weiter geht es mit der metatheologie.
ich stelle mir den christlichen glauben und die offenbarungen der bibel gerne als eine tischdecke vor. ihr wisst schon, eine von diesen rot-weiss-karierten, die immer quer auf den tischen billiger restaurants liegen… diese tischdecken sind in der mitte fest gewoben und enden an den ecken und kanten in fäden, sie fransen aus.
genauso ist es mit der wahrheit der bibel: es gibt einige kernaussagen, die unmissverständlich geschrieben sind und insgesamt so klar formuliert sind, dass sie grundlagen des glaubens darstellen. diese grundlagen sind in den glaubensbekenntnissen festgehalten und sie kann eigentlich jeder unterschreiben, der christ ist. solche glaubensbekenntnisse gibt es immer noch viele und sie unterscheiden sich in art und inhalt teilweise erheblich voneinander, aber zumindest das „apostolische Glaubensbekenntnis“ aus dem katechismus werden wohl die meisten evangeliakalen christen als korrekt empfinden:

Ich glaube an Gott, den Vater,
den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
Amen.

mein eigenes glaubensbekenntnis würde etwas anders aussehen, der heilige geist und die bibel wären sicherlich stärker betont, dennoch finde ich, dass dieses bekenntnis die herzstücke des glaubens enthält. diese herzstücke machen das innere der tischdecke aus. wer darüber andere erkenntnis hat und etwa das heil aus christus leugnet, ist kein christ. ich weiss, dass das in einer liberalen welt eine starke aussage ist und dass auch der begriff „christ“ sehr aufgeweicht ist. aber das macht nichts. von der bibel her (apostelgesichte 11,26) ist ein christ jemand, der jesus nachfolgt und nicht jemand, der gute lebt und keine tiere isst.

das meiste, was über diese kernaussagen von gott, erlösung usw. hinausgeht ist auslegungssache und manchmal ist es sehr schwer, das auszulegen, denn je weiter wir uns vom kern entfernen umso unklarer wird es. so kommt es, dass in vielen wichtigen fragen eine grosse meinungspluralität herrscht. in diesen fragen kann und muss man diskutieren, aber auch etwas stehenlassen können. hier ist es die aufgabe der gemeindeleitung, die gemeinde in die „einheit des glaubens“ (epheser 4,13) zu führen, d.h. vor gott zu prüfen, welche theologie eine gemeinde in strittigen fragen vertritt. solche fragen gibt es tausende, ich will hier nur ein paar beispielhaft aufführen:

    jedes theologische system. egal ob es calvinismus ist, oder die glaubensbewegung, das täufertum oder der katholizismus, es gibt immer gute und schlechte punkte im system. manches ist stringent, manches hält einer ehrlichen prüfung nicht stand. generell halte ich festgefügte systeme für fragwürdig und gefährlich, aber da komme ich in einem späteren teil dieser reihe noch drauf zu sprechen. in jedem system kommt der punkt, an dem der „traditionsbeweis“ wichtiger wird als die ehrliche gewissensprüfung und das gebet des gläubigen. es gibt eine lehre oder eine auslegung, die verbindlich ist und nicht hinterfragt werden darf. in wenigen systemen wird das aussgesprochen, was die sache nur schlimmer macht.
    die lehre von der stellung der frau. das ist ein thema in dem ich ziemlich drin bin. insgesamt glaube ich nach abwägung der unterschiedlichsten sichtweisen, von ganzem herzen, dass frauen lehren und leiten dürfen. aber ich weiss auch, dass es viele gibt, die da eine andere erkenntnis drüber haben. das dürfen sie. es ist nicht unsere aufgabe christen zu überzeugen sondern unsere gemeinden in die einheit des glaubens zu bringen.
    die inspiration der bibel. ein punkt, der sehr heikel ist. noch vor wenigen dekaden gingen sehr viele christen von der „verbalinspiration“ aus. gottes wort wurde buchstabe für buchstabe an die menschlichen autoren diktiert. manche anhänger gingen so weit zu sagen, dass selbst die verszählung inspiriert war. mittlerweile gibt es viele andere ansichten und die meisten theologen geben auch menschlichen faktoren bei der entstehung der bibel raum.
    alles, was mit gemeindestrukturen zu tun hat.
    eschatologie: kommt erst jesus und dann die drangsal? oder ist es umgekehrt? gibt es eine entrückung? so weit ich weiss, gibt es eine einzige stelle, die eine entrückung beschreiben könnte, das ist wenig um eine lehre darauf aufzubauen. was ist mit dem tausendjährigen reich? usw.usf. es gibt so viele meinungen zu diesen themen wie es eschatologen gibt. ich hörte einmal von einer prüfung an einer bibelschule in der eine frage lautete: „finden sie zehn biblische gründe dafür, dass die entrückung vor der drangsal passiert“. die nächste frage lautete: „finden sie zehn biblische gründe dafür, dass die entrückung nach der drangsal passiert“. ich weiss nicht, ob die geschichte stimmt. aber sie bringt den punkt auf jeden fall gut rüber.

