mit großem Interesse und es hilft mir sehr bei meiner eigenen Beschäftigung mit Bonhoeffer.
Ich finde, dass die hier von Dir behandelte STelle eine sehr spannende und wichtige ist, die tief in Bonhoeffers Theologie blicken lässt. Mich würde sehr interessieren warum Du mit seiner Interpretation nicht einverstanden bist (ich nehme an es liegt an der Prädestination?) und wie Du die Stelle stattdessen verstehen würdest?
Nebengedanke: Es ist zumindest interessant, dass B. Prädestination (sie wird im Text nicht explizit genannt) ganz stringent christologisch denkt.
Gruß
Markus
Markus schrieb am
2. August 2011 um 15:34@Miriam
Es ist sehr interessant, denn Bonhoeffer führt aus, dass Liebe für ihn „das Tun der Nachfolge bedeutet(…)dieses Tun dessen Täter eben zuletzt kein anderer ist als der Berufer, Jesus Christus selbst.“ (S.189)
Die so verstandene Liebe, genauso wie das Erkennen, das er auf I. Kor 13 zurückführt, stehen beide unter dem Vorzeichen des Geheimnisses (s. S. 189 unten). Meiner Meinung nach bindet Bonhoeffer das Kriterium der Scheidungen wieder an den Ruf Christi, den man als eine spezifische Prädestinationslehre Bonhoeffers auffassen kann.
Das Erkennen ist hier im Sinne von Paulus (I. Kor 13) „…dann werde ich erkennen, wie ich erkannt bin…“ gemeint. Ob es damit klarer wird? Ich finde die Stelle bei Paulus nicht minder geheimnisvoll.
Das entscheidende dieser Scheidungen ist, dass das letzte Urteil dem Menschen entzogen bleibt, der damit auf Hoffnung und Glauben, Vertrauen verwiesen ist und, da geht B. über Paulus hinaus, das Tun der Nachfolge.
Gruß
Markus
storch schrieb am
3. August 2011 um 10:05@ Markus:
erst einmal herzlich willkommen!
Die Prädestination liest B an dieser Stelle hinein. Im Text ist sie nicht erwähnt. Damit entfernt er sich natürlich schon mal vom exegetischen Boden.
Es ist eine Stelle die mich seit langem sehr interessiert. Sicher deswegen weil ich mich sehr für Zeichen und Wunder interessiere. Meiner Auffassung nach tut jemand im Namen Jesu Zeichen und Wunder im Heiligen Geist. Also ist er Christ, der Jesus mit dem verherrlicht was er tut. Dann tut er das auch noch mit Christi Geist und vermutlich aus Glauben. Das hebelt Bs Prädestinationssicht aus. Reformatorisch gedacht ist doch der Glaube das Kennzeichen der Erwählung.
Ich finde diese Auslegung eine der schwächsten in dem Buch. Sicherlich liegt das auch daran, dass B den Bereich des Übernatürlichen ganz vermeidet. Er geht also auch nicht auf die Kernaussage ein, dass da Menschen Wunder tun. Statt dessen redet er darüber dass jemand das Richtige sagt und tut (was bei ihm immer dogmatisch und ethisch zu verstehen ist, also als etwas das – anders als Wunder – der menschlichen Kapazität entspricht). Damit wird er der Tiefe dieser speziellen Stelle nicht gerecht.
Markus schrieb am
4. August 2011 um 02:28@Storch: Vielen Dank für Deine Antwort.
Da teile ich Dein Interesse völlig! Jedoch meine ich nicht, dass Bonhoeffer nicht über „Zeichen und Wunder“ in der Nachfolge spricht. Es ist sozusagen ein paradoxer (gut dialektisch, bei Barth gelernt) 😉 Kern der Nachfolge. Er nennt es nur anders, das ist das „Tun des Außerordentlichen“ bei ihm. Sicher würde er es nicht „Zeichen und Wunder“ nennen, wie Du. Jetzt verstehe ich leider nicht was genau Du darunter verstehst. Da ich Deinen Blog verfolge, habe ich mich das schon länger gefragt und es wäre interessant das vielleicht von dieser Seite her aufzurollen.
Du siehst, ich würde Dir genau widersprechen, wenn Du sagst: „Statt dessen redet er darüber, dass jemand das Richtige sagt und tut (was bei ihm immer dogmatisch und ethisch zu verstehen ist, also als etwas das – anders als Wunder – der menschlichen Kapazität entspricht)“. Es ist sehr interessant, dass ein Praktiker wie Du -das lese ich zumindest aus Deinem Blog heraus, also vorsichtige Unterstellung- Bonhoeffers Aufruf zum Tun (das ist die Nachfolge) „dogmatisch und ethisch“ verstehen will. Liege ich ganz falsch, wenn ich meine, Bonhoeffer wäre ganz und gar nicht einverstanden, wenn man die Nachfolge als ein Stück Dogmatik oder Ethik interpretierte?
