17. Oktober 2010 0

Gebet verändert nicht Gott

So viel Jesus auch unterwegs war, es gab immer noch Orte, an denen er nicht war. Er sprach mit vielen Menschen, aber nicht mit allen. Auch wenn er viele heilte, gab es immer noch Kranke in Israel – ganz zu schweigen von der ganzen Welt! Mit der Zeit drängte sich eine Wahrheit immer dringender auf und wurde schmerzlich bewusst: alleine konnte er nicht die ganze Welt mit seinem Vater bekannt machen. Selbst seine zwölf Jünger reichten beim besten Willen nicht aus.
Wieder kam Jesus in einen neuen Ort und predigte in den Synagogen. Die Veranstaltungen waren rappelvoll, und als er aus dem Fenster sah, standen draußen noch mehr Leute. Da wurde er traurig, in seinem Inneren bewegte sich etwas, denn er sah die Menschen, wie sie wirklich waren: am Ende, planlos, ohne Perspektive und Sinn. Da reifte in Jesus ein neuer Plan.
„Petrus, Jakobus, Johannes, kommt mal alle her! Wo ist Judas? Vergesst Andreas und den Zeloten nicht, setzt Euch und hört zu!“ Nachdem sich alle gesetzt hatten und das Geraschel mit den Kleidern aufgehört hatte, gab ihnen Jesus eine Lehre über Gebet: „Es ist Erntezeit, die Felder sind so weit. Es gibt viel zu tun, bittet deswegen Gott, dass er Arbeiter in seine Ernte sendet, denn wir haben viel zu wenig Leute.“ (Matthäus 9,35ff)

Die Jünger waren keine Bauern, dennoch dürfte ihnen aufgefallen sein, dass sie es hier wieder einmal mit einem dieser schwierigen Aussprüche Jesu zu tun hatten, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben, über die man nachdenken und die man befolgen muss, um zu verstehen, was sie bedeuten. Dass die Felder reif zur Ernte waren, konnte man noch glauben. Immerhin hatten sie bei vielen Gelegenheiten erlebt, wie begeistert die Leute Jesus aufnahmen. Gut, es gab auch andere Gegenden, in denen sie nicht so willkommen waren, und im Laufe der Monate hatten sie eine Menge Staub von ihren Füßen geschüttelt, aber vom Prinzip her war das schon okay.
Verwirrender war das mit dem Herrn der Ernte, den man bitten musste, Arbeiter ins Feld zu schicken. Kein Bauer wäre so blöd, seine Ernte auf dem Feld verrotten zu lassen. Man musste keinen Bauer lange bitten, dass er Erntearbeiter anstellt – die Ernte war ja alles, was er besaß, darauf hatte er lange hingearbeitet, und er würde um keinen Preis vergessen, sie einzubringen. Das war schon eine harte Nuss, warum es gerade bei Gott anders sein sollte, der ja eine Ernte einbringen will, die viel wertvoller ist als Weizen, Mais oder Raps.

Jahrhunderte der Theologie und der Erfahrung mit Gott und seinen Wegen haben uns die Antwort auf diese Frage längst gegeben. Heute muss man sich richtig in die Geschichte hinein versetzen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie seltsam die Aussage Jesu eigentlich war. Die Frage lässt sich mit einem Satz beantworten, der so wichtig ist, dass man nicht mehr sagen kann, wer ihn als erster ausgesprochen hat. Die einen sagen Kierkegaard, andere nennen C. S. Lewis oder „die Mönche“ als Urheber. Wer auch immer es gesagt hat, hatte recht: „Gebet verändert nicht Gott, es verändert den Beter.“
Gott muss sich nicht verändern, er ist vollkommen und würde von Veränderung nicht profitieren. Aber wer betet, der wird von Gott verändert. Das haben Christen seit den Anfangstagen unseres Glaubens erlebt: auf unseren Knien finden die tiefsten Veränderungen unseres Lebens statt. Eben haben wir noch inbrünstig zu Gott gefleht, dass er Arbeiter in die Ernte schickt, da hören wir schon Gottes Geist leise zu uns sprechen. Wir sehen unsere Nachbarn; verpasste Chancen ziehen an unserem inneren Auge vorbei; wir spüren die Verlorenheit unseres Chefs, und ehe wir es uns versehen, stehen wir mit der Sichel in der Hand in Gottes Erntefeld.

Es ist unmöglich, zu beten und nicht Gottes Veränderung zu erfahren, denn wer betet, der setzt sich Gott aus. Ich schreibe nun schon eine ganze Weile – seit einigen Jahren – Gebetsartikel im Kranken Boten, und mehr als je zuvor möchte ich Euch bitten, das Gebet nicht zu vernachlässigen. Damit meine ich nicht, Anliegen runter zu rasseln, sondern wirklich zu beten: Gott suchen und auf ihn hören. Wer so zu beten lernt, der wird eine Dynamik in seinem Leben bekommen, die mit nichts anderem zu vergleichen ist.

[veröffentlichtim  kranken Boten]

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