es gibt viele bereiche des glaubens, wo eine freiheit da ist, gottes wort so oder so zu verstehen. in diesen bereichen greift, was ich im ersten artikel zu dem thema gepostet habe: die offenbarung mag objektiv sein, die erkenntnis ist es sicher nicht und man kann nicht für alle entscheiden, was richtig ist sondern nur für sich selber oder für eine gruppe. in manchen fragen ist es allerdings so, dass sehr viele zur selben erkenntnis kommen. das könnte man als intersubjektivität beschreiben. hier glaube ich, dass gottes geist themen so stark betont hat und zwar bei so vielen menschen, dass das ergebnis ein weitgehender theologischer konsens ist. das trifft z.b. auf biblische randthemen wie die dreieinigkeit (schwer biblisch zu beweisen) zu oder die jungfrauengeburt (seltsamerweise ein echtes randthema im nt).

in diesen unklaren fällen ist missionarischer ehrgeiz nicht angebracht sondern vielmehr liebe und achtung. seltsamerweise sind es gerade randthemen, die gerne als auslöser für heftigen streit und sogar glaubenskriege genommen werden. augustinus [1|2|3|4|5] wird folgendes zitat zugeschrieben, das imho eine gute richtschnur im umgang mit theologie darstellt: „im wesentlichen einheit, im zweifelhaften freiheit, in allem aber liebe.“
dieser regel folgen leider wenige. die ansicht, dass gottes wort in allen punkten allen menschen das gleiche sagen muss ist so vorherrschend, dass christen andere verurteilen, bekämpfen und diffamieren, weil sie in manchen punkten anders denken. das sollte nicht so sein. guter theologischer austausch ist wichtig, aber er sollte dazu führen, dass unsere erkenntnis steigt und besser wird. flügelkämpfe sind in hohem masse kontraproduktiv.

in diese diskussion gehört auch die frage nach der irrlehre. aber die möchte ich lieber im nächsten post behandeln, denn der hier ist schon recht lang. tut mir leid, dass dieser blog oft lange artikel hat, das liegt daran, dass man manche themen nur etwas breiter behandeln kann. danke fürs lesen und für jeden kommentar, blogs eignen sich merh für einen austausch als ich dachte.

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3 Kommentare

  1. Hey Storch, ich lese regelmässig deinen Block. Vielen Dank für die Offenheit – schätze ich sehr. Das Zitat, das man evtl. Augustinus zuschreibt, ist sehr geil … “ in allem aber Liebe“.
    Wir sind uns mal in München über den Weg gelaufen, als du dort gepredigt hast. Als Gesicht nimm den Schlagzeuger von StarChamber, „dânn hâst mi!“ :). Gottes Segen, Dir und Deiner Arbeit.

    Bindersky

  2. Ja find ich voll cool was du schreibst. Wenn das die Leute auf Foren wie Jesus.de beherzigen würden….
    Naja ich frag mich manchmal, warum die Leute so verbissen für/gegen eine Lehre kämpfen.
    Ich denke, dass hat viel damit zu tun, wie Sachen vermittelt werden. Also entweder bei Pastoren oder bei Buchautoren ist es ja oft so, dass die einfach ihre Lehre darstellen ohne groß zu kommentieren, dass es Christen gibt, die anders denken. Das ist glaube der Fehler. Eine gesunde Toleranz fängt sicher in der Verkündigung an. Das man eben zB sagt: „naja die Landeskirche lehrt deshalb Säuglingstaufe wegen Apg. sowieso und wegen dem Wort ‚und das ganze Haus ward gläubich‘ und das macht auch Sinn, weil dadurch dargestellt wird: die Gnade Gottes geht unser Entscheidung vorraus. blabla Wir aber glauben an Erwachsenentaufe wegen der und der Stelle. Aber alle die an Säuglingstaufe festhalten wollen, sind trotzdem irgendwie willkommen.“
    Wenn die Leute darauf vorbereitet werden, dass es mehrere Meinung übern Thema gibt, dann sind die nacher nicht so „geschockt“ etc.

    BTW: kennste Tim Keller? Der macht das in seinem Q&A Sessions immer:
    http://www.redeemer2.com/resources/index.cfm?fuseaction=media

  3. hab hier noch zwei fachbegriffe,
    die damit zu tun haben
    „articuli (fidei) fundamentalis“ und
    „articuli (fidei) non-fundamentalis“

    das erste ist ne bezeichnung für die kernaussagen von theologie, wo man sagt,
    das ist der „kleinste gemeinsame nenner“.
    Die fundamentalen Glaubensaussagen halt.. Gott gibts, Jesus ist sein Sohn, Jesus ist an unserer stelle gestorben, Gott vergibt durch Jesus Sünden, Jesus ist wieder auferstanden usw..

    das zweitere sind theolog. Aussagen, über die man gut streiten kann..
    z.B. ob die Entrückung vor oder nach der Großen Trübsalzeit kommt,
    ob man als Christ kiffen darf,
    ob man als Christ CDU wählen muss usw..

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