So genug Bonhoeffer-Apologie…;
Da wäre noch das sehr spannende Thema der Prädestination. Ich meine, wie ich an Miriam schrieb, dass es eine eigene Bonhoeffersche Art der Prädestination hier ist. Sie steht nicht im Text -geschenkt, Calvin wurde um 150 n. Chr. zur Kanonbildung nicht berücksichtigt- aber B. entwickelt sie hier aus einer ganz eigenen theologischen Logik heraus. Sie steht auf biblischem Boden (er argumentiert mit I. Kor 13) und ist gut reformatorisch sprich Calvinisch. Du hast völlig recht, dass der Glaube Kennzeichen der Erwählung ist, sonst bräuchte man einen neuen Erlöser, der uns von der Prädestination erlöst. Aber das ist ein häufig begegnendes Missverständnis der Prädestinationslehre (als eigenes theologisches Konstrukt). Calvin betont es, aber leider wird’s immer beharrlich überlesen, dass sie keine Grundlage für die Heilslehre ist, sondern systematisch betrachtet zur Gotteslehre gehört. Es geht Clavin darum Gottes Souveränität zu behaupten d.h. seine völlige Freiheit gegenüber dem Menschen (keine Erwählung, kein Heil aufgeund irgendwelcher Qualitäten des Menschen) -mehr nicht-. Und genau dieses Motiv begegnet hier bei Bonhoeffer; (Hast Du in Deiner Ausgabe die Fußnote mit dem Verweis auf Barth: „daß der als Mensch Gott erwählende wiechen muss dem von Gott erwählten Menschen…“ da wirds klar.)
Ja man müsste das Thema weiter ausführen und auch die einseitige Behandlung der Prädestinationslehre berücksichtigen, die wenigsten, die sie verwerfen stellen sie neben die Lehre von der apokatastasis (ton panton), deren Kontext aber theologisch Notwendig wäre usw.;
Zurück zu Bonhoeffer: Hast du auch WuE gelesen. Ich finde es interessant zu sehen, dass sich hier Aussagen wie in WuE: „Nach zehn Jahren“ herauskristallisieren.
Ganz kurz noch ein Gedanke zur Matthäusauslegung, bitte nimm es mit nicht Übel, aber im Mt-Text geht es auch nicht um die „die Wunder tun“, gerade diese dienen Jesus als Beispiel für die, die sich darauf berufen und verworfen werden (!) (7, 22) wenn man gnaz eng am Text bleibt. Das ist jetzt keine Provokation; weil ich annehme, dass es Dir um die Wunder sehr wichtig ist. Aber vielleicht versteht man so das Skandalöse an der Aussage von Jesus und an B.s Bemühen um die Radikalität des Rufes in die Nachfolge, der allein von Christus ausgeht. Also ich finde es sehr krass: „…wenn uns nichts (!) mehr bleibt, nicht unser Bekenntnis, nicht unser Gehorsam“ (S. 190) darunter fallen auch die von Die aufgezählten Tätigkeiten. Dies führt zwangsläufig zum Gedanken der Prädestination.
Hier bahnt sich vielleicht etwas von der späteren „etsi deus non daretur“-Theologie an.
Wirst Du den Rest der Nachfolge (II.) noch auf Deinem Blog behandeln? Gruß Markus
storch schrieb am
8. August 2011 um 10:55Hallo Markus,
danke für Deine Gedanken. Das klingt nach dem Anfang einer interessanten Diskussion. WuE habe ich noch nicht gelesen, leider fehlt mir gerade auch die zeit für B, den ich mehr zur Muße lese die mir derzeit fehlt.
In der Prädestinationslehre, spez. bei Calvin, scheinst Du mehr drin zu sein als ich. Ich habe C noch nicht gelesen und weiß auch nicht, wann ich das mal nachhole. Ich habe mir mal was von ihm runtergeladen, aber das war es auch schon. Es ist auch nicht so, dass ich gar nicht an Erwählung glaube, mehr so, dass ich keine „persönliche Erwählung“ sehe wie sie im Kalvinismus gelehrt ist. Ich verstehe es so, dass die Menschheit (=alle Menschen) „verworfen“ sind, aber nicht durch göttliche Entscheidung sondern durch die Entscheidung Adams. Gott wollte es eigentlich anders und hat diesem Willen in den ersten Kapiteln der Bibel auch klaren Ausdruck verliehen. Danach hat Gott in Christus diese ganze gefallene Menschheit erwählt indem Jesus für alle gestorben ist. Diese Erwählung (die ich mehr als Erlösung bezeichnen würde) müssen Menschen annehmen. So ist die Verantwortung immer beim Menschen (der zuerst Gottes Plan durchkreuzt und sich selbst der Verwerfung ausgeliefert hat und jetzt die Erlösung annehmen oder ablehnen kann).
So wie ich Luther und die anderen Reformatoren verstehe geht es ihnen um eine persönliche Prädestination und da gehe ich nicht mit. In Bezug auf die ganze Menschheit würde ich Deinen Aussagen zustimmen – da bleibt letztlich nichts anderes als Gottes Ja zu uns.
Interessant finde ich, was Du zur Ethik schreibst. Ich habe die Nachfolge tatsächlich so verstanden, dass es praktisch um das Tun des Richtigen geht. Natürlich nicht nur weil B sehr viel begründet und an Christus bindet, aber letzten Endes, da wo es um praktisch Konsequenzen geht, sollen wir Christus nachfolgen indem wir das Richtige tun. Habe ich ihn da falsch verstanden? Ich würde das zumindest nicht ausschließen, denn obwohl ich einiges von ihm gelesen habe bin ich sicherlich kein Bonhoefferkenner.
