30. Dezember 2010 2

Nachfolge 9

Ein Satz durchzieht das zweite Kapitel der „Nachfolge“: „Nur der Glaubende ist gehorsam, und nur der Gehorsame glaubt“ (Seite 52).

Für Bonhoeffer gehören beide Gliedsätze zusammen. Beide sprechen eine andere Situation an, zielen aber auf dasselbe Leben im Glauben. In der Praxis dürfte der zweite Teil wichtiger sein als der erste. Die meisten Gläubigen würden sagen, dass Glaube gehorsam ist. Das gerät ihnen leider oft zur billigen Entschuldigung: „Ich kann nicht gehorsam sein, weil Gott mir keinen Glauben gibt“. So wird Gott selbst die ultimative Entschuldigung für einen untreuen Gläubigen – das ist natürlich echte Häresie. Die Konsequenz mangelnden Gehorsams ist, dass die Klarheit der Bibel immer mehr verdunkelt wird – Verstockung setzt ein; man weiß nicht mehr, wer der Nächste ist und vermutet hinter jeder Bibelstelle eine alternative Auslegung die dem Offensichtlichen die Schärfe nimmt. (Seite 58). Bonhoeffer nennt dies die Flucht in den ethischen Konflikt: Man entschärft das Wort Christi indem man intellektuelle Rätsel konstruiert die einem die Möglichkeit nehmen, gemäß dem Wort zu handeln. Der Schriftgelehrte weiß sehr wohl, was Gott von ihm fordert, aber er verschanzt sich hinter der Frage, wer denn sein Nächster sei.

Glaube beginnt mit einem Gehorsamsschritt. Im Boot braucht Petrus keinen Glauben, erst auf den Wellen ist Glaube gefragt und kann Glaube überhaupt entstehen.

Sage nicht: Ich habe den Glauben dazu nicht. Du hast ihn so lange nicht als du im Ungehorsam bleibst, so lange du den ersten Schritt nicht tun willst. Sage nicht: Ich habe ja den Glauben, ich brauche den ersten Schritt nicht mehr zu tun. Du hast ihn nicht, solange und weil du den ersten Schritt nicht tun willst, sondern dich im Unglauben unter dem Schein des demütigen Glaubens verstockst. (Seite 56)

So spricht kein verstaubter Intellektueller, so spricht ein Prophet; jemand der den Mut hat einem Menschen gerade die göttliche Analyse seines Zustandes zu geben, die er nie und nimmer hören will. Gleichzeitig aber auch die Analyse die ihn allein aus seinem Stillstand und seiner Glaubensarmut heraus rettet.

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2 Kommentare

  1. Ich störe mich schon seit längerem an diesem Gehorsamsbegriff im Zusammenhang mit Gott, den ich vor allem aus einer amerikanisch geprägten Tradition („Obedience“) kenne. Das mag daran liegen, das dieser Begriff für mich persönlich sehr negativ konnotiert ist; vielleicht verstehen andere Menschen (oder Bonhoeffer zu anderen Zeiten) ihn schlicht anders, aber ich kann mich in den fast 25 Jahren, in denen ich mit Gott lebe, nicht daran erinnern, das er mal „Gehorsam“ von mir gefordert hat. Das einzige, das er von mir will, ist Vertrauen, und das auch nur in dem Maße, in dem er sich mir offenbart hat. Welcher Heiratsantrag wäre wohl erfolgreicher: „Ich liebe Dich und ich möchte, das Du mir gehorchst.“ oder „Ich liebe Dich, und ich möchte, das Du mir vertraust.“?

    „Nur der Glaubende vertraut, und nur der Vertrauende glaubt“ wäre zumindest meiner Erfahrung sehr viel näher. Und: „Glaube beginnt mit einem Vertrauensschritt.“ (da ist das Englische mit „Leap of faith“ wieder besser ausgestattet.) Und das ist (zumindest für mich) keine Wortklauberei, sondern ein fundamentaler Unterschied in der Begegnung mit Gott.

  2. Ich möchte da mal Bonhoeffer etwas verteidigen, was natürlich schwierig ist da ich nicht garantieren kann, dass ich ihn richtig verstehe. Aber ein paar Punkte würde ich zu dem Gehorsamsthema schon noch in die Waagschale werfen wollen:

    1) zu Bonhoeffers Zeiten war Gehorsam sicher ein größeres Thema als heute und bestimmt auch positiver belegt. Heute ist das ja schon ein Reizthema, das bei den meisten negativ belegt ist. Dabei ist es gar nicht so verkehrt, etwas einfach mal zu tun weil jemand, der es besser weiß, es sagt.

    2) mir persönlich ist Gehorsam in Bezug auf Gott wichtig. Gott als „Ehemann“ oder Vater ist ja nur eine Offenbarung Gottes. Er ist auch unser Herr und wir sind ihm als solchem zu Gehorsam verpflichtet. Ich muss gar nicht alles verstehen oder gut finden, was er mir sagt – manchmal muss ich es einfach nur tun. Das ist gut so.

    3) Ich würde Gehorsam und Glauben nicht trennen oder gar gegeneinander ausspielen. Wenn ich Gott vertraue ist es leicht, ihm gehorsam zu sein. Und umgekehrt: Gehorsam mehrt Vertrauen.

    Auf diesem Wege wünsche ich Dir auch noch ein gutes Jahr 2011!

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