14. August 2006 7

The New Phrenology

„Professor William R. Uttal von der Arizona State University, ein anderer Kritiker der bildgebenden Verfahren zur Darstellung des Gehirns, hält die Suche nach höheren kognitiven Prozessen für eine Art Taschenspielertrick. Wenn es um Gehirnfunktionen gehe, so Uttal, „lässt sich alles finden, was man benennen kann“. Damit meint er, dass wenig dazu gehört, eine gegebene geistige Fähigkeit irgendwo im Gehirn zu lokalisieren. Er nennt dies (und sein Buch) The New Phrenology.Das geht so: zuerst benenne man eine geistige Fähigkeit, irgendeine beliebige Fähigkeit – die Frömmigkeit zum Beispiel ist augenblicklich sehr beliebt (in Spurzheims phrenologischem System hiess sie „Ehrerbietung“). Nun lasse man sich ein Experiment einfallen, in dem diese geistige Fähigkeit bei seinen Testpersonen aktiviere. Man lasse sie also beten oder meditieren. Dann scanne man ihre Gehirne mit einer Methode seiner Wahl – etwa einem PET-Scan. Es wird immer einen Aktivitätsgipfel geben. (Das folgt aus dem Extremwertsatz der Infenitesimalrechnung. – Anmerkung Storch: dazu gibt es keinen Wikipediaeintrag!!! Kann da bitte mal eine/r der Mathematiker Abhilfe schaffen?!) Bei entsprechender Bedienung des Geräts und geeigneter Wahl der Farben wird ein Teil des Gehrins immer heller leuchten als alle anderen. Damit ist die Frömmigkeit lokalisiert. Man sorge nur dafür dass die Stichprobe klein genug ist, auf, sagen wir, zehn bis zwölf Versuchspersonen beschränkt bleibt, und die Chancen stehen sehr gut, dass man mit ein bischen Manipulation der Einstelhebel eine hinreichende Übereinstimmung der lokalisierten Zonen erhält, um mit einem Konfidenzniveau von fünfundneunzig Prozent behaupten zu können, es gebe ein „Gott-Areal“ im Gehirn, ein phrenologisches Frömmigkeitsmodul.
Befunde dieser Art, stets begleitet von opulenten Fotografien verschwenderisch gewundener und buntfarbiger Hemisphären, machen sich ausgezeichnet in Hochglanzmagazinen. (Burrell, A.a.O. 320f)“

Ein solches Hochglanzmagazin ist z.B. der Spiegel. Nicht, dass ich dieses Revolverblatt allzu oft lesen würde, aber schon die Schlagzeilen auf dem Titel suggerieren nicht selten, dass nun endlich das Frömmigkeitsareal oder das Gott-Gen gefunden wurde. Da kann ich nur grinsen. Burrell geht zum Ende seines Buches zunehmend scharf mit der Presse ins Gericht. Wo die Wissenschaft sich vorsichtig und zurückhaltend äussert behauptet die Presse Fakten die es so nicht gibt. Tatsache ist, dass wir weit davon entfernt sind Glauben mit physiologischen Ursachen in Verbidung bringen zu können.
Das wollte ich nur mal gesagt haben, weil das Thema ja immer wieder durch Medien und Köpfe geistert und schon mehr als einen unruhig gemacht hat. Glaube ist nicht auf Physiologie zurückzuführen sondern auf eine Gottesbegegnung!

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6 Kommentare

  1. der extremwertsatz bedeutet folgendes: wenn (1) eine funktion in in einem (2) abgeschlossenen „bereich“ (3) stetig ist, hat sie dort (4) ein absolutes maximum.

    william uttal meint also wohl folgendes:

    (1) gehirnaktivität ist eine funktion. d.h. für jeden punkt im gehirn kann man sie messen und ihr einen wert zuordnen. (und man kann bestimmten werten bestimmte farben zuordnen, wenn man die funktion auf hochglanzpapier darstellen will.)

    (2) das gehirn ist ein abgeschlossener bereich.