Bei der Auslegung von Mth 7 bin ich ganz anderer Meinung. Hier geht es nicht darum verworfen zu werden. Das zeigt meiner Ansicht nach Vers 24. Jesus kennt sie nicht weil sie seine Worte gehört, diese aber nicht befolgt haben. Damit tragen sie selbst die Verantwortung dafür, dass sie nicht gekannt sind. Göttliche Verwerfung ist nur die Konsequenz ihres Handelns. Das für mich interessante Thema ist daher: „Wir können sie Wunder tun ohne Jesus gefolgt zu sein?“ Die Antwort wäre vielleicht, dass sie Riten ausgeführt haben ohne mit Jesus zu leben. Ab dort wären wir dann wieder beieinander: Religiöses Tun führt nicht zu Gottesgerechtigkeit. In dem Punkt bin ich ganz B’s Meinung und freue mich auch über seine Radikalität.
Dennoch bleibe ich auch einstweilen noch dabei, dass ich den übernatürlichen Punkt bei B nicht so deutlich herausgearbeitet finde. Selbst wenn er über das „Tun des Außerordentlichen“ spricht ist das sicher kein wichtiges Thema bei ihm oder sehe ich das falsch?
storch schrieb am
8. August 2011 um 10:57PS: Die Nachfolge-Reihe ist abgeschlossen. Hier ist eine Übersicht: http://www.pastor-storch.de/2011/05/01/dietrich-bonhoeffer/
Sicherlich hätte man viel mehr schreiben können und vielleicht vermisst Du das eine oder andere ganz zu Recht, aber ich habe auch immer nur über das geschrieben an dem ich gerade hängen geblieben bin.
Markus schrieb am
10. August 2011 um 14:33Hallo Storch,
nein ich finde es ganz gut was Du so schreibst und B. ist sicherlich mit viel Zeit verbunden und mit noch mehr selbständigem Denken und gegenseitigem Austausch. Schade nur, dass es keine Fortsetzung gibt und Du gerade keine Zeit mehr für B. zu haben scheinst. Man müsste schon für alles Weitere zu dem Thema tiefer einsteigen,wenn man Bonhoeffer gerecht werden will. Ich hätte jedenfalls sehr viel Lust dazu, wie schon gesagt…; Habe nur vorsichtig angefragt, weil ich nicht wusste wie sehr Du dich damit noch beschäftigst, da die Reihe auch schon einige Zeit her ist…;
Ich lese B. jedenfalls immer stärker von seiner späteren Phase her, die ich für theologisch sehr anregend für unsere heutige (sog. postmoderne) Zeit halte. Da ist WuE und auch die Ethik unverzichtbar. Die Rezeption die seit den 60er Jahren anhält hat ihn sehr stark ethisch bzw. politisch aufgefasst, bis hin ihn als vermeintliche Befreiung zum reinen Säkularismus oder als ersten Gott-ist-tot-Theologen aufzufassen. Ich denke theologisch ist B. damit noch längst nicht erschöpft und es gibt noch sehr viel zu entdecken z.B. das „Religionslose Christentum“.
Den Schlüssel zur Nachfolge sehe ich dem genannten autobiographischen Text „Nach zehn Jahren“ aus WuE. In dem Abschnitt „Wer hält stand?“ wird klar, dass die Nachfolge als eine ethische Programmschrift gelesen werden kann (insofern man im Rahmen der Ethik von Programmen sprechen kann). Ich habe gesehen, dass Du auch zur Ethik allgemein was gepostet hast: Bonhoeffers Ethik wäre praktische, handelnde Ethik, die nicht nach gut und böse in Theorie fragt (Kant, kat. Imp.), sondern nach dem konkreten Gebot Gottes an mich (Situationsethik). So gesehen hat er sehr viel darin verarbeitet: die idealistische ethische Tradition aber auch nietzsches Ethik- u. Religionskritik („Jenseits von Gut und Böse“), dann aber stärker in der Ethik. Das macht die Sache so ungeheuer spannend und aktuell. Das berührt auch die Frage nach dem Tun des Richtigen. Es ist so gesehen nicht das Richtige in der ewigen Abwägung entweder-oder, gut und böse. Es ist bei B. sozusagen ein „Richtiges“ das durch Nietzsches und Kierkegaards Kritik durchgegangen ist. Bonhoeffer würde mit Barth sagen: Es ist das Einzige (keine Wahl, kein Gedankenakt, sondern existenzielles „Gerufen-sein“, im Ruf stehen oder eben programmatisch: „Nachfolge“ – in der es eben nur den Ruf und den Gehorsam gibt). Ethik wird dadurch immer an die konkrete Situation gebunden, die die ethische Entscheidung verlangt. Eine Formalisierung im Sinne Kants als größtmögliche Abstraktion vom konkreten Handeln, ist so nicht bei B. möglich.
Zur Prädestinationslehre:
Ja ich hab mich mal zur Prädestinationslehre bei Calvin näher mit der Institutio beschäftigt. Man kann nicht genug betonen, wenn man es ganz klar machen will, dass die Prädestinationslehre erstmal nichts mit der Heilslehre zu tun hat (siehe andere Stellung in seiner Dogmatik als Appendix zur Gotteslehre, als Lehre von Gottes (ewigen!) Ratschlüssen und vor der Eschatologie). Historisch gesehen und da wird’s ganz deutlich, ist die Prädestinationslehre von Auflage zur Auflage der Institutio angewachsen und das hat damit zu tun, dass Calvin sich mit den Misserfolgen seiner/der Reformation auseinandersetzt: Warum wenden sich Menschen wieder von Christus ab, obwohl sie sich bekehrt haben warum sind sie immer noch böse, lästern das Evangelium? etc. In diesem Zusammenhang steht sicher auch die von Calvin bejahte Hinrichtung (Scheiterhaufen) von Servet (Warum wird ein Gottesfürchtiger zum Erzketzer?), das Phänomen der anderen Religionen, mit eigenem Heilsanspruch, war damals gar nicht im Bewusstsein. Sicherlich war das für damalige Menschen nicht anders Denkbar als mit Gottes Vorsehung (ein Begriff wie Schicksal fehlte damals… Auch für uns ein aktuelles Thema, wenn man nicht all zu flach alles mit „es gibt kein Zufall, Gott bewirkt alles auch das SChlechte“ abbügeln möchte, sondern es theologisch konsequent denken will).
