14. Oktober 2009 0

2009-07-03 Der Leib

In der letzten Zeit hatte ich sehr viel über Sünde und Heiligkeit gepredigt. Themen, die wichtig, aber oft sehr unterrepräsentiert sind. Dabei habe ich den Römerbrief ganz neu entdeckt und durchgearbeitet. Dabei ist es dann passiert. Bibellesen ist wie ein Lexikon lesen: man entdeckt in jedem Artikel ein neues interessantes Wort oder einen Querverweis, den man eben nachschlagen will und am Ende hat man eine ganze Stunde gelesen und doch nicht die Information, die man eigentlich wollte… 🙂
Beim Lesen des Römerbriefes ist mir aufgefallen, wie wichtig die Gemeinde in der Theologie des Paulus ist. Das berühmteste theologische Konzept, das uns die Paulusbriefe hinterlassen haben, ist das der Gemeinde als „Leib Christi“. „Leib“ ist natürlich ein altes Wort, heute würde man wohl eher „Körper“ sagen, in wenigen Jahren heißt es dann „Body“, hehehe.
In jeder Kirche und Gemeinde spricht man vom Leib und auch Leute, die nicht mit Jesus leben, haben den Ausdruck schon gehört. Es gibt vielleicht ein paar Diskussionen darüber, ob mehr die Ortsgemeinde oder mehr die Summe aller Christen weltweit gemeint ist, aber im großen und ganzen kennt und benutzt jeder den Ausdruck.
Grund genug, dass wir uns mal über ein paar Aspekte der Gemeinde als Körper unterhalten!

Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt.
16 Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut.  (Epheser 4,15-16 nach der Einheitsübersetzung)

1    der Kopf kann nichts ohne den Körper
Im Bild des Körpers ist Jesus das Haupt. Wieder ein altes Wort, heute würde man „Kopf“ sagen und dasselbe meinen. Jesus ist also der Kopf und der Kopf sagt dem Körper, wo es langgeht. Was man dabei leicht übersieht, ist dass der Kopf gar nichts ist ohne den Körper. Wenn er keinen Körper hat, kann ein Kopf nichts machen.
Ich habe noch nie einen Kopf einkaufen, staubsaugen, Auto fahren oder alleine singen hören. Tatsächlich ist es so, dass es vollkommen egal ist, was der Kopf will; wenn der Körper nicht mitmacht, dann wird nichts von dem passieren. Man kann das selber an sich beobachten. Wenn der Körper krank ist, kann sich der Kopf vornehmen in den Gottesdienst zu gehen, aber es wird nicht klappen. Wenn sich der Kopf denkt, dass er gern fliegen würde, kann der Körper dennoch nicht fliegen, egal, wie sehr er mit den Armen flattert.

Mit Jesus ist es genau dasselbe. So sehr wir ihn brauchen, braucht er auch uns um sein Reich in dieser Welt zu bauen und damit sein Wille getan wird. Wenn wir als sein Leib nicht mitmachen, dann wird nichts passieren, denn Jesus hat nur uns als Arme, Beine und Zungen um zu gehen, zu helfen und zu reden.
Deswegen ist die alte Frage „warum tut Gott nichts“ falsch. Es wäre dasselbe wie zu sagen: „warum tut Dein Kopf nichts?“ Es ist nicht so, dass der Kopf nicht will, es liegt am Körper.
Wenn wir Matthäus 28 lesen, sollten wir uns die Stelle so vorstellen, dass der Kopf seinem Körper eine Anweisung gibt: „geh jetzt hin in alle Welt, predige das Evangelium und mach jeden zum Nachfolger Christi, der will.“ Erfreulicherweise wollte der Körper in der ersten Zeit des Christentums das tun, was der Kopf verlangte. Erst später kamen die Diskussionen darüber auf. Interessant ist, dass Jesus sagte, „mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“. Wenn sie ihm als dem Kopf gegeben ist, dann auch uns als dem Körper. Wenn der Kopf Autorität hat, dann auch der ganze Körper.
Der Wille des Kopfes ist klar. Es kommt nur noch darauf an, dass der Körper mitgeht und tut, was er soll.

2    der Körper kann nichts ohne den Kopf
Auf der anderen Seite ist es auch wahr, dass der Körper nichts ohne den Kopf ist. Ein Köper kann ohne Kopf nicht leben und schon gar nicht sinnvoll agieren. Genauso brauchen wir Jesus, der seiner Gemeinde sagt wo es langgeht und ihr eine Richtung gibt. In diesem geistlichen Sinne ist es noch etwas anders als im biologischen Bild. Das kann aber auch daran liegen, dass Paulus vermutlich weniger Plan von Bio hatte als jeder Mensch, der heutzutage in der Grundschule Naturkundeunterricht hatte. Vielleicht stellte man es sich damals anders vor, als man es heute weiß.
Jedenfalls wird der Leib der Gemeinde durch ihn, Christus, zusammengesetzt und zusammengehalten. Irgendwann beginnt jeder Vergleich zu hinken und wir reden ja nicht über Organe, Haut und Knochen sondern über Menschen, die im Körper der Gemeinde zusammengefasst sind. Erst durch Jesus erkennen wir überhaupt, wo unser Platz im Körper ist. Erst dadurch, dass jeder von uns in Beziehung mit Jesus lebt, bekommt der Leib Stabilität. Die gemeinsame Nachfolge macht die Gemeinde erst zu dem was sie ist.

