1 Ich will damit sagen: Solange der Erbe unmündig ist, unterscheidet er sich in keiner Hinsicht von einem Sklaven, obwohl er Herr ist über alles;
2 er steht unter Vormundschaft, und sein Erbe wird verwaltet bis zu der Zeit, die sein Vater festgesetzt hat.
3 So waren auch wir, solange wir unmündig waren, Sklaven der Elementarmächte dieser Welt.
4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt,
5 damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen. (Galater 4,1-5 nach der Einheitsübersetzung)

Es klingt wie ein Widerspruch, dass wir etwas besitzen können und es dennoch nicht haben. Dennoch ist es so. Wir haben schon gelesen (Galater 3,15-18), dass wir durch den Glauben Erben der Verheissung sind, die Gott Abraham gegeben hat. Wir können ungeheure Reichtümer in Jesus haben und dennoch ein unsagbar armes Leben führen. Dieser Gedanke erscheint auf den ersten Blick unlogisch oder zumindest seltsam. Aber genau darum geht es in den ersten Versen des vierten Kapitels. Ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe hat mir geholfen dieses Rätsel zu lösen:

Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es um es zu besitzen.

Man muss sich ein Erbe zunutzen machen, sonst hat man nichts davon. Oder mit Paulus gesagt:

Ich will damit sagen: Solange der Erbe unmündig ist, unterscheidet er sich in keiner Hinsicht von einem Sklaven, obwohl er Herr ist über alles. (Galater 4,1)

Es gibt eine Phase im Leben des Erben in der ihm zwar alles gehört, aber er über nichts verfügt. Er muss erst mündig werden bevor er über die Schätze verfügen kann, die ihm gehören. Im Geistlichen ist es auch so, dass wir erst mündig werden müssen bevor wir unser Erbe antreten können.

Im fünften Buch Mose und in Josua steht etwas darüber, wie wir mündig werden. Es sind wichtige Bücher, die man unbedingt mal wieder lesen sollte. Der fünfte Mose ist im Wesentlichen die Abschiedsrede des Mose. Er legte dem Volk Gottes Gesetze vor und bereitet sie auf das größte Ereignis ihrer Geschichte vor: den Einzug in das verheißene Land Gottes. Das letzte Kapitel beginnt mit einigen ergreifenden Versen:

Mose stieg aus den Steppen von Moab hinauf auf den Nebo, den Gipfel des Pisga gegenüber Jericho, und der Herr zeigte ihm das ganze Land. Er zeigte ihm Gilead bis nach Dan hin,
ganz Naftali, das Gebiet von Efraim und Manasse, ganz Juda bis zum Mittelmeer, den Negeb und die Jordangegend, den Talgraben von Jericho, der Palmenstadt, bis Zoar.
Der Herr sagte zu ihm: Das ist das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob versprochen habe mit dem Schwur: Deinen Nachkommen werde ich es geben. Ich habe es dich mit deinen Augen schauen lassen. Hinüberziehen wirst du nicht.
Danach starb Mose, der Knecht des Herrn, dort in Moab, wie es der Herr bestimmt hatte. (5.Mose 34,1-5 nach der Einheitsübersetzung)

Ich stelle mir gerne Mose vor, wie er auf dem Gipfel des Berges stand und das ganze gelobte Land sich unter ihm ausbreitete. Tausende von Kilometern, bis an den Horizont – das ganze Land, das Gott vor so vielen hundert Jahren Abraham versprach. Das Land, dem die Israeliten entgegenfieberten seit die Prophezeiungen gegeben worden waren. Dieses Land gehörte den Israeliten, Gott hatte es ihnen zugeteilt. Wenn Gott Dir etwas gibt, dann gehört es Dir, keine höhere Gerichtsbarkeit kann es Dir wieder wegnehmen, es ist Deins!

Das selbe Gefühl mussten die Menschen gehabt haben, die unter dem Gesetz lebten: Gott hatte ihnen viel versprochen, aber sie hatten es noch nicht. Etwas stand noch aus und die Prophetien hatten sich noch nicht erfüllt. Das, was ausstand, war Jesus. Er war der Erbe in dem sie alles haben würden. Noch hatten sie nichts von all den Versprechungen Gottes.
Bevor Jesus kam, waren die Menschen nur Kinder dieser Welt, sie lebten so wie Menschen eben leben und waren in den Werten und Herangehensweisen der Welt gefangen. Erst seit Jesus ist es möglich, in der Welt zu leben ohne ein Teil von ihr zu sein. Das war das grösste Verdienst Jesu, dass er Menschen freigekauft hat von den Zwängen der Sünde und der Welt.