Das beste Argument dafür, dass die Prädestination weniger was mit Heilslehre zu tun hat ist meiner Meinung nach:
Calvin schreibt zudem selbst, dass er aus der Erwählung zum Guten, die in und durch Christus geschieht (also bis hierhin genau so wie Du es denkst) rück(!)schließt auf einen ewigen(!) Willen Gottes vor(!) dieser Erwählung/Erlösung in Christus. Der kapitale -meiner Meinung nach- Fehlschluss ist dann: die Erwählung verlangt ihrem „Begriff nach“ (!) schon ihr Gegenteil (!). Fertig ist die Lehre von der doppelten Prädestination. [Aber: Rückschlussverfahren im Ewigen??? Oder: Was geschah vor der Erwählung? (das ist nichts anderes als die Frage nach dem, was Gott vor der Schöpfung gemacht hat, auf die Luther ja bekanntlich die tolle Antwort mit den Ruten hatte).](Nachzulesen übrigens in Institutio, Buch III, 23.1). Alles sehr sehr spekulativ wie Du siehst. Erkennbar ist das Bemühen unsere (menschlichen) Begriffe stimmig erscheinen zu lassen. Also logisch ist es, aber ist es auch wahr? Die fatale Folge ist ein subtiler Dualismus der zwei göttlichen Willen. Noch fataler die nochmalige Zuspitzung im Kalvinismus, wenn man eine Erkennbarkeit dieser zwei Willen (in der Prosperität) meint feststellen zu können [heutige Form: Wohlstandsevangelium].
Die Prädestinationslehre bei Calvin ist aus heutiger Sicht eher die Frage nach dem Bösen, Schicksal, anonymes Christentum oder dogmatisch in Bezug auf die Gotteslehre die Lehre von Gottes Souveränität, seine Absolute Freiheit ggü. dem Geschöpf und dass diese absolute Freiheit ihn auch über die Heilsfrage hinaushebt.
Wenn Du bis hierhin mitgehen kannst, dann gibt es soetwas wie eine „persönliche Prädestination“ gar nicht. Da hast Du völlig recht. Prädestination ist nämlich keine Aussage über den Menschen und sein Heil. „Ich glaube an die Prädestination“ ist keine mögliche Aussage im christlichen Glauben. (Wittgensteinisch: Ein unerlaubter Zug in diesem Sprachspiel) Prädestination ist immer nur Prädestinationslehre, also spekulativer Erkenntnisakt, keine existenzielle Aussage wie die Heilszusage bzw. Heilstat Jesu, die immer persönlich gilt. Prädestinationslehre glauben hieße ja einen Dualismus glauben, womit wir beim Manichäismus und seinen Spielarten wären.
Zu Luther müsste ich mich erst schlau machen.
Zurück zu Bonhoeffers Mt7 und seine Version der Prädestinationslehre, (die er ja nicht erwähnt) 🙂 :
Hier hat die Prädestination die Funktion -wie bei Calvin- Gottes Ehre zu schützen d.h. seine absolute Souveränität ggü. menschlichem Tun oder Bekennen: spricht das letzte Wort, der Mensch kann sich auf nichts (!) berufen. B. ist hier sehr radikal, wohl wegen des Zeitgeschehens (Deutsche Christen, die sich ja auf Wundertaten Gottes berufen: Gott als Schlachtenlenker,…, Hitler als Messiasfigur, etc.). Für ihn scheiden sowohl die aus, die korrekt bekennen, wie auch die die besondere Taten vorweisen können. Die Wunder der Deutschen Christen haben natürlich nichts mit Jesus zu tun, das sind pseudoreligiöse Inszenierungen der Macht.
Zentral wäre es jetzt zu klären, was wir unter dem Übernatürlichen bzw. Tun des Außerordentlichen verstehen?
Das Tun des Außerordentlichen ist natürlich der Kern bei Bonhoeffer (sieh mal S. 147ff.: „Das Christliche ist das ‚Sonderliche‘, das perisson(gr.), das Außerordentliche[!],…“), aber es sind eben nicht die Machttaten, die andere Mächte verherrlichen als Christus…
Vielleicht sollten wir bei den S. 147-149 ansetzen. Hier wird das Außerordentliche näher qualifiziert. Das müsste näher diskutiert werden. Aber ganz direkt auf Deine letzte Frage geantwortet: Wenn B. sagt „Wo dies (…) Außerordentliche nicht ist, da ist das Christliche nicht.“ (147) dann habe ich da so ein Gefühl,… 🙂
Gruß, Markus
storch schrieb am
11. August 2011 um 13:03Lieber Markus,
das ist sehr interessant was Du schreibst. Jetzt diskutiere ich schon seit Jahren mit Calvinisten und immer binden sie das Heil an die Prädestination und berufen sich dazu auf die Synode von Dordrecht. Da war Calvin selbst schon fünfzig Jahre tot, aber die Synode hatte zum Auftrag die Prädestinationslehre zu präzisieren und Fragen zu beantworten die sich daraus ergaben. Das berühmteste Ergebnis scheint die calvinistische Tulpenformel zu sein:
Total Depravity (also known as Total Inability and Original Sin)
Unconditional Election
Limited Atonement (also known as Particular Atonement)
Irresistible Grace
Perseverance of the Saints (also known as Once Saved Always Saved)
[aus: http://calvinistcorner.com/tulip%5D
Die Quelle nennt TULIP die „five points of calvinism“. Hier geht es auf jeden Fall um den Menschen und das Heil. Natürlich kann es sein, dass sich der Calvinismus weit von Calvin entfernt hat und die P aus der Gotteslehre in die Soteriologie verlegt hat. Jedenfalls kenne ich Kalvinismus heute nur so. (Übrigens: Das „K“ macht die doofe Rechtschreibkorrektur, die ich nicht abgestellt kriege….)
