25. Juni 2007 3

Piaget für Prediger 4

In der Vermittlung des Reiches Gottes kommt bei Jesus noch ein weiterer wichtiger Aspekt dazu. Jesus lehrte auf eine Weise, die das Gelehrte erfahrbar machte. Man kann sagen, dass in seiner Lehre der Lernprozess nicht abgeschlossen war bevor die Menschen die Erfahrung dessen gemacht hatten was er predigte.

So gab es in seinen Predigten immer „Gottes Reich zum anfassen“. Heute würden viele eine Predigt über Gottes Güte und Gnade eher abstrakt aufbauen: man redet über Gottes Charakter und die unterschiedlichen Offenbarungen beider Testamente. Man definiert vorkommende Begriffe wie „Gnade“ und „Güte“ und muss während der gesamten Predigt die abstrakte Ebene nicht ein einziges Mal verlassen. Für viele Prediger ist das sehr angenehm, denn sie müssen kein Beispiel finden und auch nicht mit ihrem Leben hinter dem stehen, was sie predigen. Bei Jesus war das anders.

Nach seinen Gottesdiensten konnte man sagen: „Denn ihr habt erfahren, wie gütig der Herr ist.“ (1.Petrus 2,3). Gottes Güte war für jeden der anwesend war individuell erfahrbar. Für den Lahmen hiess es, nachher wieder gehen zu können, der Traurige wurde getröstet, Hoffnungslose aufgerichtet. Gottes Güte richtete sich an den ganzen Menschen und veränderte jeden, der anwesend war.

Gottes Reich in einer Ebene des konkret fassbaren zu predigen bedeutet genau dies: es für den Menschen erfahrbar zu gestalten. Der biblische Verstehensprozess ist nicht im gleichen Moment abgeschlossen wie die kognitiven Prozesse sondern erst, wenn das Gehörte erfahren wird. Ich glaube, dass das nicht zuletzt mit damit zu tun hat dass Gottes Reich über-intellektuell ist – man kann es er-greifen aber nicht be-greifen.

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3 Kommentare

  1. Zu letzterem kann ich Dir nur voll und ganz zustimmen, aber gerade deswegen glaube ich, dass Jesus doch etwas mehr gemacht hat, als die Dinge ‚einfach nur‘ von einer abstrakten Ebene herunterzuholen und anschaulich zu machen. Denn es waren ja viele Gleichnisse und Bilder nicht nur anschaulich, sondern zugleich auch höchst mysteriös und irgendwie geheimnissvoll und undurchschaubar.
    Vielleicht kann man das auch ganz gut mit Piaget verdeutlichen, auch wenn das abstrakt ist. Im Zentrum seiner Lern- bzw. Entwicklungstheorie standen ja die beiden Prinzipien Akkommodation und Assimilation. Das letztere bedeutet, dass ich meine kognitiven Strukturen (vereinfacht bildlich: die Schubladen in meinem Kopf) an die Strukturen meiner Umwelt anpasse. Dann lerne ich um, es findet eine Umstrukturierung statt. Bei ersterem lasse ich mich jedoch nicht irritieren und passe meine Sicht von der (Um-)Welt an selbige an. Mit anderen Worten: Alles bleibt beim alten und ich bleibe bei meinen Schubladen/ Kategorien/ kognitiven Strukturen. Ich lerne nicht um.
    Um ein stück weit zu ergreifen, was das Reich Gottes ist, müssen wir glaube ich umlernen und genau das hat Jesus mit seinen anschaulichen und gleichzeitig unBEgreiflichen Gleichnissen herauszufordern versucht.
    Hierzu kann ich auch folgendes Buch (frei als mp3) sehr empfehlen: http://conradgempf.christian.net/ja/podcast-page.htm

  2. vielen dank für den tipp. von conrad habe ich noch nie was gehört.

  3. Ja, gerne doch, das Buch ist wirklich gut und zu sehr empfehlen. Kann man sich auch gut anhören. Zu der angesprochenen Frage kommt Gempf im ersten Kapitel. Also der dritte und vierte Part zum downloaden.

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