21. September 2005 12

erkenntnis – eine definition

ich will versuchen einen altbekannten philosophischen fehler zu vermeiden. manche drücken sich mit der beschreibung eines phänomens um seine exakte definition herum. was erkenntnis macht und wie sich auswirkt ist anhand der bibel und eingener spiritueller erfahrungen ziemlich leicht zu beschreiben. es erfordert natürlich immer noch etwas mühe, ist aber im grossen und ganzen viel einfacher als zu sagen, was erkenntnis genau ist.

ich komme mittlerweile zu folgender begriffsdefinition:
„erkenntnis ist ein plötzliches begreifen der offenbarung gottes, welches das leben des erkennenden verändert.“

soweit die theorie, nun der kommentar.
erkenntnis hat immer etwas plötztliches an sich. man kann sich durch gebet und meditation auf sie vorbereiten und so den erkenntnisprozess bis zu einem gewissen grad auch steuern. aber man kann nachher immer einen zeitpunkt ausmachen, ab wann man etwas kapiert hat. vielleicht kann man diesen zeitpunkt auch nur theoretisch ausmachen, weil man sich in der praxis nicht genau entsinnen kann und auch nicht exakt wahrgenommen hat, wann der prozess, der zur erkenntnis führte abgeschlossen ist. aber theoretisch könnte man. es gibt in allen geistlichen prozessen einen punkt an dem man „es hat“. ob man diesen selbst bestimmen kann ist irrelevant.
da es dennoch prozesse gibt, die auf erkenntnis zulaufen kann man sich erkenntnis wie lava vorstellen, die sich auf ein ziel zuwälzt und irgendwann da ist.

begreifen meint klar werden. dieses klarwerden ist nicht unbedingt nur eine reine verstandessache, obwohl der verstand immer daran beteiligt ist. manchmal geschieht ekenntnis aber auf eine weise, die wir nicht in worte fassen können. es kann sein, dass auf einmal nur eine „klarheit“ da ist, die mehr gefühlt als verstanden wird. manchmal ist es ein inneres bild. fast immer verbindet sich mit einer erkenntnis eine emotion. wir „verbinden etwas“ damit. die sprache ist voll von solchen metaphern, die im grunde nur sagen, dass etwas uns auf mehr als einer ebene anspricht.
gerade diesen teil kann man sehr schwer beschreiben weil es für verschiedene menschen unterschiedlich ist, wie sich erkenntnis vollzieht.

erkenntnis ist im sinne der metatheologie eine erkenntnis der offenbarung gottes. im rahmen der philosophischen epistemologie ist das natürlich eine nichtzulässige definition, aber es geht hier ja auch um theologie, nicht um philosophie. dabei ist es wichtig festzuhalten, dass die offenbarung immer schon da war, sie wird vorgefunden. alle erkenntnis gottes spielt sich auf dem fundament der bibel ab und die liegt schon seit jahrhunderten in dieser form vor. erkenntnis ist die menschliche annahme der dinge, die gott schon lange offenbart hat.
damit geht erkenntnis in unserem sinne auch immer von gott aus. es gibt phänomene, die sich genauso beschreiben lassen wie „unsere“ erkenntnis, aber diese werden sich in dem einen punkt unterscheiden, dass sie nicht ihren ursprung in gott haben.

schliesslich hat erkenntnis ein ziel und wenn dieses nicht erreicht wird, spreche ich nicht von erkenntnis. erkenntnis vollzieht sich da wo sie angenommen wird und eine veränderung im leben eines menschen mit sich bringt. solange das wort „leer zurückkehrt“ und nicht „ausgerichtet hat wozu es gesandt wurde“ (vgl. jesaja 55,11) ist die erkenntnis nicht abgeschlossen. dann wurde nur eine einsicht vermittelt.
an diesem punkt greift der freie wille: man kann verstehen ohne dass es einen einfluss auf das leben hat – einfach indem man ablehnt, sich gemäss des verstandenen zu verhalten. das ist es, was erkenntnis letztlich scharf vom wissen abgrenzt. wissen kann ohne konsequenzen bleiben. erkenntnis nicht.

wie stark sich das leben des erkennenden verändert hängt von vielen faktoren ab. man darf sich erkenntnis da nicht immer als eine vollverändernde sache vorstellen. die maximale veränderung geschieht bei der umkehr zu jesus. danach gibt es noch viele einschneidende veränderungen, aber auch einige, die so klein sind, dass sie kaum einer ausser dem erkennenden mitbekommt.