So wie Du es beschreibst, bin ich gar nicht so weit von Calvin entfernt. Auch den Grund seines theologischen Nachdenkens verstehe ich gut und frage mich selbst wieso Menschen mit Jesus anfangen und dann wieder aufhören zu glauben. Das macht mir C auf jeden Fall sympathischer.
Auch seinen Fehlschluss kann ich gut verstehen, aber es bleibt dennoch ein Fehlschluss und es erscheint mir total logisch, dass man sich für eine Alternative entscheidet und nur zum Heil bestimmt. Die Ablehnung des Heils kann gut anders begründet werden, eben mit dem freien Willen. Von daher kann göttliche und menschliche Wahl für mich erst einmal gut nebeneinander stehen.
In einem Punkt gehe ich auf jeden Fall mit: Ich denke, dass wir wenn wir einmal vor Gott stehen nicht sagen: „ich habe dies getan oder jenes geglaubt“, sondern dass dann alles Gnade ist. Vielleicht fasziniert mich mehr die Gnade als die Erwählung und wir kommen von unterschiedlichen Ausgangspunkten am selben Ziel an.
Zurück zu B:
Die Ethik habe ich gelesen, habe aber (noch) nichts darüber hier geschrieben. Das liegt erst einmal daran, dass mich das Buch nicht so gefesselt hat wie (der Anfang der) Nachfolge. Ich habe es aber auch so verstanden, dass B sehr praktisch ist. Natürlich begründet er Ethik teilweise theologisch und philosophisch, aber er bleibt nie abstrakt sondern ist voller konkreter Handlungsaufforderungen. Die sehe ich übrigens auch teilweise bei Kant, zwar ist dieser viel theoretischer, aber mich hat er dennoch zu richtigem Tun motiviert und gleichzeitig geholfen meine Motive zu hinterfragen (Grundlegung zur Meta…).
Ich habe das an B sehr geschätzt, dass er „first-order-ethics“ anbietet und begründet und nicht so sehr um einen Überbau bemüht ist. Besonders hat mich in der Ethik die theologische Ansicht angesprochen, dass Gott Freiheit gebietet und in dem Gebot Freiheit gewährt wird. Vermutlich war es das, was Du hier irgendwo gelesen hast. Ein sehr guter Gedanke!
Ich lese bei B zwischen den Zeilen immer wieder diese Betroffenheit über das tatsächliche Tun der Kirche, die zwar teilweise richtige Lehre hat, aber im gros dennoch einem falschen Führer hinterherläuft. Manchmal wirken seine Texte regelrecht gehetzt auf mich, wie von einem der mit fieberhafter Eile versucht, etwas aufzuhalten, „dem Rad in die Speichen zu fallen“. Das mag ich sehr.
Es wäre sicher interessant zu erfahren, was er noch gearbeitet hätte wenn er die Zeit gehabt hätte. Insgesamt blieb wohl vieles Fragment oder wurde mit der heißen Nadel gestrickt.
Zum perisson:
Ich habe die Seiten 147-149 noch mal gelesen und meine, dass ziemlich deutlich wird, dass auch das perisson ethisch zu vergehen ist: „Das perisson ist so die Erfüllung des Gesetzes, das Halten der Gebote“. (149) Vorher beschreibt er es mit dem Mehr an Gerechtigkeit dass der Gläubige gegenüber den Pharisäern hat.
Das sehe ich zwar auch so, aber nicht im Zusammenhang mit Math 7. Mir geht es beim „Außerordentlichen“ um Wunder im klassischen Sinne: Heilung, Wiederherstellung, Charismen etc. Gott als Schlachtenlenker würde mir dabei nicht einfallen, aber ich bin ohnehin nicht auf der Schiene, dass ich Gott besonders gut in der Geschichte wahrnehme.
Alles Gute,
Storch
Markus schrieb am
11. August 2011 um 16:17Hallo Storch,
Guter Hinweis auf die Synode von Dordrecht, vielen Dank. Ich kenne die Inhalte leider nicht, aber der Calvinismus ist sicherlich ein Thema für sich, wie übrigens auf der anderen Seite die Protestantische Orthodoxie sich weit von Luther wegbewegt.
Die Sache ist soweit für mich klar und danke für Deine Zustimmung. Was ich nicht nachvollziehen kann ist, warum man sich nicht damit begnügen kann, dass Heilsfrage (existenzielles Ereignis) und Präd. (formaler Denkakt/ Notbehelf/ Markierung einer Grenze der Vernunft) zwei getrennte Dinge sind und dass es ein Kategorienfehler ist Aussagen aus dem einen Bereich 1:1 in den anderen zu überehmen.
