1. Die Bibel
Um die Bibel zu studieren, ist es wichtig eine zu haben. Sie ist das grundsätzlichste Instrument der Auslegung, ohne sie geht nichts. Eine Frage, die immer wieder gestellt wird, lautet: „Welche Bibelübersetzung ist die beste?“ Um es vorwegzunehmen: ich weiß es nicht. Es gibt sehr viele Bibelübersetzungen in deutscher Sprache, und alle haben ihre Vor- und Nachteile.
Aber einer Tatsache sollte man sich, gleich welche Bibelübersetzung man benutzt, immer bewusst sein: mit der Übersetzung zusammen kauft man immer auch Interpretation. Jede Bibelübersetzung ist zugleich auch Kommentar. Das ist schade, aber nicht zu ändern. Ein kurzer Überblick über den Entstehungsprozess einer Bibelübersetzung soll das verdeutlichen. (1)

Ebenso wie die Originale der 10 Gebote Mose abhanden gekommen sind(2) , haben wir auch keine Originalschriften der Bibel mehr. Alles, was wir haben, ist eine sehr große, mehrere tausend (ca 20.000) Einzelexemplare umfassende Sammlung von Textfragmenten.
Diese Fragmente unterscheiden sich bezüglich Zustand, Alter und Inhalt zum Teil beträchtlich. Keine zwei sind identisch. Teilweise liegen sie auch schon als Übersetzung vor. So ist z.B. eine der wichtigsten Quellen für den Text des Alten Testamentes die griechische Septuaginta-Übersetzung (LXX) (3).
Die erste Schwierigkeit ist es nun, aus dieser Fülle an Material den „Grundtext“ herauszufiltern. Da die Textkritik eine Wissenschaft ist, die wie jede andere auch mit festen Regeln und Kontrollen arbeitet, ist es bei den allermeisten Fragmenten und Bibelstellen kein Problem, die Authentizität festzustellen. Aber es bleiben immer Reste von Unsicherheit übrig. Manchmal ist es bei zwei verschiedenen Lesarten (unterschiedliche Texte) nicht möglich, wissenschaftlich zu entscheiden, welches richtig ist und welches nicht; dann wird nach nicht-wissenschaftlichen und nicht selten theologischen Kriterien ausgewählt. Also ist bereits das, was wir als hebräischen und griechischen Grundtext kennen, in kleinen Mengen Interpretation.
Dass die Interpretation mit dem Grundtext beginnt zeigt schon die Tatsache, dass es verschiedene Grundtexte gibt. Der für uns maßgebliche für das Neue Testament ist Nestle-Aland (aktuell in der 27.Auflage, abgekürzt als NA27). Daneben gibt es den textus receptus, den 1516 Erasmus von Rotterdam herausgegeben hat. Als im 18. und 19. Jahrhundert immer mehr Grundtextfragmente gefunden wurden, war der Text bald überholt und wurde von den genaueren, textkritisch besser bearbeiteten Ausgaben von Tischendorff und Westcott/Hort ersetzt.
Bis heute gibt es konservative Kreise, die NA27 ablehnen weil der Text von Nichtchristen bearbeitet wird und am textus receptus festhalten. Die englische King-Kames-Version und die deutsche Schlachter sind die einzigen bekannten und verbreiteten Bibeln die aus dem textus receptus übersetzen. Die Neue Welt Übersetzung der Zeugen Jehovas verwendet als einzige moderne Übersetzung noch Westcott/Hort.
Manchmal erklären sich die Unterschiede zwischen den verschiedenen Übersetzungen daher, das unterschiedliche Grundtexte verwendet wurden.

Noch schwieriger ist es, vom Grundtext zur deutschen Übersetzung zu gelangen. Hier gibt es vieles zu beachten. Es ist schwierig in einer anderen Sprache Worte zu finden, die denen der Grundsprache exakt, auch in Nebenbedeutungen entsprechen. Das Griechische hat z.B. fünf verschiedene Worte, die wir alle mit „Liebe“ übersetzen würden. Um klar zu machen, welche Liebe jeweils gemeint ist muss man im Deutschen jeweils ein Adjektiv hinzusetzen.
Die Schwierigkeit zeigt sich schon, wenn man versucht, einen englischen Liedtext so zu übersetzen, dass sowohl der Inhalt als auch die Form erhalten bleiben. Wie viele Übersetzungen englischer Lobpreislieder zeigen ist das fast unmöglich. Wenn man dann noch bedenkt, dass Englisch und Deutsch sich viel ähnlicher sind als Deutsch und Hebräisch, kann man sich in etwa die Schwierigkeiten vorstellen, vor denen ein Übersetzer steht.

Hebräer 11,1 nach der Übersetzung…

… Hoffnung für Alle:
Was aber heißt: Glaube? Der Glaube ist die feste Gewissheit, dass sich erfüllt, was Gott hat; er ist die tiefe Überzeugung, dass die unsichtbare Welt Gottes Wirklichkeit ist, auch wenn wir sie noch nicht sehen können.

… Mühlheimer NT:
Der Glaube ist nämlich eine Verwirklichung dessen, was man hofft, und eine zweifellose Gewissheit über Tatsachen, die man noch nicht sieht.

… Die Neue Welt Übersetzung:
Der Glaube ist die gesicherte Erwartung erhoffter Dinge, die offenkundige Darstellung von Wirklichkeiten, obwohl man sie nicht sieht.