wann genau sich „wissen“ und „verstehen“, „angesprochensein“ und „berührung“ von erkenntnis trennen ist schwer zu definieren. aber spätestens in der konsequenz, wenn es darum geht ob ein leben jesusmässig verändert wurde oder nicht, kann man sagen ob erkenntnis stattgefunden hat oder ob ein mensch „totes“ wissen hat.
und: dadurch dass immer irgendwo eine beteiligung des verstandes dabei ist, kann man erkenntnistheoretische methoden auf den erkenntnisprozess anwenden.

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12 Kommentare

  1. schlüssige sache das…wann kommt das buch raus ;-)?

  2. klappt doch mit dem posten 😉

  3. Gute Gedanken…hier ein paar ergänzende: Denke dass das entscheidende in Punkto Erkenntnis unsere Haltung zur Erkenntnis (und gleichzeitig zu Gott) ist. Siehe dazu 1. Kor. 8,2 „Wenn sich jemand dünken läßt, er wisse etwas, der weiß noch nicht, wie man erkennen soll.“ Halte das für einen ganz wesentlichen Vers, der nur allzu schnell überlesen wird. Ich meine: Das ist wirklich radikal. Wirklich davon auszugehen nicht zu wissen und nicht bloß – weil es gerade en vogue ist – dies bloß zu s a g e n…Ich würde behaupten wir Christen meine doch zu wissen und dann steht da in der Bibel wer meint zu wissen der hat von Erkenntnis noch gar nichts begriffen…ich meine: das muss doch für jeden ein Schlag ins Gesicht sein…und wer den nicht verspürt…nun…
    Und der wirkliche Oberhammer finde ich den nächsten Vers: „Wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt.“ Ich meine das ist ja fast schon eine geniale Persilflage auf unsere gesamte neuzeitliche Tradition und besonders auf den Konstruktivismus…Im Sinne von: Ich (als Subjekt) bin derjenige der fest steht, der sicher ist, der, von dem die Erkenntnis ausgeht. Ob die Welt so ist ich sie sehe und erlebe kann ich nicht überprüfen, weil mir dafür die Kriterien fehlen. Daher ist davon auszugehen, dass die Welt so ist wie sie ist, weil ICH sie so sehe/konstruiere. Ich schaffe Wirklichkeit. Und so lebt jeder in seiner eigenen Wirklichkeit (wobei es keine Sicherheit darüber gibt, dass die anderen überhaupt wirklich existieren…ein Abrutschen in den Solipsismus ist jederzeit möglich). In dem Vers gilt quasi der umgekehrte Konstruktivismus. Was sicher, real und wirklich ist, ist Gott. Und wir SIND nur, wir EXISTIEREN nur, weil GOTT uns erkannt hat. Zunge zergehen lassen…

  4. ..du (storch) meinst sicherlich „Erkenntnis im theologischen Sinn“.

    oder?
    („erkenntnis“ an sich is ja ein ziemlich allgemeiner und profaner begriff..)

  5. Sehr geil das. Mir fällt dazu gerad ein, daß „Sex haben“ gleichgesetzt ist mit „jemanden erkennen“ – wenn ich das richtig verstanden hab. Adam erkannte Eva – und das war nun wirklich bestimmt nicht tatenlos 😉 und ohne Frucht auch nicht *doppelgrins*
    Aber im Ernst: ich find den Zusammenhang immer wieder krass, daß Gott erkennen für ihn die gleiche Bedeutung hat, wie Sex haben. Und das Erkenntnis = äußerste Initmität bedeutet bzw. beides Eins ist und Erkenntnis nicht lediglich von Intimität abhängt.
    Wenn ich da nen Denkfehler hab, korrigier mich.

  6. @ tobi:
    ich verstehe das nicht ganz. eigentlich argumentierst du für den konstruktivismus, oder? ich tue das auf jeden fall, die ganze metatheologiereihe geht immer vom konstruktivismus aus. wobei ich selbstredend keinem solipsismus das wort rede. es gibt eine realität, sogar eine objektive (die offenbarung gottes), das ist einer meiner ausgangspunkte. nur wie wir diese offenbarung verstehen (erkenntnis), da wird es konstruktivistisch.
    das, was du beschreibst ist ja schon fast descartes. mit dem unterschied, dass dir nicht der zweifel sondern das „erkanntwerden“ der fixpunkt ist. nun denn, descartes wird auch gerne von konstruktivisten herangezogen. 😉

    @ micha:
    immer.