Hier möchte ich mal die reine Auslegungsebene verlassen und sagen, dass diese Gedanken für uns auch eine sehr praktische Dimension haben. Wir müssen uns Gottes Verheissungen erkämpfen. Auch nachdem wir schon Christen geworden sind, gibt es noch Dinge, die uns gehören, aber die wir nicht automatisch erleben. Wieder kann uns Mose zeigen, wie das gehen kann.

Der Nachteil an dem Land, das Mose vor sich sah war, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch von großen Leuten bewohnt war, die Städte hatten und dem Projekt der Landnahme kritisch gegenüberstanden. Es dauerte noch Jahrzehnte und kostete einiges an Opfern um das gelobte Land dann auch tatsächlich in Besitz zu nehmen. Das ganze Buch Josua handelt von nichts anderem als der Eroberung des gelobten Landes.
Nicht alles Israeliten haben es geschafft. Als prominentestes Beispiel blieb Mose selbst im Lande Moab und hat das gelobte Land nicht betreten.
So ist es mit jedem Teil unseres Erbes, den wir in Besitz nehmen: es ist teuer, erfordert Kampf und Schweiß. Aber unterm Strich lohnt es sich, wenn man erst einmal drin ist.

Wer sich aufmacht, das gelobte Land einer göttlichen Verheißung einzunehmen muss mit Mühen rechnen. Diese Mühen können in den verschiedensten Bereichen auftreten und werden immer dasselbe Ziel haben: uns davon abzuhalten in das gelobte Land zu gehen. Ein Leben im Sieg ist immer auch ein Leben im Kampf. Nur wer kämpft, erringt Siege – logisch. Deswegen sprach Paulus von einem guten Kampf des Glaubens (1.Timotheus 6,12), den es zu kämpfen gilt

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8 Kommentare

  1. Hi Storch, mir kam zu diesen Überlegungen Röm 5,17 in den Sinn, obwohl es da weder um Erben noch um Kämpfen geht…
    …um wieviel mehr werden die, welche die Fülle der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, herrschen im Leben durch den Einen, Jesus Christus.

    Ich glaube, dass im Gegensatz zum weltliche mindset bei Gott Mündigkeit mit Empfangen ( = „Abhängigkeit“) zu tun hat und der Kampf für uns meist darin besteht, dass wir für dieses Empfangen seiner Gnade und seiner Gerechtigkeit uns selbst und unsere eigenen vermeintlichen ( manchmal auch vermeintlichen geistlichen) Qualifikationen verleugnen müssen.

  2. extrem krass genialer Artikel – Schtorsch!
    (..und endl. mal einer, der nix mit Lakland zu tun hat… hihihi ;-D )

    @ Katja – genau! Diese „Riesen“, die das Land bevölkern und „dem Projekt der Landnahme kritisch gegenüber stehen“ (gröööl), sind näml. gar nicht ausserhalb von uns und von daher auch nur in uns selbst zu besiegen…

  3. hey, alle zwei tage erscheint ein beitrag, der nichts mit lakeland zu tun hat!!! ist schon richtig, im moment ist das ein grosses thema, aber ich habe auch unbedingt das gefühl, dass ich meinen senf dazu geben muss.

  4. oh – ich hatte schon befürchtet, dass die Ironie dieser Aussage nicht ganz durchschlägt 😉
    mich beschäftigt das alles doch genauso und hocke selber andauernd wieder vor der Glotze!

  5. ICH hatte DEINE ironie schon verstanden 😉

  6. ..uuuh – höchte Zeit für ein emoticon *Ironie* :-))

  7. unser Pastor hatte einmal zu diesem Thema ein sehr anschauliches Bild. Ein Kind erbt einen Ferarri. Der Ferrari wird immer sein Besitz sein. Das Kind kann sich auch reinsetzen und so tun als ob es fährt. Den Ferrari wird es aber erst richtig nutzen können, wenn es 18 ist und Führerschein gemacht hat. Selbst wenn das Kind sich entscheidet, nie seinen Führerschein zu machen, wird der Ferarri ihm weiterhin gehören.
    Wir kennen manchmal gar nicht den ganzen Fuhrpark, den Gott für uns bereitstellt. Dabei macht es sicher Spass. Das ein oder andere Fahrzeug in Besitz zu nehmen.

