01. August 2006 4

Leidys Dinner

Brian Burrells Buch ist ein wahres Füllhorn amüsanter wissenschaftlicher Anekdoten. So heisst es auf den Seiten 199/200 über den bedeutenden amerikanischen Anatomen Joseph Leidy: Ein Freund von Pepper schrieb einmal sarkastisch: „servier Leidy niemals etwas zum Dinner, was er sezieren kann“ Bei einem Dinner hatte er Leidy neun Schildkröten vorgesetzt. Statt sie zu essen, hatte Leidy sie nach allen Regeln der Kunst seziert und dabei drei bis dahin unbekannte Darmparasiten entdeckt und benannt.

So etwas kann passieren, wenn man mit etwas anders umgeht, als erwartet wird, es sozusagen unsachgemäss behandelt. Mich hat die Geschichte an die leidige Beziehung der Christen zur Philosophie erinnert. Ich werde heute Abend über eine Stelle in Nietzsches Zararthustra predigen und dachte daran, dass es in weiten Teilen der Christenheit nur eine Sache gibt, die man mit Nietzsche wirklich tun darf: ihn meiden. Wenn man besonders linientreu und gebildet ist darf man ihn noch verreissen. Manche Entdeckungen macht man erst, wenn man die Dinge anders behandelt als es allgemein üblich ist: wenn man Schildkröten nicht isst sondern seziert und Bücher liest statt sie zu verbrennen.
Es gibt viel Wissen und einige Erkenntnisse, die vor den Augen der Welt gut versteckt zwischen zwei Buchdeckeln ihrer Entdeckung harren.

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4 Kommentare

  1. Finde ich seehr geil was du da schreibst.
    Erinnert mich an etwas worüber ich in letzter Zeit öfter nachdenke:
    Ob wir Freaks vielleicht nicht nur für die Kaputten und Randgruppen berufen sind, sondern auch um mal ein kritisches Auge auf den Rest der Christenheit zu werfen.
    Nicht weil wir auf nem hohen Ross sitzen, sondern einfach weil Jesus Freaks zumeist nicht total fromm sozialisiert sind, sodass sich z.b. eine wirklich ansehnliche eigenständige „Welt-nahe“ Freaks-Kultur entwickelt hat…
    Und aus dieser Distanz heraus (obwohl wir zugleich doch teil der Einheit des Leibes sind) wärs doch nicht falsch mal kritische Stellungnahmen loswerden.
    Nicht um zu Revolutionieren, sondern einfach zu bewegen.
    Die Aussicht auf Erfolg tut da jetzt mal nichts zur Sache 😉

    Und sone Predigt kann da n Stück dazu beitragen.
    Weg mit dem Staub von tausend Jahren.

  2. ich würde das „in weiten Teilen der Christenheit“ noch einschränken auf „in weiten Teilen der evangelikalen Christenheit“.
    Auf katholischer Seite hat sich z.B. Eugen Biser viel mit Nietzsche beschäftigt. Hier z.B.:
    http://www.wbg-darmstadt.de/WBGShop/php/Proxy.php?purl=/wbg/products/catalogs/8/890/show,89001650,.html#89001650

  3. geht ja nicht um nietzsche sondern um die generelle haltung der philosophie und säkularen denkbemühungen gegenüber. da sehe ich im christentum noch etwas entwicklungsbedarf – von ruhmreichen ausnahmen abgesehen.

  4. stimmt. aber was nich is, kann ja noch werden…:-)
    umdenken ist gefragt. dein blog gefällt mir in dieser hinsicht sehr gut.

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