    @ aufwiegler:
    auf jeden fall. in einem der letzten erkenntnis-posts in der metatheologiereihe ginges genau darum.

  7. @ storch:

    Ja, da hast Du ganz recht. Im Grunde argumentiere ich für den Konstruktivismus und zwar auf die gleiche Art und Weise wie Du. Gott und seine Offenbarung ist wohl sowas wie objektiv (ich sage ‚wohl so was‘ weil subjektiv/objektiv ja auch bloß wieder menschliche Kategorien sind, in die wir Gott keinesfalls einfach schön einordnen sollten), diese ist uns aber nur vermittelt – über unsere Subjektivität – zugänglich. Inwieweit wir diese ‚objektive Offenbarung‘ korrekt erfassen, dazu haben wir keine Kriterien. Eben weil wir keinen Drittstandpunkt einnehmen können. Dies kan nur Gott. Wir können weder unsere Sicht von der Welt, noch unsere Ansicht von der Offenbarung Gottes damit vergleichen wie die Welt ‚an sich‘ und ebenso wie die Offenbarung Gottes ‚an sich‘ ist. Eben weil wir die Ebene ja nicht wechseln können und immer in unserer ’subjektiven‘ Sichtweise ‚gefangen‘ sind. Auch wenn wir die Bibel als Offenbarung Gottes haben, können wir ja gar nicht anders als sie vermittelt über und aus unserer ’subjekiven‘ Sichtweise heraus lesen und verstehen. Aber: Genau an dieser Stelle muss man meiner Ansicht nach über den herkömmlichen Konstruktivismus hinausgehen… denn: zwar sind wir in unser ’subjektiven Sichtweise‘ gefangen, jedoch ist diese so subjektiv gar nicht. Sie ist vielmehr intersubjektiv. Subjektiv ist sie weil die Sicht vermittelt über meine Subjektivität zu Stande kommt, Intersubjektiv ist sie jedoch, weil das wodurch meine Sicht, meine Perspektive geformt wird ja nicht meine eigenen subjektiven Erfindungen sind, also nichts individuelles sondern gerade was soziales. Anders: Was meine Perspektive/ Sichtweise formt sind ja gerade meine Sprache (die etwas soziales ist und ich nicht erfunden habe), historisch und kulturelle übernommene Denkschemata und Narrative, etc.
    Was unser Denken, Handeln und Wahrnehmen formt muss kritisch reflektiert und erforscht werden, wenn wir nicht in unserer kulturell-historischen Perspektive ‚gefangen‘ und uns der Offenbarung Gottes möglichst weiter annähern wollen. (Diesen Punkt einzugestehen und ihn positiv-kritisch benutzen zu wollen ist für mich übrigens einer der zentralen und neuen Punkte in der ganzen Emerging Church Diskussion.)

    Die Ebene des Intersubjektiven ist für mich aber vor allem wegen einer anderen Sache so zentral und wichtig: Gott geht es ja nicht darum uns eine objektive Offenbarung zu präsentieren, die wir nun wiederum möglichst objektiv uns aneignen müssen. (Denkt man so, hängt man glaube ich noch voll in der modernen Sichtweise). Vielmehr hat Gott sich selbst offenbart und gegeben. Er tritt uns also als Subjekt gegenüber und nicht als objektive Realität/ Offenbarung. Das ist doch der zentrale Punkt…Gott will eine persönliche Beziehung zu uns…von Subjekt zu Subjekt. Dieser relationale/ intersubjektive Aspekt ist in unseren Ohren nichts neues (persönliche Beziehung), was das jedoch krasses heißt haben wir jedoch glaube ich immer wieder übersehen/vergessen. So z.B. sind wir gewohnt die Bibel als Objekt/ etwas objektives zu sehen, dass man sich als Subjekt möglichst unverfälscht aneignen muss – dies hies für die Konservativen die Bibel (vermeintlich) wörtlich zu nehmen und für die Liberalen die Bibel mit ihrem Verstand nach Belieben zurecht zu biegen. Beide blieben somit jedoch letztlich in ihrer kulturellen Sichtweise gefangen und beide näherten sich als Subjekt einem Objekt und haben den entscheidendsten Punkt: das uns durch die Bibel als ein Medium ein, nein DAS lebendige Subjekt schlechthin begegnen und formen möchte.
    Diese neuzeitliche Subjektperspektive wollte ich bloß ein wenig irritieren als ich sagte, dass Gott uns erkennt und nicht wir ihn. Wenn schon interpretiert die Bibel uns, nicht wir sie. Diese Kritik dreht jedoch die herkömmliche Subjekt/Objekt-Perspektive bloß um und bleibt somit auch noch in ihrer Logik. Jedoch vielleicht einer erster notwendiger Schritt um diese zu dekonstruieren und zu realisieren was es krasses heißt das Gott (als Subjekt) uns (als Subjekt) begegnen will.
    Dazu gäbe es noch so viel zu sagen…aber nicht jetzt…