    (3) stetigkeit bedeutet, dass eine funktion keine „sprünge“ macht. es gibt also einen „fließenden“ übergang zwischen unterschiedlichen gehirnaktivitätswerten. (das ergibt sich aus z.b. diesem bild, weil zwischen rotem und grünem bereicht immer ein gelber übergangsbereich liegt, und zwischen blauem und grünem immer ein hellblauer. die funktion springt also nicht, sondern geht über.)

    (4) deshalb hat die funktion gehirnaktivität irgendwo im kopf einen aktivitätsgipfel. (der bei besagter zuordnung farblich hervorsticht.)

  2. Selbst wenn beim Gebet irgendein Gehirn-Areal verstärkt aktiviert ist, heißt das nicht, dass hier die Ursache des Gebetes liegt, sondern nur, dass hier etwas aktiv ist. Wenn man ein paar Stromkabel testet, wird man auch erkennen können, wo am meisten fließt. Aber dadurch hat man noch gar nichts über den Inhalt, den Zweck oder den Sinn des Stromflusses gesagt.
    Ein PET-Scan kann vielleicht zeigen, dass im Gehirn etwas passiert, aber er kann nie und nimmer erfassen, dass diese Gehirnströme bedeuten, dass der Mensch sich zu Gott ausstreckt und dass Gott das Gebet erhört.

    Jeder Wissenschaftler, der behauptet, Gott widerlegt oder lokalisiert zu haben, verlässt den Boden der Wissenschaft und trifft ideologische Aussagen.

  3. „Man sagt, daß Liebe niemals vergeht
    und daß sie mehr ist, als elektrische Impulse im Hirn.
    Es ist nicht immer leicht, daß einfach zu glauben,
    aber auch nicht ganz so schwer, wie das zu verifizieren.

    Ich bin froh, daß ich kein Wissenschaftler bin
    und die Welt so sehen darf, wie sie ist.“

    [Selbstzitat] 🙂

  4. Danke für das klare Statement.

  5. Ich finde die bildgebenden Verfahren besser, als Schnitte im Hirn oder Sonden.
    Gegenüber manchen … Stellen, nach denen in den Nieren gedacht wird, oder der Vorstellung vom Herz als Sitz des Denkens oder der Gefühle, die heute noch Menschen beeinflusst, stellt doch die Annahme, dass mit dem Hirn gedacht wird, einen echten Erkenntnis-Fortschritt dar.

    Leute, die neue Forschungs-Projektmittel beantragen, müssen in gewissen Ländern, in denen die Leute zu Superlativen neigen, dazu ziemlich aufdrehen. Ein hierin kulturell ungebildeter deutscher Journalist, der das wörtlich nimmt, ist dann das arme Opfer, was solche Szenarien unverstanden wiederkäut.

    Viele Grüße
    Harald

  6. hallo harald,

    willkommen hier. wenn man so ins diskutieren kommt, dann gerät man schnell vom hundertsten ins tausendste. hier kommen wir auch gerade zu einem interessanten thema, das ich gar nicht anschneiden wollte: methoden der neuroforschung.
    ich bin da auch dankbar für moderne scanmethoden, besser als die königlichen schädelbohrer vergangener jahrhunderte! was ich nur sagen wollte ist, dass wir dazu neigen alles mögliche an „wissenschaft“ heranzuziehen um schuld zu delegieren. dabei sind die wissenschaftlichen ergebnisse die man dazu benutzt oft falsch verstanden. am ende kommt dann popluaristisch immer das gleiche heraus: „ich bin halt so, da kann man nichts machen.“ alles eine frage von schicksal, göttern, genen und gehirnen. das finde ich daneben! egal, was uns prägt, wir können unser leben gestalten und sind für das, was wir sind verantwortlich.

    da kommt noch ein post zu. ist schon geschrieben, aber noch nicht veröffentlicht.

Ein Pingback

  1. […] vater, vergib ihnen; denn sie sind bewusstlos … oder wie storch so schön formulierte: ‘glaube ist nicht auf physiologie zurückzuführen sondern auf eine gottesbegegnung!’ […]

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