Auch die menschliche Wahl müssten wir Prüfen, wir sehen wie stark heute diese Begriffe für uns verschwimmen: Welcher Mensch entscheidet sich nicht für das Heil? Über die Wege zum Heil und Formen, die können abgelehnt werden, aber Heil an sich? – Das würde doch keiner ernsthaft Ablehnen. Ich weiß nicht was ich von dem Gedanken der Wahlfreiheit in Bezug auf das Heil denken soll? Das ist sicher nicht dasselbe wie zwischen schwarzen oder grünen Turnschuhen wählen oder Partei X oder Y. Wie würde die Ablehnung des Heils denn aussehen? Totale Passivität/ Gleichgültigkeit?
Die Bedeutung des Willens war für die Reformatoren von sehr zentraler Bedeutung, als Ort im Menschen in dem Erlösung/ Wiedergeburt/ Heilung wirklich werden. All das äußert sich in einem gewandelten Willen. Wäre es nebensächlich hätte Luther sicher nicht so leidenschaftlich gegen Erasmus seine ‚servo arbitrio‘ verteidigt. Aber wieder ein anderes ganz grosses Fass, das man an dieser Stelle aufmachen müsste. Jedenfalls verlagert man so die Frage nach P. auf die Ebene der Frage nach dem freien Willen, der Frege wie die (freie?) Wahl des Menschen und Wahl Gottes zu verstehen sind. Kann die Wahl des Menschen unabhängig von Gott stattfinden, quasi an einem neutralen Ort? …
Jetzt kann man sehr gut zu B. überleiten:
Der Freiheitsgedanke bei Bonhoeffer ist sehr faszinierend, da bin ich auch schon mehrmals hängen geblieben: Absolut paradox, so wie Du schreibst: in der Situation des konkreten Gebotes Gottes erfährt der Mensch allergrösste Freiheit, widersinnig, denn er hat nur das Eine zu tun. Absoluter Gegensatz zur landläufigen Freiheit als ‚totale Wahlfreiheit‘, die bei Bonhoeffer ja Ausdruck tiefster Schuldverstrickung ist und nicht Ausdruck der Befreiung in Christus. Der Mensch soll das „konkrete Gebot“ Gottes, das an den Menschen ergeht, tun und das ist erst christlich verstandene Freiheit. (Die Mandate-Lehre in der Ethik gehört hier dazu -Ausdrücklich keine Ordnungen!) Es ist für mich faszinierend zu sehen wie B. ganz konsequent Theologie wirklich neu durchbuchstabiert.
B. war zur Zeit der Ethikabfassung ja als Doppelagent tätig. Das brachte eine enorme Belastung seiner Identität mit sich. Ethik ist immer auch Ausdruck, dieser Auseinandersetzung um seine Identität. Hinzu kommt er war durch die Rolle die er in dieser fürchterlichen Zeit übernommen hat, praktisch theologisch komplett Isoliert. In der Nachfolge dokumentiert er seine Entscheidung zum Widerstand gg. den Zeitgeist, dem er innerlich wie äußerlich, theologisch wie (kirchen)politisch in „die Speichen griff“. Die „first-order-ethics“ (ich kenne den Ausdruck nicht, ich nehme an Du verstehst die Situationsethik darunter) ist genau diesem Umstand geschuldet, dass jede andere nämlich in jener Zeitsituation versagte. Auch und vor allem die kantischen Formeln. Einem Staat, einer ganzen Gesellschaft und Kultur, die einen totalen Anspruch auf den Menschen erhebt muss anders begegnet werden als mit Kants formalisierter Maximenprüfung (verweise hier auf „Nach zehn Jahren“). Was ist denn die Grundlage von ethischen Entscheidungen? Diese Frage beantwortet Kant nicht. Hier begegnet bei ihm das paradoxe „Faktum der Vernunft“ in dem die drei Theoriestücke ‚die Idee des schlechthin Guten‘, der kategorische Imperativ und das Prinzip der Autonomie vereint werden. Das alles ist das Bewußtsein des Sittengesetzes, aber nicht das Gesetz der Moralität/ das Sittengesetz „an sich“ (KpV, §7, V.31). Dem Letzteren kann er nur staunend gegenüberstehen und es als eine Wirklichkeit wahrnehmen, die wir schon immer anerkennen („das moralische Gesetz in mir“). Kurz das was B. hier zur Disposition steht, das ist für Kant noch ein harmonischer Kosmos, der nicht in Frage steht. -Jetzt muss ich doch mal B. aus WuE zitieren, sorry- Bonhoeffer entgegnet: „Offenkundig ist das Versagen der „Vernünftigen“, die in bester Absicht und naiver Verkennung der Wirklichkeit das aus den Fugen geratene Gebälk mit etwas Vernunft wieder zusammenbiegen zu können meinen. In ihrem mangelnden Sehvermögen wollen sie allen Seiten Recht widerfahren lassen und werden so durch die aufeinanderprallenden Gewalten zerrieben, ohne das Geringste ausgerichtet zu haben. Enttäuscht über die Unvernünftigkeit der Welt, sehen sie sich zur Unfruchtbarkeit verurteilt, treten sie resigniert zur Seite oder verfallen haltlos dem Stärkeren.“ (WuE,S. 10)