  8. @ tobi:
    yeah. ich bin da deiner ansicht. in den ersten posts dieser reihe ging es darum, dass die bibel nicht gottes wort für alle sondern für jeden ist, in dem sinne, dass jeder sie durch die brille seiner „psychosozialen gewordenheit“ sieht. später ging es dann um eine faktoren, die unsere erkenntnismöglichkeiten bestimmen und begrenzen. in diesem zusammenhang ist mir dann klar geworden, dass ich „erkenntnis“ nicht ausreichend definieren konnte und so kamen dann ein paar erkenntnis-post.

    „intersubjektivität“ ist ja im konstruktivismus ein wichtiges wort. ich verwende es etwas anders als du. für mich ist nicht der nährboden aus dem etwas neues oder altes kommt intersubjektiv sondern ein konsens ist intersubjektiv. wenn viele individuen die selbe subjektive wahrnehmung haben ist das intersubjektiv. wenn in der theologie eine solche intersubjektivität tradiert wird und nach generationen immer noch für die meisten sinn ergibt folgt daraus eine „grundwahrheit“. solche grundwahrheiten, die sich im laufe der jahrhunderte herauskristallisieren sind z.b. die lehre von der trinität gottes usw.
    damit ist intersubjektivität für mich ein theologisches prüfkriterium. aussagen, die sich über lange zeiträume etabliert haben bilden einfach hauptsachen an denen man nicht vorbeikommt.

  9. Schwarze Grüße aus Franken,

    Ich hoffe ich bin hier mit meinen Sachen jetzt richtig?? ok, Ich wollt mal fragen, ob das Gerücht stimmt, das du einen Verlag für Freakische Poeten machen willst. Da ich nämlich nen weg suche, meine Wunderbaren Werke Professionell zu veröffentlichen, kannst dir mal dieses hier anschauen (auch wenn das Gerücht nicht stimmt 😉 )

    http://24938.rapidforum.com/topic=101077450975

    ok weiter wollt ich noch zwei sachen sagen:
    1) Deine Predigten sind der hammer, zumindest was ich so Downloade *g*, klar is alles vom heiligen geist eingegeben und so, aber ich find der hat dir ne gute Mitte zwischen Biblischer Fundiertheit, und Spaß im Geist gegeben… super sache das!
    2) Deine Predigt Donnerstag aufm Freakstock, hat mich zurück in die ersten Werke geführt 🙂

    so, kannst mir ja schreiben

    Gott Segne(t) Dich!

    Der Markus von die Ansbacher.

  10. hi maggus,

    das stimmt so leider nicht. wir haben zwar einen verlag, aber nicht auf lyrik spezialisiert. eventuell könnte man mal einen sammelband lyrik machen, aber den müsste man erst mal haben.
    ich kenne nicht genug christliche posten für ein solches projekt.

  11. als ich soeben eine definition zu „erkenntnis“ über google im internet gesucht habe, wurde mir deine seite empfohlen…
    ich dachte das wäre interessant genug um hier gepostet zu werden…
    …mona… 😉

  12. @storch:

    es gab mal den versuch aus den Beiträgen im Innenseitenforum einen solchen Gedichtband zusammenzustellen. Aber so weit ich das gesehen habe scheiterte es eher daran, das viele Material zu sichten und auszusortieren. Also an der Menge der Posten sollte es nicht liegen, maximal daran, inwiefern sie verwendbar sind – und dem der darüber entscheiden will.

    Gruß

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