  8. „Mitversetzt in die himml. Regionen, von dort wir Christus erwarten/Eph 2:6 und hat uns mitauferweckt und mitversetzt in die himmlischen Regionen in Christus Jesus,
    Das sagt dann jemand: „“durch den Glauben haben wir Zugang.““ Und weil der Satz richtig ist, bemerkt kaum einer, dass dieser Satz aber den vorherigen Bibelvers mit seinen Inhalten negiert!
    Andere Negation: „“… Gott wünscht, dass unsere Augen nach oben gerichtet sind, dort wo unser Erlöser … „“
    Auch das steht da nicht! Obwohl Gott dies sicher auch wünscht. Aber es heißt:
    Eph 2:6 und hat uns mitauferweckt und mitversetzt in die himmlischen Regionen in Christus Jesus,
    ————
    Manch einer versucht neue Lehren zu schaffen mit den Erklärungen der Schrift. Und das ergibt natürlich eine Auffoderung etwas zu tun! Sich mehr von Gott zu holen. Jemand sagte: „Wir müssen uns Gottes Verheissungen erkämpfen.“ Andere wieder wollen gerne einen Reifeprozess darin sehen.
    Dabei bleibt Paulus immer bei dem selben Thema: Seid, wozu Christus kam.

    Gal 4,1 „Ich sage aber: Solange der Erbe unmündig ist, unterscheidet er sich in nichts von einem Sklaven, obwohl er Herr über alles ist;
    2 sondern er ist unter Vormündern und Verwaltern bis zu der vom Vater festgesetzten Frist.
    3 So waren auch wir, als wir Unmündige waren, unter die Elemente der Welt versklavt; “

    ich habe früher auch immer gedacht, dass das Wort Ùnmündig`bedeutet, das man als Christ noch wachsen muss, „18“ werden muss. Aber das passt nicht zum Zusammenhang.
    Paulus´ sein beispiel verknüpft Unmündig mit „In der welt lebend, für Gottes Reich tod!!!

    4 als aber die Fülle der Zeit kam, sandte Gott seinen Sohn, geboren1 von einer Frau, geboren unter dem Gesetz,
    5 damit er die loskaufte, die unter dem Gesetz waren, damit wir die Sohnschaft empfingen.

    Wow. „Die Sohnschaft empfingen“.
    Wie war denn der Sohn? Jesus Christus. Frei! Frei war ER!
    Wir sollen wie ER sein. Ist zwar ungewohnt, der gedanke. Aber dennoch.

    WANN IST MAN ERBE? Wenn man Sohn ist! Nicht wenn man gewachsen ist!
    6 Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, der da ruft: Abba2, Vater!
    7 Also bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe durch Gott

    Wessen Kind sind wir? Der freien oder der versclavten?
    22 Denn es steht geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Magd und einen von der Freien;
    23 aber der von der Magd war nach dem Fleisch geboren, der von der Freien jedoch durch die Verheißung.

    Nein! Hier ist keine neue Lehre mit ´Wachsen`, oder älter werden. Geboren oder nicht. Das ist die Frage!

    19 Meine Kinder, um die ich abermals Geburtswehen erleide, bis Christus in euch Gestalt gewonnen hat.

    11 Ich fürchte um euch, ob ich nicht etwa vergeblich an5 euch gearbeitet habe.
    Dieser Satz spricht nicht unsere theologisches Wissen an, dass wir denken sollen, und dann ist es richtig. Nein!

    Paulus fürchtet um Nichtgeburten.

3 Pingbacks

  1. […] denn Gott lebt ewig. Paulus führt hier einen Gedanken zu Ende, den er im letzten Abschnitt (Galater 4,1-5) begonnen hat. Erbe ist etwas, das Söhne und Töchter bekommen wenn sie reif genug sind, […]

  2. […] für uns erkauft hat. Dennoch ist es möglich, nichts von dem zu haben, was uns eigentlich zusteht (Galater 4,1-5). Das gilt auch für den Charakter, es ist möglich, von Sünde befreit zu sein und neues Leben in […]

  3. […] es so klingt, als müsste Gott erst sterben, bevor wir etwas von ihm bekommen. Paulus erklärt in Galater 4,1-3, was er mit diesem Begriff meint. Das Erbe war geknüpft an Reife, nicht an den Tod. Solange der […]

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