Versteh mich nicht falsch, ich schätze Kant sehr. Er sagt nämlich nicht was dieses „Tun des Richtigen“ wie Du selbst schreibst, inhaltlich(!) ist. [Sorry für die Ausrufezeichen, ich schreie an dieser Stelle nicht, sondern weiß nicht wie man fett oder italic stetzen kann] Hinterfragung der Motive, klar, geschenkt. An dem Punkt „des Richtigen“ arbeitet sich B. aber so verzweifelt ab mit Begriffen wie Ruf in die Nachfolge….; Und vielleicht ist es nicht in erster Linie die Kirche, die auch, aber es ist sein eigenes moralisches Fundament (mit Kant gesprochen seine moralische Urteilsfähigkeit, 3. Kritik) die hier in Frage gestellt werden. Das macht den existenziellen Ernst der Sache aus! [jetzt echtes Ausrufezeichen :)]
Zum perrison:
Ja Du hast völlig Recht, das Außerordentlich ist „Erfüllung des Gesetzes, Halten der Gebote.“ Angefügt werden muss der Rest des Absätzchens: „In Christus dem Gekreuzigten und seiner Gemeinde wird das „Außerordentliche“ Ereignis.“ Meiner Meinung nach ist hier mehr als Ethik angesprochen: Passion und Ereignis.werden des Außerordentlichen. Aber vielleicht meinst Du das alles schon mit. Denn das Ereignis und Passion des Außerordentlichen sind wirklich Wunder! B. beschreibt es als Mehr das der Gläubige gegenüber dem Pharisäer tut, aber er präzisiert das Mehr: „Das Sonderliche des Christlichen ist das Kreuz, das den Christen über-die-Welt-hinaussein läßt und ihm darin den Sieg über die Welt gibt. Die Passio in der Liebe des Gekreuzigten – das ist das „Außerordentliche“ an der christlichen Existenz.“ (148)
Auch alles Gute an Dich, Markus
storch schrieb am
17. August 2011 um 11:19Wahrscheinlich war ich an dem Punkt etwas unsauber. Ich hatte es immer so verstanden, dass Calvinismus gleich Calvin wäre und die Synode von Dordrecht das quasi alles in Calvins Interesse festgelegt hat. Das war natürlich etwas naiv und nachdem ich jetzt ein bisschen nachgelesen habe erweist es sich auch als schlicht falsch. Damit ergibt sich natürlich die absurde Situation dass Calvin möglicherweise die Synode von Dordrecht gar nicht gut gefunden hätte und möglicherweise der nach ihm benannten Bewegung gar nicht beigepflichtet hätte…
„first and second order ethics“ habe ich von Marianne Talbot aus ihren oxforder Vorlesungen „philosophy for beginners“ (gibt es bei iTunesU). first order ist das, was wir tun sollen, second order das nachdenken darüber warum man es tun soll. Philosophie setzt sich also mehr mit second order auseinander als mit der bloßen Tatanweisung.
Als ich im März Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten gelesen habe ist mir aufgefallen, wie sehr er eigentlich mit dem Empirischen gerungen hat. Auf der einen Seite der Versuch Moral außerhalb des Empirischen zu begründen, auf der anderen Seite das Kranken daran, dass man es auf einmal kaum mehr versprachlichen, geschweige denn Beispiele finden zu können. Damit finde ich bei Kant nur Theorie, aber es ist kaum in die Praxis umzusetzen. Ich glaube, dass er das auch so ähnlich schrieb, also dass niemand nach dem kategorischen Imperativ leben könne, aber ich habe das Zitat beim Durchblättern nicht gefunden, war wohl nicht angestrichen.
Damit endet Kant im Grunde da wo B anfängt. Kant führt mich in eine Sackgasse an deren Ende ich verstehe, dass ich nicht „gut“ handeln kann. Bonhoeffer beginnt mit der Erlösung und sattelt darauf das gute Handeln auf. Das finde ich gut. Mir ist klar, dass Kant es wohl nicht so gemeint hat, aber das bleibt bei mir hängen.
Deine Frage nach der Willensfreiheit ist sehr gut. Leider kann ich das nicht beantworten. Ich meine aber, dass der Schöpfungsbericht ein Schlaglicht darauf wirft. Wenn Menschen in einer vollkommenen Lebensumwelt davon überzeugt werden können zu sündigen (und damit metaphorisch das Heil zu verlieren), dann ist es immer möglich Menschen vom Besten abzuhalten was es gibt. Unser Wille ist korrumpierbar und irgendetwas stimmt vielleicht auch nicht mit unserer Wahrnehmungsfähigkeit. Vielleicht ist es aber auch so, dass der freie Wille nicht ganz frei ist, dass er von Wünschen „verunreinigt“ ist, die ihn in eine schlechte Richtung ziehen.
Noch mal zum perisson:
Da das Kreuz in der Gleichung enthalten ist haben wir zwei Faktoren: Das, was der Mensch tut und das, was Christus getan hat. B fordert uns doch auf, das Gute zu tun und legt dann das perisson obendrauf. Aber die Handlungsaufforderung an uns ist dennoch rein ethisch.
micha schrieb am
17. August 2011 um 13:20wieso können Adam und Eva sündigen? Willensfreiheit? Dann konnte Jesus auch sündigen und verloren gehen, und wir hätten keinen Erlöser gehabt!
storch schrieb am
18. August 2011 um 09:24klar konnte er. was hätte es sonst für einen sinn gehabt ihn zu versuchen?
micha schrieb am
18. August 2011 um 12:37Warum handelt der Teufel teuflisch!?
Wer hat den Sinn Jesus zu versuchen?