…VOLXBIBEL:
Wie geht das jetzt überhaupt, zu glauben? Glauben bedeutet, dass man auf etwas hofft und ganz fest darauf vertraut, dass es auch passiert, und dass man Sachen einfach weiß, obwohl man sie nicht beweisen kann.

… Die Geschriebene:
Es ist aber das Treun ein Untenstehn betreffs des Erwartetseienden, ein Überführtwerden betreffs der Nichterblicketseienden Tatsachen.

Ich glaube nicht, dass man von einer Übersetzung sagen kann, dass es die beste wäre. Jede Übersetzung hat ihre Vor- und Nachteile, und Kommentar sind sie eben alle. Ein gutes Kriterium bei der Auswahl einer Bibel ist es, ob man sich damit wohl fühlt. Gefällt es einem, in dieser Übersetzung zu lesen, oder hat man permanent das Gefühl, über- oder unterfordert zu sein?
Ein weiteres Kriterium kann der Anhangs- und Quellenapparat sein. Manche Übersetzungen haben sehr praktische Anhänge mit Worterklärungen, kleinen Konkordanzen usw.

Tipp
In jedem Fall ist es immer gut, mehrere Übersetzungen zu haben und bei kritischen Versen in mehreren Bibel nachlesen zu können, was andere an dieser Stelle übersetzen.
So gut es beim Lesen ist, eine Bibel zu verwenden, in der es einfach Spaß macht, zu lesen und in der man es sich im Laufe der Zeit durch Anstreichungen und Randbemerkungen gemütlich gemacht hat, so wichtig ist es für das Studium, mehrere Übersetzungen nebeneinander legen zu können.

Um Bibelübersetzungen besser beurteilen zu können empfehle ich von Rudolf Kassühlke das Buch: eine Bibel, verschiedene Übersetzungen. (weitere Angaben dazu in der Bibliographie am Ende)

Bergsteigen mit der Bibel
Ein weiteres Kriterium für die Auswahl einer Bibel ist Griffigkeit. Bibellesen ist wie Bergsteigen, man braucht eine raue Oberfläche, um weiterzukommen. Zeitgemäße Übersetzungen bemühen sich, Unebenheiten aus dem Text auszubügeln und schaffen so einen sehr glatten Text, der keine Fragen mehr aufwirft.
Da ist es manchmal besser, eine schwierigere Übersetzung zu wählen, die mehr Packende bietet. Da Fragen tiefer in das Verständnis führen, ist es gut, wenn sie aufgeworfen werden.

Beispiel: Hebräer 11,1
Die Hoffnung für Alle bügelt den Text so glatt, dass man sicher ist, alles verstanden zu haben:
Was aber heißt: Glaube? Der Glaube ist die feste Gewissheit, dass sich erfüllt, was Gott hat; er ist die tiefe Überzeugung, dass die unsichtbare Welt Gottes Wirklichkeit ist, auch wenn wir sie noch nicht sehen können.
Demgegenüber lädt die Elberfelder hier zum Nachdenken über den Text ein:
Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, ein Überführtsein von Dingen, die man nicht sieht.
____________
Anmerkungen:
(1) Fee und Stuart vertiefen diese Überlegungen. Die Seiten 29-46 sind in diesem Zusammenhang absolut lesenswert.
Ein weiteres interessantes Buch zum Thema ist Kassühlke, Robert: Eine Bibel – viele Übersetzungen
(2) Die ursprünglichen Zehn Gebote, die ihm von Gott übergeben wurden, zerstörte Mose aus Wut über den Götzendienst der Israeliten: Mose aber wandte sich und stieg vom Berg hinab und hatte die zwei Tafeln des Zeugnisses in seiner Hand; die waren auf beiden Seiten beschrieben. Und die Tafeln waren Gottes Werk, und die Schrift war Gottes Schrift, darein gegraben.
Als nun Josua das Geschrei des Volkes hörte, das jauchzte, sprach er zu Mose: Es ist ein Kriegsgeschrei im Lager! Er aber antwortete: Man singt da weder von Sieg noch Niederlage, sondern ich höre einen Wechselgesang!
Als er aber nahe zum Lager kam und das Kalb und den Reigen sah, entbrannte Moses Zorn, so daß er die Tafeln wegwarf und sie unten am Berg zerschmetterte. (2.Mose 32,15-19)
Die Folge war, dass Mose die Gebote später eigenhändig wieder aufschreiben musste: 2.Mose 34
(3) Zur Entwicklung, Überlieferung und Glaubwürdigkeit der Bibel empfehle ich Josh McDowell:
Die Bibel im Test

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2 Kommentare

  1. ja – „die Bibel im Test“ von J.McDowell ist ein Hammer!
    Mit fast schon „kriminaltechnischer Genauigkeit“ werden Fakten und Indizien ausgewertet und führen zu erstaunlichen Ergebnissen. Sehr viel Holz aber absolut lesenswert…

  2. Was ich immer gern benutze, wenn ich verschiedene Übersetzungen nebeneinander lesen will, ist bibleserver.com wo bis zu acht deutsche und zahlreiche anderssprachige Übersetzungen miteinander verglichen werden können, und das mit einem Mausklick statt mit acht dicken Büchern auf dem Schreibtisch 😉

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