Wenn die Kommunikation zwischen Körper und Kopf nicht stimmt, dann passieren die schlimmsten Dinge und der Körper leidet. In der Medizin gibt es das, zum Glück recht seltene, „alien hand syndrome“ (auf deutsch manchmal als „Geisterhand“ bezeichnet). AHS tritt bei Patienten auf, deren corpus callosum, also der Balken der unsere Gehirnhälften verbindet, durch Tumorbefall erkrankt ist. Es gibt aber auch andere Ursachen, wie in seltenen Fällen Schlaganfälle.
Die Krankheit äußert sich darin, dass eine Hand fremd wird. Das Gehirn kann Informationen dieser Hand nicht mehr verwerten, so dass man nicht mehr tasten kann, ob ein Gegenstand rund oder eckig ist, selbst wenn man ansonsten Kontrolle über die Hand hat. Es kann aber auch noch schlimmer kommen, dass man nämlich keine Kontrolle mehr über die Hand hat und die eine Hand gegen die andere arbeitet. Dann kommt es zu Fällen in der die linke Hand essen will und die rechte sie daran hindert. Oder noch schlimmer, dass man von der eigenen Hand gewürgt wird und sie nicht unter Kontrolle bekommt – spooky!
Die Krankheit hat nichts mit den Händen zu tun sondern ist eine reine Sache im Gehirn – die Kommunikation zwischen Kopf und Körper ist gestört und der Körper scheint sich unabhängig vom Kopf zu verhalten.

Ich habe extra diese exotische Krankheit als Beispiel ausgewählt, weil man beobachten kann, dass der Körper Christi unter AHS leidet, wenn die Kommunikation mit Jesus ausfällt. Auf einmal fangen wir an, uns gegenseitig zu schlagen und zu würden und auf jede erdenklich Weise zu behindern und in den Rücken zu fallen. Früher standen Christen mit Flugblättern vor dem Freakstock und warnten vor den Gefahren christlicher Rockmusik. Vor anderen Veranstaltungen steht immer noch der „Christen gegen Christen e.V.“ Manche Gemeinden sind über Kleinigkeiten komplett zerstritten und wären es bestimmt nicht, wenn jede Partei aufrichtig den Herrn suchen und sich bemühen würde, die Einheit des Körpers zu suchen. Letztlich ist vermutlich jeder Fall von Gemeindezucht ein Fall in dem die Kommunikation mit Jesus nicht funktioniert hat.
Würden wir alle in ständigem Kontakt mit ihm leben und seine Vergebung und Sicht annehmen, würden unsere Gemeinden anders aussehen. Auf der anderen Seite kann es aber auch positiv sein: der Körper wird aufgebaut wo wir Jesus suchen. Wer sich um ein jesusmäßiges Leben bemüht, wird dem anderen nichts Böses tun sondern den Auftrag Jesu im Blick haben. Dadurch werden wir ineinander investieren und alles tun was wir können um unsere Geschwister weiter zu bringen.

3    der Körper kann mehr, wenn er trainiert wird
Vor diesem Hintergrund wollen wir uns einmal die ersten Verse von Römer 15 ansehen:

Wir müssen als die Starken die Schwäche derer tragen, die schwach sind, und dürfen nicht für uns selbst leben.
2 Jeder von uns soll Rücksicht auf den Nächsten nehmen, um Gutes zu tun und (die Gemeinde) aufzubauen.
(Römer 15,1-2 nach der Einheitsübersetzung)

Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was Paulus lehrte und dem, wie wir Christsein heute verstehen. Für Paulus war die Gemeinde das Wichtigste. Heute sehen wir das mehr individualistisch. Das ist auch gar nicht falsch und wir sollten nicht die persönliche Gottesbeziehung und das persönliche Weiterkommen vernachlässigen, sondern es ergänzen.
Jeder von uns sollte einen Beitrag dazu leisten, dass andere weiterkommen. Dass wir einander keine Knüppel zwischen die Beine werfen und uns gegenseitig behindern, ist das Mindeste. Es geht aber noch weiter: wir sollen nicht nur für uns selbst leben, sondern so leben, dass wir andere voran bringen. So wächst im Endeffekt die ganze Gemeinde.
Niemand von uns ist Einzelkämpfer; im Gegenteil: wir leben  in Beziehungen und fördern uns gegenseitig. Der heutige Individualismus ist eine recht neue Erscheinung. Früher dachte man mehr in Kategorien wie „das Volk“, „die Partei“, „das Regiment“ oder eben „die Gemeinde“. Das hat nicht nur positive Konsequenzen gehabt und zum Teil zucken wir vollkommen zurecht zusammen, wenn wir so was hören. Es ist aber auch nicht ganz falsch, sich selbst als verantwortlichen Teil von etwas Größerem zu sehen.
Wir wollen alle, dass in uns investiert wird, übersehen dabei aber oft das Potential, das wir haben um anderen zu dienen. Ein Körper kann mehr, wenn er trainiert ist. Er wird weiter laufen und schwerer heben können, wenn er im Training ist. Im geistlichen Bereich trainieren wir den Körper Jesu indem wir auf einander achten und uns gegenseitig helfen.
Gemeinde ist ein stückweit Sozialutopie: ein Körper von Menschen, die einander nicht belügen, hintergehen und sonst wie schädigen, sondern einander dienen und fördern. Es kann oft viel effektiver sein, anderen an dem teilhaben zu lassen, was Du schon hast, als selber nach mehr zu streben.
Deswegen schließe ich diese Predigt mit einem Appell: wenn Du etwas von Jesus verstanden hast oder in einem Bereich weiter bist als andere, lass jemanden daran teilhaben und hilf ihm, das zu bekommen, was Du hast!

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