Der Teufel hat nicht einen Sinn! Der hat das Wesen nichts anderes zu können.Das ist der Sinn! Sogar Gott gegenüber.(Hiob)
Der Sinn, der Versuchung Jesu ist im Text zu suchen, nicht in der Möglich, dass Jesus sündigen kann oder nicht.
Hier wäre die Warumfrage schon eher sinnvoll. Warum handelt der Teufel teuflisch!
ich las mal: In der Welt der menschlihen Möglichkeiten ist der freie Wille illusorisch.
In der Illusionswelt gibt es keinen freien Willen.
Frei Wille hatte nur der neue Mensch. Prototyp ist Jesus. micha
Elisabeth Lantman schrieb am
18. August 2011 um 14:07So tue ich nun dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt
Jesus wurde versucht, weil der Satan der Beherrscher der Lüfte ist, und alles unter seiner Knute hat. Jesus war ein Mensch. Der neue Mensch, aber er begab sich in die Gesetzlichkeit aller Menschen (ess, trinken, schlafen, biologie des Menschseins.) Der Teufel kennt ihn als Gottes Sohn (Anrede).
Jesus Christus erleidet alle Gesetzmässigkeiten der Menschen, jedoch ohne Sünde. Hebräer 4,15 Hier steht nicht, ohne das er sündigte. Sondern eine Gesetzmässigkeit lag nicht in diesem Gottes Sohn. Sünde!
Er konnte nie von der Sünde versucht werden. Im Menschen, also uns, liegt die Sünde. In Vers 9, Röm 7 nun führt der Apostel aus, dass die Sünde schon von Natur aus in uns vorhanden ist und uns sündigen macht.Wir können der Sünde nie ausweichen, sie ist es in uns, die sündigt, so dass wir nicht tun, was wir wollen,(kein freier Wille) sondern tun, was wir nicht wollen (aber einen Willen haben wir, schön).Röm 7
„17 So tue ich nun dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt. 18 Denn ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes. Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht“
Aus dem Hebräerbrief können wir ersehen, wie Jesus in allem versucht wurde gleichwie auch wir, aber ohne Sünde.
geschw.elli
Friedrich schrieb am
18. August 2011 um 17:14Hallo Leser.
Das mit dem „Herr, Herr!“ sagen ist wirklich interessant. Besonders dann, wenn ich dazusehe, dass die einzige unvergebbare Sünde die wider den Heiligen Geist ist, in dem ja Heilung geschieht.
Dem Menschen sind von „Natur“ aus viele Dinge möglich. Vermittlung von Heilungen- etwa durch Suggestion, Trance, Ekstase oder angewandte Vernunft, die Fähigkeit, Überzeugungen weiterzugeben usf. Wenn nun das alles noch im Namen Jesus geschieht, dann scheint es für Jesus besonders unerträglich zu sein, wenn er in diesen Menschen nicht seinen Geist erkennt. An den Früchten sollen wir ja erkennen, was da am Werk war. Wenn die Folge all des Herr-Rufens und all der Dämonenaustreiberei und Heilerei nicht die Erfüllung mit dem Heiligen Geist, mit dem Geist des Vaters, mit dem Geist Christi ist, also Einswerden und Einssein, dann zielt es schrecklich an dem vorbei, was Christus beabsichtigt: Das Reich des Heiligen Geistes, das Reich der Himmel zu errichten. Es geht nicht um die, die „Herr“ riefen. Es geht um Jesus, es geht ums Ganze.
Elisabeth Lantman schrieb am
18. August 2011 um 21:03Halleluja!HalleluJesus!
Toll geschrieben, F.
Markus schrieb am
18. August 2011 um 23:34Hallo Allerseits!
Wir müssen das Thema Sünde, freier Wille, Adam und Eva, die zwei Naturen Jesu (wahrer Mensch und wahrer Gott) sowie unser Leben in der Sünde etwas ordnen; sonst befinden wir uns sprichw. in Teufels Küche. Rein historisch betrachtet kommen hier theologische Denkweisen oder Redeweisen des Glaubens (Symbole) aus der gesamten Geschichte Gottes mit den Menschen: Adam und Eva bis heutige Ansichten über den freien Willen.
DAs Thema der Freiheit wie es bei Kant vorkommt ist nur sehr schwer mit der Geschichte vom Sündenfall (Gen 3) zu vergleichen, auf keinen Fall 1:1.
Was bedeutet die Versuchung Jesu?
Welchen Begriff von Sünde legen wir dabei zugrunde?
Vielleicht als Anregung weiterzudenken:
Kierkegaard schrieb, dass Jesus schuldiggeworden ist und zwar in tragischer Weise („tragische Schuld“). Nämlich an jenen die wegen seiner „Entscheidung“ zu sterben schuldig geworden sind, sprich an denen, die die STrafe auszuführen hatten und ihn töten mussten. (Das Motiv begegnet in der Szene vor Pilatus. Pilatus, der seine Hände in Unschuld wäscht, aber letztlich der tragischen Verstrickung nicht entgehen kann. Oder in der Figur von Judas -mit der sich nebenbei gesagt, der von DIr Storch [zurecht]sehr geschätzte Walter Jens intesiv beschäftigt hat.) Hier wird es schwer Schuld mit dem freien Willen zusammen zu bringen.
Grüße an alle! Markus
Elisabeth Lantman schrieb am
19. August 2011 um 09:32empfehle: http://2.bp.blogspot.com/-RNniHvVcGuo/Te564mjhM-I/AAAAAAAAABU/2Au6NOp5EC8/s1600/26dez.JPG